Edgar Allan Poe
Gedichte
Edgar Allan Poe

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Das verwunschene Schloss

Übers.: Hedwig Lachmann

        Inmitten einer lieblichen Au,
Die kristallenes Licht übergoß,
Stand ehemals ein stolzer Bau,
Ein strahlend schönes Schloß.
Das Reich, wo es sich luftig erhob,
War des Königs »Gedanke« Land,
Und Seraphschwingen waren darob
Unsichtbar ausgespannt.

Goldgelbe Banner aus Damast
Wallten in Sonnenglut
Herab vom schimmernden Palast
Wie eine goldene Flut.
Und jeder schmeichlerische Zephyr,
Der mit den Blüten dort
Gekost, flog aus dem Zauberrevier
Als Wohlgeruch wieder fort.

Die Wanderer blickten in jenem Tal
Durch Fenster aus leuchtendem Glas
In einen hohen, blendenden Saal,
Wo des Reiches Gebieter saß.
Sein Thron war ganz aus edlem Gestein
Mir purpurnem Baldachin;
Davor schlangen Genien einen Reih'n
Zu Harfenmelodien.

Mit Perlen und Rubinen besät
War des Palastes Portal,
Durch dieses flatterten früh und spät
Echoschwärme ohne Zahl
Vor den König hin und sangen ihm
Mit Stimmen süß und leis
Einen Chorus wie von Seraphim
Zu immerwährendem Preis.

Doch wüstes Volk in der Sorge Gewand
Nahm Thron und Reich in Beschlag.
Weh, nie mehr dämmert in jenem Land
Der Tag, weh, nimmer ein Tag!
Und alles, alles, was dort umher
Je prangte an Herrlichkeit,
Ist nur eine traumhafte Mär
Aus längst vergessener Zeit.

Jetzt zeigen sich des Wanderers Blick
Gestalten knöchern und starr
Und schwingen sich zu toller Musik
In Reigen wild und bizarr.
Dieweil gleich einem lautlosen Strom
Sich in die ewige Nacht
Zur Tür hinausstürzt Phantom um Phantom
Und nimmermehr lächelt – doch lacht!

 


 


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