Franz Pocci
Lustiges Komödienbüchlein – Drittes Bändchen
Franz Pocci

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Das Märchen
vom
Rothkäppchen

in zwei Aufzügen.
Vorsatzblatt

Personen.

Waldminne, die Waldfee.
Heriwolf, ihr Sohn.
Der Zwerg Gübich
Rothkäppchen.
Michel, Waldbauer, und
Trudl, dessen Weib, Rothkäppchens Eltern.
Die alte Kathrin, Rothkäppchens Großmutter.
Kasperl Larifari, beim Waldbauer im Dienste.
Holzmann, Förster.
Lenzl und andere Bauern. Jäger.
Der Genius des Traumes.
Ein Wolf. Ein Mops.

l. Aufzug.

Felsenhöhle.

Morgendämmerung, sichtbar oben durch eine Felsenspalte.

Waltminne (sitzt auf einer Felsenbank)

Wo bleibt den Heriwolf mein Sohn?
Es flieht die Nacht, die Sonne schon
Seh' ich an Bergesspitzen glüh'n.
Der Wilde ist doch allzukühn!
Wie oft hab' ich's ihm untersagt,
Daß er in Tageshelle jagt;
Denn für die dunkle Feenwelt
Ist nur die heilige Nacht bestellt.
Verwünscht sein unbezähmter Drang,
Sein allzuwilder Jugendhang!
Er spürt wohl einem Wilde nach,
Verliert sich bis zum hellen Tag.
(ruft:) Hei! Gübich, Gübich, komm herbei,
Such' mir im Wald, wo Heriwolf sei!

(es kömmt Gübich, ein Horn an der Seite.)

Waltminne.

Such' meinen Sohn und eil' ihm nach,
Denn Unheil brächte ihm der Tag.

Gübich.

Wie oft soll ich den Sohn euch suchen?
Ich möcht' ihn lieber gleich verfluchen!
Was jagt er auch so unbedacht?
Wie oft hat's euch in Angst gebracht!

Waltminne.

Ei dießmal nur, thu's mir zu lieb!

Gübich.

Wer weiß, wo er umher sich trieb?
Ich selber muß den Tag ja flieh'n
Und mit den andern guten Zwergen
Muß ich mich in den Höhlen bergen.

Waltminne.

Drum sollst Du mit ihm heimwärtszieh'n
Noch eh' der Sonne goldner Strahl
Sich breitet m des Waldes Thal.

Gübich.

Ich geh', doch sorgt für gute Kost,
Legt einen Braten auf den Rost
Und kühlen Trunk mir auch bescheert,
Bin ich mit Heriwolf heimgekehrt.

Waltminne.

Hab' keine Sorg', ich lab Euch gut.
Troll ab und seid auf Eurer Hut.

(Gübich ab und stößt in's Horn.)

Der Morgenwind rauscht durch den Wald;
O komme, Heriwolf, doch bald!
In meine Höhle tret' ich nun,
Auf moos'gem Lager auszuruh'n. (ab.)

Verwandlung.

Freie Gegend vor einem Walde.

(Rothkäppchen eilt herein; Heriwolf, im mittelalterlicher Jägertracht ihr nach.)

Rothkäppchen. Ei, laßt mich ziehn! warum verfolgt Ihr mich?

Heriwolf. Du bist ein so schönes Kind, daß ich Dich lieb habe. Komm mit mir! Ich bringe Dich zu meiner Mutter und da hausen wir zusammen.

Rothkäppchen. Ich habe schon eine Mutter und auch einen Vater. Ich bedarf Eurer und Eurer Mutter nicht.

Heriwolf. Aber so gut, wie bei uns, hast Du's doch nicht zu Hause. Denk' Dir: lauter Spielzeug aus purem Golde und Perlen und Edelgestein zum Geschmeide, und was Du immer zu Deiner Freude verlangen magst an Speis und Trank – Alles, Alles sollst Du haben.

Rothkäppchen. Brauche alles Das nicht. Hab genug an meinen Nürnberger Spielsachen, und meine Puppe ist wunderlieb. Hab' auch zu Essen und zu Trinken genug. Milch und gutes Brod und die schönen Waldbeeren, wie ich sie eben in mein Körbchen sammelte, nebenbei. Sieh! und da kamst Du, wilder Bursch, und störtest mich im Beerenpflücken.

Heriwolf. Ich laß Dich nicht und sollt' ich Dich mit Gewalt festhalten müssen. Du mußt mit mir!

(Man hört Gübich's Hornruf)

Wie? was hör' ich? Gübich's Horn! – Verdammt! Der sucht mich, weil es tagt. Was kümmert 's mich? So komm denn, schönes Kind! Folge mir. Es soll Dich nicht gereuen. (will sie umfangen.)

Rothkäppchen. Laßt mich, laßt mich! Hört, Euere Jagdgenossen rufen euch.

Heriwolf. Das sind meine Diener, die mir zu gehorchen haben. Ich bin der Herr der Jagd! König des Waldes bin ich! (Hornstoß) Schweig mit Deinem Rufe!

(Gübich tritt ein.)

Gübich.

Hab ich Dich endlich? die Mutter ruft
Aus ihrer dunklen Höhle Kluft.
Komm heim, komm heim! sieh'st Du den Tag,
Der keine Feeen leiden mag?

Heriwolf.

Der Sonne Fluch und Fluch auch Dir,
Daß Du mir jetzt begegnest hier!
Sieh her, dieß wunderliebe Kind,
Ich will es haben zu meinem Gesind.

Gübich.

Komm, Heriwolf, 's ist hohe Zeit,
Und unser Weg ist noch so weit.

Heriwolf.

Ich will nicht, laß mich nur allein'
Und geh'st Du nicht, tränk' ich Dir's ein!

(schlägt nach Gübich, unterdessen entflieht Rothkäppchen. Gübich hält ihn fest.)

Heriwolf.

Laß ab, was hält'st Du mich so fest?
Das Vöglein flog mir aus dem Nest.

(plötzlich wird es heller Tag.)

Weh mir!

Gübich.

Weh' uns! Der Sonne Macht
Stürzt uns zurück in Geisternacht!

(Es donnert und Beide versinken.)

(Kasperl mit einer Holzaxt tritt ein.)

Kasperl. In aller Fruh schon schickt mich der Bauer 'raus, daß ich im seine Bäum' umhau' und gibt mir vorher nix z' essen, als e Suppen und sechs Knödl drin! Wo soll nachher der Mensch seine Kraft hernehmen? Jetzt bin ich schon so schachmatt, daß ich selber gleich umfall'n könnt, wär' ich nicht durch das sittliche Bewußtsein meiner Berufsthätigkeit gehoben. (mit Pathos.) O, hätte ich mich nie herbeigelassen, aus Hunger und Durst in die Dienste des gemeinen Oekonomiebusitzers, vormals Bauernsimpel, zu tröten! O, warum habe ich nicht auf meiner gelehrten, das heißt geleerten Wanderschaft, bei der mein Magen alleweil leer war, fort und fort und immer forter zu wandern vorgezogen, bis ich ein meiner Oualifixation würdiges Obdach oder Dach überhaupt gefunden haben hätte hätte! (in gewöhnlichem Tone) Schlipperdibix! Muß ich zu dem verdammten Holzbauern kommen, wo wirklich Alles von Holz ist: 's Haus ist von Holz, Tisch und Bänk sind von Holz, mein Strohsack ist so hart wie Holz, 's Brod ist so altbacken, daß man meint, man beißt in an eichene Rinden, die Knödl, die Nudl – Alles ist wie von Holz! So was kann meine weiche, gemüthvolle, zarte Conflexion nicht ertragen! O Schicksal! O Sal des Schickes! warum verfolgst du mich von meinem zartesten Alter an? Was hab' ich verschuldet, als daß ich Schulden gemacht hab, wo ich nit zahlen hab' können? Uebrall, bin ich halt allweil der prügelte, gstriegelte Unglückskasperl und in allen Komödien bin ich dem bösen Prinzip verfallen, und ich bin doch kein böser Prinz, sondern der kreuzfidele Kasperl! Jetzt muß ich gar den ganzen Tag Holz hacken, als wenn ich a Baumhackel wär und mein Unglück steht alleweil klafterweis vor mir. Kreuzschlipperdibix, bin ich aber jetzt schon wieder müd. Das macht die furchtbare Anstrengung, daß ich die Viertelstund vom Haus bis daher gegangen bin. Ich muß mich nur a bißl niedersitzen. Unser Rothkapperl ist auch schon in aller Fruh fortgangen zum Beerlbrocken. Das ist wirklich a liebs Kind. Mir redt's aber z' hochdeutsch. Das kommt aber von dem neudeutschen gstudierten Lehrer, den's in der Schul hab'n. Bei dem verlernen die Kinder ihre angeborene Nationalitätsbauernsprach und werden alle Hochdeutschdümmler. Oho! da kommt grad's Rothkäpperl. Ja wo kommst denn Du schon in aller Fruh her?

Rothkäppchen. Du weißt ja Kasperl, daß mir die Mutter befohlen hat, zur Großmutter in's Dorf hinüber zu gehen, um nachzufragen, wie es mit ihr steht, weil sie krank ist, und da hab' ich mir auch gleich Waldbeeren gepflückt; aber das war mir beinah schlecht bekommen.

Kasperl. Hast vielleicht zu viel Beerl'n gessen und hast nacher 's Bauchzwicken kriegt.

Rothkäppchen. Ei, was denkst Du! Nein, mir ist etwas ganz anderes begegnet.

Kasperl. A was? begegnet ist Dir wer? Das ist mir schon oft begegnet, daß mir wer begegnet ist.

Rothkäppchen. Hör nur, Kasperl: Als ich durch den Wald herging – 's war noch ziemlich dunkel und Du weißt, ich fürchte mich aber gar nicht, wenn's auch finster ist – –

Kasperl. A, beileib, das weiß ich schon,

Rothkäppchen. Als ich so durch den Wald ging, da kam plötzlich ein schöner Jüngling auf mich zu.

Kasperl. Oho, wär nit übel! aber wenn's so dunkel war, wie hast' denn sehen können, daß's ein Jüngling war und daß der Jüngling noch dazu ein schöner Jüngling war?

Rothkäppchen. Ich weiß nicht – aber seine ganze Gestalt war wie von einem hellen Schimmer umgeben.

Kasperl. Das war vielleicht ein Kaminkehrer mit der Latern.

Rothkäppchen. Ei, was nicht gar. Es war ein Jüngling mit einem Jagdspeer und ein Horn an der Seite.

Kasperl. Da hab'n wir's: so war's nacher der alt Hiesl, der Nachtwachter vom Dorf mit seim Spieß und seim Ochsenhorn zum Blasen. Ein schöner Jüngling das!

Rothkäppchen. O nein: der junge Jäger grüßte mich freundlich und frug mich, wer ich sei und wohin ich ginge – –

Kasperl. Nacher war's also der Nachtwachter net; das is der Gendarm g'wesen; der hat dich für a verdächtige Person angseh'n und hat Dich schlexaminirt.

Rothkäppchen. So schweig doch, Kasperl, und laß Dir weiter erzählen – aber, sieh, da kömmt der Herr Förster mit dem Vater. Ich könnte Zank bekommen, daß ich noch nit bei der Großmutter bin, sondern mich da verschwätze. Bhüt Gott! (springt fort.)

Kasperl. Das war ein schöner Anfang von einer schönen Gschicht. Dummheiten da! Das Mädl hat gschlafen und nacher hat's ihr träumt von ei'm verwunschenen Prinzen, der ihr begegnet ist. Das kommt aber von denen Gschichten, die der neu Lehrer den Bub'n und Madl'n alleweil vorlest, da krieg'n die Kinder lauter Fabeln in' Kopf!

(Förster Holzmann und Michel.)

Kasperl. An ghorsamsten guten Morgen, Herr Forstner!

Holzmann. Guten Morgen, Kasperl; auch schon fleißig?

Michel (während Kasperl fortwährend Reverenzen macht.) Ja, schön fleißig! Vor einer Stund' hab ich'n zur Holzarbeit 'raus gschickt und jetzt steht er noch da und ist noch net amal in Wald 'nein gangen.

Kasperl. Das sieht der Bauer wieder nit ein mit seiner Bauernweisheit. Ist denn's Hergeh'n kein Arbeit und muß der Mensch nit rasten von Einer Arbeit, bis er die Andere wieder anfangt?

Holzmann (lacht) Der Kasperl hat ganz recht. Gut Ding braucht Weil und es fällt kein Baum auf Einen Hieb. Zeitlassen – da bringt man was vom Fleck und bei Uebereilung kömmt niemals was heraus.

Michel. No, da muß der Kasperl a Mordskerl sein: denn übereilen thut er sich bei der Arbeit nie, Herr Forstner: aber beim Essen und Trinken da gehts frisch weg, gelt Kasperl?

Kasperl. Ja, bei Euerm Essen geht's freilich frisch weg und kurz weg, weil wir so wenig hab'n. Kurze Haar sind bald bürst't, heißt's; und wenig z' Essen is bald gfressen, was uns Dienstboten anbelangt beim Waldbauern. Den Magen hat sich noch keiner überstaucht bei euch; aber eine Magenverengung und Darmschwindsucht könnt man kriegen vor lauter Hunger.

Michel. Ei so lüg! Hör auf mit Deim Geplausch. Der Herr Forstner hat was Gscheiters z' reden.

Kasperl. Was Gscheiters z' reden und was Bessers z' Essen.

Holzmann. Gut, gut, Kasperl. (zu Michel) Also wo steh'n Deine Bäume, Waldbauer? Die Eichen, die du mir zum Kauf angeboten hast?

Michel. Gleich da drinnen auf a par hundert Schritt in mei'm Holz.

Holzmann. Wenn Du einen billigen Preis verlangst, so werde ich sie wohl kaufen können; denn wir brauchen Eichstämme zur Umzäunung des Wildparkes, mehr, als wir jetzt in der Staatswaldung fällen können.

Michel. Herr Forstner wissen ja, daß ich a billiger Mann bin.

Holzmann. So komm, laß einmal sehen! (Mit Michel ab.)

Kasperl (allein.) O du billiger Mann Du! Ist das auch billig, wenn Du dem Kasperl nit g'nug z' essen gibst oder wenn der Kasperl nit g'nug an dem hat, was d' ihm gibst? Verflixte Bauernkost. Da heißt's alleweil Knödel oder Nudel, Nudel oder Knödl, Nudl, Nudl, Nudl, Nudl, Nudl, Nudl, Nudl alle Tag! Wie ich noch respektabler Schnoiderguselle war, hat's dach bisweilen einen gebratenen Gaißbock abgsetzt oder a gstohlne Katz in der Rahmsoß – aber jetzt! – – Jetzt muß ich halt doch a bißl zum Holzhacken geh'n. Also auf! Kasperl, beginne den Tagslauf deiner rastlosen Thätigkeit und wirke für die Menschheit, die im Winter a Holz zum Einheizen braucht! (ab.)

Verwandlung.

Kleine Stube der alten Kathrin.

An der Wand steht ein Bett. Vorne neben einem Tischchen ein Lehnstuhl, in welchem die Großmutter sitzt.

Kathrin. Wo nur heut's Mädl bleibt? Geht auf Mittag und sie ist noch nit da. Gewöhnlich kommt's ja schon am frühen Morgen, das gute Kind. Wird ihm ja doch nichts passirt sein! Wenn ich nur nit so von der Gicht geplagt wär; ich ging mit dem lieben Kind so gern spazieren. Auweh! zwickt's wieder! Auweh? – Da hat mir der Doktor eine neue Medizin verschrieben, aber die hilft halt auch nichts. Ich glaub meine achtzig Jahrln die sind mein Hauptkrankheit. Die alten Knochen und Beinere ohne Mark müßen Ei'm ja weh thun. Auweh! reißt's. Jetzt hat's mir wieder an Stich geb'n. Wenn nur's Mädl käm; da hätt ich doch a Zerstreuung, weil's mir was vorlesen kann bis ich einschlaf. O mein, o mein! Wenn man alt wird, da ist's nichts mehr mit'm Menschen. Auweh! mein Fuß! Ich mein, es reißt mir'n Einer ab.

(es klopft an der Thür.)

Wer ist draußen?

Rothkäppchen (von Außen.) Großmutter, ich bin's.

Kathrin. Du bist's? No, das ist recht. Im Ofenthürl draußen liegt der Schlüssel. Sperr nur auf.

Rothkäppchen (sperrt von Außen auf und tritt ein.) Grüß Gott, Großmutter, Grüß Gott!

Kathrin. Aber Du kömmst heut spat, Kind!

Rothkäppchen. Ach, verzeih mir, Großmutter. Ich hab mich unterwegs mit dem lustigen Kasperl aufgehalten; Beeren hab ich auch gepflückt. Willst Du welche? Sieh, das ganze Körbchen ist voll.

Kathrin. Dank dir, liebs Kind. Da, setz' dich auf die Fußbank zu mir und wenn du gegessen hast, so lies mir was vor aus'm Eulenspiegel.

Rothkäppchen. Darf ich dir nicht aus dem anderen Buch vorlesen, in dem die schönen Geschichten und Märchen steh'n? Bitt gar schön!

Kathrin. Meinetwegen! aber mir ist eigentlich der Eulenspiegel viel lieber; der ist gar so unterhaltlich zum schlafen. Auweh, zwickt's mich!

Rothkäppchen. Arme Großmutter, hast du wieder Schmerzen?

Kathrin. Ja, die lassen nit aus. Das ist so grad mein Zeitvertreib, wenn ich allein bin, weil ich nix treiben kann. Stricken oder Spinnen kann ich nit, weil meine Finger steif sind; lesen kann ich nix, weil ich nix sieh und weil ich's lesen nit glernt hab und da ist's grad recht, wenn's mich bisweilen a bißl zwickt oder reißt in die Glieder; das gilt für en Unterhaltung. So, jetzt fang z' lesen an, Mädl!

Rothkäppchen (blättert im Buche, das auf dem Tische liegt.) Ach! da ist die Geschichte vom daumlangen Hansl.

Kathrin. Geh weiter mit der Gschicht; das ist Alles verlogen. Wie kann denn ein Mensch so winzig klein sein wie der Daumen?

Rothkäppchen. Es ist eben ein Märchen. – (liest.) »Vom wunderschönen Prinzen Goldhaar.«

Kathrin. No, das laß ich mir gefall'n, das ist was Neu's. Fang nur an. Auweh, reißt's mich in der großen Zeh!

Rothkäppchen. »In einem fernen Lande lebte einst eine Königin, welche Califaxia hieß –

Kathrin. Wie? Wie hat die Königin geheißen?

Rothkäppchen. »welche Califaxia hieß.«

Kathrin. Das is a curioser Namen. Der steht nit im Kalender. Weiter!

Rothkäppchen. »welche Califaxia hieß und einen Sohn hatte. »Diesen nannte man Goldhaar, weil er so schönes »goldenes Haar hatte.«

Kathrin. Geh! wer hat denn schon gold'nes Haar ghabt auf der Welt. Das hab'n nur die Engerln im »Himmel und's Christkindl in der Wiegen.

Rothkäppchen. »Eines Tages nahm der Prinz Goldhaar Köcher »und Bogen – –

Kathrin (wird schläfrig) Wer?

Rotkäppchen. Der Prinz.

Kathrin. Was?

Rothkäppchen. Köcher und Bogen.

Kathrin. Was ist denn das, Köcher und Bo ....

(schläft ein.)

Rothkäppchen. Großmutter, du hörst ja nicht zu.

Kathrin (vom Schlaf auffahrend.) Auweh, zwickt's mich! – Ich hör schon; also Bogen.

Rothkäppchen. »Köcher und Bogen, und ging in den Wald hinaus, um zu jagen. Da begegnete ihm ein hübsches kleines Mädchen« – Großmutter hörst Du? – Sie ist eingeschlafen. So will ich für mich weiter lesen. »Er grüßte das Mädchen und das Mädchen grüßte ihn wieder; und sie gingen zusammen ein Stück Wegs, als« – – jetzt werd' ich selbst schläfrig; ich bin eben früh aufgestanden und müde geworden – (liest) »und sie gingen zu- »sammen – – – ein – – « ich glaub' ich schlafe – – selbst – – »ein Stück Wegs« – –

(ist eingeschlafen.)

(Unter Harfenmusik hüllt sich der Hintergrund in rosige Wolken ein; der Genius des Traumes erscheint.)

Geisterchor (oder der Genius spricht.)

Es grüßt, Rothkäppchen, Dich der Traum,
Der schwebt auf ros'ger Wolken Saum.
Sieh hier das schöne Luftgebild:
Wie Dir der Jüngling lächelt mild!
Geduld, es kömmt vielleicht die Zeit:
Das Bild wird Dir zur Wirklichkeit!

(Im Hintergründe erscheint Heriwolf in Rosenschimmer.)

Der Vorhang fällt langsam.

Ende des ersten Aufzuges.

II. Aufzug.

Felsiges Thal (wie Anfangs des I. Aufzugs)

Nacht. Der Mond am Himmel.

(Waltminne; bei ihr, den Kopf in ihren Schoß gelegt, liegt der Wolf. Nebendran Gübich als Mops.

Waltminne.

So ist gescheh'n, mein armer Sohn,
Was ich befürchtet lange schon!
Hätt'st Du der Mutter Wort bedacht,
Lägst Du nicht in Verzauberungsnacht.
Dein wildes Stürmen ist nun Schuld,
Daß Du verlorst der Götter Huld
Und daß Du deiner Mutter Herzen
Entrissen bist zu tausend Schmerzen.
Das Reich der Nacht verließest
Du Und jagtest kühn dem Tage zu,
Und als die Sonne Dich beschien,
Da sank die schöne Hülle hin,
In eines Wolfes Thiergestalt
Verwandelte Dich Fee'ngewalt.

Und also spricht der Götter Fluch
Und heiliger Gesetze Spruch:
So lange sollst ein Wolf Du bleiben,
Als wildes Thier umher Dich treiben,
Bis Du gebüßt hast Deine Schuld
Und Dir gewonnen Götterhuld.

Wolf.

Weh mir, o Mutter, welch harte Pein,
Im Zauber so gefangen sein!
Vergib den Frevel, den ich übte
Und daß ich Dich so sehr betrübte!

Waltminne.

Dich Ein Mal noch bei mir zu seh'n,
Ward mir erlaubt nach heißem Fleh'n.
Nun aber muß ich von Dir lassen,
Den eignen Sohn als Wolf zu hassen!

Mops

Verdammt! wär's euer Sohn allein;
Doch muß auch ich verzaubert sein.
Er hielt mich fest, als ich ihn fing,
Bis dann die beste Zeit verging,
So daß, als ich ihn Euch gesucht,
Ich ward zur Mopsgestalt verflucht.

Waltminne.

Geduld, mein Gübich! mir thut's leid,
Daß Du unschuldig wardst gefeit
Und nun fortan in Hundgestalt
Mußt laufen über Wies und Wald.

Mops.

Das wird ein rechtes Hundeleben!
Wer soll mir jetzt mein Futter geben?

(Ein dumpfer Glockenklang hallt durch die Lüfte.)

Waltminne.

Weh mir! es hallet nun das Zeichen,
Daß Du, mein Sohn, von mir mußt weichen.
Leb wohl! Leb wohl! o welch ein Schmerz!
Es will mir brechen 's Mutterherz!

Wolf.

Leb wohl, o Mutter, gedenke mein!
Nun flieh ich in den Wald hinein,
Um mich zu bergen in grüner Nacht
Und in der Felsen kaltem Schacht.

(Waltminne versinkt.)

Da steh ich nun ein bös Gethier
Und fühle schon des Wolfes Gier
So recht nach wilder Bestien Art.
O weh mir, das ist allzu hart!
Mein Inn'res sträubet sich dagegen,
Weil edler Sinn in mir gelegen;
Des Wolfs Natur verlangt nach Blut,
Doch Heriwolf hat sanften Muth.
Getheilt ist meine Wesenheit,
Und mit mir selbst bin ich im Streit.

Mops.

Und ich, vormals der Gnomen Zier,
Muß fügen mich in Hundsmanier;
Soll nun auf allen Vieren laufen,
Wohl gar mit andern Hunden raufen.
Verflucht bist Du! das dank ich Dir.

Wolf.

Du dauerst mich, das glaube mir;
Doch flieh' mich jetzt, Du armer Tropf,
Sonst kostet's Dich gar bald den Kopf.
Des Wolfes Hunger treibt mich schon;
Ich bitte Dich, o lauf' davon!

Mops.

So lauf ich denn in weiter Fern'
Und such mir einen and'ren Herr'n,
Daß Heriwolf, der Wolf jetzt ist,
Nicht seinen eignen Diener frißt. (ab)

Wolf. (allein).

Der sucht die Menschen, ich muß sie flieh'n,
Um in Waldeinsamkeit zu zieh'n.
Wolfshunger spür' ich, wilde Lust;
Das Herz erbebt mir in der Brust;
Fort, fort! ich muß! ich lechz' nach Blut,
Es reißt mich hin des Wolfes Wuth! (ab)

Verwandlung.

Tag. Bauernstube in Michels Haus.

Michel (tritt ein) Der Handel war gut. Ich gib dem Herrn Forstner 20 Eichstämm', und der Forstner gibt mir für Ein'n 40 Gulden. Das macht also 20 Stuck zu 40 Gulden, macht also 40 mal 20, oder 20 mal 40, das macht grad 800 Gulden. Das Geld kommt mir grad recht. 200 Gulden bin ich dem Nachbarn schuldig; bleiben noch 600 Gulden, wenn ich's ihm zahlt hab. 200 Gulden vergrab' ich hinten im Gartl draußen unter'm alten Birnbaum, damit ich a bars Geld hab, wenn ich Eins brauch, – bleiben nacher noch 400 Gulden. Da kauf ich mir a neue lederne Hosen, macht 9 Gulden, und das Andre leg' ich auf Interessi. Ja der Michel versteht sein Sach! A gute Milchkuh könnt ich auch noch brauchen und an guten Hammel in' Schafstall; und meiner Trudl muß ich doch auch a Freud machen. Der kauf ich en Lebzelten und a neu's Kopftüchel; aber nacher bleibt's dabei: das Andre leg ich auf Interessi. Aber z'vor geh ich noch in's Wirthshaus und thu mir an guten Tag an. Ich sauf mir an Rausch; aber die Trudl darf nix davon wissen und das Ander' leg ich auf Interessi. Ja, der Michel versteht sein Sach. Aber a neue Hutschnall'n brauch ich auch noch und a Par blaue Strümpf für die Sonn- und Feiertag!

(Kasperl singt und lacht draußen.)

No, was hat denn der wieder für a Metten? Das ist a rechter Narr, der Kasperl.

(Kasperl tritt ein, den Mops an der Schnur.)

Kasperl. Da schau her, Bauer! Da schau her! mir ist a Mopperl zuglaufen. Das ist a Glück!

Michel. O mein Narr, was thust denn du mit an Mopperl? Wir hab'n ja den Sultan im Hof.

Kasperl. Sonst hab' ich auch kein' Freud auf der Welt, also wird der Bauer nix einzwenden haben gegen mein Mopperl. Gelt, liebs Hunderl? Und d' Bäurin freut's gwiß auch und's Rothkapperl erst! Die wird a Freud haben! – So, Mopperl, jetzt hast en guten Herrn. Nix z'fressen und brav Schläg.

(Mops bellt und springt.)

Ja bell nur! Kannst keine Kunststückeln?

(Mops bellt.)

Michel. Von mir aus kannst'n b'halten den Mopperl; Aber futtern mußt'n selber. Kannst'n ja aus deiner Schüssel mitfressen lassen. So, schön's Mopperl, bist ja gar a freundlich's Viecherl! (ab)

Kasperl. So ist's recht. Hab ich selber nit gnug und jetzt soll ich'n Mopperl auch noch futtern? Macht aber Nix. Gelt, Mopperl? wir kommen schon gut aus mitenand. Jetzt probir'n mir amal, ob du was kannst. Allo: schön Aufwarten! Allo! Aufwarten schön! Allo – kannst es Aufwarten nit? (schlägt ihn. Der Mops knurrt und bellt) 's Aufwarten mußt mir lernen. Schön, setz dich! (läßt ihn aufwarten) So ist's recht. Nach und nach geht's schon. Jetzt spring auch a mal! (streckt den Fuß hinaus) Allo, hops, hops! (der Mops springt und stößt den Kasperl, daß er hinfällt) Oho! Mopperl! Langsam! Also noch a mal. (Streckt das Bein wieder hinaus) Hopsa!

(Der Mops springt und stößt den Kasperl wieder um.)

NB. In dieser Scene ist dem Kasperl Spielraum zum Improvisiren gegeben.

So, das Springen kannst so passabel. Brav Mopperl! Wart a bißl. Das brave Hundl soll jetzt auch was z'fressen krieg'n. A bißl a Wasser und kein Milch drin, aber dafür Bröckeln auch nit.

(Geht ab.)

Mops (allein).

So wär ich an den rechten Herrn gerathen!
Da gibt's wohl Schläge, doch keinen Braten;
Nun bin ich eines Narren Hund
Und darf nicht aufthu'n meinen Mund.
Ich soll nur bellen, bisweilen knurren,
Und möchte gern in Worten murren;
Dieß aber ist der arge Bann,
Daß ich bei Menschen es nicht kann!

(Lärm und Geschrei draußen, der Mops kriecht unter den Tisch.)

(Trudl stürzt herein; Michel ihr nach, dann Kasperl.)

Trudl. O mein, o mein, das Unglück, das Malär!

Michel. Was gibts denn? Du thust ja wie narrisch!

Trudl. O mein, o mein! Alles ist aus!

Michel. Was ist's denn? so red' amal!

Trudl. Der Wolf, der Wolf!

Michel. Was für a Wolf? Der Vader?

Trudl. Der Wolf ist in Schafstall kommen und hat uns d'Schaf zrissen!

Michel. Auweh! Auweh! – aber s' hat ja in der ganzen Gegend seit Menschengedenken kein Wolf g'haust!

Trudl. Geh nur 'naus; da wirst es schon sehen, ob der Wolf nit g'haust hat.

Kasperl (zittert am ganzen Leib). Auweh! auweh! Der Wolf! Ich hab noch nie an Wolf gsehn! der Wolf! auweh!

Trudl. Wie ich's Wasser am Brunnen gholt hab, hab ich d'Leut im Dorf auf einmal schreien sehn und laufen hörn. Nacher ist er durch die ober Gassen dahergr'ennt. Sie hab'n glaubt, 's war a großer Hund; aber nacher hat er gleich'n Schullehrer umgrissen und'n Meßmer in d'Wadl zwickt und ist schnurstracks zu unserm Stallfenster 'neingrumpelt und darin rumgfahren wie a Narr. D'Schaf haben elend plärrt. Ich hab mich auf'n Taubenkobel versteckt und bald drauf is er wieder 'nausgrennt, voller Blut und ein Schaf hat er im Rachen forttragen und – und – o mein! das Unglück! Auf d'letzt kommt er über's Jungvieh auch noch!

Kasperl (zitternd). Und mich frißt er auch noch! Auweh! und mein Mopperl!

Michel. Ich kenn mich gar nit aus vor Schrecken!

Trudl. Nacher is gleich's ganze Dorf rebellisch word'n und d' Leut sand durchenander gloffen, wie narret; und der Herr Forstner und die Jäger sind auch mit ihre Gwehr kommen; aber der Wolf ist hinten über'n Lenzl sein Anger in's Holz 'naus.

Holzmann (kommt herein mit einem Gewehr). Heda, Bauer! Alles muß 'raus! Alles muß zusammenhelfen! Ein Wolf hat sich sehen lassen. Alle Bauern müssen ausrücken; das ganze Dorf muß hinaus!

Kasperl. Müß'n d' Häuser auch mit naus?

Holzmann. Jetzt ist keine Zeit zum Spaß machen. Allo! nehmt Stecken, Prügel, Beile oder was ihr habt! Man muß auf den Wolf Streif halten.

Trudl. O mein Gott! wenn nur der Wolf 's Rothkapperl nit erwischt! Die könnt grad im Heimgeh'n sein von der alten Mutter herüber, Wenn's ihm nur nit in' Rachen lauft!

Holzmann. Drum fort, hinaus, hinaus! Meine Jäger sind schon auf dem Weg, den Wald zu umstellen.

Michel. Ja, Herr Forstner, da müss'n wir freilich alle zusammenhelfen. Aber meine Schaf, meine Schaf! Wer zahlt mir meine Schaf?

Holzmann. Vorwärts! zur Wolfsjagd! hallo!

(Alle ab. Kasperl nimmt den Mops mit.)

Verwandlung.

Freie Gegend vor dem Walde (wie im I. Aufzug)

Wolf (rennt herein.)

Was so'n Wolf doch für'nen Hunger hat!
Zwei Schafe fraß ich und grad bin ich satt.
Hier will ich zur Verdauung etwas ruh'n,
Dann hol ich zum Dessert mir noch ein Huhn.
Das ganze Dorf ist auf den Füßen
Und endlich wird man mich erschießen;
Flieh'n muß ich, weil der Wolf es will,
Der arme Heriwolf hielt gerne still,
Damit, könnt' er dadurch Erlösung hoffen,
Er von des Jägers Kugel werd' getroffen.
Sieh da! Rothkäppchen kömmt den Weg;
Schon trippelt sie dort auf dem Steg.
Ich will mich hinter einen Busch verstecken;
Sie könnte gar zu sehr an mir erschrecken.

(versteckt sich.)

Rothkäppchen (tritt ein). Ach, die arme Großmutter! heute muß sie gar im Bett liegen, so schwach ist sie. Ich fürchte, daß die gute Frau nicht lang mehr lebt. Schon gestern war sie so matt, als ich ihr vorlesen mußte. Aber wie? Ich bin ja selbst eingeschlafen und was hatte ich für einen wunderbaren Traum! Den schönen Jüngling sah ich, wie er mir freundlich zunickte. Ei was! die dummen Träume! Ich will lieber schnell heimgeh'n, um der Großmutter ein Töpfchen gute Suppe zu holen.

Wolf. (hinter dem Busch). Rothkäppchen, guten Tag!

Rothkäppchen. Wer ist da?

Wolf. Ich bin's.

Rothkäppchen. Ja, wer bist Du denn?

Wolf. Fürchte Dich ja nicht, wenn ich mich Dir zeige.

Rothkäppchen. Ei, warum sollt' ich mich fürchten? Wer wollte mir etwas zu leid thun?

(Der Wolf tritt heraus.)

Rothkäppchen. (erschrickt). O weh, ein Wolf!

Wolf. Ich bin allerdings ein Wolf; allein von sanftem Gemüthe; und da ich vor Kurzem ein Paar Schafe verzehrt habe, brauchst Du keine Angst zu haben, von mir etwa gefressen zu werden; denn mein Wolfshunger ist ja gestillt und wenn ich nicht hungerig bin, so hat es gar keine Gefahr mit mir.

Rothkäppchen. Das ist aber höchst sonderbar. Und wie kömmt's denn, daß Du wie ein Mensch sprichst? Ich habe noch immer gehört, daß die Wölfe nur heulen können.

Wolf. Sieh, liebes Rothkäppchen, ich bin eben ein gebildeter Wolf. Es ist bei den Thieren, wie bei euch Menschen: Es gibt ungebildete Wölfe und Wölfe von guter Bildung und Erziehung. Zu den Letzteren gehöre ich.

Rothkäppchen. Das ist curios. Also brauch ich mich wirklich nicht zu fürchten und davonzulaufen?

Wolf. Ganz und gar nicht. Aber sag' mir, liebes Mädchen, wo kommst Du denn des Weges daher und wo gehst Du hin?

Rothkäppchen. Jetzt geh ich heim und dann gegen Abend gehe ich wieder zur Großmutter im Nachbardorf da drüben, um sie zu pflegen.

Wolf. Du bist wirklich ein recht braves, liebes Kind. Wie alt bist Du denn?

Rothkäppchen. Ich bin schon aus der Feiertagsschule und bin kein Kind mehr, sondern ein Mädchen von 14 Jahren – bald 15.

Wolf. Du gefällst mir so gut, daß ich Dich, wenn nicht aus Hunger, doch aus Liebe auffressen könnte.

Rothkäppchen. Das wäre mir die rechte Wolfsliebe!

Wolf. Denkst Du noch an den Jäger, der Dir gestern früh im Walde begegnet ist?

Rothkäppchen. O ja. Er hat mir recht gut gefallen; aber wie weißt Du das?

Wolf. Ich ging eben im Walde dort seitwärts spazieren und habe euch beobachtet. Sage mir, Rothkäppchen, wenn der Jäger Dir einmal wieder begegnete und Dich zur Frau nehmen wollte, was würdest Du sagen?

Rothkäppchen Ich? – ei, was fällt Dir ein, Wolf?

Wolf Nun, ich frage nur so. Was sagst Du dann?

Rothkäppchen Wenn's nun einmal geheirathet sein müßte, so wäre mir der schöne, freundliche Jäger ganz genehm. Aber was schwatz ich da? Ich muß heim. Adieu, Herr Wolf!

Wolf. Adieu, liebes Rothkäppchen! Wünsche guten Appetit.

Rothkäppchen Gleichfalls. (springt fort)

Wolf (allein). Welch liebes Kind! – Wenn mir jemals die Stunde der Erlösung schlägt, so will ich gerne auf alle Vortheile des Fee'nlebens verzichten. Ich wollte dann nur ein Fürst des Waldes werden und das liebe Rothkäppchen zur Frau nehmen. Hört es, ihr Götter! Ich verlange keine Zauberkräfte mehr, wenn ihr mir nur mein Wolfsfell abnehmt und mich zum Menschen macht. – – Aber jetzt regt sich schon wieder die Wolfsgier in mir. Der Hunger pocht an meinen unersättlichen Wolfsmagen. Ich will zu Rothkäppchens Großmutter laufen, um sie aufzufressen; sie stirbt ja ohnehin bald, die gute alte Frau. Sie wird zwar ein etwas zäher Bissen sein, allein den Hunger stillt's doch. (ab.)

(Förster Holzmann mit Jägern, Michel, Lenzl und andere Bauern, mit Stöcken und Aexten bewaffnet.)

Holzmann. Jetzt aufgepaßt, Männer! Also da herein ist er gelaufen, Lenzl?

Lenzl. Ja, Herr Forstner; in das ander Holz 'nüber hab' ich'n rennen seh'n, wie ich vor einer halben Stund auf meim Acker da draußen war.

Michel. Wenn er nur drüben net 'naus ist, das Galgenvieh!

Holzmann. Nur ruhig! Wir krieg'n den Kerl schon. Paßt nur auf, was ich euch sage.

Lenzl. Ja, g'sagt ist gleich, Herr Forstner; aber bis wir'n krieg'n, da kann er derweil die Schaf von unserm ganzen Dorf aufg'fressen haben.

Michel. Und wer weiß, was er nacher noch Alles frißt und zerreißt!

Holzmann. Warum nicht gar. Folgt nur meiner Anweisung: Ihr Bauern umstellt das Holz. Ich und meine Jäger, wir gehen still durch den Wald, der Spur nach. Einem muß er kommen. Entweder kommen wir zu Schuß oder Ihr schlagt ihn draußen todt.

Michel. Probir'n wir's halt, wie's der Herr Forstner anschafft; denn der muß's ja versteh'n.

Lenzl. Kommt's, Kameraden! Wir gehn links und ihr geht rechts und der Herr Forstner und die Jäger mitten durch.

(Kasperl kömmt mit dem Mops an der Schnur.)

Kasperl. Der Kasperl kommt auch zur Jagd und bringt seinen Fanghund mit. Z' Haus hab ich mich a bißl gfürcht't.

Holzmann. Gut, Kasperl! wir können dich auch brauchen. Wenn der Wolf rückwärts herausbringen will, so treibst du ihn ab.

Kasperl. Wenn aber der Wolf mich anpackt? Da dank' ich gar schön.

Holzmann. Das brauchst du nicht zu fürchten; denn ein gejagter Wolf packt Niemanden an. Also auf! auf! Aber anfangs ganz still.

Die Bauern. So geh'n mir halt. (Alle ab.)

Kasperl (allein.) Auweh! jetzt sind's Alle fort und haben den Kasperl allein g'lassen. Ich bin zwar kein Schaf, aber der Wolf könnt halt doch an Appetit auf mich kriegen. Ich schieb' ab und der sicherste Platz ist das Wirthshaus. Komm Moperl, gehn wir zum Wirth. (Mops bellt. Ab.)

Verwandlung.

Stube der alten Kathrin. Der Wolf liegt im Bett, die Nachthaube der alten Großmutter auf dem Kopf.

Wolf. Die Alte hab' ich gefressen und jetzt lieg ich in ihrem Bett. Das war aber ein miserabler Bissen. Nun muß das arme Rothkäppchen dran! Es ist schrecklich und mein Herz sträubt sich gegen diesen Gedanken; aber mein Wolfsrachen verlangt darnach. Wie strafen mich doch die Götter für meinen jugendlichen Uebermuth so fürchterlich! Der sanfte Heriwolf ist zum Raubthier geworden, weil er die Gesetze des Fee'nreichs übertreten hat; weil er in froher Jagdlust die Grenzen des nächtlichen geheimen Lebens überschritten. – – Wenn nur die alte Großmutter ein fetterer Bissen gewesen wäre, so könnte ich jetzt mit gutem Gewissen Rothkäppchen kommen sehen. Allein so, mit halbgesättigtem Magen überwältigt des Wolfes Heißhunger, diese bestialische Verwandlung die sanften Empfindungen des armen Heriwolf. Schauderhaft! – Ich dürste nach Blut. Ich muß sie zerreißen. Weh mir! weh ihr! da kommt sie.

(Rothkäppchen kommt, ein Körbchen am Arm.)

Rothkäppchen. So, liebe Großmutter, da bin ich und bringe die Suppe, die ich auf deinem Heerde aufwärmen kann. Wie geht's dir jetzt?

Wolf. So passabel.

Rothkäppchen. Aber was hast Du für eine rauhe Stimme Großmutter?

Wolf. Ich habe etwas Katarrh. (räuspert.)

Rothkäppchen. Das thut mir leid. (Tritt an's Bett) Ei! was hast Du für große Ohren!

Wolf. Damit ich besser hören kann.

Rothkäppchen. Und für große, große Augen!

Wolf. Damit ich Dich besser sehen kann.

Rothkäppchen. Und was für große Hände!

Wolf. Damit ich Dich besser packen kann.

Rothkäppchen. Und was für ein entsetzlich großes Maul!

Wolf. Armes Kind! damit ich Dich fressen kann!

(Springt aus dem Bette auf Rothkäppchen; zugleich fällt ein Schuß durch das Fenster herein und der Wolf stürzt getroffen hin.)

Rothkäppchen. Mein Gott, der Wolf!

Holzmann (stürzt herein.) Hab ich Dich, Galgenbestie?

(Rothkäppchen ist vor Schrecken umgesunken.)

Holzmann (ihr beistehend.) Sei ruhig, Herzenskind. Alle Gefahr ist vorbei. Erhole Dich.

Rothkäppchen. So leb ich? – O gütiger Herr Förster, Sie haben mir das Leben gerettet. Aber gewiß hat das wilde, abscheuliche Thier die gute Großmutter gefreßen.

Holzmann. Danken wir dem Himmel, daß nicht auch Du ein Opfer dieses Raubthieres geworden bist. Ich will die Bauern holen, daß sie den Wolf forttragen. (ab) .

(Donnerschlag. Der Wolf versinkt und Heriwolf erscheint an seiner Stelle.)

Heriwolf. Ich bin erlöst! Kennst Du den Jäger noch, Rothkäppchen?

Rothkäppchen. Wie ist mir? Das ist ja Zauberei.

Heriwolf. Jetzt bist Du mein und ich lasse Dich nicht mehr von mir.

(Donner. Waltminne erscheint mit Gübich.)

(Die Dekoration verwandelt sich in einen Zauberhain, im Hintergrunde ein erleuchtetes Schloß.)

Waltminne. So sei's auch mein Sohn. Du hast in dieser kurzen Zeit gebüßt durch den Zwiespalt der Natur, dem du unterworfen warst. Die Götter sind versöhnt. Sieh, auch Gübich, der gute Knecht, ist entzaubert. Jenes Zauberschloß habe ich Dir zum Aufenthalt bestimmt. Nun bist du der Fürst des Waldes und Rothkäppchen magst du heimführen als deine Braut!

Rothkäppchen. Wer bist Du, schöne Frau? Und Du schöner Jäger? Bin ich denn selbst verzaubert?

Waltminne. Verzaubert bist Du nicht, aber Du bist in das Reich der Phantasie versetzt.

Heriwolf. Und in die Märchenwelt. Komm mit mir auf mein Schloß! Deinen Kindern und Kindskindern magst Du einst selbst erzählen das Mährchen vom

Rothkäppchen!

Schlußgruppe und glühende Beleuchtung.

Ende.


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