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Lysiteles. So gar Vieles geht mir zumal jezt im Kopf um,
So gar vielen Schmerz macht das rastlose Sinnen;
Voll Unruh zerquäl' ich, zerarbeit' ich mich: weh!
Das Herz hier, das hofmeistert mich wie ein Frohnvogt.
Und doch ist mir's unklar, und nicht ganz entschieden,
An welch einem Grundsaz ich festhalten könnte,
Und was uns am sichersten zum Ziel führt im Leben.
Ist's Lieb' oder Geldwerth? Wonach soll ich trachten?
Wo, hier oder dort, strömt an freundlicherer Sonne
Der Glücksstrom des Lebens?
Ich weiß meines Raths nicht;
(er sinnt eine Weile nach)
Ja, so will ich's halten:
Ich will Beides abwägen, will hier in dem Rechtsstreit
Zumal Richter sein und zumal auch Beklagter.
So sei's, so gefällt mir's!
Erst beginn' ich mit der Liebe, wie sie durch das Leben leitet.
Nie verlockt sie den in's Garn, der nicht zuvor den Lüsten fröhnte;
Den verlangt sie, den verfolgt sie, ködert ihn mit list'gem Schmeicheln,
Lockt ihn aus der Bahn mit süßem Worte, lügt und nascht und stiehlt,
Führt den Lüstling in's Verderben, plündert ihn, geberdet sich
Reizend im Gewand der Armuth, spürt verborg'nen Dingen nach.
Denn sobald Einer liebt, rinnt das Geld flugs hinaus,
Schmilzt hinweg, wenn ein Kuß, Pfeilen gleich, ihn durchbohrt.
»Gib mir das, süßer Freund! Liebst du mich, hörst du wohl.«
Unser Fant sagt darauf: »Püppchen, da! Gern geschieht's;
Wenn du sonst was verlangst, daß ich dir schenken soll,
Du bekommst's.« Und er hängt, wird gepeitscht.
Doch sie will mehr und mehr;
Ja, sie hat nie genug, wird ihr nicht immer mehr,
Was sie zecht, was sie schmaust und verthut. Eine Nacht
Schenkt sie ihm! – Kommt ein Troß Diener ihm nun daher,
Zofen, Salber, Silberhüter, Fächer- und Sandalenmägde,
Sängerinnen, Juweliere, Boten hin und Boten her,
Die den Brodschrank und den Beutel plündern: er, indem er Allen
Willfahrt, wird zum Bettler.
Bedenk' ich's im Geist nun, erwäg' ich, daß Nichts gilt,
Wer Nichts hat: hinweg dann, vor dir, Liebe, graut mir,
Bin gram dir, so süß auch Gelag' ist und Schmaus ist.
Liebe schafft dir herbes Leid und Reue nur, sie flieht den Markt,
Vertreibt deine Freunde, sie mag nie sich selbst seh'n,
Und Niemand im Volk will dein Freund mehr genannt sein.
Tausendfach sei mir die Liebe fern, verabscheut, sei vergessen!
Sichrer ist der Sprung vom Felsen, als der Sturz in ihre Tiefen.
Weg mit dir! Fern bleib' o Liebe! Meine Freundin seist du niemals!
Viele sind, die du dir unterworfen, die du quälst und marterst.
Auf, wohlan! Tugend sei meine Wahl, wenn ich auch
Sauren Schweiß schwizen muß.
Denn der Rechtschaff'ne sucht Geld und Gut, Ehre, Ruhm,
Gunst, Vertrau'n. Dieses ist edlen Sinns schöner Lohn.
Lieber denn will ich mit Guten im Bunde sein,
Als daß ich lebe, prahlenden Schwäzern gesellt.
Philto. Lysiteles.
Philto. Wo hinaus lief der Mensch wohl so schnell aus dem Haus?
Lysiteles. Mein Vater, hier bin ich; gebeut nur, ich folge
Sogleich, will mich niemals entzieh'n deinem Anblick.
Philto. Schön, mein Sohn, wenn du mich, wie du bisher gethan,
Fürder in Ehren hältst! Ist dir dein Vater lieb,
Will ich nicht, daß du dich schlechtem Volk zugesellst
Auf dem Weg, auf dem Markt, und mit ihm Rede pflegst.
Kenn' ich doch dies Geschlecht, welcher Art Alle sind.
Schurke sucht Schurken nur, daß er ihm ähnlich sei.
Tugend wankt, das Laster herrscht nur, Habsucht, Raubgier, Eifersucht;
Nichts ist heilig, kein Gemeingut gilt, nach Allem hascht die Brut.
Dieses schmerzt mich, dieses quält mich, darum sing' ich Tag und Nacht:
»Hüte dich!« Was ihre Hand nicht greifen kann, das lassen sie
Unberührt; sonst heißt es: Raube, schleppe, fleuch, verstecke dich!
Seh' ich das, entlockt mir's Thränen, daß ich diese Menschenart
Noch erlebte, nicht vorlängst zu meinen Vätern ging: denn hier
Loben sie die alten Sitten; was sie loben, schänden sie.
Solcher Art fröhne nicht, übe sie nimmerdar,
Lieber Sohn, laß durch sie deinen Sinn nicht entweih'n!
Lebe nach meiner Art, wie die Altvordern einst!
Thue, wie ich es dich lehrte! Mich widert's an,
Das feine Wesen, das sich mit dem Laster paart,
Wodurch der Edle sich beschimpft.
Nimmst du dir diese Gebote zu Herzen,
Dann haftet viel Gutes im Grund deiner Seele.
Lysiteles. Allezeit von frühster Kindheit kam ich bis auf diesen Tag
Deinem Wink und Willen, Vater, ohne Widerrede nach.
Zwar dem Geist nach glaubt' ich immer frei zu sein; doch deinem Wink
Meinen Sinn zu unterwerfen, hielt ich stets für meine Pflicht.
Philto. Wenn ein Mensch von früher Kindheit an mit seinen Lüsten kämpft,
Ob er lieber handeln solle, wie des Herzens Lust ihn treibt,
Oder so, wie's seine Eltern und Verwandten gerne seh'n,
Ist's vorbei, wenn ihn die Lust schlug; ihr nur fröhnt er dann, nicht sich.
Hat er selbst die Lust geschlagen, lebt er, ist der Helden Held.
Wenn du deine Lust besiegt hast, nicht sie dich, so freue dich;
Wenn du so bist, wie du sein sollst, besser ist's, als wie: du willst.»Wenn du so bist, wie du sein sollst, besser ist's als wenn du bist, wie du sein willst.«
Wackrer ist es, seine Lüste zwingen, als ihr Sklave sein.
Lysiteles. Immer hielt ich das für meiner jungen Jahre besten Schild,
Daß ich nie dorthin verirrte, wo der Markt des Lasters ist,
Noch die Nacht auswärts durchschwärmte, noch nach fremdem Gute griff.
Daß ich nie dir Kummer machte, Vater, war ich streng bedacht.
Eine Wehr für dein Gebot war immer meine Folgsamkeit.
Philto. Sohn, warum dich dessen rühmen? Thatst du wohl, frommt's dir, nicht mir.
Meine Jahre flieh'n zum Ende; dir allein gilt, was ich sprach.
Wacker ist nur, wen's bekümmert, ob er gut und wacker sei.
Wer sich selbstgefällig anschaut, ist nicht brav noch edler Art.
Decke Gutthat stets mit neuer guter That, sonst regnet's durch.Philto ermahnt seinen Sohn, sich seiner guten Aufführung nicht zu rühmen, sondern eine gute Handlung stets mit neuen guten Handlungen zu »decken«, damit sie nicht verderbe, und ihren Werth behalte, so wie man die Häuser gegen den eindringenden Regen durch Dächer schüzt.
Nur in dem, der sich verachtet, wohnt des Edlen ächter Kern.
Lysiteles. Vater, darum sprach ich also, weil es Etwas gibt, um das
Ich dich eben bitten wollte.
Philto. Was denn? Gern gewähr' ich dir's.
Lysiteles. Einem Jüngling edlen Stammes, meinem Altersfreunde dort,
(er deutet auf das Haus des Lesbonikus)
Der ein wenig unbesonnen sein Vermögen durchgebracht,
Möcht' ich, wenn du mir's gestattest, helfen.
Philto. Doch mit deinem Geld?
Lysiteles. Ja, mit meinem; denn was dein ist, ist auch mein und umgekehrt.
Philto. Darbt er denn?
Lysiteles. Ja wohl.
Philto. Besaß er was?
Lysiteles. Ja.
Philto. Wie verlor er's denn?
Ließ er sich in einen Statspacht, in ein Seegeschäft sich ein?
Trieb er Handel, hielt er Sklaven, daß er um das Seine kam?
Lysiteles. Nichts von all dem.
Philto. Was denn anders?
Lysiteles. Lauter Herzensgüte war's.
Einen Theil wohl hat er auch in Lustbarkeiten durchgebracht.
Philto. Nun, mit gar zu vieler Freundschaft sprichst du von dem Menschen da,
Der ja doch durch seine Schuld nur um das Seine kam und darbt.
Daß du Menschen solcher Art so nahe stehst, behagt mir nicht.
Lysiteles. Weil der Mensch ohn' alles Arg ist, helf' ich ihm in seiner Noth.
Philto. Dankt es doch der Bettler Keinem, der ihm Trank und Speise reicht.
Was du dem gewährst, verlierst du, ihm geschieht ein schlechter Dienst:
Du verlängerst ihm das Leben und damit sein Elend auch.
Dies erwähn' ich nicht, als ob ich dir nicht gern willfahrte; nein,
Red' ich so von deinem Freunde, geb' ich dir nur einen Wink,
Daß dich so nicht Andrer jammre, daß du selbst einst jammern mußt.
Lysiteles. Ihn zu verlassen, ihm im Unglück nicht zu helfen, schäm' ich mich.
Philto. Nun, sich schämen klingt in allen Sylben besser, als sich grämen.
Lysiteles. Vater, durch die Huld der Götter, durch der Ahnen Kraft und deine
Haben wir viel wohlerworbne Güter. Halfest du dem Freund,
Gräme dich nicht, daß du's thatest; schäme dich, es nicht zu thun.
Philto. Nimmst du weg von großem Reichthum, wird es minder oder mehr?
Lysiteles. Minder. Aber weißt du, was man einem Undienstfert'gen wünscht?
»Was du hast, das habe nicht, und was du nicht hast, habe: Noth;
Sintemal du weder dir noch Andern etwas Gutes gönnst.«
Philto. Daß man so zu sagen pflegt, das weiß ich wohl; indeß, mein Sohn,
Undienstfertig ist, wer nichts hat, was zum Dienst ihn fertig macht.
Lysiteles. Durch die Huld der Götter haben wir für eignen Nothbedarf,
Haben wir genügend Mittel, wackern Freunden beizusteh'n.
Philto. Nun, fürwahr! Dir kann ich freilich nichts versagen, was du willst.
Wessen Armuth willst du lindern? Sag's dem Vater keck heraus.
Lysiteles. Da dem jungen Lesbonikus gilt's, dem Sohn des Charmides,
Dem da drüben –
Philto. Der verthan, was ihm gehört und nicht gehört?
Lysiteles. Vater, schilt nicht! Vieles kommt, was man gewollt und nicht gewollt.Der Sinn ist: die Menschen haben gute und böse Zufälle nicht in ihrer Gewalt.
Philto. Sohn, du bleibst nicht bei der Wahrheit, handelst nicht in deiner Art.
Denn der Weise schafft sich immer sein Geschick mit eigner Hand;
Und geschieht ihm, was er nicht will, trägt der Schöpfer nur die Schuld.
Lysiteles. Wer des Glückes wackrer Schöpfer für sein Leben werden will,
Schafft an einem großen Werke; freilich – der ist allzu jung.
Philto. Durch den Geist, nicht durch das Alter, wird die Weisheit unser Theil.
Alter ist des Weisen Würze; Weisheit ist des Alters Kost.Er will sagen: das Alter an sich bringt keine Weisheit mit sich, es kann nur allenfalls eine Würze der Weisheit werden; im Gegentheil kann die Weisheit oft durch das Alter verzehrt werden. Daher ist die Sittlichkeit das Erzeugniß guter Grundsäze, welche schon der Jüngling erwerben und in sich nähren soll, und der Tugend, deren der Jüngling so gut fähig ist, als der Greis. Köpke.
Doch – was denkst du ihm zu geben?
Lysiteles. Vater, geben will ich nichts.
Wehre mir nur nicht zu nehmen, wenn er mir was geben will.
Philto. Wirst du seine Noth erleichtern, wenn du etwas nimmst von ihm?
Lysiteles. Vater, ja.
Philto. Nun, laß mich wissen, wie du das ausführst.
Lysiteles. Wohlan!
Weißt du, welches Hauses Sohn er ist?
Philto. Er stammt vom besten Haus.
Lysiteles. Eine Schwester, die heranwuchs, hat er, eine stattliche,
Schöne Jungfrau; diese, Vater, wünscht' ich wohl als meine Frau
Heimzuführen.
Philto. Ohne Mitgift?
Lysiteles. Ohne Mitgift.
Philto. Und als Frau?
Lysiteles. Wenn du nichts dawider hast. Ihm thust du so den größten Dienst,
Und in bess'rer Weise wahrlich hilfst du seiner Noth nicht auf.
Philto. Wie? Du wolltest ohne Mitgift eine Frau –
Lysiteles. Gestatte mir's,
Und erhöh' auf diese Weise, Vater, unsers Hauses Ruhm.
Philto. Manch gelehrte Sprüche könnt' ich mit beredtem Munde dir
Kundthun; alter, neuer Mähren viel bewahrt mein graues Haupt.
Doch ich sehe, wie du Gunst und Liebe lockst in unser Haus,
Und so sehr ich erst entgegen kämpfte, stimm' ich nun dafür:
Ich gestatt' es, freie, nimm sie.
Lysiteles. Gott erhalte dich für mich!
Doch um Eins noch muß ich bitten.
Philto. Und das Eine?
Lysiteles. Höre! Du
Geh hinein zu ihm, gewinn' ihn, wirb für mich.
Philto. Ei, seht mir doch!
Lysiteles. Was du thust, führt schnell zum Ziele; was du thust, hält Alles Stand,
Und ein Wort von dir hat mehr Gewicht, als hunderte von mir.
Philto. Siehe da! Durch meine Güte fand ich hier genug zu thun.
Doch es sei!
Lysiteles. (umarmt ihn)
Mein Allerliebster! Dies das Haus, hier wohnt er – heißt
Lesbonikus. Auf, besorg' es! Ich erwarte dich daheim.
(geht ab.)
Philto (allein).
Philto. Wohl ist es nicht das Beste, nicht nach meinem Sinn;
Doch ist es immer besser, als das Schlechteste.
Auch tröstet dieses Eine mich und mein Gemüth:
Der wird zu Schanden, welcher nur, was ihm allein
Gefällt, dem Sohn zuwider auszuführen strebt;
Er härmt sich ab, und schafft am Ende nichts damit.
Ja, wer daheim das böse Wetter aufgeregt,
Bereitet sich für's Alter rauhe Tage nur.
Doch – das Haus, wohin ich wollte, thut sich auf: erwünscht
Tritt Lesbonikus selbst heraus mit seinem Knecht.
Lesbonikus. Stasimus. Philto (bleibt zur Seite stehen).
Lesbonikus. Kaum sind es vierzehn Tage, daß dir Kallikles
Für dieses Haus die vierzig Minen ausbezahlt.
Ist's wie ich sage, Stasimus?
Stasimus. Bedenk' ich's so,
Dann magst du wohl Recht haben.
Lesbonikus. Was geschah damit?
Stasimus. Es ist verschmaust, verzecht, versalbt, im Bad verthan.
Der Fischer, Bäcker, Fleischer, Koch, der Gärtner hat's,
Der Salbenhändler und der Vogelfänger hat's;
Zerronnen ist es, schneller ging's, als wenn du Mohn
Ameisen hinwirfst.
Lesbonikus. Alles dies ja kostet nicht
Sechs Minen.
Stasimus. Aber was du dann den Mädchen gabst?
Lesbonikus. Das rechn' ich ein.
Stasimus. Und was ich stahl?
Lesbonikus. Das ist das Haupt!
Stasimus. Das kannst du nicht so finden, wenn du rechnen willst,
Du glaubtest etwa, daß dein Geld unsterblich sei.
(bei Seite)
Zu spät und albern – früher hätt' er's sollen thun –
Berechnet er's, nachdem er all sein Geld verthan.
Lesbonikus. (für sich rechnend, nach einer Pause)
Und rechn' ich noch so lange, bring' ich's nicht heraus.
Stasimus. O ja, die Rechnung kommt heraus; das Geld ist fort.
Die vierzig Minen nahmest du von Kallikles,
Er nahm das Haus von dir zu Kauf.
Lesbonikus. Nur allzuwahr.
Philto. (bei Seite)
Ich glaube gar, der Schwager hat sein Haus verkauft.
Kommt nun sein Vater, hat er vor der Thüre Plaz,
Wenn er dem Sohn nicht in den Magen kriechen will.
Stasimus. Und tausend Drachmen, welche du laut Rechnung ihm
Noch schuldig warest, zahltest du dem Wechsler heim.
Lesbonikus. Die ich versprochen –
Stasimus. Sage: die ich ausgezahlt –
Die man für dein Versprechen jüngst von dir erpreßt
Für jenen Jungen, den du für vermögend hieltst.
Lesbonikus. Gescheh'n!
Stasimus. Ja, du verlorst das Geld.
Lesbonikus. Auch dies geschah.
Jezt seh' ich ihn im Jammer, und mich jammert sein.
Stasimus. Wohl; doch für dich, Herr, hast du weder Gram noch Scham.
Philto. (für sich)
Jezt ist es Zeit zu gehen.
Lesbonikus. Kommt nicht Philto hier?
Bei Gott, er ist's!
Stasimus. (leise zu Lesbonikus)
Ich wollte, daß der Alte da
Mein Sklave würde, wie er ist, samt seinem Geld.
Philto. Den Herrn und Diener, Lesbonikus und Stasimus,
Heißt Philto vielwillkommen.
Lesbonikus. Was du wünschen magst,
Gewähre dir der Götter Huld. Was macht dein Sohn?
Philto. Er will dir wohl.
Lesbonikus. Nun, also fühl' auch ich für ihn.
Stasimus. (für sich)
Ein albern Wort: »er will dir wohl«, wenn er's nicht thut.
Frei will auch ich sein, und mein Wollen ist umsonst.
Der wünscht ein guter Wirth zu sein, und wünscht's umsonst.
Philto. Verschwägerung zu stiften zwischen ihm und euch
Und enge Freundschaft, sendet mich mein Sohn zu dir.
Er wünscht sich deine Schwester zum Gemahl, und ich
Bin gleichen Sinns und will es.
Lesbonikus. Nicht mehr kenn' ich dich:
Du spottest meiner Dürftigkeit in deinem Glück.
Philto. Ich bin ein Mensch, du bist es auch. Bei'm höchsten Gott!
Nicht dein zu spotten kam ich her, auch wär's nicht recht.
Nein, wie gesagt, mein Bester, ging mein Sohn mich an,
Daß ich für ihn um deine Schwester werben soll.
Lesbonikus. Wie meine Lage, weiß ich doch am besten selbst.
Für euren Anhang wahrlich paßt der unsre nicht.
Sucht euch Verwandtschaft anderwärts, wo's euch gefällt.
Stasimus. (zu Lesbonikus)
Bist du bei Sinnen oder bei Verstande noch,
Und schlägst ein solches Anerbieten aus? Ein Freund,
Der Hülfe bringt»Ein Freund, der Hülfe bringt«, im Römischen amicus ferentarius. Die ferentarii waren leichte Truppen, vornehmlich der römischen Reiterei, die von dem Heerführer schnell zu Hülfe geschickt wurden, wo das Treffen wankte. Mit Anspielung hierauf nennt Stasimus den Philto amicum ferentarium, einen allzeit fertigen Freund, der dem Bedrängten Hülfe bringt. , ist dieser, das ist offenbar.
Lesbonikus. Fort, geh zum Henker!
Stasimus. Ging' ich, du verbötest es.
Lesbonikus. Du, willst du sonst nichts, Philto, weißt du den Bescheid.
Philto. Ich hoffe, Lesbonikus, daß du freundlicher
Mir einst begegnen werdest, als du heute thust.
Denn thöricht handeln, thöricht schwazen, Beides ist
Zu Zeiten, Lesbonikus, nicht wohl angebracht.
Stasimus. Er redet wahr, bei'm Himmel!
Lesbonikus. Sprichst du noch ein Wort,
So kostet dir's ein Auge.
Stasimus. Traun, ich rede doch.
Und darf ich's so nicht, sprech' ich's aus, zur Hälfte blind.
Philto. (zu Lesbonikus)
Du meintest also, nimmermehr zu vergleichen sei
Dein Haus und deine Mittel mit den unsrigen?
Lesbonikus. Ja.
Philto. Nun gesezt, du kämst zu einem Opferschmaus;
Da kommt ein Reicher, so wie du, von ungefähr;
Man tischt ein Mahl aufBei besonderen Veranlassungen, z. B. bei Triumphen und öffentlichen Spielen, wurden dem Volke Gastmähler in den Tempeln gegeben, wobei die Clienten für ihre Schuzherren die Speisen aufzutragen pflegten. , wie man sagt, für's Volk bestimmt,
Ihm sezen die Clienten viele Speisen vor,
Und dir gefällt von diesen was: nun, äßest du,
Sprich, oder lägst du neben ihm und fastetest?
Lesbonikus. Ich äße, wenn er's nicht verwehrt.
Stasimus. Verwehrt' er's auch,
Ich äße, fräße, beide Backen vollgestopft;
Was ihm gefiele, schnappt' ich ihm vom Munde weg,
Gönnt' ihm von meinem Leben»Von meinem Leben«, d. h. von dem, was die Freude meines Lebens ist. nicht das Mindeste.
Bei Tische darf man nicht verschämt und blöde sein;
Dort gilt es ja der Götter und der Menschen Recht.Anders übersezt: Weil über Erde und Himmel dort entschieden wird. Der Sinn ist: weil dort die wichtigsten Angelegenheiten ausgemacht werden.
Philto. Du triffst die Wahrheit.
Stasimus. Ohne Hehl erklär' ich dir:
Ihm weich' ich aus dem Wege, wo er wandeln mag,
Lass' ihm im Volk die Ehre. Was den Bauch betrifft,
Da weich' ich keinen Daumen breit vor ihm zurück,
Er siegte denn im Faustkampf über mich. Ein Schmaus
Bei dieser Theurung ist ein Erbtheil unverkürzt.»Ein Erbtheil unverkürzt«, wörtlich: ohne Opfer. Mit dem Antritt einer größeren Erbschaft war die Verpflichtung verbunden, große Familienopfer zu veranstalten, deren Kostspieligkeit den Betrag der Erbschaft bedeutend »verkürzen« mußte. Der Sinn ist: dieser Schmaus ist wie eine Erbschaft, die man ohne Opfer antritt, und also ohne alle Unkosten erhält.
Philto. Mein Lesbonikus, glaube mir und denke stets,
Es sei das Beste, wenn du selbst der Beste bist,
Und kannst du das nicht, doch den Besten nahe stehst.
Nun wünsch' ich, Lesbonikus, stimm' uns willig zu,
Nimm an das Anerbieten, das ich dir gemacht.
Reich sind die Götter, Göttern ziemt Anseh'n und Macht.
Uns armen Menschlein wurde nur ein winziges
Salzfäßchen LebensathemUnser ganzes Besizthum besteht in einem Salzfäßchen Lebensathem; alles Uebrige ist kein wirkliches Eigenthum der Menschen. ; wenn wir's ausgehaucht,
So wird mit gleicher Wage dort am Acheron
Dem Bettler zugewogen und dem reichsten Mann.
Stasimus. (bei Seite zu Philto)
Du nähmst den Reichthum gerne mit, so scheint es fast:
Sei, wenn du todt bist, wirklich, was das Wort besagt.Stasimus wünscht, daß wenigstens nach dem Tode die Gleichheit der Güter oder vielmehr der allgemeinen Armuth eintrete, und fühlt voll Neides eine Art von Beruhigung dabei, daß wenigstens mit dem Tode der irdische Reichthum, welcher ihn so oft mit Neid erfüllte, ein Ende habe. Köpke.
Philto. Damit du wissest, daß wir auf Anseh'n und Geld
Nicht achten, daß wir deine Freundschaft nicht verschmäh'n,
Verlang' ich deine Schwester jezt für meinen Sohn
Ohn' alle Mitgift. Segn' es Gott! – Versprichst du sie? –
Was schweigst du?
Stasimus. Götter! Welch ein Anerbieten – dies!
Philto. Sprich doch: »die Götter segnen's! Ich verspreche sie!«
Stasimus. Ach! Wo's ihm gar nicht nüzte, da versprach er gleich;
Jezt aber, wo's uns nöthig wäre, kann er's nicht.
Lesbonikus. Daß ihr mich eurer Schwägerschaft für werth erkennt,
Dafür, o Philto, weiß ich euch den besten Dank.
Doch wenn ich auch durch meine Thorheit schwer gefehlt,
So will ich meiner Schwester doch da vor der Stadt
Mein Gut zur Mitgift geben; das blieb mir allein
Durch meine Thorheit außer meinem Leben noch.
Philto. Von einer Mitgift will ich nichts.
Lesbonikus. Ich gebe sie.
Stasimus. (heimlich zu Lesbonikus)
Du wolltest unsre Amme, Herr, die uns ernährtDas Grundstück ist gemeint, womit Lesbonikus seine Schwester als Mitgift auszustatten wünscht. ,
Von uns entfernen? Hüte dich doch das zu thun.
Was sollen wir denn künftig essen?
Lesbonikus. Schweigst du nicht?
Du forderst Rechenschaft von mir?
Stasimus. (für sich) Ersinn' ich jezt
Nicht was, so sind wir verloren! – Philto, darf ich dich –
Philto. Was willst du, Bursche?
Stasimus. Komm ein wenig her!
Philto. Wohlan!
Stasimus. Ich sag' es im Vertrauen, daß der's nicht erfährt,
Noch sonst Jemand.
Philto. Du darfst mir Alles keck vertrau'n.
Stasimus. Bei Gott und Menschen warn' ich dich, daß du das Gut
Niemals für dich, Herr, noch für deinen Sohn erwirbst.
Vernimm dafür die Gründe.
Philto. Gut! Das möcht' ich wohl.
Stasimus. Zuerst, so oft der Boden umgeackert wird, –
Die Ochsen fallen, wenn sie kaum fünf Furchen zieh'n.
Philto. Verwünscht!
Stasimus. Der Weg zur Hölle geht durch unser Gut.
Bevor sie reifen, hängen schon die Trauben faul.
Lesbonikus. (für sich)
Er überzeugt ihn, denk' ich; ist er auch ein Schelm,
Mir ist er doch nicht ungetreu.
Stasimus. Vernimm noch mehr.
Wenn's anderswo die reichste Ernte gibt, gewinnst
Du dort das Drittel dessen nicht, was du gesät.
Philto. Bei'm Himmel, dahin sollte man die Laster sä'n;
Vielleicht – sie würden bei dem Sä'n zu Grunde geh'n.
Stasimus. Auch gab es Niemand, dem das Gut jemals gehört,
Dem's nicht erging auf's schlimmste. Wer Besizer war,
Der Eine ward von hier verbannt, der Andre starb,
Ein Dritter hat sich aufgehängt. Dem's jezt gehört,
Der weiß sich nicht zu helfen!
Philto. Fort mit diesem Gut!
Stasimus. »Fort« wirst du mehr noch rufen, wenn du Alles hörst.
Vom Bliz getroffen wurde stets der zweite Baum;
Die Schweine sterben schmählich an der Bräune hin;
Die Schafe gar sind räudig, kahl, wie meine Hand.
Ja, von den zähen SyrernDie Syrer, wie die in V. 145 genannten Campaner, verweichlichte, zu keiner strengen Arbeit fähige Menschen, werden hier ironisch als die stärksten, ausdauerndsten genannt. , die doch Alles sonst
Ausdauern, lebte keiner nur sechs Monden lang:
So fallen sie dort alle, toll vom Sonnenstich.
Philto. Ich glaube dir das gerne; nur Campanervolk
Ist noch um Vieles härter, als die Syrer sind.
Doch wahrlich, wie du's dargestellt, ist das ein Gut,
Wohin der Staat die Missethäter schicken muß,
Wie von den seligen Inseln uns die Sage spricht,
Wo Alle, die ein frommes Leben hier gelebt,
Dereinst zusammenkommen; so verstieße man
Dorthin mit Recht die Missethäter solcher Art.
Stasimus. Es ist die Herberg' alles Ungemaches, Herr;
Kurz, was du Böses suchen magst, du triffst es dort.
Philto. (für sich)
Das triffst du dort und anderswo.
Stasimus. Verschweige ja,
Daß ich es dir gesagt.
Philto. Ich halt' es ganz geheim.
Stasimus. Jezt möchte der das Gütchen gern lossein, sobald
Er Einen findet, der das Maul sich schmieren läßt.
Philto. Mein wird es niemals werden.
Stasimus. Bist du anders klug.
(bei Seite)
Schlau bracht' ich, traun, den Alten von dem Gütchen ab:
Denn wenn es der verlöre, wovon lebten wir?
Philto. Da bin ich wieder, Lesbonikus.
Lesbonikus. Was hat der
Zu dir gesagt?
Philto. Was meinst du wohl? Er ist ein Mensch;
Er möchte frei sein; sich zu lösen, hat er nichts.
Lesbonikus. Ich möchte reich sein, und mein Wünschen ist umsonst.
Stasimus. (leise für sich)
Du könntest's, wenn du wolltest; jezt vermagst du's nicht,
Jezt, wo du nichts hast.
Lesbonikus. Stasimus, was murmelst du?
Stasimus. Das, was du eben sagtest, – hätt'st du früher es
Gewollt, du wär'st es, wärest reich; jezt ist's zu spät.
Philto. In Betreff der Mitgift kommst du nie mit mir zurecht.
Verhandle deßhalb, was du willst, mit meinem Sohn.
Jezt fordr' ich deiner Schwester Hand für meinen Sohn.
Die Götter segnen's!
(Pause)
Wie? Warum bedenkst du dich?
Lesbonikus. Nun, wenn du's willst, gesegn' es Gott! Ich sage ja.
Philto. Wohl wurde keinem Vater so erwünscht ein Sohn
Geboren, als mir dieses Ja geboren ward.
Stasimus. Die Götter segnen euren Plan!
Philto. Ich wünsche das.
Lesbonikus. Zu meiner Schwester, Stasimus, zu Kallikles
Geh nun, erzähle, was wir hier verhandelt.
Stasimus. Gleich.
Lesbonikus. Und wünsche meiner Schwester Glück.
Stasimus. Versteht sich doch.
Philto. Komm, Lesbonikus, daß der Hochzeitstag von uns
Bestimmt, und alles Andre noch vollzogen wird.
Lesbonikus. (zu Stasimus)
Was ich befahl, besorge; bin gleich wieder da.
Den Kallikles heiße zu mir kommen.
Stasimus. Geh doch nur.
Lesbonikus. Er solle sorgen für die Mitgift.
Stasimus. Geh doch nur.
Lesbonikus. Denn ohne Mitgift geb' ich sie nicht.
Stasimus. So geh doch nur.
Lesbonikus. Ich dulde nie, daß meine Thorheit –
Stasimus. Geh doch nur.
Lesbonikus. Ihr Schaden sei.
Stasimus. Geh, geh doch nur.
Lesbonikus. Mein Vater, mir
Scheint billig, daß für meine Schuld –
Stasimus. So geh doch nur.
Lesbonikus. Ich selbst am meisten büße.
Stasimus. Geh doch.
Lesbonikus. Seh' ich je
Dich wieder, Vater?
Stasimus. Geh doch, geh doch, geh doch nur!
(Lesbonikus geht mit Philto ab.)
Nun bracht' ich ihn doch endlich fort! Du großer Gott,
Bei allem Unglück ist es immer doch ein Glück,
Wenn nur das Gütchen uns verbleibt, wiewohl es noch
Ganz ungewiß ist, was daraus jezt werden soll.
Wenn wir's verlieren, ist's um meinen Hals gescheh'n.
Dann muß ich auszieh'n, schleppe nach – Schild, Helm, Gepäck;
Er, ist die Hochzeit abgemacht, läuft aus der Stadt,
Geht fern in Kreuz und Ungemach zum Henker fort,
Und wird Soldat in Asien oder Cilicien.
Jezt geh' ich, wohin man mich geschickt, obwohl das Haus
Mir ganz verhaßt ist, seit uns der daraus vertrieb.
(ab in das Haus des Kallikles.)