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Exakte Wissenschaft – was liegt alles in diesen beiden Worten! Sie erwecken die Vorstellung eines stolzen, aus festgefügten Quadern errichteten Gebäudes, welches die Schätze aller Weisheit in sich birgt und damit der nach Erkenntnis dürstenden Menschheit das Ziel ihrer Sehnsucht, die endgültige Entschleierung der Wahrheit, zu verwirklichen verheißt. Und da Wissen immer auch Macht bedeutet, so ist mit der Erkenntnis der in der Natur wirksamen Kräfte stets auch die Aussicht eröffnet, zur Herrschaft über sie zu gelangen und sie sich nach jeder gewünschten Richtung dienstbar zu machen.
Aber das ist noch nicht alles und nicht einmal das Wichtigste. Der Mensch will nicht nur Erkenntnis und Macht, er will auch eine Richtschnur für sein Handeln, einen Maßstab für das Wertvolle und Wertlose, er will eine Weltanschauung, die ihm das höchste Gut auf Erden, den inneren Seelenfrieden, verbürgt. Und wenn ihn die Religion nicht befriedigt, so sucht er einen Ersatz für sie bei der exakten Wissenschaft. Ich erinnere hier nur an die Bestrebungen des noch vor einem Menschenalter in hohem Ansehen stehenden, von hervorragenden Gelehrten: Philosophen und Naturforschern, gegründeten Monistenbundes.
Heute spricht man freilich kaum mehr von jenem gewiß groß angelegten und mit hohen Verheißungen ins Leben getretenen Unternehmen. Es muß also doch wohl etwas in der Rechnung nicht stimmen. Und in der Tat: wenn wir etwas näher zusehen und den Aufbau der exakten Wissenschaft einer genaueren Prüfung unterziehen, dann werden wir sehr bald gewahr, daß das Gebäude eine gefährlich schwache Stelle besitzt, und diese Stelle ist das Fundament. Dem Bau fehlt eine von vornherein nach allen Richtungen hin gesicherte, von äußeren Stürmen nicht zu erschütternde Grundlage, oder mit anderen Worten: es gibt für exakte Wissenschaft kein Prinzip von so allgemeiner Gültigkeit und zugleich von so bedeutsamem Inhalt, daß es ihr als ausreichende Unterlage dienen kann. Wohl rechnet sie allenthalben mit Maß und Zahl und trägt daher mit vollem Recht ihren stolzen Namen; denn die Gesetze der Logik und der Mathematik müssen wir ohne Zweifel als zuverlässig betrachten. Aber auch die schärfste Logik und die genaueste mathematische Rechnung können kein einziges fruchtbares Ergebnis zeitigen, wenn es an einer sicher zutreffenden Voraussetzung fehlt. Aus nichts läßt sich nichts folgern.
Kein Wort hat in der gebildeten Welt mehr Mißverständnis und Verwirrung hervorgerufen als das von der voraussetzungslosen Wissenschaft. Es war seinerzeit von Theodor Mommsen geprägt worden, um hervorzuheben, daß die wissenschaftliche Forschung sich frei halten müsse von vorgefaßten Meinungen; aber es konnte und sollte nicht bedeuten, daß die wissenschaftliche Forschung überhaupt keiner Voraussetzung bedürfe. An irgendeiner Stelle muß sie anknüpfen, und die große Frage, welches diese Stelle ist, hat von jeher die tiefsten Denker aller Zeiten und Völker beschäftigt, von Thales bis Hegel, sie hat alle Kräfte menschlicher Phantasie und Logik in Bewegung gesetzt, aber es hat sich immer wieder gezeigt, daß eine Antwort in endgültig abschließendem Sinn nicht zu finden ist. Wohl den eindrucksvollsten Beweis für dieses negative Resultat bildet die Tatsache, daß es bis heute nicht gelungen ist, eine Weltanschauung ausfindig zu machen, deren Inhalt, wenigstens in großen Zügen, von allen urteilsfähigen Geistern gleichmäßig anerkannt wird. Daraus können wir vernünftigerweise nur den einen Schluß ziehen, daß es überhaupt unmöglich ist, die exakte Wissenschaft von vornherein auf eine allgemeine Grundlage endgültig abschließenden Inhalts zu stellen.
So stoßen wir gleich am Anfang unserer Frage nach dem Sinn der exakten Wissenschaft auf ein Hindernis, welches von jedem, der sich ernstlich um die Gewinnung von Erkenntnis bemüht, als eine Enttäuschung empfunden werden muß, und das in der Tat schon viele kritisch veranlagte Denker in das Lager der Skeptiker getrieben hat. Und was nicht weniger zu bedauern ist: es gibt vielleicht ebenso viele oder gar noch mehr entgegengesetzt veranlagte Menschenkinder, die aus Besorgnis, der von ihnen als unerträglich empfundenen Skepsis zu verfallen, ihre Zuflucht nehmen zu einem jener Propheten wie z. B. der Anthroposophen, die zu allen Zeiten, die heutige nicht ausgenommen, mit einer allerneuesten Heilsbotschaft auftreten und die oft mit erstaunlicher Schnelligkeit eine Anzahl begeisterter Jünger um sich scharen, bis sie, wenn ihre Zeit abgelaufen ist, wieder von der Bildfläche verschwinden und in das allgemeine Meer der Vergessenheit zurücksinken.
Gibt es einen Ausweg aus diesem verhängnisvollen Dilemma? Und wo ist er zu finden? Dies ist die erste Frage, mit der wir uns beschäftigen müssen. Ich werde versuchen, zu zeigen, daß sie sehr wohl eine positive Beantwortung zuläßt und daß wir dadurch zu einem Einblick in den Sinn, aber auch in die Grenzen der exakten Wissenschaft gelangen werden, dessen Bedeutung zu würdigen ich dann dem Urteil des Einzelnen anheimstellen muß.
Wenn wir für den Aufbau der exakten Wissenschaft nach einem Ausgangspunkt suchen, der jeder Kritik gegenüber standhält, so müssen wir vor allem unsere Ansprüche erheblich herabstimmen. Wir dürfen nicht erwarten, daß es uns gelingen wird, mit einem Schlage, durch einen glücklichen Gedanken, auf ein allgemeingültiges Prinzip zu stoßen, aus dem wir mit exakten Methoden ein vollkommenes System der Wissenschaft entwickeln können, sondern wir müssen uns erst einmal damit begnügen, wenn wir nur überhaupt irgendwo eine Wahrheit ausfindig machen, an die sich keinerlei Skepsis heranwagen kann. Mit anderen Worten: wir müssen unser Augenmerk richten nicht auf das, was wir gerne wissen möchten, sondern zunächst einmal auf das, was wir sicherlich wissen.
Was ist nun unter allem, was wir wissen und was wir uns gegenseitig mitteilen können, das Allersicherste, das, was nicht dem geringsten Zweifel unterliegt? Darauf gibt es nur eine einzige Antwort: es ist das, was wir selber an unserem eigenen Leibe erfahren. Und da die exakte Wissenschaft es mit der Erforschung der Außenwelt zu tun hat, so dürfen wir gleich weiter sagen: es sind die Eindrücke, die wir im Leben unmittelbar durch unsere Sinnesorgane: Auge, Ohr usw. von der Außenwelt empfangen. Wenn wir etwas sehen, hören, fühlen, so ist das einfach eine gegebene Tatsache, an der kein Skeptiker rütteln kann.
Man spricht zwar auch von Sinnestäuschungen, aber niemals in der Bedeutung, als ob die betreffenden Sinnesempfindungen unrichtig oder auch nur zweifelhaft wären. Wenn wir z. B. einmal durch eine trügerische Luftspiegelung irregeführt werden, so liegt die Schuld daran nicht bei unserem Gesichtseindruck, der ja tatsächlich vorhanden ist, sondern bei unserer Denktätigkeit, die aus der vorliegenden Empfindung einen falschen Schluß ableitet. Der Sinneseindruck ist immer schlechthin gegeben und daher unanfechtbar. Welche Folgerungen wir daran knüpfen, ist eine weitere Frage, die uns zunächst noch nicht zu beschäftigen braucht. Daher ist der Inhalt der Sinneseindrücke die geeignete und die einzige unangreifbare Grundlage für den Aufbau der exakten Wissenschaft.
Wenn wir die Gesamtheit der Sinneseindrücke als die Welt der Sinne bezeichnen, so können wir kurz sagen, daß die exakte Wissenschaft ihren Ursprung nimmt von der erlebten Sinnenwelt. Die Sinnenwelt ist es, welche der Wissenschaft sozusagen das Rohmaterial für ihre Arbeit zur Verfügung stellt.
Das scheint nun allerdings ein recht mageres Ergebnis zu sein. Denn der Inhalt der Sinnenwelt ist doch jedenfalls nur ein subjektiver; jeder Mensch hat seine eigenen Sinne, und die Sinne der einzelnen Menschen sind im allgemeinen sehr verschieden voneinander, während es sich bei der exakten Wissenschaft doch um die Gewinnung objektiver allgemeingültiger Erkenntnisse handelt. Es sieht daher fast so aus, als ob der gefundene Ausweg sich doch nur als ein Irrweg herausstellen könnte. Aber wir dürfen nicht vorzeitig urteilen. Denn es wird sich zeigen, daß wir in der jetzt sich öffnenden Richtung ganz erheblich vorwärtskommen werden. Im ganzen gesehen, kommt diese Sachlage darauf hinaus, daß wir Menschen die Erkenntnisse, die uns durch die exakte Wissenschaft vermittelt werden, nicht auf direktem Wege in ihrem vollen Umfang uns zu eigen machen können, sondern daß wir sie einzeln, Schritt für Schritt, in mühevoller Arbeit von Jahren und Jahrhunderten allmählich uns erwerben müssen.
Wenn wir nun den Inhalt unserer Sinnenwelt überblicken, so zerfällt er offensichtlich in so viele getrennte Gebiete, als wir verschiedene Sinnesorgane besitzen, je eines für das Sehen, Hören, Tasten, Riechen oder Schmecken und für die Wärme. Diese Gebiete sind an sich völlig verschieden und haben zunächst nichts miteinander zu tun. Es gibt von vornherein keine Brücke zwischen dem Empfinden für Farben und dem Empfinden für Töne. Eine Verwandtschaft, wie sie von manchen Kunstliebhabern etwa zwischen einer bestimmten Farbe und einer bestimmten Tonart angenommen wird, ist nicht unmittelbar gegeben, sondern ist eine durch persönliche Erlebnisse angeregte Schöpfung der reflektierenden Einbildungskraft.
Da die exakte Wissenschaft es mit meßbaren Größen zu tun hat, so kommen für sie in erster Linie diejenigen Sinneseindrücke in Betracht, welche quantitative Angaben gestatten, also die Gesichtswelt, die Gehörswelt und die Tastwelt. Diesen Gebieten entnimmt die Wissenschaft das Material für ihre Forschung und bearbeitet es mit den Werkzeugen des logischen, mathematisch und philosophisch geschulten Denkens.
Welches ist nun der Sinn dieser wissenschaftlichen Arbeit? Er liegt kurz gesagt in der Aufgabe, in die bunte Fülle der uns durch die verschiedenen Gebiete der Sinnenwelt übermittelten Erlebnisse Ordnung und Gesetzlichkeit hineinzubringen – eine Aufgabe, die sich bei näherer Betrachtung als völlig übereinstimmend erweist mit derjenigen Aufgabe, die wir in unserem Leben von frühester Jugend auf gewohnheitsmäßig tagtäglich üben, um uns in unserer Umgebung zurechtzufinden, und an der die Menschen von jeher gearbeitet haben, seitdem sie überhaupt zu denken anfingen, schon um sich im Kampf ums Dasein zu behaupten. Nicht nach der Qualität, sondern nur nach dem Grade der Feinheit und Vollständigkeit unterscheidet sich das wissenschaftliche von dem gewohnheitsmäßigen Denken, etwa ebenso, wie sich die Leistungen eines Mikroskops von den Leistungen des bloßen Auges unterscheiden. Daß das gar nicht anders sein kann, erhellt schon einfach daraus, daß es nur eine einzige Art von Logik gibt, daß also aus gegebenen Voraussetzungen die wissenschaftliche Logik nichts anderes ableiten kann als die des ungeschulten praktischen Verstandes.
Wir werden daher auch für die Resultate, welche die Wissenschaft bei dieser ihrer Arbeit erzielt hat, ein anschauliches Verständnis dadurch gewinnen, daß wir an die Erfahrungen anknüpfen, welche uns aus dem Verlauf des täglichen Lebens bekannt und vertraut sind. Wenn wir an unsere eigene persönliche Entwicklung zurückdenken, und wenn wir überlegen, wohin wir allmählich im Laufe der Jahre in unserer Weltauffassung gelangt sind, so können wir sagen, daß wir auf Grund der gesammelten Erfahrungen uns von der umgebenden Welt eine einheitliche Vorstellung, ein zusammenfassendes, praktisch brauchbares Bild zu machen suchen, daß wir uns die Umwelt denken als erfüllt von Gegenständen, die auf unsere verschiedenen Sinnesorgane einwirken und dadurch die verschiedenartigen Sinneseindrücke erzeugen.
Dieses praktische Weltbild, das jeder von uns in sich trägt, besitzt aber, da es nicht unmittelbar gegeben, sondern auf Grund unserer Erlebnisse erst allmählich erarbeitet ist, keinen endgültigen Charakter, sondern es wandelt und korrigiert sich mit jeder neuen Erfahrung, die wir machen, von der Kindheit bis zum Erwachsenenalter, in anfangs schnellerem, später langsamerem Tempo. Ganz das nämliche läßt sich behaupten von dem wissenschaftlichen Weltbild. Auch das wissenschaftliche Weltbild oder die sogenannte phänomenologische Welt ist nichts Endgültiges, sondern ist in steter Wandlung und Verbesserung begriffen, es unterscheidet sich von dem praktischen Weltbild des täglichen Lebens nicht der Qualität nach, sondern nur durch seine feinere Struktur, es verhält sich zu diesem etwa wie das Weltbild des erwachsenen Menschen zum Weltbild des kindlichen Menschen. Wir werden daher, um zu einem richtigen Verständnis des wissenschaftlichen Weltbildes zu gelangen, am besten verfahren, wenn wir uns zuerst einmal mit dem primitivsten, dem kindlich naiven Weltbild beschäftigen.
Versetzen wir uns also einmal, so gut es geht, in die Seele und in die Gedankenwelt eines Kindes. Sobald das Kind zu denken anfängt, geht es an die Formung seines Weltbildes. Zu diesem Zweck richtet es seine Aufmerksamkeit auf die Eindrücke, die es durch seine Sinnesorgane empfängt, es sucht sie zu ordnen und macht dabei allerlei Entdeckungen, so z. B. die, daß die an sich so verschiedenartigen Eindrücke des Sehens, Tastens, Hörens doch in gewisser regelmäßiger Weise zusammenhängen, Gibt man dem Kind ein Spielzeug, etwa eine Klapperbüchse, in die Hand, so ist mit der Tastenempfindung immer auch eine entsprechende Gesichtsempfindung verbunden, und bewegt es die Büchse hin und her, so entsteht regelmäßig eine bestimmte Gehörsempfindung.
Wenn in diesem Falle die verschiedenen, voneinander unabhängigen Sinneswelten gewissermaßen ineinandergreifen, so entdeckt das Kind in anderen Fällen, was ihm nicht minder merkwürdig vorkommt, daß gewisse Eindrücke, die aus der nämlichen Sinneswelt kommen und die vollständig miteinander übereinstimmen, dennoch total verschiedenen Charakter haben können. So kann es z. B. geschehen, daß im Sehbereich des Kindes sich eine runde Lampenglocke befindet, deren Schein ganz dem des Vollmondes gleicht. Die Lichtempfindung kann genau die nämliche sein. Aber das Kind findet doch einen großen Unterschied, denn die Lampenglocke kann es betasten, den Mond aber nicht, um die Lampenglocke kann es herumgehen, um den Mond kann es aber nicht herumgehen.
Was denkt nun das Kind bei diesen Entdeckungen? Zunächst wundert es sich. Dieses Gefühl des Sich-Wunderns ist der Ursprung und die nie versiegende Quelle seines Erkenntnistriebes. Es drängt das Kind unwiderstehlich dazu, das Geheimnis zu lüften, und wenn es dabei auf irgendeinen ursächlichen Zusammenhang stößt, so wird es nicht müde, das nämliche Experiment zehnmal, hundertmal zu wiederholen, um immer wieder von neuem den Reiz der Entdeckung auszukosten. Auf diese Weise gelangt das Kind in unablässiger täglicher Arbeit allmählich zur Ausgestaltung seines Weltbildes bis zu dem Grade, wie es dessen für das praktische Leben bedarf.
Je reifer das Kind wird, je vollkommener sein Weltbild wird, um so weniger häufig hat es Anlaß sich zu wundern, und wenn das Kind erwachsen ist und sein Weltbild eine feste Form angenommen hat, findet es diese Form selbstverständlich und hört auf sich zu wundern. Hat das darin seinen Grund, daß der Erwachsene den Zusammenhang und die Notwendigkeit der Struktur seines Weltbildes vollständig erkannt hat? Nichts wäre unrichtiger als eine derartige Annahme. Nein, nicht deshalb hat der Erwachsene verlernt sich zu wundern, weil er das Wunderrätsel gelöst hat, sondern deshalb, weil er sich an die Gesetze seines Weltbildes gewöhnt hat. Warum aber gerade diese und keine anderen Gesetze bestehen, bleibt für ihn ebenso wunderbar und unerklärlich wie für das Kind. Wer diesen Sachverhalt nicht einsieht, der verkennt seine tiefe Bedeutung, und wer es so weit gebracht hat, daß er sich über nichts mehr wundert, der zeigt damit nur, daß er es verlernt hat, gründlich nachzudenken.
Bei Lichte betrachtet müssen wir mit Fug und Recht als erstes Wunder die Tatsache verzeichnen, daß wir überhaupt in der Natur Gesetzmäßigkeiten vorfinden, die für die Menschen aller Länder, Völker und Rassen genau die gleichen sind. Das ist eine Tatsache, die durchaus nicht selbstverständlich ist. Und die folgenden einzelnen Wunder sind, daß diese Gesetze zum großen Teil einen Inhalt haben, wie wir ihn uns vorher niemals hätten träumen lassen können.
So steigert sich mit der Entdeckung jedes neuen Gesetzes das Wunderbare im Aufbau des Weltbildes. Das gilt bis auf die wissenschaftliche Forschung des heutigen Tages, die unausgesetzt Neues bringt. Man denke nur an die Geheimnisse der kosmischen Ultrastrahlung, oder an die rätselhaften Wirkstoffe, oder auch an die merkwürdigen Enthüllungen des Elektronen-Mikroskops. Für den wissenschaftlichen Forscher ist es immer ein beglückendes Ereignis und ein frischer Antrieb zur Arbeit, wenn er auf ein neues Wunder stößt, ganz nach der Art des Kindes, und er bemüht sich um dessen Aufklärung durch vielfache Wiederholung der nämlichen Experimente mittels seiner feinen Messungsinstrumente nicht anders als das Kind mit seiner primitiven Klapperbüchse.
Doch wir wollen nicht vorgreifen, sondern wollen zunächst einmal zusehen, wie sich das so erarbeitete kindliche Weltbild von der ursprünglich gegebenen Sinnenwelt unterscheidet. Da müssen wir vor allem feststellen, daß die anfänglich allein vorhandenen Sinnesempfindungen merklich in den Hintergrund getreten sind. Die primäre Rolle im Weltbild spielen nicht die Sinnesempfindungen, sondern die Gegenstände, welche ihrerseits erst die Empfindungen hervorrufen. Das Spielzeug ist das Primäre, die Tast-, Seh-, Gehörsempfindungen sind sekundäre Folgeerscheinungen. Man würde aber der Sachlage nicht vollständig gerecht werden, wenn man einfach sagen wollte, daß das Weltbild nichts anderes vorstelle als die Zusammenfassung verschiedenartiger Sinneseindrücke unter den einheitlichen Begriff des Gegenstandes. Denn es kann auch umgekehrt vorkommen, daß eine einzelne einheitliche Sinnesempfindung mehreren verschiedenen Gegenständen entspricht. Ein Beispiel dafür ist das oben angeführte der leuchtenden Scheibe, deren sinnlicher Eindruck ein vollkommen bestimmter ist und welcher dennoch manchmal der Lampenglocke, manchmal dem Monde entstammt. Hier haben wir also eine einzige Sinnesempfindung, aber zwei verschiedene ihr entsprechende Gegenstände. Der Gegensatz liegt also tiefer, er läßt sich nur dadurch erschöpfend charakterisieren, daß man den Begriff der objektiv gültigen Gesetzlichkeit einführt. Die Sinnesempfindungen, welche von den Gegenständen verursacht werden, gehören dem einzelnen an und wechseln von einem zum anderen. Aber das Weltbild, die Welt der Gegenstände, ist für alle Menschen das nämliche, und man kann sagen, daß der Übergang von der Sinnenwelt zum Weltbild darauf hinauskommt, an die Stelle einer bunten subjektiven Mannigfaltigkeit eine feste objektive Ordnung, an die Stelle des Zufalls das Gesetz, an die Stelle des wechselnden Scheins das bleibende Sein zu setzen.
Man bezeichnet daher die Welt der Gegenstände im Gegensatz zur Sinnenwelt auch als die reale Welt. Doch muß man mit dem Wort »real« vorsichtig sein. Man darf es hier nur in einem vorläufigen Sinn verstehen. Denn mit diesem Wort verbindet sich die Vorstellung von etwas absolut Beständigem, Unveränderlichem, Konstantem, und es wäre zuviel behauptet, wenn man die Gegenstände des kindlichen Weltbildes als unveränderlich hinstellen würde. Das Spielzeug ist nicht unveränderlich, es kann zerbrechen oder auch verbrennen, die Lampenglocke kann in Scherben gehen, und dann ist es mit ihrer Realität in dem genannten Sinne vorbei.
Das klingt selbstverständlich und trivial. Aber es ist wohl zu beachten, daß beim wissenschaftlichen Weltbild, wo die Verhältnisse, wie wir sahen, ganz ähnlich liegen, dieser Tatbestand keineswegs als selbstverständlich empfunden wurde. Wie nämlich für das Kind in seinen ersten Lebensjahren das Spielzeug, so waren für die Wissenschaft durch Jahrzehnte und Jahrhunderte hindurch die Atome das eigentlich Reale in den Vorgängen der Natur. Sie waren es, die beim Zerbrechen oder Verbrennen eines Gegenstandes unverändert die nämlichen blieben und daher das Bleibende in allem Wechsel der Erscheinungen darstellten. Bis sich zur allgemeinen Überraschung eines Tages herausstellte, daß auch die Atome sich verändern können. Wir wollen daher, wenn wir im folgenden von der realen Welt reden, dieses Wort zunächst immer in einem bedingten, naiven Sinn verstehen, welcher der Eigenart des jeweiligen Weltbildes angepaßt ist, und wir wollen uns dabei stets gegenwärtig halten, daß mit einer Veränderung des Weltbildes zugleich auch eine Veränderung dessen, was man das Reale nennt, verbunden sein kann.
Jedes Weltbild ist charakterisiert durch die realen Elemente, aus denen es sich zusammensetzt. Aus der realen Welt des praktischen Lebens hat sich die reale Welt der exakten Wissenschaft, das wissenschaftliche Weltbild, entwickelt. Aber auch dieses ist nicht endgültig, sondern es verändert sich immerwährend durch fortgesetzte Forschungsarbeit, von Stufe zu Stufe.
Eine solche Stufe bildet dasjenige wissenschaftliche Weltbild, welches wir heute das klassische zu nennen pflegen. Seine realen Elemente und daher charakteristischen Merkmale waren die chemischen Atome. Gegenwärtig ist die wissenschaftliche Forschung, befruchtet durch die Relativitätstheorie und die Quantentheorie, im Begriff, eine höhere Stufe der Entwicklung zu erklimmen und sich ein neues Weltbild zu schaffen. Die realen Elemente dieses Weltbildes sind nicht mehr die chemischen Atome, sondern es sind die Wellen der Elektronen und Protonen, deren gegenseitige Wirkungen durch die Lichtgeschwindigkeit und durch das elementare Wirkungsquantum bedingt werden. Vom heutigen Standpunkt aus müssen wir also den Realismus des klassischen Weltbildes als einen naiven bezeichnen. Aber niemand kann wissen, ob man nicht einmal in Zukunft von unserem gegenwärtigen modernen Weltbild das nämliche sagen wird.
Was bedeutet nun aber dieser ständige Wechsel in dem, was wir als real bezeichnen? Ist er nicht für jeden, der nach endgültiger wissenschaftlicher Erkenntnis sucht, im höchsten Grade unbefriedigend? – Darauf ist vor allem zu erwidern, daß es zunächst nicht darauf ankommt, ob der Tatbestand befriedigt, sondern darauf, was an ihm das eigentlich Wesentliche ist. Wenn wir aber dieser Frage nachgehen, dann machen wir eine Entdeckung, die wir unter allen Wundern, von denen wir vorhin gesprochen haben, als das größte und höchste betrachten müssen. Vorerst ist festzustellen, daß die beständig fortgesetzte Ablösung eines Weltbildes durch das andere nicht etwa einem Ausfluß menschlicher Laune oder Mode entspringt, sondern daß sie einem unausweichlichen Zwang folgt. Sie wird jedesmal dann zur bitteren Notwendigkeit, wenn die Forschung auf eine neue Tatsache in der Natur stößt, welcher das jeweilige Weltbild nicht gerecht zu werden vermag. – Eine solche Tatsache ist, um ein bestimmtes Beispiel anzuführen, die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit im leeren Raum. Eine andere Tatsache ist das Eingreifen des elementaren Wirkungsquantums in den gesetzlichen Ablauf aller atomaren Vorgänge. Diesen beiden Tatsachen und noch vielen anderen konnte das klassische Weltbild nicht gerecht werden. Infolgedessen wurde sein Rahmen gesprengt, und es trat ein neues Weltbild an dessen Stelle.
Das ist an sich schon recht verwunderlich. Aber was in noch höherem Grade zur Verwunderung herausfordert, weil es sich durchaus nicht von selbst versteht, das ist der Umstand, daß das neue Weltbild das alte nicht etwa aufhebt, sondern daß es vielmehr dieses in seiner ganzen Vollständigkeit bestehen läßt, mit dem einzigen Unterschied, daß es ihm noch eine besondere Bedingung hinzufügt – eine Bedingung, die einerseits auf eine gewisse Einschränkung hinausläuft, andererseits aber eben dadurch zu einer erheblichen Vereinfachung des Weltbildes führt. In der Tat bleibt die klassische Mechanik vollkommen zutreffend für alle Vorgänge, bei denen die Lichtgeschwindigkeit als unendlich groß und das Wirkungsquantum als unendlich klein betrachtet werden darf. Eben dadurch wird es möglich, die Mechanik ganz allgemein der Elektrodynamik anzugliedern, ferner alle Masse durch Energie zu ersetzen und außerdem die 92 verschiedenen Atomarten des klassischen Weltbildes auf 2 Arten, nämlich Elektronen und Protonen, zurückzuführen. Jeder materielle Körper besteht danach aus Elektronen und Protonen. Die Verbindung eines Protons mit einem Elektron ist ein Neutron oder ein Wasserstoffatom, je nachdem das Elektron an dem Proton festsitzt oder sich darum herum bewegt. Alle physikalischen und chemischen Eigenschaften eines Körpers lassen sich aus der Art seiner Zusammensetzung ableiten.
Das frühere Weltbild bleibt also erhalten, nur erscheint es jetzt als ein spezieller Ausschnitt aus einem noch größeren, noch umfassenderen und zugleich noch einheitlicheren Bilde. Ähnlich ist es in allen Fällen, soweit unsere Erfahrungen reichen. Während auf der einen Seite die Fülle der beobachteten Naturerscheinungen auf allen Gebieten sich immer reicher und bunter entfaltet, nimmt andererseits das aus ihnen abgeleitete wissenschaftliche Weltbild eine immer deutlichere und festere Form an. Der ständige Wechsel des Weltbildes bedeutet daher nicht ein regelloses Hin- und Herschwanken im Zickzack, sondern er bedeutet ein Fortschreiten, ein Verbessern, ein Vervollkommnen. Mit der Feststellung dieser Tatsache ist, wie ich meine, die grundsätzlich wichtigste Errungenschaft bezeichnet, welche die naturwissenschaftliche Forschung überhaupt aufzuweisen hat.
Welches ist nun die Richtung dieses Fortschrittes, und welchem Ziel strebt er zu? Die Richtung ist offenbar eine beständige Verfeinerung des Weltbildes durch Zurückführung der in ihm enthaltenen realen Elemente auf ein höheres Reales von weniger naiver Beschaffenheit. Das Ziel aber ist die Schaffung eines Weltbildes, dessen Realitäten keinerlei Verbesserung mehr bedürftig sind und die daher das endgültig Reale darstellen. Eine nachweisliche Erreichung dieses Zieles wird und kann niemals gelingen. Um aber zunächst einen Namen dafür zu haben, bezeichnen wir das endgültig Reale als die reale Welt im absoluten, metaphysischen Sinn. Damit soll ausgedrückt sein, daß diese Welt, also die objektive Natur, hinter allem Erforschlichen steht. Ihr gegenüber bleibt das aus der Erfahrung gewonnene wissenschaftliche Weltbild, die phänomenologische Welt, immer nur eine Annäherung, ein mehr oder weniger gut geratenes Modell. Wie hinter jedem Sinneseindruck ein Gegenstand, so steht hinter jedem erfahrungsmäßig Realen ein metaphysisch Reales. Manche Philosophen stoßen sich an dem Wörtchen »hinter«. Sie sagen: »Da in der exakten Wissenschaft alle Begriffe und alle Messungen auf Sinneseindrücke zurückgehen, so bezieht sich auch der Inhalt aller wissenschaftlichen Ergebnisse in letzter Linie nur auf die Sinnenwelt, und es ist unzulässig, zum mindesten aber überflüssig, hinter dieser Welt noch eine metaphysische Welt anzunehmen, die sich jeder direkten wissenschaftlichen Prüfung entzieht.« Darauf ist zu erwidern, daß in den obigen Sätzen das Vorwort »hinter« nicht in äußerlichem, räumlichem Sinn verstanden werden darf. Man könnte statt »hinter« ebensogut sagen »in«. Das metaphysisch Reale steht nicht räumlich hinter dem erfahrungsmäßig Gegebenen, sondern es steckt ebensogut auch in ihm mitten drin. »Natur ist weder Kern noch Schale, alles ist sie mit einem Male.« Das Wesentliche ist, daß die Welt der Sinnesempfindungen nicht die einzige Welt ist, die begrifflich existiert, sondern daß es noch eine andere Welt gibt, die uns allerdings nicht unmittelbar zugänglich ist, auf die wir aber nicht nur durch das praktische Leben, sondern auch durch die Arbeit der Wissenschaft immer wieder mit zwingender Deutlichkeit hingewiesen werden. Denn das große Wunder der unablässig fortschreitenden Vervollkommnung des wissenschaftlichen Weltbildes treibt den Forscher notgedrungen dazu, nach dessen endgültiger Gestaltung zu suchen. Und da man das, was man sucht, auch als vorhanden annehmen muß, so befestigt sich bei ihm die Überzeugung von der tatsächlichen Existenz einer realen Welt im absoluten Sinn. Dieser feste, durch keine Hemmnisse zu erschütternde Glaube an das absolut Reale in der Natur ist es, der für ihn die gegebene und selbstverständliche Voraussetzung seiner Arbeit bildet und der ihn immer wieder in der Hoffnung bestärkt, daß es ihm gelingen möge, sich an das Wesen der objektiven Natur noch etwas näher heranzutasten und dadurch ihren Geheimnissen immer mehr auf die Spur zu kommen.
Da die reale Welt im absoluten Sinn unabhängig ist von der einzelnen Persönlichkeit, ja unabhängig von aller menschlichen Intelligenz, so kommt jeder Entdeckung, die ein einzelner macht, eine ganz allgemeine Bedeutung zu. Das gibt dem Forscher, der in stiller Abgeschiedenheit mit seinem Problem ringt, die Gewißheit, daß jedes Resultat, das er dabei findet, unmittelbar auch bei allen Sachverständigen der ganzen Welt Anerkennung erzwingt, und dieses Gefühl der Bedeutung seiner Arbeit bildet sein Glück, es gibt ihm vollwertigen Ersatz für mancherlei in seinem Alltagsleben gebrachte Opfer.
Der Höhe solchen Zieles gegenüber müssen alle Bedenken wegen der Schwierigkeiten, die sich bei der Ausarbeitung des wissenschaftlichen Weltbildes einstellen, grundsätzlich in den Hintergrund treten. Das zu betonen ist heutzutage besonders wichtig, weil gegenwärtig derartige Schwierigkeiten manchmal als ernste Hindernisse eines gedeihlichen Fortschrittes der wissenschaftlichen Arbeit betrachtet werden, und zwar sonderbarerweise weniger die experimentellen als die theoretischen Schwierigkeiten. Daß mit den steigenden Ansprüchen an die Genauigkeit der Messungen auch die Kompliziertheit der Instrumente immer größer wird, findet ohne weiteres Verständnis und Billigung. Aber daß bei der fortgesetzten Verfeinerung der gesetzlichen Zusammenhänge zu ihrer Formulierung Definitionen und Begriffe benutzt werden, die sich immer weiter von altgewohnten Formen und anschaulichen Vorstellungen entfernen, macht man stellenweise der theoretischen Forschung zum Vorwurf, ja man will darin Anzeichen dafür erblicken, daß sie sich auf einem Irrweg befindet.
Nichts kann kurzsichtiger sein als eine derartige Vermutung. Denn wenn wir bedenken, daß mit der Verbesserung des Weltbildes zugleich auch eine Annäherung an die metaphysisch reale Welt verbunden ist, so käme die Erwartung, daß die Definitionen und die Begriffe des objektiv realen Weltbildes nicht merklich weit aus dem durch das klassische Weltbild geschaffenen Rahmen herauszutreten brauchen, im Grunde darauf hinaus, zu verlangen, daß die metaphysisch reale Welt mit den Anschauungen, die dem bisherigen naiven Weltbild entnommen sind, vollkommen faßbar und verständlich sei. Das ist eine unerfüllbare Forderung. Man kann unmöglich die feinere Struktur eines Gegenstandes erkennen, wenn man es grundsätzlich ablehnt, ihn anders als mit bloßem Auge zu betrachten. Doch in dieser Hinsicht besteht kein Anlaß zu Besorgnissen. Die Entwicklung des wissenschaftlichen Weltbildes erfolgt ja zwangsläufig. Die mit den verfeinerten Meßinstrumenten gemachten Erfahrungen verlangen es unerbittlich, daß alteingewurzelte anschauliche Vorstellungen aufgegeben und durch neuartige, mehr abstrakte Begriffsbildungen ersetzt werden, für welche die entsprechenden Anschauungen erst noch gesucht und ausgebildet werden müssen. Damit zeigen sie der theoretischen Forschung ihren Weg in der Richtung vom naiven zum metaphysisch Realen.
Aber so bedeutend auch die erzielten Erfolge sein mögen und so nahe vielleicht das erstrebte Ziel winkt, es bleibt stets eine vom Standpunkt der exakten Wissenschaft aus unüberbrückbare Kluft zwischen der phänomenologischen und der metaphysisch realen Welt bestehen, und diese Kluft erzeugt eine beständig wirksame, niemals auszugleichende Spannung, welche in dem echten Forscher als unversiegbare Quelle seines Wissensdranges sich auswirkt. Zugleich aber gewahren wir hier die Grenze, welche die exakte Wissenschaft nicht zu überschreiten vermag. Mögen ihre Erfolge noch so weit- und tiefgehend sein, es wird ihr niemals gelingen, den letzten Schritt ins Metaphysische zu tun. In diesem Zwiespalt, der sich dahin äußert, daß wir uns unweigerlich zur Voraussetzung einer realen Welt in absolutem Sinn genötigt sehen, daß wir aber doch andererseits niemals imstande sind, ihr Wesen vollständig zu begreifen, liegt das irrationale Element, das der exakten Wissenschaft notgedrungen anhaftet und über dessen Bedeutung man sich durch ihren stolzen Namen nicht täuschen lassen darf. Doch muß der Umstand, daß die Wissenschaft sich ihre Grenzen aus eigener Erkenntnis setzt, wohl geeignet erscheinen, das Vertrauen in die Zuverlässigkeit derjenigen Ergebnisse zu stärken, zu denen sie auf Grund ihrer unbestreitbaren Voraussetzungen mit ihren strengen experimentellen und theoretischen Methoden gelangt. –
Wenn wir jetzt von dem gewonnenen Standpunkt aus den Blick zurücklenken an den Anfang unserer Betrachtungen und auf den ganzen eingeschlagenen Gedankengang, so werden uns die erzielten Ergebnisse in noch deutlicherem Lichte erscheinen, Wir begannen unsere Überlegungen mit einer merklichen Enttäuschung. Wir suchten für den Aufbau der exakten Wissenschaft nach einer allgemeinen Grundlage, deren Sicherheit keinerlei Zweifel unterliegt, und hatten damit keinen Erfolg. Jetzt, auf Grund der gewonnenen Einsichten, erkennen wir, daß das gar nicht anders sein kann. Denn jener Versuch lief im Grunde darauf hinaus, zum Ausgangspunkt der wissenschaftlichen Forschung etwas endgültig Reales zu nehmen, während wir jetzt gesehen haben, daß das endgültige Reale metaphysischen Charakter trägt und sich daher einer vollständigen Erkenntnis durchaus entzieht. Das ist der innere Grund, weshalb alle bisherigen Versuche scheitern mußten, die exakte Wissenschaft auf ein von vornherein gesichertes allgemeines Fundament aufzubauen. Statt dessen mußten wir uns mit einem Ausgangspunkt begnügen, der zwar unantastbare Festigkeit, dafür aber nur äußerst beschränkte Bedeutung besitzt, da er sich nur auf Einzelerlebnisse bezieht. An diesem bescheidenen Punkt setzt die wissenschaftliche Forschung mit ihren exakten Methoden ein und arbeitet sich stufenweise vom Speziellen zu immer Allgemeinerem empor. Sie bedarf dazu des steten Hinblicks auf das objektiv Reale, nach dem sie sucht, und insofern kann die exakte Wissenschaft das Reale im metaphysischen Sinn niemals entbehren. Aber die metaphysisch reale Welt ist nicht der Ausgangspunkt, sondern sie ist das in unerreichbarer Ferne winkende und richtungweisende Ziel aller wissenschaftlichen Arbeit.
Die Gewißheit, daß wir mit jeder neuen Entdeckung, mit jeder daraus abgeleiteten neuen Erkenntnis dem Ziele näherkommen, muß als Ersatz gelten für die zahlreichen und gewiß nicht leicht zu nehmenden Nachteile, die mit der fortwährenden Verminderung der Anschaulichkeit und Bequemlichkeit in der Benutzung des Weltbildes verbunden sind. In der Tat gewährt das jetzige wissenschaftliche Weltbild, verglichen mit dem ursprünglichen naiven Weltbild, einen seltsamen, geradezu fremdartig anmutenden Anblick. Die unmittelbar erlebten Sinneseindrücke, von denen doch die wissenschaftliche Arbeit ihren Anfang nahm, sind vollständig aus dem Weltbild verschwunden; vom Sehen, Hören, Tasten ist darin nicht die Rede. Statt dessen gewahren wir, wenn wir einen Blick in die Arbeitsstätten der Forschung werfen, eine Anhäufung von äußerst komplizierten und unübersichtlichen, schwer zu handhabenden Meßgeräten, erdacht und konstruiert zur Bearbeitung von Problemen, die nur mit Hilfe von abstrakten Begriffen, von mathematischen und geometrischen Symbolen, formuliert werden können und die dem Laien oft überhaupt nicht verständlich sind. Man könnte an dem Sinn der exakten Wissenschaft irre werden, und es ist sogar in diesem Zusammenhang gegen sie der Vorwurf erhoben worden, daß sie mit ihrer ursprünglichen Anschaulichkeit auch ihren festen Halt verloren habe. Wer trotz aller angeführten Gründe bei dieser Meinung verharrt, dem ist nicht zu helfen, es wird ihm aber niemals gelingen, ebensowenig wie einem Experimentator, der grundsätzlich nur mit primitiven Apparaten arbeiten will, die exakte Wissenschaft wesentlich zu fördern. Denn um dies fertigzubringen, dazu genügt nicht eine geniale Intuition und ein frisches Zupacken, sondern dazu gehört auch sehr verwickelte, mühselige und entsagungsvolle Kleinarbeit, in der oft zahlreiche Forscher zusammenwirken müssen, um für ihre Wissenschaft den Aufstieg auf die nächst höhere Entwicklungsstufe schrittweise vorzubereiten. Wohl bedarf der Pionier der Wissenschaft, wenn seine Gedanken ihre tastenden Fühler ausstrecken, einer lebendigen Anschauung; denn neue Ideen entspringen nicht dem rechnenden Verstand, sondern der künstlerisch schaffenden Phantasie, aber für den Wert einer neuen Idee maßgebend ist allemal nicht der Grad der Anschaulichkeit, die überdies zu ihrem wesentlichen Teil Sache der Übung und der Gewohnheit ist, sondern der Umfang und die Genauigkeit der einzelnen gesetzlichen Zusammenhänge, zu deren Entdeckung sie führt.
Freilich wird mit jedem Fortschritt auch die Schwierigkeit der Aufgabe immer größer, die Anforderungen an die Leistungen des Forschers immer stärker, und es stellt sich immer dringender die Notwendigkeit einer zweckmäßigen Arbeitsteilung ein. Vor allem hat sich seit etwa einem Jahrhundert die Teilung in Experiment und Theorie vollzogen. Der Experimentator steht in vorderster Linie. Er ist es, der die entscheidenden Versuche und Messungen ausführt. Ein Versuch bedeutet die Stellung einer an die Natur gerichteten Frage, und eine Messung bedeutet die Entgegennahme der von der Natur darauf erteilten Antwort. Aber ehe man einen Versuch ausführt, muß man ihn ersinnen, d. h. man muß die Frage an die Natur formulieren, und ehe man eine Messung verwertet, muß man sie deuten, d. h. man muß die von der Natur erteilte Antwort verstehen. Mit diesen beiden Aufgaben beschäftigt sich der Theoretiker und ist dabei in immer steigendem Maße genötigt, sich abstrakter mathematischer Hilfsmittel zu bedienen. Damit ist natürlich nicht gesagt, daß nicht auch der Experimentator theoretische Überlegungen anstellt. Das erste klassische Beispiel für eine Großtat, die solcher Arbeitsteilung entsprungen ist, bildet die Schöpfung der Spektralanalyse durch Robert Bunsen, den Experimentator, und Gustav Kirchhoff, den Theoretiker. Sie hat sich seitdem stetig weiter entwickelt und mit der Zeit immer reichere Früchte getragen. Jedesmal, wenn durch einen experimentellen Befund ein Widerspruch mit der bestehenden Theorie festgestellt ist, kündigt sich ein neuer Fortschritt an; denn dann wird eine Veränderung und Verbesserung der Theorie notwendig. Die Frage aber, an welchem Punkte und in welcher Weise diese Veränderung vorzunehmen ist, bietet oft große Schwierigkeiten. Denn je bewährter eine bestehende Theorie ist, um so empfindlicher und widersetzlicher zeigt sie sich gegenüber allen Abänderungsversuchen. Sie gleicht darin einem kunstvollen weitverzweigten Organismus, dessen einzelne Glieder sich gegenseitig bedingen und derartig eng zusammenhängen, daß ein Eingriff, den man an einer Stelle vollzieht, sich zugleich auch an ganz anderen, scheinbar weit entfernten Stellen geltend macht. Das gibt dann Anlaß zu neuen Fragen, die experimentell geprüft werden können, und führt dadurch manchmal zu Konsequenzen, an deren Tragweite anfangs niemand gedacht hatte. So ist die Relativitätstheorie entstanden, so die Quantentheorie, und so gewährt auch gegenwärtig der Aufbau des neuesten Zweiges der Physik, die Erforschung des Atomkernes, durch die gegenseitige Ergänzung von Experiment und Theorie ein Musterbeispiel für solch fruchtbares Zusammenwirken.
Weshalb aber nun diese ganze gewaltige Arbeit, welche die besten Kräfte ungezählter Forscher ihr ganzes Leben hindurch in Anspruch nimmt? Ist das erzielte Resultat, das doch, wie wir gesehen haben, in seinen einzelnen Feinheiten immer weiter von den Gegebenheiten des Lebens fortführt, wirklich dieses kostbaren Einsatzes wert? Die Frage wäre in der Tat berechtigt, wenn der Sinn der exakten Wissenschaft sich auf die Aufgabe beschränkte, dem Erkenntnistrieb der forschenden Menschheit eine gewisse Befriedigung zu gewähren. Aber ihre Bedeutung geht erheblich weiter. Die exakte Wissenschaft wurzelt im menschlichen Leben. Aber sie ist mit dem Leben in doppelter Weise verbunden. Denn sie schöpft nicht allein aus dem Leben, sondern sie wirkt auch zurück auf das Leben, auf das materielle wie auf das geistige Leben, und zwar um so kräftiger und fruchtbarer, je ungehinderter sie sich entfalten kann. Das äußert sich in einer sehr eigentümlichen Weise. Zuerst entfernt sich, wie wir sahen, die Wissenschaft bei der Arbeit an dem von ihr geschaffenen Weltbild auf der Suche nach dem metaphysisch Realen in fortschreitendem Maße von den Gegebenheiten und Interessen des Lebens, insofern sie immer unanschaulichere, immer einsamere Wege einschlägt. Aber gerade auf diesen Wegen, und nur durch sie, werden neue, sonst auf keine Weise vorauszusehende allgemeine gesetzliche Zusammenhänge sichtbar, die nun wieder in das Leben zurückübersetzt und dadurch für menschliche Bedürfnisse nutzbar gemacht werden können.
Das ist in unzähligen Einzelfällen zu beobachten. Auch hier hat sich eine weitgehende Arbeitsteilung aufs beste bewährt. Der erste Schritt, die aus dem Leben herausführende Ausgestaltung des Weltbildes, ist Sache der reinen Wissenschaft, der zweite Schritt, die Verwertung des wissenschaftlichen Weltbildes für die Praxis, ist Aufgabe der Technik. Die eine Arbeit ist genau so wichtig wie die andere, und da jede von ihnen den ganzen Menschen in Anspruch nimmt, so ist der einzelne Forscher, wenn er sein Werk wirklich fördern will, genötigt, alle seine Kräfte auf einen einzigen Punkt zu konzentrieren und die Gedanken an andere Zusammenhänge und Interessen einstweilen beiseite zu lassen. Darum schelte man nicht allzusehr die Weltfremdheit des Gelehrten und seine Zurückhaltung gegenüber wichtigen Fragen des öffentlichen Lebens. Ohne solche einseitige Einstellung hätte weder Heinrich Hertz die drahtlosen Wellen, noch Robert Koch den Tuberkelbazillus entdeckt. Diese Leistungen der rein wissenschaftlichen Forschung für das praktische Leben haben ihr Gegenstück in der von der Seite der Technik her der Wissenschaft zufließenden mannigfachen Anregung und verständnisvollen Förderung, die sich gerade gegenwärtig in stetig steigendem Maße geltend macht und deren Bedeutung nicht leicht hoch genug einzuschätzen ist.
Ich kann es mir nicht versagen, hier beispielsweise auf einen erst in neuerer Zeit aufgetauchten eindrucksvollen Beleg für die manchmal ganz unvermutet engen Beziehungen zwischen Wissenschaft und Technik noch etwas näher einzugehen. Die eigentümlichen Atomumwandlungen haben jahrelang nur die Forscher der reinen Wissenschaft beschäftigt. Wohl war die Größe der dabei in Erscheinung tretenden Energien auffallend, aber da die Atome so winzig klein sind, dachte man nicht ernstlich daran, daß sie einmal auch für die Praxis eine Bedeutung gewinnen könnten. Heute hat diese Frage durch neue auf dem Gebiet der künstlichen Radioaktivität gemachte Befunde eine überraschende Wendung genommen. Durch die Untersuchungen von Otto Hahn und seinen Mitarbeitern ist festgestellt worden, daß ein Uranatom, welches von einem Neutron beschossen wird, sich in mehrere Stücke spaltet. Dabei werden zwei bis drei Neutronen frei, von denen ein jedes für sich allein weiterfliegt und nun seinerseits wieder ein anderes Uranatom treffen und aufspalten kann. Auf diese Weise multiplizieren sich die Wirkungen, und es kann geschehen, daß durch das fortgesetzt gesteigerte Aufprallen der Neutronen auf Uranatome die Anzahl der freiwerdenden Neutronen und dementsprechend der Betrag der durch sie entwickelten Energie in kurzer Zeit lawinenartig anschwillt, nach dem Muster der berüchtigten Ketten- oder Schneeballbriefe, bei der Unzahl der vorhandenen Atome bis zu ganz enormen, kaum vorstellbaren Ausmaßen. Unerläßliche Bedingung für das Zustandekommen dieses Effektes ist natürlich, daß die freifliegenden Neutronen nicht schon vor ihrem Aufprallen auf Urankerne irgendwo von anderen Atomen abgefangen werden und dort steckenbleiben oder ins Freie austreten.
Eine spezielle Berechnung hat ergeben, daß auf diese Weise in einem Kubikmeter Uranoxydpulver innerhalb einer Zeit von weniger als ein hundertstel Sekunde ein Energiebetrag entwickelt wird, der ausreicht, um ein Gewicht von einer Milliarde Tonnen 27 km hochzuheben. Das ist ein Betrag, der die Leistungen aller großen Kraftwerke der ganzen Welt auf viele Jahre hinaus ersetzen kann.
Bis vor kurzem mochte eine technische Ausnutzung der in den Atomkernen schlummernden Energie utopisch erscheinen Die Fassung dieses Absatzes hatte in der ersten Auflage (1942) folgenden Wortlaut: »Wenn auch zur Zeit noch nicht die Rede davon sein kann, einen solchen stürmischen Atomspaltungsprozeß technisch verwertbar zu gestalten, so öffnet sich hier doch eine ernsthaft zu nehmende Möglichkeit, und wenn wir an die mit der Flugtechnik, dem Rundfunk, dem Fernsehen erzielten Erfolge denken, so werden wir auch den Gedanken an die Konstruktion der Uranmaschine nicht zu den bloßen Utopien rechnen. Vor allem käme es darauf an, den Prozeß nicht explosionsartig erfolgen zu lassen, sondern seinen Zeitablauf durch geeignete chemische Mittel so weit zu bremsen, daß die Geschwindigkeit der Energieabgabe nicht über ein bestimmtes Maß hinausgeht. Sonst könnte es passieren, daß sie für die betreffende Örtlichkeit, ja für unseren ganzen Planeten zu einer gefährlichen Katastrophe werden würde.. Seit etwa 1942 jedoch hat die großartige Zusammenarbeit englisch-amerikanischer Wissenschaftler mit der amerikanischen, durch enorme Staatsmittel unterstützten Industrie sie verwirklicht. Zur Zeit brennen jenseits des Atlantischen Ozeans schon mehrere » Uranmeiler«, und die Wärme, welche einer davon fortlaufend erzeugt, genügt, den Victoriastrom im Staate Washington, der größer ist als der Rhein bei Köln, um 1 Grad Celsius zu erwärmen. Noch bleiben, soweit die Berichte reichen, diese Energiemengen ungenutzt; man hat Mühe, sie auf unschädliche Art loszuwerden. Aber dieselben Meiler liefern auch die Grundstoffe für die Atombomben, in denen sich große Mengen von Atomkernenergie in einem kleinen Bruchteil einer Sekunde entladen und zu Explosionen führen, welche alle chemischen Sprengstoffexplosionen in ihrer Fürchterlichkeit weit hinter sich lassen. Die Gefahr der Selbstausrottung, welche der gesamten Menschheit droht, falls ein zukünftiger Krieg zur Anwendung solcher Bomben in größerer Zahl führen sollte, kann man nicht ernst genug nehmen; keine Phantasie vermag sich die Folgen auszumalen. Eine überaus eindringliche Friedensmahnung liegt in den 80 000 Toten von Hiroshima, den 40 000 Toten von Nagasaki für alle Völker, vornehmlich für ihre verantwortlichen Staatsmänner.
Angesichts solcher Tatsachen wird vielleicht mancher von denen, die sich das Wundern mit der Zeit gänzlich abgewöhnt haben, Veranlassung nehmen, es von neuem zu lernen. Und in der Tat: der unermeßlich reichen, stets sich erneuernden Natur gegenüber wird der Mensch, soweit er auch in der wissenschaftlichen Erkenntnis fortgeschritten sein mag, immer das sich wundernde Kind bleiben und muß sich stets auf neue Überraschungen gefaßt machen.
So sehen wir uns durch das ganze Leben hindurch einer höheren Macht unterworfen, deren Wesen wir vom Standpunkt der exakten Wissenschaft aus niemals werden ergründen können, die sich aber auch von niemandem, der einigermaßen nachdenkt, ignorieren läßt. Hier gibt es für einen besinnlichen Menschen, der nicht nur wissenschaftliche, sondern auch metaphysische Interessen besitzt, nur zwei Arten der Einstellung, zwischen denen er wählen kann: entweder Angst und feindseliger Widerstand oder Ehrfurcht und vertrauensvolle Hingabe. Wenn wir unseren Blick auf die Summe des unsäglichen Leides und der beständigen Zerstörung von Gut und Blut werfen, von denen die Menschen seit unvordenklichen Zeiten stets heimgesucht werden, so könnten wir versucht sein, den Philosophen des Pessimismus beizupflichten, welche den Wert des Lebens verneinen und die Meinung verfechten, daß von einem dauernden Fortschritt, von einer Höherentwicklung der Menschheit nicht die Rede sein kann, daß im Gegenteil eine jede Kultur, wenn sie einmal einen gewissen Höhepunkt erreicht hat, ihren Stachel gegen sich selber kehrt und sich ohne Sinn und Ziel wieder vernichtet.
Läßt sich eine solche weitgehende Behauptung durch Berufung auf die exakte Wissenschaft rechtfertigen? Diese Frage muß schon deshalb verneint werden, weil die Wissenschaft für ihre Beantwortung nicht zuständig ist. Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus könnte man ebensogut und vielleicht sogar mit noch mehr Recht die entgegengesetzte Behauptung vertreten. Man müßte nur den Standpunkt der Betrachtung etwas erweitern und nicht mit Jahrhunderten, sondern mit vielen Jahrtausenden rechnen. Oder will jemand im Ernst bestreiten, daß der Homo sapiens während der letzten hunderttausend Jahre einen Fortschritt, eine Vervollkommnung erfahren hat? Warum sollte diese Höherentwicklung nicht noch weitergehen, wenn nicht in gerader Richtung, so doch in Wellenlinien?
Freilich: dem einzelnen ist mit solchen Überlegungen auf weite Sicht nicht gedient, sie können ihm keine Hilfe in der Not, keine Heilung seiner Schmerzen bringen. Diesem bleibt nichts übrig als ein tapferes Ausharren im Lebenskampf und eine stille Ergebung in den Willen der höheren Macht, die über ihm waltet. Denn ein rechtlicher Anspruch auf Glück, Erfolg und Wohlergehen im Leben ist niemandem von uns in die Wiege gelegt worden. Darum müssen wir eine jede freundliche Fügung des Schicksals, eine jede froh verlebte Stunde als ein unverdientes, ja als ein verpflichtendes Geschenk entgegennehmen. Das einzige, was wir mit Sicherheit als unser Eigentum beanspruchen dürfen, das höchste Gut, was uns keine Macht der Welt rauben kann, und was uns wie kein anderes auf die Dauer zu beglücken vermag, das ist eine reine Gesinnung, die ihren Ausdruck findet in gewissenhafter Pflichterfüllung. Und wem es vergönnt ist, an dem Aufbau der exakten Wissenschaft mitzuarbeiten, der wird mit unserem großen deutschen Dichter sein Genügen und sein innerliches Glück finden in dem Bewußtsein, das Erforschliche erforscht zu haben und das Unerforschliche ruhig zu verehren.