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Meinem verklärten Töchterchen Marie

Verklärungstag: 8. Februar 1893

I.

Ein Blitz hat mich getroffen
Aus heit'rer Himmelshöh' –
Fahr wohl, mein süßes Hoffen,
Mein Los heißt Ach und Weh! –
Und fehlt mir auch der Sonnenschein,
Mein liebstes Erdengut:
Im Himmel, denkt ein Engel mein,
Mein Kind, mein Fleisch und Blut!

Es war ein süßes Leben,
Das mir die Liebe gab –
Ihm galt mein reinstes Streben –
Und heute deckt's das – Grab!
Mein Liebstes birgt des Sarges Schrein,
Doch schöpf' ich neuen Mut:
Im Himmel denkt ein Engel mein,
Mein Kind, mein Fleisch und Blut!

Vom ersten Lebensmorgen
Bis an dein frühes End'
Beschützten meine Sorgen
Sein heit'res Firmament.
Doch plötzlich fiel ein Reif herein
Und raubte mir mein Gut –
Im Himmel denkt ein Engel mein,
Mein Kind, mein Fleisch und Blut!

Auf meinen starken Armen
Führt' ich's ins Leben ein,
Und tränendes Erbarmen
Schuf sie zum Leichenstein.
Doch als es hieß: gestorben sein,
Was half mir Schmerz und Wut?
Im Himmel denkt ein Engel mein,
Mein Kind, mein Fleisch und Blut!

Sein erstes Stammeln, Lallen –
Es war der Vaterslaut!
Sein letztes An-mich-Krallen
Hat mir sein Aug' geblaut …
Der Vater war der Himmel sein
In kurzer Lebensglut …
Nun denkt bei Gott der Engel mein,
Mein Kind, mein Fleische und Blut! …

 

II.

Ein stiller, kleiner Hügel
Am heil'gen Leichenfeld
Umkost von Zephyrs Griech. Windgottheit Flügel,
Birgt meines Herzens Welt.

Rings künden kalte Steine,
Dass hier der Tod zuhaus –
Ich trau're still und weine
Mich recht vom Herzen aus.

Und streichle sanft die Erde,
Die nun mein Liebstes deckt,
Und das des Frühlings Werde
Nicht mehr vom Schlaf erweckt …

 

III.

Lege deine milde Hand,
Lenz, an meines Kindes Grab,
Das in Lebens Unbestand
Ich so früh verloren hab'.

Wie sein Veilchenaugenpaar
Und wie seiner Wangen Rot,
Wie sein blondgelocktes Haar
Schmück' mit Blumen seinen Tod.

Sende deinen Sonnenstrahl
Nieder in sein Schattenreich,
Labe es an deinem Mahl,
Deinen holden Blumen gleich.

Eine Blume lieb und zart,
War ja auch mein Mägdelein –
Lenz, wie wird ums Herz mir hart!
Lenz, wo bleibt mein Sonnenschein? …

 

IV.

Des Frühlings erst Blume
Sei dir, mein Kind geweiht,
Du selbst einst eine Blume
Voll Duft und Lieblichkeit!

In deine Grabeserde
Pflanz' ich dies Sträußlein ein –
Es soll von deinem Vater
Ein Gruß der Liebe sein.

Und soll dir treulich künden,
Was meine Seele weint:
Ich fürcht' nicht mehr das Sterben,
Das mich mit dir vereint! …

 

V.

Nun ruhst du in dem Mutterschoß
Der Erde sanft, mein Kind!
Beklagen will ich nicht dein Los,
Denn nicht der Geist, der Körper bloß
Ist flüchtig wie der Wind. –

Einst wirst du wieder aufersteh'n,
Wie Gott es uns verspricht;
Die Sonne wirst du wieder seh'n,
Denn Sterben ist kein Untergeh'n
Es ist der Weg zum Licht!! –


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