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Makowsky hatte den ganzen Entwicklungsgang seiner Kunst, welcher von den Laien gewöhnlich als ein höchst absonderlicher, noch nie dagewesener kopfschüttelnd angestaunt wird, während er nur die so und so vielte nach ewigen Gesetzen sich vollziehende Wiederholung längst vergangener ist, mit all den unvermeidlichen Schmerzen und Opfern an Nervenkraft mitgemacht.

Überdrüssig der alten auf der Akademie eingetrichterten Formen und Anschauungen folgte er glaubensvoll der revolutionären Strömung seiner Zeit, die, sich rückwärts stauend, viel Gischt und Schaum aufrührend, nach der Quelle zurücktrachtete, von der jede Kunst ausgegangen – der Natur!

So löblich und notwendig dieser Vorgang war, um den Strom nicht völlig verflachen und versanden zu lassen, so gefährlich und uferbedrohend war dieses plötzliche Stromdrama. Da wurde auf nichts geachtet, alles unterwühlt, unterwaschen fortgeschwemmt, auch die weisesten Schutzmittel gegen die entfesselte Leidenschaft blind wütender Elemente. Und das Wellchen trieb es wie die Woge.

Makowsky war ein Rufer im Streit. Er ließ alle seine Kollegen hinter sich in Verhöhnung uralter Kunstgesetze. Er sah das Natürliche nur mehr im Häßlichen, Niedrigen, in der absoluten Plattheit.

In seinem Kampfeseifer, in seinem Haß gegen das Alte, Überkommene sah er hierin fälschlich das Unterscheidungszeichen gerichtet – »écrasez l'infame!«

Er hatte nur eine furchtbare Feindin in seinem eigenen Innern, die ihm bitter zu schaffen machte – eine starke, glühende Phantasie!

Mit ihr rang er Tag und Nacht einen wahren Heldenkampf. Jeden Fußbreit Land mußte er sich erkämpfen. Sie gaukelte ihm verführerische Bilder vor, während sie ein Höllengelächter aufschlug über seine trostlose Leinwand. Sie drängte sich frech zwischen ihn und jede Wirklichkeit, fälschte das Licht, fälschte die Farbe, fälschte die Form. – Sie war die Erbsünde der Kunst, die ihn vergiftete. – Glücklich hatte er sie in Fessel geschlagen, er dünkte sich frei – der rosige Duft wich und er sah der Natur in das entschleierte Angesicht. Die uralte Lüge von der Schönheit war aufgedeckt, es war wirklich häßlich das Angesicht und er freute sich darüber und wühlte immer tiefer in seinen Zügen.

Jetzt arbeitete er im Schweiße seines Angesichts. Und doch äffte ihn immer noch der Schein. Ein Blatt unter dem Mikroskop und mit bloßem Auge betrachtet, welch phantastische Lüge! – Diese verruchten Kompositionen in der Natur von himmelstrebenden Bergen mit harmonischen Konturen, blauen Bergseen, grünen Matten, idyllischen Heimstätten, als ob ein alter Professor sie gemacht. – Und dann das Verblüffendste – die geheimen Stimmen alle, das Flüstern im Dämmerlichte der Abende, im Morgensonnenschein, in blauen Mondnächten, im Feld und Flur und Wald und See!

Dieses unausrottbare Ammenmärchen von der Weltenseele, das einen förmlich einlullt, einen Dinge sehen und fühlen läßt, die gar nicht da sind. Unmerklich löste sich ein Arm seiner schönen Gefangenen und legte sich ihm schmeichelnd um den Hals. Die Berührung war zu süß, er konnte sich ihrer nicht wehren und ihr flüsternder Mund berührte so lebenswarm sein Ohr.

»Sei kein Tor, du kannst nicht schaffen ohne mich. Ich webe im Licht, in der Farbe, in der Form, ohne mich ist alles tot. Ich bin das Wesen der Dinge, diese selbst nur ihr Schein. Die Sonne, die hinter jener vergoldeten Flöhe versinkt ist für dich verloren ohne mich! Ohne mich blüht dir keine Blume zu Dank, rauscht dir kein Meer Größe in die Seele, spricht das schönste Auge nicht. Auch ich hasse die Lüge, so lange ich gesund und mich nicht Fieber schüttelt und liebe die Wahrheit.«

Unmerklich schmuggelte sich die Verbannte wieder ein. Zwar hielt Makowsky an der gefundenen Wahrheit fest, aber er sah sie schon in wechselvoller Beleuchtung. – Er glaubte in den unendlichen Tönen des Lichtes die verständlichste Sprache seiner Kunst zu erkennen.

Die Formen wurden immer dämmerhafter, nebensächlicher. Mit der Dämmerung kamen die Träume und die Träume entfesselten völlig die Gefangene, die ihn nun, sich rächend, in wollüstigen Schlingungen ganz umwand. Die Natur wurde ihm zum Gleichnis, er rettete sich aus den Schlingen der Skeptik um sich in die der Mystik zu verstricken – die alte Geschichte.

Da er sich bei dieser Umwandlung eine realistische Technik bewahrt, galt er nicht als Abtrünniger, sondern im Gegenteil als der Herold einer neuen Ästhetik – als die lebendige Wiederlegung des von den Alten unablässig gelallten Ammenmärchens vom Kultus des Häßlichen in der neuen Kunst.

Noch stand er auf festem Boden und unternahm von da aus seine kühnen Flüge; aber er kehrte immer nervöser, immer erregter davon zurück.

Sein neues künstlerisches Streben übertrug sich auch seinem bürgerlichen Leben. Er interessierte sich für alle transzendentalen Bestrebungen einer ermatteten, sensationslüsternen Zeit. Anfangs rein aus malerischen Rücksichten, dem mystischen Kolorit zuliebe, welches dieselben ihrer ganzen Umgebung verliehen – später, nachdem sein zerrüttetes Nervensystem selbst darauf reagierte, als Gläubiger.

Im progressiven Zusammenhang mit dieser Geistesrichtung stand ein stark ausgeprägter Genußsinn, eine überreizte Sinnlichkeit, wie eben zu jeder Zeit derartiger Drang nach Entkörperung unter irgend einer Form aus leicht begreiflichen Gründen das gerade Gegenteil bewirkt.

Kitty hatte einen starken Eindruck auf ihn gemacht, als er sie zum erstenmal erblickte. Infolgedessen mußte mehr dahinter stecken, als es den Anschein hatte. Er konnte sich doch unmöglich für eines dieser oberflächlichen Geschöpfe interessieren, aus einer Gesellschaft, auf welche er mit souveräner Verachtung herabsah.

Daß gerade diese gesunde Sinnlichkeit Kittys, welche in so vornehmer, veredelter Form ihm völlig fremd war, des auf ihn wirkenden Reizes Ausgang und Ursache war, daran dachte er nicht in seiner Überhebung. Als er sich dann von der Gegenseitigkeit des Eindruckes überzeugt, deren wahre Gründe er ebensowenig erkannte, war für ihn kein Zweifel mehr an ganz absonderlichen metaphysischen Beziehungen zwischen ihm und dem Mädchen.

Er ließ denn auch sofort den ganzen Geheimapparat seiner neuen Wissenschaft, welcher in der Liebe zu allen Zeiten eine große Rolle gespielt, mit allem Raffinement spielen.

Magische Blicke, Prophezeiungen und Fernwirkungen, die ganze verführerische Sinnlichkeit der Mystik.

Mit dem sichtlichen Erfolge einer die Seele kaum berührenden Taschenspielerei wuchs die männliche Begierde, der Ehrgeiz ein in jeder Beziehung so bevorzugtes Wesen zu beherrschen.

Er gestand sich das alles natürlich nicht ein und nannte von Anfang an diesen Vorgang – Liebe! Und zwar Liebe, wie er sie immer ersehnt. Blitzartig aus dem Chaos aufsteigend, dunkel in ihren Ursachen – eine elementare Zwangserscheinung.

Seine entflammten Sinne, welche an der Schönheit Kittys reichlich Nahrung fanden, vervollständigten die mannigfache Selbsttäuschung.

Kitty mußte sein werden! Der Gedanke an die gesellschaftliche Kluft entlockte ihm nur ein mitleidiges Lächeln, er gab nicht einmal zu, daß sie ihn besonders reizte.

*


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