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III. Herbst an Kap Sheridan

siehe Bildunterschrift

Eindringen ins Eis des Smith-Sundes

Sheridan, Kap Rawson und weiter südlich bei Kap Union gab es überall eine Menge offenes Wasser und quer vor dem Eingang des Kanals in den Repulse-Hafen lag nur leichtes, bröckliges Eis. Für einige wenige Minuten erleuchteten die Strahlen der Sonne die ganze südliche Kammlinie der Vereinigten Staaten-Kette, färbten den Gipfel des Mount cheops rosenrot und berührten gerade noch die Spitzen von Kap Joseph Henry. Die Sonne stand jedoch so tief, daß die Schatten von Grönland und Grant-Land sich nordwärts durch das Packeis bis an den blauschwarzen nördlichen Horizont hinzogen. Diese Schatten begrenzten auf beiden Seiten einen breiten gelben Lichtstreifen, den die Sonne zwischen den steilen Küsten der beiden Länder hindurch nach Norden sandte: »Die Straße nach dem Polarmeer.«

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Offenes Wasser bei Kap Lupton

Am 16. Oktober wehte der heftigste Sturm, den wir, seit wir die Heimat verließen, gehabt haben. Nach diesem Sturm war das Land fast so von Schnee entblößt wie im Sommer, und es bildete sich mehr offenes Wasser dabei, als wir seit einem Monat gesehen hatten. Kap Joseph Henry ragte nach allen diesen Stürmen mit einem schwarzen, wilden Profil empor, von allen Kaps, die längs der Küsten von Grönland und Grant-Land auf das Polarmeer herabsehen, ist dieses das schönste.

Kurz darauf wurde plötzlich ganz unerwartet das Gelingen der ganzen Expedition dadurch in Frage gestellt, daß meine ganze Hundemeute auszusterben drohte. Ungefähr achtzig von diesen unentbehrlichen Tieren starben, ehe wir die Ursache in einer Vergiftung durch Walfischfleisch, das ich als Hundefutter verwendet hatte, erkannten. Mehrere Tonnen dieses Fleisches wurden weggeworfen, und ich stand im Beginn der arktischen Nacht vor der Aufgabe, meine Hunde und die meisten meiner Eskimos durch das Land selber zu ernähren.

Ohne meine frühere Vertrautheit mit der Gegend würde das absolut unmöglich gewesen sein. Sogar wie die Verhältnisse jetzt lagen, war es eine unsichere Sache, aber bei dem befriedigenden Anfang, den mir in der Erlegung von Moschusochsen schon gemacht hatten, glaubte ich nicht, daß die Aussichten auf Erfolg völlig dem Zufall anheimgegeben wären, zumal da ich wußte, daß diese Tiere von Leuten, die sich darauf verstehen, selbst in der Finsternis der arktischen Nacht erlegt werden können.

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Eispressung bei Cap Sheridan.

Am 25. kamen Teile von vier Jagdgesellschaften aus der Gegend des Hazen-Sees zurück und meldeten, sie hätten hundertundvierundvierzig Stück Moschusochsen und Renntiere geschossen. Nach der Rückkehr dieser Jäger starben die Hunde rasch; in einer Nacht stieg die Zahl auf zehn, hier galt es, schnell Verhaltungsmaßregeln zu treffen. Im Laufe von drei Tagen wurden außer denen, die schon draußen waren, noch hundertundzwei Hunde, zwanzig erwachsene Eskimomänner und Frauen und sechs Kinder auf die Jagd geschickt. Von nun an bis zum 7. Februar blieben die Hunde und der größere Teil der Eskimos in der Gegend um den Hazen-See. Ein Teil der Männer kam bei Vollmond jeden Monat mit Schlittenladungen von Fleisch an das Schiff und kehrte mit Tee, Zucker, Öl und Zwieback wieder zurück. Durch ihren Weggang war das Schiff beinahe vereinsamt, das Tageslicht war fast geschwunden, und man konnte sagen, daß der Winter angefangen hatte, obgleich wir ihn aus Bequemlichkeit widerrechtlich am 1. November beginnen ließen. An diesem Tage trat nämlich die Wintereinrichtung, daß nur zwei Mahlzeiten täglich eingenommen wurden, in Kraft. Dies geschah teils aus Sparsamkeitsgründen, teils um die kurzen und sehr rasch abnehmenden Stunden der Dämmerung in der Mitte des Tages ununterbrochen der Arbeit widmen zu können.

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Im »Bootlager« in der Newman-Bai wird das Boot der »Polaris« an Bord gebracht.

Das Eis draußen war in ständiger Bewegung, die mehr oder weniger unabhängig von Ebbe und Flut war. Gegen Mitte Oktober hatte das junge Eis, das sich unaufhörlich zwischen den großen Schollen bildete, eine solche Dicke erreicht, daß man weithin hörte, wenn es bei der Bewegung des schweren Eises zermalmt wurde. Zuerst als ein lautes Murmeln, später bei der zunehmenden Kälte als ein heiseres Brüllen, bald zusammenhängend, bald aussetzend, wie eine heftige Brandung gegen das Ufer; ein Geräusch, das die Luft erzittern machte, und das etwas seltsam Wildes und Unheildrohendes an sich hatte, wem es durch die Finsternis und die oft schneerfüllte Luft herankam. Am 31. nach Tisch kletterte ich auf den Gipfel unsres Ausguckhügels und saß einige Zeit auf einem vorragenden Felsen. Ein feiner Schnee fiel während eines halbklaren Nebels, durch den eben die Umrisse der »Roosevelt« durchschimmerten. Ich zitiere das folgende aus meinem Tagebuch:

Die »Roosevelt« liegt unter mir, auf der einen Seite das gefrorene Ufer der arktischen »Ultima Thule«, auf der andern die große weiße Fläche des zentralen Polarmeers mit seinen Geheimnissen und seinen Schrecken, seiner Geschichte voll heldenhaften Ringens und seinem noch ungelösten Geheimnis. Kein anderes Schiff ist in dieser Gegend so weit nördlich gewesen und nur eins hat einen so hohen Breitengrad in einer andern Gegend des Polarmeeres erreicht, und dieses eine erlangte seine überlegene Stellung nicht durch die Anstrengung eines andauernden Kampfes wie die »Roosevelt«, sondern ließ sich in seine Stellung treiben – hilflos und untätig in der Gewalt des Eises.

Die »Roosevelt« liegt da, kraftvoll, doch anmutig, und ihre schlanken Masten ragen durch den Hebel und fallenden Schnee empor. Ein heller Schimmer dringt aus jeder Luke, die Lampe der Kambüse wirft einen breiten Streifen gelben Lichtes nach vorn über das Schiff hinaus in den Nebel, als wäre die »Roosevelt« ein Dampfer, der in einer nebeligen Nacht im North River vor Anker liegt. –

siehe Bildunterschrift

Cap Sumner, Grönland.

Als ich auf sie herab sah, stiegen eine Reihe Bilder vor mir auf: Die strahlenden Tage in Bucksport, Maine, wo ich ihre kraftvolle Gestalt allmählich entstehen sah unter der fürsorglichen Umsicht ihres Erbauers, des Kapitän Dix; der Stapellauf, bei dem meine Frau eine eisumhüllte Flasche Wein an dem stahlgepanzerten Steven zerschlug und das Schiff »Roosevelt« taufte; der Hafen von Neuyork mit den Huldigungen, die von allen umgebenden Fahrzeugen ihrem Vorhaben gezollt wurden; jene schwarze Nacht in der Straße von Belle Isle; die nebelverhüllten Dünungen des nördlichen Atlantischen Ozeans und der Davis-Straße; die bekannten schwarzen Klippen von Kap York, die dicht über den Bug des Schiffes emporragten; der schöne sommerliche Tag an der Bache-Halbinsel; der Heldenkampf mit den umgebenden Schollen, als wir in dem Kennedy- und Robeson-Kanal hin und her kreuzten; die sich emportürmenden Klippen von Kap Constitution, der Franklin-Insel und dem Polaris-Vorgebirge, als die »Roosevelt« dem wilden Nordwind, der durch den Kanal herunterwehte, mit der Kraft ihrer Maschinen Trotz bot, die hartnäckig stampften: Nordwärts, nordwärts, nordwärts; und schließlich der Blick an jenem grauen Septembermorgen, als wir Rawson umsegelten und die eisbegrenzte nördliche Küste von Grant-Land vor uns liegen sahen, während die weitausgedehnten Eisfelder des Polarmeers unter dem nördlichen Horizont verschwanden.

siehe Bildunterschrift

Geburtskap, Wrangel-Bai, Grinnell-Land.


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