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Auf, zu den Waffen!

Als Tom Collins und Mr. Gloster am Morgen nach der nächtlichen Flucht Andrew Browns erwachten, waren sie überrascht, diesen nicht bei der Beschäftigung zu finden, die er schon seit Monaten allein übernommen hatte: auf dem Feuer in der Feuerstelle den Morgenimbiß zu bereiten. Als sich auch herausstellte, daß sein Pferd fehlte, äußerte der Indiantrader, den eine bange Ahnung erfüllte, seine Besorgnis, daß sich mit seinem Schützlinge etwas Schlimmes ereignet haben müsse.

Der Engländer lachte ihn aus und versuchte, ihn zu beruhigen, indem er alle nur denkbaren Ursachen anführte, die das Verschwinden Andrew Browns entschuldigten. Als dieser aber am Mittag noch nicht heimgekehrt war, wurde er ebenfalls stutzig. Als dann der Tag gar zu Ende ging, ohne daß der Bursche sich wieder blicken ließ, mußte er wohl oder übel die Ansicht seines alten Freundes teilen.

In der kommenden Nacht blieb beiden der Schlummer fern, und am nächsten Tage schlichen sie beide schweigend und in bedrückter Stimmung umher. Jeder scheute sich, seine Vermutung auszusprechen, daß sich Andrew Brown seinem roten Volke wieder zugesellt hatte, obgleich dies kaum begreiflich war. Vielleicht war es in der Nähe vorübergezogen, was sich aus der Anwesenheit des Mädchens annehmen ließ, das der Engländer in den Bergen gesehen hatte. Beide gedachten dabei des Besuches, den Andrew vor nun bald vier Monaten seinen roten Brüdern abgestattet hatte, und bei dem ein Mädchen, Nohoste-ia, eine besondere Rolle spielte, wie aus den Worten des Burschen hervorging, die Mr. Gloster belauscht hatte.

Nach der Abendmahlzeit, die kaum berührt wurde, brach Tom Collins endlich das lange, peinliche Schweigen. »Es scheint mir fast unmöglich, daß die Arrapahoës von den Bad-lands für den Sommer bis hierher gekommen sind«, meinte er sinnend. »Bei meiner letzten Anwesenheit im Camp im vergangenen Herbst hörte ich auch, daß sie beabsichtigten, in diesem Jahre auf der Laramie-Plain ihr Sommer-Lager aufzuschlagen. Diese Prärie, die viele Meilen weit ist, liegt südwestlich von Fort Fetterman.

Mr. Gloster erwiderte, es sei vielleicht am besten, sich vorläufig darüber zu vergewissern. Man solle die Gegend nach Spuren abstreifen, die das reisende Volk zurückgelassen habe. Der Indiantrader war derselben Ansicht, und am nächsten Tage machten sich beide auf die Suche. Sie fanden nicht die geringste Fährte.

Tags darauf ritten sie zu Ben Körber. Zu ihrem größten Bedauern trafen sie ihn nicht daheim. Wahrscheinlich befand er sich auf dem beabsichtigten Streifzuge nach einer neuen Fangstelle. Am nächsten Tage besuchten sie ihn wieder, doch auch dieses Mal vergeblich.

So verrann eine Woche unter Hoffen und Bangen. Da erschien der Trapper eines Mittags mit sechs erlegten Enten. Er teilte mit, daß er nördlich von seinem jetzigen Heim eine noch viel großartigere Biberstadt entdeckt habe. Als er erfuhr, was geschehen war, schwieg er anfangs betroffen. Dann aber wetterte er los und blieb dabei, daß Andrew Brown ohne Frage wieder bei den Indianern sei. Tom Collins dagegen gab sich, allerdings gegen seine Überzeugung, die größte Mühe, dies zu widerlegen.

Das Gespräch wurde immer hitziger. Schließlich meinte Ben Körber, bei der wankelmütigen Sinnesart des Burschen sei es nicht ausgeschlossen, daß er sich gar bereit erklärt habe, seine roten Brüder bei einem Kriege gegen die Weißen zu unterstützen. Er könnte dazu wohl durch Versprechungen und Belohnungen der Indianer verlockt worden sein; seine Undankbarkeit habe er doch wohl jetzt zur Genüge bewiesen.

Der Indiantrader wies einen solchen schändlichen Verdacht entrüstet zurück. Die beiden alten Freunde gerieten darüber beinahe in Streit. Zuletzt warf der Trapper eine der Enten, die er noch immer in der Hand hielt, zu den übrigen und rief rot vor Zorn: »Zum Henker! Ihr habt es bitter nötig, so sollte ich meinen, alle Möglichkeiten zu erwägen. Ihr solltet zugleich bedenken, wie Ihr den Kopf aus der Schlinge zieht, falls das eintrifft, was ich nicht als unwahrscheinlich hinstelle. Vergeßt Ihr ganz, daß Ihr Euch leichtsinnigerweise für den Jungen verbürgt habt?« Tom Collins erbleichte.

»Na? Seht Ihr? Das schießt Euch in die Knochen«, fuhr Ben Körber eifrig fort. »Vorläufig gibt es jedenfalls nur eine Vorsichtsmaßregel, die Ihr sofort hättet ergreifen müssen. Ihr hättet das Militär von der Flucht Eures Schützlings benachrichtigen und es vor dem nichtsnutzigen Schlingel warnen müssen. Herrgott im Himmel! Nein! Ich muß doch aufrichtig eingestehen, daß ich nach dem, wie sich der Junge in der letzten Zeit bewiesen, etwas derartiges nicht von ihm erwartet hätte«, sprach er in milderem Tone weiter.

»Ich hatte ihn wirklich lieb gewonnen – – – Zum Henker! Was hilft alles Reden! Jetzt heißt es handeln. Hört, was ich für das beste halte! Meine Habseligkeiten sind gepackt. Ich brauche sie nur noch auf die Pferde zu schnüren. Das soll morgen früh geschehen, und dann will ich schleunigst auf geradem Wege durch die Berge zum Fort Fetterman aufbrechen. Ihr zieht morgen von hier zunächst zum Fort Reno. Dort unterrichtet Ihr den Kommandanten, Hauptmann Gribold, von allem, und dann folgt Ihr mir.«

Es blieb bei diesem Vorschlage. Wenige Stunden nach Sonnenaufgang waren am nächsten Tage die turmartige Hütte in den Bergen und der Fuchsbau verlassen.

Der Trapper beeilte sich, so schnell wie möglich vorwärts zu kommen. Schon nach zwei Tagen erreichte er Fort Fetterman und suchte sogleich Hauptmann Grover auf.

Seine Unterredung mit ihm dauerte nicht lange. Nachdem er seine Pferde abgepackt, abgesattelt und untergebracht hatte, trat er eine halbe Stunde später nicht in der besten Laune in die Schankstube Mr. Butterflys. Dieser begrüßte ihn aufs herzlichste. Auch James Jimsby tat es, der dort anwesend war. Er war jetzt in Uniform, die ihn vortrefflich kleidete.

»Nun? Ihr macht kein sehr frohes Gesicht! War der Fang schlecht?« fragte der Schankwirt voller Teilnahme.

Jimsby dagegen meinte lachend: »By Jingo! Ja, Ihr seht aus, als habe Euch jemand auf den Fuß getreten.«

»Geärgert habe ich mich«, erwiderte Ben Körber und setzte sich an den Tisch am Fenster. »Potz Wetter! Man meint es wahrlich redlich und haspelt sich ab, als wolle man Geld damit verdienen, und nachher muß man sich auslachen lassen. So ist es mir ergangen.«

Er erzählte in Kürze von der Flucht Andrew Browns und von seinen Vermutungen.

»Jingo and Jehosaphat! Das ist ja ein ganz verflixter Bursche«, rief James Jimsby. »In dem sitzt nicht viel von seinem weißen Vater!«

»Ja – und nun?« fragte Mr. Butterfly neugierig.

»Nun teile ich dies soeben Hauptmann Grover mit. Er meint darauf und lächelt wie ein Kind in der Wiege: er habe sich immer gedacht, daß der Junge eines Tages in seine goldene Freiheit zurückkehren werde. Er habe ihn daher auch dem Engländer auf die Jagd mitgegeben, damit er in den Befestigungen nicht zu klug würde. Was meine weiteren Vermutungen beträfe, so sei den Arrapahoës vor vier Monaten so heimgeleuchtet worden, daß ihnen das Verlangen nach einer Wiederholung wohl für einige Zeit vergangen sei.

Er dankte mir in freundlichen Worten, daß ich damals die Warnung John Keisters dem Militär noch rechtzeitig überbracht habe. Ich zeige auch jetzt wieder, sagte er, daß ich die Regierung gern in ihrem Bestreben unterstütze, den Frieden im Lande möglichst aufrecht zu erhalten und die Indianer dabei dennoch in den Grenzen zu fesseln, die ihnen angewiesen seien. Dann begleitete er mich höflich vor die Tür seines Hauses. Als ich ging, rief er mir scherzend nach: ›Wenn die Kerle dennoch Streit anfangen, sollt Ihr uns helfen, ihnen die nötige Achtung einzuflößen. Ihr seid der Mann danach. Eine Büchse, aus der jede Kugel ihr Ziel trifft, ist uns bei solchen Gelegenheiten stets hochwillkommen.‹ – Na, ist es jetzt nicht erklärlich, wenn ich mich ärgere? Ich habe also meine Pferde vollständig umsonst abgehetzt, wie auf dem Rennplatz, und mich dazu!«

»Ja, wißt Ihr«, sagte James Jimsby, kraute sich hinter dem Ohr und lächelte verschmitzt: »Ich glaube auch kaum, daß die Arrapahoës fürs erste wieder über den Strang schlagen. By George! Als die Nachricht vom Aufstand der roten Krieger kam, trug ich den bunten Rock erst wenige Tage. Wir rückten sofort aus, und in der zweiten Nacht umzingelten wir sie in einem Talkessel. Sie waren darin gefangen wie die Maus in der Falle. Als sie früh am anderen Morgen aus süßem Schlummer erwachten, begann der Tanz. Die armen Kerle! Sie rannten kopflos wie die Hasen umher, während rund um sie her unsere Schüsse von den Höhen krachten. Die Kugeln prasselten wie Hagelschloßen in den Talkessel. Hätte Hauptmann Grover uns nicht schon nach wenigen Minuten Einhalt geboten, so wäre nicht einer von den Indianern am Leben geblieben. Jedenfalls war ihnen der Schreck gewaltig in die Glieder gefahren. Nach längerer Verhandlung gelobten sie Frieden. Als sie dann mit ihren Toten und Verwundeten an uns vorüberzogen, um in ihr Dorf zurückzukehren, zitterten sie noch, als wären sie mit eiskaltem Wasser übergössen worden.«

»Der rote Mann vergißt überstandene Leiden, Mühen, Schrecken und dergleichen von einer Stunde zur anderen«, versetzte der Trapper. »Wurde er aber geschädigt, so gibt er sich nicht eher zufrieden, als bis er alles möglichst reichlich vergolten hat. Das wird auch bei den Arrapahoës der Fall sein. Andrew Brown lernte unter den Weißen dennoch allerlei, was er zu ihrem Nutzen verwenden könnte. Jetzt, nach seiner Rückkehr, könnten sie die günstigste Gelegenheit sehen, sich für die Schlappe zu rächen, die sie damals erhielten. Besonders, wenn der Bursche sie noch dazu aufstacheln sollte, wie er es schon einmal getan hat.

Der Rachetrieb macht den Indianer blind, aber auch den feigsten Mann kühn. Er ist dann wie ein gereiztes, wildes Tier. – Na! Ich handelte nach bestem Ermessen. Zeigt es sich, daß ich mich nicht getäuscht habe, so wasche ich meine Hände in Unschuld. Ich bedaure in diesem Falle nur Tom Collins. Er verbürgte sich der Regierung gegenüber, daß Andrew Brown die Indianer nicht wieder aufhetzen würde. Geschieht es jetzt, so wird man meinen alten Freund natürlich zur Rechenschaft ziehen. – O, ich könnte aus der Haut fahren, wenn ich denke, daß das der Dank für all die Sorgfalt wäre, die er anwandte, um aus ihm einen vernünftigen Menschen zu machen!«

»Aber, by Jingo!, hatte der Hauptmann nicht auch recht, wenn er annahm, daß sich der Bursche über kurz oder lang seine goldene Freiheit zurückwünschen würde?« sagte James Jimsby. »Jehosaphat! Ihr könnt vielleicht einen Wolf zähmen; ein Jagdhund wird jedoch nie aus ihm. Und wenn ihr nicht acht gebt, so entschlüpft er Euch bei nächster Gelegenheit gewiß. Ist er aber erst wieder unter seinesgleichen, so werdet Ihr sehr bald nichts mehr von seiner Zähmung bei ihm bemerken.«

»Oho! Bei Andrew Brown lag die Sache denn doch etwas anders. Wenn Ihr ihn in den letzten Monaten gesehen hättet, dann hättet Ihr selbst gesagt, daß er mit einem Indianer nur noch die Hautfarbe gemein hatte«, erwiderte Ben Körber lebhaft.

»Er war sehr tätig und gefällig geworden und lernte anscheinend mit dem größten Eifer Lesen und Schreiben. Er bewies auf manche Art, daß er dankbar anerkannte, was ihm geboten wurde. Und – und – das sollte alles Verstellung gewesen sein? Das wäre schändlich, nichtswürdig! Wie gesagt, es ist nur eine Vermutung, die ich ausspreche, daß der Junge das rote Volk abermals zum Kriege anstiften könnte. Wäre es wirklich der Fall, dann verdiente er –« der Trapper sprang hochrot vor Zorn auf und schlug auf den Tisch, daß es krachte: »– dann verdiente er wirklich einen Schuß vor den Kopf.«

»Es wird keine Speise so heiß gegessen, wie sie aufgetragen wird«, sagte Mr. Butterfly beruhigend. »Warten wir ab, was uns die Zukunft lehrt! Es sollte mir um den Jungen leid tun, wenn er nur die Eigenschaften des roten Volkes von seiner Mutter geerbt hätte und nichts von seinem weißen Vater. Das heißt –«, der Schankwirt zupfte lächelnd seinen Kinnbart, »– ich nehme an, daß dieser Eigenschaften besaß, die wert waren, vererbt zu werden. Kann dieser nicht zum Beispiel auch eine wankelmütige Sinnesart gehabt haben? Umsonst werden diese sogenannten Squaw-men nicht allgemein mißachtet, die ein Leben unter den Indianern einem solchen unter ihren weißen Mitmenschen vorziehen und sich sogar eine Indianerin zum Weibe nehmen.«

Ben Körber begann, die Hände auf dem Rücken, im Zimmer auf- und abzugehen. Der Schankwirt fuhr jedoch fort: »Solange Andrew Brown hier in der Befestigung weilte, habe ich ihn immer auch als meinen Schützling betrachtet. Als ich hörte, daß er bei Tom Collins sei und dieser wie schon seit Jahren weiter strebe, ihn zu einem brauchbaren Mitgliede der menschlichen Gesellschaft heranzubilden, freute ich mich herzlich. Laßt uns nun nicht gleich als gewiß voraussetzen, daß jene Bemühungen bei ihm ganz vergeblich waren. Wer weiß, was ihn veranlaßte, davonzulaufen. Nach meiner Überzeugung ist der Junge nicht schlecht veranlagt. Seine wilde, rauhe Natur mag er teils von seiner Mutter geerbt haben, aber ebensogut auch von dem roten Volke nur angenommen haben, dessen Beispiel er bis vor kurzem beinahe ausschließlich vor Augen hatte. Hat er diese Wildheit erst gründlich abgestreift, so wird schon – – –«

»Jingo and Jehosaphat! Der hat's eilig!« rief James Jimsby und deutete durch das Fenster nach dem Platz. Ein Reiter kam auf schaumbedecktem Pferde in rasendem Galopp dahergehetzt.

»Wetter – ja!« sagte der Trapper. »Er jagt auf das Haus des Hauptmanns Grover zu! – – – Nicht möglich! Das ist – nein! Ich irre mich nicht – hol mich der Henker! – John Keister. – Er hat es nicht nötig, sich so zu beeilen. Man wird ihn bald genug hinter Schloß und Riegel setzen.«

»John Keister?« wiederholte Mr. Butterfly nachdenklich. »By George! Doch nicht der Mann, der seinerzeit den Soldaten Henry Brixton beinahe ins Jenseits beförderte?«

»Der ist's!« nickte Ben Körber.

»Richtig! Er hält vor des Hauptmanns Hause!« sagte James Jimsby und öffnete das Fenster. »Er steigt ab und läuft hinein. Seht nur den Gaul! Das Tier schwankt wie trunken hin und her. Bauz! Da liegt das arme Tier! Played out! Wörtlich übersetzt: ausgespielt; ein beliebter Ausdruck für: völlig erschöpft. nennt man das!«

»Was mag das zu bedeuten haben?« fragte der Trapper.

Die drei Männer schauten voller Neugierde zu dem Hause des Hauptmanns Grover hinüber. Mehrere Soldaten, die herbeigelaufen waren, nahmen dem niedergesunkenen Pferde Sattel und Zaumzeug ab.

Nach einer kurzen Weile erschien der Hauptmann in der Tür. Er wechselte einige Worte mit den Soldaten, die darauf zu den Kasernen eilten. Gleich darauf ertönten dort Trompetensignale.

»By Jingo! Sammeln!« rief James Jimsby erstaunt und stürzte zur Türe hinaus.

»Gebt mir einen kleinen Whisky, Mr. Butterfly«, sagte Ben Körber heftig erregt. »Ich trinke dergleichen sonst nicht unverdünnt. Jetzt aber, glaube ich, habe ich eine kräftige Auffrischung nötig. Ihr sollt sehen, ich hatte mit meinen Vermutungen recht.«

»Das möge der liebe Herrgott verhüten!« erwiderte der Schankwirt betroffen, indem er den Wunsch seines Gastes erfüllte.

Ben Körber trank das Glas in einem Zuge leer. Er schüttelte sich und trat wieder mit Mr. Butterfly ans Fenster.

Aus den Kasernen kamen marschmäßig gerüstete Soldaten. Andere zogen gesattelte Pferde aus den Ställen. Offiziere liefen auf und ab und erteilten ihre Befehle. Das war ein Drängen, Hasten und Rufen. Dazwischen schmetterten wieder die Trompeten, worauf die Soldaten nach der Mitte des Platzes eilten.

»Wohin wollt Ihr?« fragte der Schankwirt den Trapper, der sich zum Gehen anschickte.

»Zum Henker! Ich will mich nach der Ursache des Aufruhrs erkundigen. Ich bin mehr als begierig, näheres darüber zu erfahren!«

»Das werdet Ihr hier bei mir auch bald hören. Sicherlich besser als dort, wo in dem allgemeinen Wirrwarr augenblicklich jeder hinreichend mit sich selbst zu tun hat. Dort hat keiner Zeit, Euch Rede und Antwort zu stehen«, sagte Mr. Butterfly gelassen.

»Geduldet Euch nur wenige Minuten! Ereignet sich irgend etwas von Belang in der Befestigung, so teilt es mir der Arbeiter Josias Hanemann sofort mit. Heute hat er, wenn ich nicht irre, die Wetterseite des Hauses von Hauptmann Grover geteert. Er bekommt für jede Nachricht, die er mir als erster zuträgt, seinen Lohn. Den wird er sich auch heute nicht entgehen lassen. – Dort kommt er schon.« Zwischen den Soldaten hindurch, die sich jetzt in einzelnen Kolonnen aufstellten, kam ein robuster Mann dahergetrabt. Er winkte triumphierend mit einem Teerquast, den er in der Rechten hielt, als er den Schankwirt am Fenster gewahrte.

»Er weiß Bescheid«, sagte Mr. Butterfly. Dabei trat er hinter die Bar und füllte ein größeres Glas mit Whisky.

Gleich darauf polterte Josias Hanemann in das Gemach.

»Die Halunken! Die Spitzbuben!« rief er atemlos und fuhr sich mit der Linken, die von Teer beschmutzt war, über sein kupferrotes Gesicht. Das wies nun ebenfalls verschiedene Teerflecken aus. »Wer hätte es geahnt? Ich hätte ruhig meinen Kopf gegen einen Dollar verwettet, und dann wäre ich heute ein toter Mann. Es ist schändlich!«

Er stockte und schielte nach der Bar.

»Na! Nehmt es nur! Dann aber heraus mit der Sprache! Und berichtet ohne viele Umschweife, was Ihr wißt!« lachte der Schankwirt und schob ihm das Glas hin.

Der Arbeiter leerte es schmunzelnd. Dann schnalzte er mit der Zunge und fuhr fort: »Kurz und bündig: für unsere Soldaten gibt es wieder etwas zu tun. Soeben kam John Keister – ein guter Kerl, nur ein wenig hitzig! Das veranlaßte ihn auch damals, Henry Brixton, der auch hitziger Natur war, etwas unsanft auf den Schädel zu tupfen. Er meldete, daß die Arrapahoës, diesesmal mit den Cheyennes und den Crows verbündet, heranrücken. – Das Fenster des Zimmers unseres Hauptmanns war offen. Ich stand auf der Leiter in der Nähe und hörte beinahe jedes Wort. – John Keister empfahl sich der Gnade des – – –«

»War auch von Andrew Brown die Rede?« unterbrach ihn der Trapper gespannt.

Josias Hanemann nickte. »Allerdings! – Wartet einmal! – Ja, richtig! Er ist bei den Arrapahoës, und er will mit ihnen sterben. Das Pferd, das vor dem Hause des Hauptmanns zusammenbrach, wird sich kaum wieder erholen. John Keister ist ohne Aufenthalt Tag und Nacht geritten, – – –«

»Wo finde ich John Keister?« fragte Ben Körber, indem er seinen Hut ergriff und sich zur Tür wandte. »Ich muß ihn sprechen.«

»Damit werdet Ihr kein Glück haben«, erwiderte der Arbeiter.

»Hauptmann Grover hat ihn sofort in Gewahrsam bringen lassen. Dort soll er bleiben, bis sich bestätigt hat, daß seine Angaben auf Wahrheit beruhen. – Ihr bemüht Euch wirklich unnütz, Sir! Glaubt es mir!« versicherte Josias Hanemann, als der Trapper dennoch gehen wollte. »Man wird Euch abweisen, da der Hauptmann ausdrücklich befohlen hat, keinem den Zutritt zu dem Gefangenen zu gestatten.«

»Zum Henker! Was soll ich nun tun?« schalt Ben Körber ärgerlich.

»Wenn ich nur – – – Was ist das? Hört Ihr es?«

Fernklingende Trompetentöne lockten die Männer wieder an das Fenster.

Auf dem Platze standen die Soldaten in Reih' und Glied.

Zwei Kanonen, mit je sechs Pferden bespannt, rasselten soeben hinter die Kolonnen. Dort nahmen auch eine Anzahl Munitions-, Gepäck- und Krankenwagen ihre Aufstellung. Karren mit Lebensmitteln und beladene Pferde schlossen sich an. Vor der Front hielt Hauptmann Grover auf einem mutigen Pferde, das den Boden mit den Vorderhufen scharrte. Bei ihm waren mehrere Offiziere. Alle schauten überrascht nach Norden.

»Da muß ich doch gleich sehen, was es neues gibt«, meinte Josias Hanemann mit einem vielsagenden, pfiffigen Blick nach der Bar.

Er verließ schleunigst das Zimmer, indem er seinen Teerquast wie eine Kriegskeule schwang.

»Wahrscheinlich befinden sich zufällig Truppen auf dem Marsche«, sagte Mr. Butterfly. »Das wäre gewiß kein unwillkommenes Zusammentreffen hier in der Befestigung. Hauptmann Grover hat ohne Zweifel sofort nach Fort Reno geschickt und um Verstärkung gebeten. Aber bevor ihm das Militär nachgerückt ist, hat der Kampf mit den roten Kriegern voraussichtlich längst begonnen.«

Jetzt klang Pferdegetrappel näher und näher. Dann erscholl ein vielstimmiges »Hipp, hipp, hipp, hurra!«

Zwischen den Häusern im Norden sprengte ein stattlicher Haufen Reiterei auf den Platz. Ihr voran jagte im Galopp ein Offizier auf Hauptmann Grover zu. Von der anderen Seite näherte sich langsam Josias Hanemann. Er lauschte der Unterredung der beiden Herren eine kurze Zeit; dann begab er sich im Laufschritt zur Schankstube zurück. Hier hatte Mr. Butterfly schon ein neues Glas gefüllt.

Josias Hanemann trank es ohne weiteres leer, schnalzte wieder mit der Zunge und sagte: »Alles in Ordnung, und der Krieg beginnt. Tom Collins, der Indiantrader, und der verrückte englische Bärenjäger, der vor vier Monaten hier war, sind nach Fort Reno gekommen. Sie haben dort mitgeteilt, daß Andrew Brown entflohen sei, sehr wahrscheinlich zu seinen roten Brüdern. Es sei nicht unmöglich, daß er diese, wie schon einmal, zum Kampfe aufreize. Eine Stunde später ist ein Kundschafter mit der Meldung eingetroffen, daß die Crows mit drei Federn in der Skalplocke ihre Dörfer verlassen hätten und nach Süden gezogen seien. Es sei zu vermuten, daß sie sich mit den Arrapahoës und den Cheyennes vereinigen wollten.

Hauptmann Gribold ist jung, kurz entschlossen und immer schnell bereit, wenn es gilt, dreinzuschlagen. – Ihr kennt ihn, Mr. Butterfly. Er ist dann sofort mit seiner Reiterei aufgebrochen. Die zwei Regimenter Infanterie, die außerdem in Fort Reno liegen, folgen in Eilmärschen nach. Tom Collins ist verhaftet worden, weil er sich für Andrew Brown verbürgt haben soll, nachdem dieser den letzten Aufstand der Indianer veranlaßt hatte. Tom Collins wird unter Bedeckung hierher gebracht.«

»Zum Henker! Da haben wir die Bescherung!« rief der Trapper erbleichend. Er stülpte seinen Hut auf und hing seine Büchse, die in einer Ecke lehnte, am Riemen über die Schulter. »Ihr werdet so freundlich sein, meine Pferde und meine sonstige Habe während meiner Abwesenheit in Eure Obhut nehmen, Mr. Butterfly, nicht wahr?« sagte er mit bebender Stimme.

»Während Eurer Abwesenheit?« wiederholte der Schankwirt erstaunt.

Ben Körber nickte. »Hauptmann Grover bot mir zwar nur aus Scherz an, ihm zu helfen, wenn Indianerunruhen stattfänden. Ich fasse es jetzt jedoch als Ernst auf und schließe mich dem Militär an.

»By Jingo! Freund! Wie kommt Ihr auf diesen Gedanken?« rief Mr. Butterfly überrascht und bestürzt.

»Ich sollte meinen, das läge sehr nahe«, versetzte der Trapper hastig und sah unruhig durch das Fenster.

Die Trompeten schmetterten wieder, und die Soldaten rückten zur Befestigung hinaus.

»Ich muß dafür sorgen, daß Andrew Brown für immer unschädlich gemacht wird. Denn entkommt er, so geht es meinem guten, alten Freunde Tom Collins an den Kragen, wie ich es befürchtet habe. Vielleicht geschieht es schon, falls das Militär nur einen einzigen Mann verliert. Oh! Man möchte vor Ärger über diesen nichtsnutzigen, falschen Burschen aus der Haut fahren! Er ist nicht wert, daß ihn die Sonne bescheint.' Und nun bringt er einen Menschen in die größten Ungelegenheiten, der ihn mit Wohltaten überhäuft hat.«

In hellem Zorn sprach er weiter: »Die Soldaten trafen den Nagel auf den Kopf, als sie ihn den roten Spion nannten. Es ist erklärlich, weshalb ich mich von ihm übertölpeln ließ. Ich hatte natürlicherweise eine gewisse Neigung für ihn. War der Junge doch auch wie mein – – –.«

Er brach plötzlich ab und rückte verlegen an seinem Hut. »Dummheiten! Was schwatze ich da! Ein Narr war ich! – Lebt wohl!«

Der Schankwirt hielt ihn zurück. »Wenn Hauptmann Grover überzeugt war, wie er selbst sagte, daß Andrew Brown seine goldene Freiheit nicht aufgeben werde, so wird er auch die Bürgschaft Eures Freundes nicht sehr ernst genommen haben.«

»Wie ernst es genommen wird, erseht Ihr daraus, daß man den armen Tom Collins augenblicklich wie einen Verbrecher behandelt«, entgegnete Ben Körber kopfschüttelnd. »Nein! Ich gehe, und dabei bleibt es, – Hm, hm! – Noch eins, Mr. Butterfly.«

Er holte eine Brieftasche aus seinem Wams hervor und überreichte sie dem Schankwirt. »Sie enthält eine Anweisung auf die kleine ersparte Summe, die auf der Bank in Chikago liegt. Über die Biberfelle, die ich jetzt mitbrachte, wurden wir beide schon im Winter handelseinig. Liefert das Papier und meine übrige Habe an meinen alten Freund ab, falls ich – hm, hm! Man kann es ja nicht wissen, – nicht wiederkehren sollte. Er kennt meinen letzten Willen und wird in diesem Sinne über meinen Besitz verfügen. Lebt wohl!«

Bevor Mr. Butterfly etwas erwidern konnte, war er fort.

»Oh, dieser nichtswürdige Junge!« murmelte Ben Körber grimmig vor sich hin, während er den Soldaten nacheilte, die in südlicher Richtung marschierten. »Aber warte, Bursche! Ich werde dich zwischen deinen roten Brüdern schon herausfinden, und dann – – hm, hm! Es ist hart, denn ich hatte dich gern! Ich weiß selbst nicht warum. Aber mein Freund steht mir näher als du. Und da in dir doch nichts von einem Weißen steckt – zum Henker! Nein! Du bist um nichts besser als diese roten Halunken! – Kommst du mir nur einmal vor den Lauf, so schieße ich dich nieder wie einen tollen Hund!«


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