Friedrich von Oppeln-Bronikowski
Der Schwarzkünstler Cagliostro
Friedrich von Oppeln-Bronikowski

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Etwas aus der Vorlesung, die Cagliostro unserer Gesellschaft in Alt-Auz hieltCagliostro setzte sich an einen großen Tisch, wir alle um ihn, und wir hatten die Erlaubnis, so schnell wir konnten, seine Vorlesungen nachzuschreiben. In dem Tone eines Begeisterten trug er sie vor. Ob er gleich keiner Sprache recht mächtig war, so machte doch die Heftigkeit, mit der er redete und das Galimathias von fremden und zum Teil geheimnisreichen Worten auf uns in der Stimmung der Seele, in welcher wir damals waren, einen großen Eindruck. Den alltäglichsten Dingen wußte er durch Ton und durch geheimnisvollen Anstrich Gewicht zu geben; aber sehr oft sagte er auch etwas ganz Plattes mitunter. – Da ich ihm sagte, daß ich solche Widersprüche in ihm nicht zusammenreimen könne, erwiderte er: ich sollte den Gesichtspunkt nie aus den Augen lassen, daß er den Geist und Charakter seiner Jünger durch mancherlei Dinge auf die Probe stellen müsse.
    Es tut mir leid, daß fast alle Mitglieder unserer Gesellschaft, seit sie Cagliostro für einen Betrüger hielten, ihre Aufsätze über ihn verbrannt haben. Es wäre merkwürdig, diese jetzt miteinander zu vergleichen; denn jeder von uns schrieb das nach, was ihn vorzüglich interessierte. Mir ist es lieb, daß ich die Denkmäler der Verirrung meines Geistes nicht ganz vernichtet habe, sondern einige davon zur Belehrung für andere wohlmeinende, hintergangene Seelen darstellen kann. (1787.)

»Es ist mehr als Eine Sündflut gewesen; dies können die Naturforscher aus den Erdlagen beweisen. Das Alter der Erde geht weit über Menschendenken. Man kann Moses nicht vorwerfen, daß er eine falsche Zeitrechnung in Ansehung des Alters der Erde angegeben hätte; den Magikern ist diese verständlich. – Neugierde, wenn sie nicht auf Tugend und Trieb zu Vollkommenheiten gegründet ist, wird schädlich; Loths Weib ist Beweis hiervon. Moses, Elias und Christus besuchen bisweilen in diesen geheiligten Kreisen unsern Erdball. – Es leben in heimlichen mystischen Gesellschaften einige, die Jahrhunderte zählen.

Die heilige Schrift ist voller Bilder tiefer Magie. Judith befreite Bethulia durch Holofernes' Tod! Die wahre Weisheit war ihr Eigentum, denn sie war schon zur Reife der Seele gelangt, daß sie erkannte: die Gebote ihrer Oberen wären das heiligste für sie,Man bedenke einmal, welche abscheuliche Lehre Cagliostro hier fortpflanzte. Also hätten ja seine geheimen Schülerinnen, gleich der Judith auch morden müssen, wenn es ihm seine Oberen befohlen hätten! So weit wollte er uns freilich nicht bringen. Aber der Grundsatz, den er uns hier gelegentlich beibrachte, daß die Oberen nie etwas anderes, als was Gottes Absichten befördere, befehlen könnten, und daß man ihnen also unbedingt gehorchen müsse, führt zu den schrecklichsten Folgen und gibt unbekannten Leuten, welche solche Abenteurer wie Cagliostro absenden, eine unglaubliche und sehr gefährliche Macht. Ich habe nachher gelesen, daß die Jesuiten vorgeben, alle Befehle ihrer Oberen und alles, was durch ihren Orden geschehe, gereiche zu größerer Ehre Gottes. Dies ist genau eben das, was Cagliostro über den Mord sagte, den Judith beging, die er als ein Symbol der Magie vorstellte. (1787.) weil diese nie etwas gebieten könnten, das nicht die gute Absicht des großen Baumeisters der Welt schneller befördere; und so habe das schwache Weib die Kraft gehabt, den zu töten, der durch sein längeres Leben dem bösen Prinzipium die Oberhand gegeben hätte.

Zu der Zeit war die geheime mystische Weisheit bei Männern und Weibern zu finden. Aber sie waren weder dem eitlen Tande, noch den sinnlichen Lüsten so als jetzt ergeben, und daher konnten sie schon in ihrer irdischen Hülle zur Gemeinschaft mit höheren Geistern gelangen.

Auch jetzt können noch alle Wunder, von denen die Schrift redet, bewirkt werden, wenn wir uns nur von allen sinnlichen Gegenständen entfesseln, mit edlem Triebe nach Vollkommenheit streben und einen solchen Hang, das allgemeine Wohl zu befördern haben, als Curtius hatte, der sich freiwillig in den Tod stürzte.

Stärke der Seele ist das erste Mittel, alt zu werden, und die erste Tugend eines echten Maurers. Durch diese reift man zu höheren Kräften; doch gibt es auch physische Mittel, durch welche man sein Leben zu Jahrhunderten verlängern kann.Hier muß ich wieder ein Bekenntnis vom damaligen Zustande meiner Seele ablegen. Die Aussicht eines hohen Alters war mir furchtbarer als der Tod, denn ich sehnte mich zu meinen verstorbenen Freunden. Ich beichtete Cagliostro treuherzig, daß ich durch die Magie nicht gerne meinem frühen Tode entgehen möchte. »Ei!« sagte Cagliostro in dem Tone eines zurechtweisenden Lehrers: »Haben Sie solche Sucht zu genießen und sich nur in selige Freuden zu wiegen, daß Sie diesen Zustand dem tätigen und für das Wohl anderer geschäftigen Dasein vorziehen, so haben Sie freilich nicht Stärke genug, diese Laufbahn zu betreten, die weniger durch Selbstgenuß, als durch Fleiß und Arbeit, durch Selbstbekämpfung andere beglückt und so allmählich der Seligkeit nahe kommt, welche die genießen, die dem Throne des großen Baumeisters der Welten am nächsten sind. Sehen Sie den bestirnten Himmel, alle die Millionen Welten, wollen Sie Ihren Wirkungskreis nicht erweitern ? – Wollen Sie nur für diesen Punkt in der Schöpfung und für die, welche Sie hier kannten und kennen, leben? Nun, so streben Sie nach der Tugend, welche Sie bis jetzt auszuüben suchten; aber verlassen Sie den Pfad, der Sie entweder ins tiefe Elend stürzen, oder Sie zu der Seligkeit bringen kann, in verschiednen Welten für die Seligkeit Tausender wirksam zu sein.« – Diese von Cagliostro hingeworfenen Brocken entflammten meinem jugendlichen Geist mit neuem Eifer zur Magie; aber ein Gedanken schwebte meiner Seele vor, der mich diese Laufbahn mit stiller Schwermut betreten ließ. Schon hatte ich einige mir liebe Toten, die keine Eingeweihte der Magie waren; Schwander schien mir auch so schwer zu bekehren, und von diesen Freuden wollt' ich selbst durch größere Seligkeit nicht getrennt sein. Ich eröffnete meinem mystischen Lehrer also diese Gedanken meiner Seele, und er sagte mir abermals: daß dies eine irdische Schwachheit meines Geistes sei, der noch an den ewigen Schätzen der Magie nicht ganz hinge; ich sollte bedenken, was alles Christus von seinen ersten Nachfolgern verlangt habe: Verlasset alles und folget mir nach! Diese Resignation in eigenen Freuden fordere auch er für das Wohl des Ganzen; doch könne er mir, um mich über diesen Punkt zu beruhigen, sagen: daß, wenn ich erst auf der Bahn der Magie emporsteigen würde, ich auch mit meinen früh verstorbenen Freunden zusammenkommen könnte, und selbst die, die sich hier nicht der Magie ergeben hätten, und alles nur mit ihrem Verstande hätten begreifen wollen, auch nach der Trennung ihrer Seele vom Körper zur magischen Glückseligkeit allmählich hinüberbringen würde, wenn edle Grundlage da wäre. So spielte Cagliostro mit meinen Phantasien und wendete sie an, um seinen Absichten näher zu kommen. (1787.)

Alexander der Große lebt noch in Ägypten und bildet eine eigene Sekte der Magiker, die nur über die Helden und Krieger wachen und da nach dem Plane des großen Baumeisters der Welten die beschützen und leiten, denen die anscheinende Gewalt dieser Erde in Händen gegeben ist. Friedrich der Große ist durch Alexanders dienstbare Geister geschützt und bewacht. – Die Gewalt der Könige und Fürsten ist ihnen nur anscheinend gegeben, eigentlich stehen sie unter Magikern, guten oder schwarzen; daher kommt, daß sie entweder gut und glücklich oder hart und tyrannisch regieren.Es ist gar kein Zweifel, daß unter diesem anscheinend widersinnigen Geschwätz nicht versteckte Wahrheit verborgen liegt. Ich habe schon in der Anmerkung auf S. 96 die höchst wahrscheinliche Vermutung geäußert, daß vieles, was uns als großes Geheimnis von Cagliostro vorgetragen ward, nichts als verabredete Zeichensprache der geheimwirkenden Gesellschalten sein möge. Suchen übrigens nicht die meisten vorgeblichen Mystiker und Magiker, soviel sie können, sich an die Großen dieser Erde zu drängen, geheime Gesellschaften zu stiften, um so, wenn Könige und Fürsten Empfänglichkeit für diese Art von Geheimnissen haben, dadurch über sie zu herrschen und solchergestalt leichter in die Geheimnisse der Kabinette und Staaten hineindringen zu können!
Wenn, wie ich es höchst wahrscheinlich finde, Cagliostro nichts als ein Emissar der Jesuiten war, so werden die guten Magiker wohl niemand anderes als die Jesuiten vorstellen sollen: durch welche Erklärung verschiedenes, was von der Macht dieser Magiker und von ihren Kenntnissen im allegorischen Dunkel gesagt ward, nun ziemlich helle wird. Cagliostro legte im Gegenteile jedem, der ihm oder auch den Oberen, von welchen er gesendet war, nicht blind und unbedingt glauben wollte, eine Anlage zur Nekromantie oder schwarzen Magie bei. Die Lehren oder die Chiffersprache vom guten und bösen Prinzipium, welche man in dem berüchtigten Buch des Erreurs et de la Verité findet, bestätigen diese Vermutung gar sehr. (1787.)

Jedes Metall zur Reife des Goldes zu bringen, sei eine Wissenschaft, die dem nie zuteil werde, der das Gold nur um des Goldes willen und als Beförderung der Eitelkeit, nicht aber zu wohltätigen Zwecken brauchen wolle und daher wünsche.

Er würde einigen unserer Mitglieder das rote Pulver, oder, um es bestimmter auszudrücken, die erste Materie, durch welche sie Metalle zur Reife bringen könnten, mitteilen, um zu sehen, wie sie mit diesem Pfunde wuchern würden. Aber auf hundert und mehrere Meilen könne er die Kraft der Wirkung dieses Pulvers hemmen, und jedes unwürdige Mitglied unserer Gesellschaft strafen.Auch sehr fein ausgesonnen! Wer also durch das rote Pulver die Metalle nicht zur Reife des Goldes bringen kann, der ist kein würdiger Schüler, dem zur Strafe hat das Pulver seine Eigenschaft verloren; und so ist die Kraft der ersten Materie immer gerettet. (1787.)

Salomon, dessen Tempelbau in gewissen Gesellschaften ein allegorisches Bild ist, fiel auf seiner magischen Laufbahn vom Guten ab, wurde aber wieder gerettet und dem bösen Prinzipium entwunden. Die Geschichte vom Falle der Engel ist nichts als ein allegorisches Bild des Überganges von der weißen zur schwarzen Magie.«

 


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