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Erzählung vom Totschlags-Styr
Bis Kap. 14 liegt die Geschichte nur in der Nacherzählung des Jón Olafsson vom Jahr 1729 vor; vergl. die Einleitung.
Es war ein Mann, der hieß Vermund, mit dem Beinamen der Schlanke. Er wohnte am Eisfjord auf dem Hofe Badfarm und war ein Bruder von Styr. Sein Hof kam ihm abgewirtschaftet und recht baufällig vor; deshalb fuhr er nach Norwegen und wollte dort Holz kaufen, um ihn auszubessern. Damals herrschte Jarl Hakon 965-995. über Norwegen. Vermund traf ihn in seinem Winterquartier und gewann bald seine Freundschaft. Er schenkte ihm Pelzmäntel und anderes Pelzwerk, das er mitgebracht hatte, und blieb den Winter über bei ihm.
Zum Gefolge des Jarls gehörten zwei Berserker. Der eine hieß Halli, der andere Leiknir, das war der Jüngere. Der Jarl brauchte sie, wenn es große Taten galt; denn sie wollten hoch hinaus und waren stolz und stärker als andere Männer. Wurden sie gereizt oder sonstwie wütend, so hielt nichts ihnen stand; dann kam eine solche Berserkerwut über sie, daß kein Mensch ihnen standhielt. Deshalb war es den meisten lieber, wenn sie nichts mit ihnen zu tun bekamen.
Im Frühling, als die Kaufleute sich zur Islandfahrt rüsteten und auch Vermund sein Schiff klar gemacht hatte, sprach der Jarl ihn einmal an und sagte, er solle sich aus seinem Eigentum ausbitten, was ihm am meisten in die Augen steche. Vermund antwortete, es gäbe wohl etwas, was ihm sehr wertvoll erscheinen würde, aber es sei ihm zweifelhaft, ob der Jarl ihm das werde gewähren wollen. Der Jarl fragte, was denn das wohl sein könne? Da sagte Vermund, das seien die zwei starken Leute aus seinem Gefolge; die schienen ihm etwas ganz Kostbares, wenn der Jarl ihm die schenken wollte; an denen werde er sicheren Rückhalt haben, denn er habe drüben viele Händel. Der Jarl antwortete, er habe erwartet, er werde sich etwas andres ausbitten, und etwas andres wäre ihm auch nützlicher; denn so wie er die Sinnesart der beiden kenne, sei es für einen Bauern nicht leicht, sie zu halten, wenns ihnen einmal nicht nach Wunsch ginge; und zudem werde Er sich auch selber für beleidigt halten, wenn man sie etwa schlecht behandelte oder irgendwelche Anschläge gegen sie machte; und schlug ihm vor, sich etwas anderes auszusuchen. Aber Vermund wollte nichts andres und meinte, die Schwierigkeit sei nicht so groß, daß er sie ihrer Sinnesart wegen nicht so halten könne, daß sie zufrieden wären. Der Jarl sagte, dann solle er seinen Willen haben; aber ihm liege viel daran, daß sie gut gehalten würden. Vermund versprach ihm in der Hinsicht das Beste.
Es endet damit, daß die Berserker mit Vermund gehn. Sie haben im Sommer guten Fahrwind und Vermund geht sofort daran, seinen Hof auszubessern, und verwendet sie bei der Arbeit am Bau. Aber bald zeigte es sich, daß sie sich nicht recht zur Arbeit schickten, sondern ihnen der Sinn mehr nach Totschlag und großen Taten stand. Sie sagten zu Vermund, der Jarl habe sie ihm zum Schutz gegen seine Widersacher geschenkt, und nicht zur Arbeit. Sie wurden nun trotzig und ließen den Vermund ihre Überlegenheit merken. Da bereut er, daß er den Jarl um dies Geschenk gebeten hat, und denkt darüber nach, wie er sie loswerden kann. – Die Kunde von den Berserkern, die Vermund vom Jarl geschenkt bekommen hatte, kam überall herum, und seinen Feinden schien es nun doppelt bedenklich ihn anzugreifen.
Vermund hatte eine erwachsene Tochter; auf die richtete Halli seinen Sinn und hatte oft mit ihr zu schwatzen. Darüber gabs bald Gerede, und auch Vermund wirds gewahr, aber er tut, als merke er nichts davon.
Einige Zeit nach Mittwinter schickt Vermund einen Boten zu seinem Bruder, dem Totschlag-Styr, nach Lava Südwestlich von Thorskap und Heiligenberg am südlichen Breitfjord. mit dem Auftrag, ihn nach Badfarm einzuladen. Styr hält anfangs zurück, nimmts dann aber doch an. Er sagt, es sei sonst nicht seines Bruders Art gewesen, und es müsse etwas dahinterstecken; denn bis dahin wars zwischen den Brüdern nicht sehr rege.
Doch macht er sich mit ein paar Mann auf und reitet an den Eisfjord nach Badfarm. Vermund nimmt ihn ausnehmend gut auf und dankt ihm dafür, daß er gekommen ist. Styr bleibt drei Nächte bei ihm zu Gast und wird gut bewirtet. Das nannte man damals einen ›Freundesbesuch‹.
An dem Tag, wo Styr wieder abreiten will, sitzen die beiden Brüder am Tisch beim Trinken. Sie sind beide sehr vergnügt und im besten Einvernehmen. Da sagt Vermund: »Nun möchte ich dir danken, lieber Bruder, daß du mir meinen Wunsch erfüllt und mich besucht hast; und weil es das erstemal ist, möchte ich, daß du auch etwas davon hast. Ich weiß ein Geschenk für dich, von dem ich glaube, es ist dir nach dem Herzen: das sind die beiden Berserker, die ich hier bei mir habe. Ich weiß, du hast viele Feinde und mußt von allen Seiten auf Angriff gefaßt sein.«
Styr antwortet: »Das ist ein großartiges Geschenk. Und weil ich weiß, daß ich nichts besitze, was ihnen an Wert gleichkäme, so weiß ich auch keine bessere Gegengabe, als daß ich dir die Berserker gleich wiederschenke. Du kannst sie auch selber am besten gebrauchen.«
Vermund wird ärgerlich und sagt, es sei nicht recht von ihm, daß er es gering achte, wenn er ihm mit einem so nützlichen Geschenk eine Ehre antun wolle. Styr antwortet: »Sag lieber, daß es dich reut, daß du die Berserker genommen hast. Denn jetzt merkst du, daß du nicht der Mann bist sie zu halten, wie sie nun einmal sind.« Vermund gibt zu, daß es so ist, und spricht sich ganz offen aus und bittet ihn, ihm aus dieser Klemme zu helfen. Styr sagt, er habe Bedenken, sie zu übernehmen, weil der Jarl die Verfolgung habe, wenn ihnen etwas geschähe; aber wenn sie selbst Lust hätten, mit ihm zu gehn, sei er bereit und wolle ihm aus der Klemme helfen; denn ihm komme das doch am ehesten zu.
Vermund ist darüber froh. Und nun werden die Berserker hereingerufen und gefragt, ob sie mit Styr gehn wollen. Vermund sagt, Styr und sie würden ihrer Gesinnung nach besser zusammen stimmen, denn er habe mehr Händel und sei überhaupt ein ganzer Kerl; er aber müsse sich mehr mit der Last der Hofarbeit abgeben. Die Berserker sagen, der Jarl habe sie zwar ihm allein geschenkt, aber Styr gefalle ihnen und sehe aus wie ein Herr; und sie seien bereit, wenn Styr ihnen verspreche, sie ihrer Art gemäß zu behandeln und sie mehr auf Rachefahrten zu verwenden als in der Wirtschaft. Es endet damit, daß die Berserker mit Styr gehn sollen, und dann nahmen sie alle von Vermund Abschied.
Es war ein Mann, der hieß Thorbjörn, mit dem Beinamen ›Kinnbacken‹. Er wohnte am Kinnbackenfjord. Zwischen Styr und ihm war lange Streit gewesen und Styr hatte nie die Rache an ihm bekommen, die er sich wünschte. Nun schien es ihm gut zu passen, wenn er die Berserker dazu verwende und sich so zugleich bei ihnen beliebt mache. Er erzählt ihnen also, was er vorhat, und sie haben sofort die größte Lust dazu. Sie kommen in der Nacht hin und klopfen an die Tür; aber weil drinnen alles schlief, dauerte es einige Zeit, ehe jemand zur Tür kam. Da stellt Styr sie an: sie sollen die Tür aufbrechen; und das tun die Berserker. Thorbjörn lag im Schlafhaus. Er wacht von dem Lärm auf und fragt, wer der Störenfried sei, der die Leute bei Nacht überfalle. Styr sagt, er seis; und jetzt habe er Leute mit, die es wagten, ihm ins Auge zu sehen; und jetzt wolle er ihm den vielen Ärger heimzahlen; es sei ihm schon allzulange durchgegangen; und er müsse sich dreinschicken. Thorbjörn antwortet, er wolle nicht ausreißen oder um Gnade flehen; es sei auch so schon bald mit ihm zu Ende; sie sollten nur tun, was sie könnten; er werde sich nach Kräften wehren.
Thorbjörn lag in einem festen Verschlag. Er springt nun aus dem Bett und greift nach dem Schwert, das da hing, und wehrt sich. Styr hetzt die Berserker mächtig auf und sagt, es sei keine kleine Schande, daß sich der eine Mann so lange vor ihnen halte. Und auf diese Hetzrede hin werden die Berserker rasend und brechen Thorbjörns Verschlag auf, aber dabei schimpfen sie auf Styr, daß er sie so aufhetze und sich selber nicht heranwage. Da springt Styr vor und greift Thorbjörn an, und es endet damit, daß Styr ihm den Spieß in den Bauch stößt und Thorbjörn fällt. Die Berserker sind nun mit Styrs Draufgehn zufrieden und sagen, sie blieben gern bei einem so tapferen Häuptling. Dann reiten sie fort und machen den Totschlag bekannt. Nach vier Nächten kommen sie nach Lava, und nun sind beide Teile miteinander zufrieden. Den Berserkern scheint Styr ein tüchtiger und wackerer Anführer. Die Furcht vor Styr wurde dadurch nicht geringer, und seinen Feinden kam er nun ganz unangreifbar vor. So geht der Winter hin.
Styr hatte eine mannbare Tochter, die hieß Asdis. Leiknir, der jüngere von den Berserkern, nahm die Gewohnheit an, lang mit ihr im Gespräch oder beim Brettspiel zu sitzen, und das wurde mit der Zeit viel besprochen. Es kam auch vor Styr, aber der sagte, das mache nichts, und tat als merke er nichts davon, obgleich er es ganz gut sah.
Einige Zeit darauf kamen sie ins Gespräch, die Berserker und Styr, und er fragt sie, wie ihnen die Behandlung bei ihm gefalle. Sie äußern sich lobend und sagen, er scheine ihnen ein Häuptling, wie er zu ihnen passe. Das Gespräch läuft nun so, daß Styr sie fragt, ob sie nicht Lust hätten, sich seßhaft zu machen und zu heiraten. Da antwortet Leiknir, das liege ihm gar nicht so fern. Styr fragt, wohin ihn sein Herz denn ziehe? Leiknir antwortet: in eine Richtung, wo er die Entscheidung habe. Styr sagt darauf: wenn da auch eine gewisse Ungleichheit vorliege, so sei er ihm doch nicht unlieb, und das werde sich bald noch besser erweisen können. Dann fragt Styr den Halli, ob ihm der Sinn nicht auch nach einer Frau stünde? Halli sagt, dem sei in der Tat so. Styr fragt, wohin? und Halli sagt, Vermund habe da die Antwort zu geben, und mit Styrs Hilfe würde es wohl zu erreichen sein. Styr weist das nicht ab, und damit ist das Gespräch für diesmal zu Ende.
Kurz darauf bringt Leiknir die Sache noch einmal zur Sprache. »Deine Sinnesart«, sagt Styr, »ist ganz nach meinem Herzen; aber du mußt bedenken, daß du kein Geld hast zur Gegenleistung.« Leiknir antwortet: »Wenn ich auch kein Geld habe, so kann ich doch vielleicht Dinge für dich tun, die ein andrer nicht fertig bringt, und damit die Geldleistung ablösen und dir in alle Zukunft mit meinem Bruder Halli zusammen nützlich sein. Du hast viele Widersacher und brauchst Männer, auf die du dich verlassen kannst; dafür gibst du mir dann ein Stück Land in Pacht.« Styr antwortet, das sei richtig: er habe an ihrer Tüchtigkeit einen starken Halt, aber vorher wolle er die noch einmal erproben. Den Berserkern scheints, als nehme ihre Sache damit eine gute Wendung.
Gegens Frühjahr reitet Styr nach Heiligenberg zu Snorri. Dem Helden der ›Geschichte von Goden Snorri‹ (Thule VII), in der auch die Geschichte von den beiden Berserkern mit geringen Abweichungen erzählt wird. Die beiden waren gute Freunde. Snorri ging mit ihm beiseite und sie redeten den ganzen Tag miteinander. Aber niemand erfuhr, was sie besprachen oder warum Styr zu Snorri gekommen war.
Die Berserker sind sehr eifrig hinter ihrer Heirat her, besonders Leiknir. Styr sagt zu ihm, er müsse vorher noch eine Kraftprobe bestehn. Leiknir sagt, dazu sei er sehr gern bereit und fragt, was es denn gelte. Da sagte Styr: »Hier neben dem Hof ist eine Lavastrecke, über die schlecht reiten ist. Ich habe mirs oft überlegt, daß ich sie aufbrechen und eine Straße drüber bauen lassen wollte, aber meine Leute reichten dazu nicht aus. Nun möchte ich, daß du das machtest.« Leiknir sagt, das komme ihm nicht so schlimm vor, wenn ihm sein Bruder Halli dabei helfe. Styr sagte, das möge er mit dem ausmachen.
Die Berserker machen sich nun gegen Abend daran und brechen die Lava auf und haben damit die Nacht durch zu tun. Sie wuchten große Felsblöcke auf, wo es nötig ist, und schaffen sie aus dem Weg; an andern Stellen füllen sie die Löcher mit großen Steinen und machens eben, wie mans heute noch dort sehen kann. Dabei war der volle Berserkerzorn über ihnen. Am andern Morgen waren sie fertig. Es ist eine der größten Arbeiten, von denen man je gehört hat; und die Straße wird, so wie sie ist, ewig halten, solange dies Land steht.
Nun sollen sie auch noch eine Mauer daran machen und damit sind sie bis zum Frühstück fertig. Inzwischen richtet Styr ihnen ein Bad, in das sollen sie gehn, wenn sie mit der Mauer fertig sind, und am andern Tag soll Leiknir Hochzeit machen. Das Bad war so eingerichtet: Vom Fußboden Eines der Räume des Hofes. aus ging eine schwere Falltür hinunter mit einer Öffnung, durch die das Wasser gegossen wurde; der Baderaum selbst war in die Erde eingegraben und hatte eine Ausgangstür mit starken Pfosten. Der ganze Raum war aus frischem Holz gezimmert und ganz mächtig fest. Von der Türe aus führten Stufen hinauf ins Freie.
Am Morgen, während sie an der Mauer arbeiten, läßt Styr die Asdis sich möglichst schön anziehn. Er verbietet ihr, die Berserker vor seinem Anschlag zu warnen. Und ehe sie noch mit der Mauer fertig sind, geht sie vom Hause fort und im Bogen an den Berserkern vorbei, dort wo sie bei ihrer Arbeit sind. Leiknir ruft sie an und fragt, wo sie hin will; sie antwortet nicht. Da spricht Leiknir die Strophe;
Wohin geht die Göttin
Goldnen Armrings
D. h. die Frau, Asdis. hold da?
Lüg nicht, Linnenschmucke!
Liebste Wand'rin, bliebst du!
So geziert nie sah ich,
Sinn'ge, dich im Winter,
Würfelfeldes Walt'rin,
Würfelfeld ist der Tisch, auf dem gewürfelt wird; dessen Walterin: die Frau, Asdis.
Wallen aus der Halle!
Nun sind sie mit ihrer Arbeit fertig und Styr geht zu ihnen hinaus. Er dankt ihnen mit schönen Worten für ihr Werk und sagt, nun habe er ihnen ein Bad gerichtet, in das sollten sie gehen. Sie hätten nun eine Arbeit geleistet, die ihm ausgezeichnet gefalle und die in alle Ewigkeit dauern werde. Halli weigert sich anfangs, ins Bad zu gehn und fragt, ob nicht noch andre mit ihnen in die Badstube gehn könnten. Styr antwortet, für andre würde sich das nicht schicken, mit solchen Übermenschen, wie sie wären, zusammen zu baden. Leiknir aber ist bereit, Styrs Wunsch zu erfüllen.
Sie setzen sich also in die Badstube. Die Falltür wird zugemacht und Steine darauf gelegt. Auch die Tür wird geschlossen und ganz fest mit Steinen verrammelt, und über die Stufen wird eine frische Ochsenhaut gebreitet. Die Badstube wird ganz mächtig heiß gemacht, und als sie eine kurze Weile im Bad gesessen haben, läßt Styr eiligst siedend heißes Wasser bringen und durch die Öffnung hineinschütten. Da merkten die Berserker, daß hier nicht alles in Ordnung ist; die Berserkerwut kommt im Bad über sie, sie stemmen sich gegen die Tür, Leiknir erstickt drinnen, aber Halli zwängt sich heraus, und wie er auf die Stufen kommt, gleitet er aus und fällt auf der Haut hin. Da steht Styr mit geschwungener Axt vor ihm und haut sie ihm in den Hals, so daß Halli dort sein Leben läßt.
Nach dieser Tat läßt Styr zwei zweijährige Stiere von der Weide holen und schlachtet sie. Denn damals glaubte man, wenn man das täte, würde nichts aus der Verfolgung. Es wurde weithin bekannt, und die Leute beurteilten diesen Totschlag verschieden. Bald darauf vermählte Styr seine Tochter dem Goden Snorri und hatte an dieser Verbindung einen noch festeren Rückhalt gegen seine Feinde.
Styrs Ansehn und Übermut wuchsen so sehr, daß die meisten große Furcht vor ihm bekamen. Wenn er Leute erschlug, zahlte er niemals Buße, und die meisten mußten geschehen lassen, was er wollte, denn niemand konnte sich gegen ihn Recht verschaffen. Mächtige Männer hielten zu ihm, Freunde und Verwandte, so daß nur wenige sich gegen ihn etwas herauszunehmen wagten.
Es war ein Mann, der hieß Einar. Gegen ihn erhob Styr wegen irgend etwas Klage und ließ sich von den Richtern eine hohe Geldbuße zusprechen. Dem Mann gehörten die Ackerinseln im Breitfjord. Diese Inseln eignete Styr sich an, und niemand widersprach. Der Mann floh von seinem Hof und verbarg sich den Sommer über hier und dort auf den Inseln im Breitfjord. Zum Winter zog er auf die Moore hinaus, da gewährte Thorhalli auf Gries ihm Unterschlupf und noch ein anderer Bauer dort in der Gegend, auf Eisenzaunstätten. Die beiden behielten ihn abwechselnd den Winter über bei sich. Gegens Frühjahr aber wollte der Mann an den Borgfjord übersiedeln. Er hatte ein oder zwei Knechte bei sich und ein paar Packpferde. Styr erhielt Kundschaft davon. Er ritt mit ein paar Mann ab und bekam heraus, wo der Mann die Nacht über gewesen war. Er ritt hinter ihm her, von den Höfen bergan, und sah von einem niedrigen Rücken aus, wie die andern vor ihm herritten. Aber als sie die Verfolger gewahr wurden, bogen sie von der Hauptstraße ab. Weil sie aber Packpferde bei sich hatten, während die andern ohne Gepäck scharf hinterdrein ritten, hatten sie sie bald eingeholt. Da ließ der Mann die Knechte vorausreiten und meinte, Styr würde eher hinter ihnen herkommen. Aber Styr erkannte den Mann und bog von der Straße ab hinter ihm her. Es war moorig, wo sie sich trafen, und nicht gut reiten. Styr fragt ihn, wie er dazu komme, aus dem Gau fortzuziehn und warum er sich vor ihm versteckt habe? Der andre antwortet, allen sei sein Übermut und seine Übergriffe bekannt, und er habe schon manchem das Leben genommen, über den er sich weniger geärgert habe. Styr sagt, mit dieser Absicht fortzuziehen, habe er sich selbst schuldig bekannt; und er habe Gründe genug, ihn totzuschlagen, und zu dem Zweck sei er jetzt da. Der Mann springt vom Pferd und will versuchen, zu Fuß zu entkommen; aber er kommt schwer vorwärts, denn das Moor war weich und er fiel drin hin und außerdem waren die andern in der Überzahl. Das Ende ist, daß Styr ihn dort erschlägt und verscharrt und dann den Totschlag bekannt macht. Damals sprach Styr eine Strophe, in der er sagt, er habe nun dreiunddreißig Männer erschlagen und für keinen Buße gezahlt.
Nun erklärt Styr die beiden, den Thorhalli und den andern, der den vorerwähnten Mann aufgenommen hatte, für straffällig. Viele legten sich ins Mittel, um Frieden zu stiften. Der andre Bauer bekommt eine Geldbuße; aber weil Styr meint, Thorhalli sei mehr daran beteiligt gewesen, verlangt er von ihm schwerere Buße. Sie einigen sich dahin, daß Thorhalli ihn freihalten soll, so oft er bei ihm einkehren will, sei es auf dem Auszug oder auf dem Rückweg, wieviel Mann er auch bei sich hat. Thorhalli versprichts, denn es sieht ihm bedenklich aus, sich in einen Streit mir Styr einzulassen. Es geht nun eine Weile so weiter. Aber Styr meinte, er habe sich ihnen noch gnädig gezeigt, daß er ihnen das Leben gelassen hatte.
In einem Herbst geschah es, daß man weniger Nämlich Schafe, vergl. die Geschichte von Havard, Kap. 2. von den Bergen heimbrachte, als man gewohnt war, obgleich sorgfältig gesucht worden war. Die Schuld an diesem schlechten Heimtrieb schob man auf heimatlose Räuber, falls nicht irgendjemand aus dem Gau daran beteiligt wäre; das war noch nicht entschieden. Styr war der oberste Gauhäuptling dort und erließ mit den angesehensten Bauern zusammen ein Gesetz, daß jedermann ein deutliches Zeichen an seinem Vieh haben und das seinem Nachbar vorweisen müßte.
Im Sommer darauf traf es sich, daß Styr in Gries erwartet wurde. Sie hatten dort einen volljährigen Widder, der den Sommer über auf der Hofwiese ging. Fr war nicht gezeichnet, weil er immer daheim beim Hofe blieb und nie mit anderm Vieh zusammenging. Er neckte die Mägde gern und schüttete ihnen oft die Milch um. Darum waren sie dafür, daß er jetzt Styr zu Ehren geschlachtet würde, denn er war schön feist. Das schien sehr gut zu passen und der Bäurin Thorgerd wars recht, und so geschah es also. Styr kommt und bleibt die Nacht und wird wie gewöhnlich gut bewirtet. Ehe er am Morgen aufbricht, gehn sie zum Frühstück. Nun wird Fleisch von dem Widder aufgetragen, und der Kopf war dabei. Und wie sie bei Tisch sitzen, hebt einer von Styrs Leuten den Kopf auf und sagt, das sei ja ein entsetzlich feistes Tier. Styr sieht hin und betrachtet den Kopf und sagt: »Das ist ein furchtbar großer Kopf. Aber kommts euch nicht auch so vor, als wäre kein Zeichen an den Ohren?« Sie geben das zu. Da sagt Styr: »Thorhalli, weißt du nicht, daß wir Gauhäuptlinge ein Gesetz erlassen haben, daß jedermann ein Zeichen an seinem Vieh haben muß? Aber dies Tier ist nicht gezeichnet.« Thorhalli sagt, das wisse er wohl; aber dies Tier sei von klein auf immer auf der Hofwiese gegangen und deshalb hätten seine Leute nicht daran gedacht, es zu zeichnen. Styr sagt, dennoch sei es seine Pflicht gewesen, es seinen Nachbarn zu zeigen, so daß sie's bezeugen könnten. Thorhalli sagt, weder den Nachbarn noch sonst jemandem sei es verborgen gewesen; das Tier habe sich öffentlich als sein Eigentum erwiesen, da es vor aller Augen, unbestritten, bei seinem Hof geweidet hätte. Styr antwortet, es zieme sich aber nicht für einen Bauern, das Wort der Gauhäuptlinge so achtlos mit Füßen zu treten, und er habe oft geringere Sachen nicht ungestraft gelassen. Darüber kommt Thorgerd herein und sagt, das sei ganz unerhört von Styr, ihrem Manne Diebstahl vorzuwerfen und ihm so die gute Bewirtung zu lohnen, die seine Leute ihnen schon so oft schlecht gedankt hätten. Sie redet sich in helle Wut, Styr antwortet nicht viel, sondern speichert seinen Groll auf und sagt, er lasse den Bauern ihre Übertretungen nicht ungestraft durch, und so könne es hier auch gehen. Nachher trennen sie sich und alle beide in großem Zorn.
Nun überlegt sich Thorhalli diese Sache und meint, er habe Übles zu erwarten, da Styr die Hände darin hätte. Seine Verwandten und Freunde wohnten im Borgfjord. Spät im Herbst reitet er dorthin und bittet Kleppjarn und Illugi Schwarz und Thorstein, Gislis Sohn, um Rat. Sie raten ihm, aus der Gegend wegzuziehn und sich nicht länger den Gewalttaten Styrs auszusetzen, denn man könne nicht wissen, ob es ihm nicht noch einmal ans Leben gehen werde. Sie bieten ihm an, zu ihnen zu kommen, da sei er vor Styr sicherer, und er solle sich im Frühjahr herübermachen. Dieser Rat scheint dem Thorhalli sehr gut und er nimmt die Einladung an. Er reitet heim und läßt nichts von seiner Absicht laut werden. Und so geht der Winter hin.
Der Frühling war kalt und windig und das Land zwischen den Höfen blieb lange hart und darum schlecht für die Pferde, und das Gras kam spät heraus. Aber Thorhalli läßt sich dadurch von seinem Plan nicht abschrecken. Er wartet bis zum Ding, bis Styr dazu weggeritten ist, und will dann mit Hab und Gut in den Süden übersiedeln. Aber Styr erhält trotzdem Kundschaft davon.
Thorhalli erfährt nun, daß Styr abgeritten ist, und zwei Tage später macht er sich auf und schafft zunächst seinen Hausrat hinüber. Neun bepackte Pferde hat er mit und einen Knecht, der hieß Ingjald. Das zweitemal will er dann vollständig übersiedeln, mit Weib und Kindern. Styr kann sich denken, wie Thorhalli es vor hat, er biegt also von seiner Straße ab und legt sich ihm am Hochlandshang in den Weg, wo er weiß, daß Thorhalli vorüber muß. Styr ritt selbfünft. Nun kommt Thorhalli mit seinem Knecht vom Westen her den Hang herunter. Der Knecht hatte schärfere Augen als Thorhalli und sagt, er sehe dort auf dem Abhang Männer halten und ihm sei bange, ob da alles in Ordnung sei, und es könne wohl sein, daß es Styr sei. Thorhalli sagt, er habe deshalb keine Angst. Wie sie näher kommen, sagt Ingjald, er sehe jetzt deutlich, daß es Styr sei, und er habe sicher Böses im Sinn, da er seinen Ritt so eingerichtet habe; er meint, es sei das Rätlichste umzudrehen; denn wenn ihre Pferde auch angegriffen seien, so würde es ihnen doch vielleicht glücken, vor ihnen über die Berge hinaus zu kommmen und dann würden sie ausreichende Hilfe finden. Thorhalli will das nicht und sagt, er wolle niemals so feige sein und vor jemand weglaufen, auch wenns mehrere wären, und sich selbst so durch seine Feigheit für schuldig erklären; seines Wissens habe er auch gegen Styr nichts begangen, was ihn berechtige, ihm nach dem Leben zu stehn. Ingjald will trotzdem zurückreiten, denn sein Pferd war schneller, und Leute zusammenbringen, falls es etwa nötig würde, wie ers erwarte, und es nicht so bald zur Begegnung zwischen ihnen käme. Thorhalli sagt, er dürfe tun was ihm beliebe; wenn Styr einen Totschlag im Sinn habe, werde ers eher auf ihn selbst abgesehen haben als auf den Knecht. Ingjald reitet also zurück so schnell er kann, Thorhalli aber lenkt seine Rosse seines Weges weiter und tut, als werde er sie nicht gewahr. Sobald die andern Thorhalli sehen, sitzen sie schleunigst auf und reiten ihm in den Weg. So begegnen sie sich und Thorhalli begrüßt ihn freundlich. Styr fragt ihn, wie er dazu komme: es sehe so aus, als wolle er aus dem Gau fortziehn? Thorhalli sagt, das sei seine Sache, wenn er sich eine bessere Heimstätte suche; und er habe nicht gewußt, daß er Styr hier treffen würde. Styr sagt, es sei seine Absicht gewesen, daß sie sich hier treffen sollten und daß das ihre letzte Begegnung würde. Thorhalli sagt, seines Wissens habe er nichts verbrochen, was ihm ein Recht gebe, ihm den Weg zu verbieten, und er habe nicht erwartet, daß er ihm auflauern würde. Styr sagt, seiner Erinnerung nach sei sein letztes Wort damals auf Gries gewesen, daß er ihm die Übertretung nicht durchgehn lassen werde noch sonst eine Herausforderung; und er habe jetzt keine andre Wahl, als sich zu wehren. Thorhalli sagt, er werde nicht weglaufen. Styrs Leute greifen nun heftig an, Styr selber aber gibt sich nicht damit ab. Thorhalli wehrt sich wacker und bringt ihnen manche Wunde bei, wird aber selber schrecklich müde davon, denn er ist nicht mehr jung. So gehts eine Weile: sie greifen an, kriegen ihn aber nicht zu fassen und werden alle müde. Da rufen sie Styr, er solle kommen und nicht so dabeisitzen, sondern sich auch der Gefahr aussetzen. Da springt Styr gegen ihn los und sie wechseln nicht viele Hiebe, da gibt Styr ihm mit der Axt einen Hieb von hinten in den Kopf, daß er tot hinfällt. Styr reitet schleunigst weiter. Er läßt alle Lastpferde nach Lava treiben und zieht seines Wegs weiter zum Ding und läßt nichts davon verlauten. Erst eine Weile später, gegen den Sommer, kam die Kunde davon in den Borgfjord und die Freunde und Verwandten Thorhallis fanden, der Hieb sei nahe bei ihnen niedergegangen, und lassen im Herbst große Worte hören. Aber wie Styr das hörte, sagte er eine Strophe, in der es hieß: ›Nicht alles wird Regen, was den Himmel trübt‹, und so werde es auch mit den Drohungen der Borgfjordleute gehn.
In jener Zeit gabs hier zu Lande die gute Neuigkeit, daß die alten Bräuche abgeschafft und der rechte Glaube angenommen wurde. Damals ließen manche große Bauern auf ihrem Hof eine Kirche bauen. Zu denen gehörte auch Styr: er ließ eine Kirche beim Lavahof errichten. In jenen Zeiten glaubte man, wer eine Kirche bauen ließe, der könne sich so viele Männer fürs Himmelreich wählen, als Plätze in seiner Kirche seien.
Thorhalli hinterließ zwei Kinder, Gest und Aslaug. Sie waren beide noch jung, als ihr Vater erschlagen wurde. Darum gab es keine Verfolgung der Sache, und so ging einige Zeit hin. Gest war schwächlich und entwickelte sich langsam und die Leute meinten darum, es sei nichts Großes von ihm zu erwarten. Nach Gries kam nun ein Bauer, der hieß Thorleik; er übernahm die Verpflichtung, Styr zu beherbergen, und Gest wuchs bei ihm dort auf.
Nach einigen Jahren trug es sich zu, daß zwei Bauern am Borgfjord, nördlich der Weißach, sich wegen der Roßweide veruneinigten. Der eine hieß Halldor und wohnte auf Fährenrand, der andre hieß Höskuld und wohnte auf dem Nachbarhof. Halldors Hengste gingen oft auf Höskulds Hofwiese, und einmal, als sie dort wieder einigen Schaden angerichtet hatten, geriet Höskuld in Wut und lief auf Halldors Hof hinüber und schimpfte auf ihn und es war nah daran, daß sie handgemein geworden wären und Höskuld die Hengste totgeschlagen hätte, weil sie für ihn friedlos seien. Halldor war mit Styr nah befreundet. Er übertrug Styr die Entscheidung des Streites, und dem andern war es recht. Halldor lädt also im Herbst seinen Freund Styr ein, diesen Streit zwischen ihnen zu schlichten. Styr antwortet, er wolle kommen, aber er müsse noch warten, bis die Überschwemmung abgelaufen sei und es Eis gebe. Um Winteranfang reitet er von Haus fort; sein Sohn Thorstein begleitet ihn, der war damals bereits erwachsen, und noch einige Leute. Er blieb die Nacht auf Gries, wie ers von früher her gewohnt war, wenn er südwärts zog. Thorleik nimmt ihn gut auf; und bei Tische sagt er: »Die Leute sind der Ansicht, du habest Thorhalli aus geringfügigem Anlaß erschlagen; er kam immer für deinen Unterhalt auf; und alle wußten, daß die Schuld, die du ihm vorwarfst, von seiner Einfalt und nicht von bösem Willen kam. Jetzt sind zwei Kinder von ihm hier auf dem Hof, jung und hilflos, und es wäre hochherzig von dir, wenn du sie irgendwie trösten wolltest.« Styr sagt, er wolle den Knaben sehen. Der wird ihm vorgeführt und sieht ihm schmächtig aus und nicht, als habe man Rache von ihm zu erwarten. Da sagt Styr: »Bis heutigen Tages habe ich meine Totschläge noch nie gebüßt und das wird jetzt das erstemal, daß ichs tue. Im Sommer sagten meine Mägde mir von einem Widderlamm mit grauer dünner Wolle, das nicht zunehmen wollte. Nun scheint mir das ganz entsprechend, wenn dieser Bursch das Lamm als Entgelt für seinen Vater bekommt; etwas andres bekommt er von mir jedenfalls nicht.« Thorleik sagte: »Das ist weder gütig noch hochherzig gesprochen und ich hätte von dir etwas andres erwartet. Diese Antwort bedeutet wenig Trost für den Burschen.« Styr heißt ihn schweigen; es werde das Beste für ihn sein, wenn er sich nicht hineinmische; und es bleibe bei dem, was er gesagt habe. Dem Thorleik scheints am rätlichsten, die Sache fallen zu lassen. Styr reitet nun weiter und will auf dem Rückweg wieder in Gries einkehren. Er kommt zu seinem Freund Halldor nach Fährenrand und schlichtet den Streit zwischen ihm und Höskuld wegen der Pferde ohne Bußzahlung. Höskuld läßts dabei bewenden. Halldor aber schenkt dem Styr zum Abschied einen guten grauen Hengst, um den er mit Höskuld am meisten gestritten hatte. So gehn sie in Freundschaft auseinander, und Styr zieht seines Wegs nach Westen.
Gest sitzt nun und grübelt über seine Lage. Er war klein und hurtig. Er hatte seines Pflegevaters Vieh zu hüten. Den Tag, wo Styr auf Gries erwartet wurde, saß er beim Vieh und schäftete seine Axt. Da geschah es, daß ein paar Blutstropfen auf den Schaft fielen. Da sprach Gest eine Strophe. Nachher kommt er heim und trifft seine Schwester draußen und erzählt ihr davon. Da sagt sie, es sehe ihr so aus, als müsse das etwas Besondres zu bedeuten haben, und sie wünsche nur, es träfe den Rechten. Wie sie noch beim Reden sind, treffen Männer beim Hof ein; das ist Styr mit seinen Gefolgsleuten. Sie waren beim Übergang durch die Sackache naß geworden, Styrs Hengst aber war beschlagen und deshalb war er selbst nicht naß geworden. Es fror an dem Tag. Sie wurden gut aufgenommen, Hosen und Schuhzeug wurden ihnen ausgezogen und Feuer angezündet. Styr saß am Feuer. Es war dort an dem Tage gewaschen worden, und die Bottiche mit dem heißen Wasser standen noch draußen auf dem Flur. Gests Schwester Aslaug tut die Hosen da hinein und trägt sie auf die Hauswand hinaus. Die Stube war so eingerichtet, daß um die Sitzplätze am Feuer ein Geländer ging; man konnte also zwischen dem Geländer und der Wand im Rücken der Leute entlang gehen. Zwei Türen waren da, die eine führte in den Innengang, die andre nach draußen; die lag versteckt.
Styrs Gefährten sagen, es werde mit dem Feuerholz gespart. Da springt Gest auf und fegt so viel Brennholzkehricht zusammen, als er finden kann. Er bringt einen tüchtigen Arm voll herein und wirfts alles ins Feuer und gleich darauf einen zweiten Arm voll. Das gibt nun großen Rauch und Qualm im Haus. Da springt Gest hinter dem Geländer entlang bis zu dem Platz von Styr und haut ihm mir aller Kraft die Axt in den Kopf, hinterm rechten Ohr, so daß sie im Hirn stecken blieb und sagt: »Da hab ich dir das graue Lamm heimgezahlt!« Er springt zur versteckten Tür hinaus und wirft sie ins Schloß, Styr aber sinkt vornüber ins Feuer. Thorstein springt ihm bei, und wie er sieht, daß der Hieb tödlich und daß es mit Styr zu Ende ist, da stürzt er hinaus und mit ihm all die andern, hinter Gest her. Gest rennt vor ihnen her bis zur Sackache, die war an den Rändern vereist und in der Mitte offen; aber Gest mit seinen hurtigen Beinen setzt hinüber. Von Styrs Gefährten bringens einige bis Mitte Wegs und kehren dann wieder um, denn es kommt ihnen bös vor, mit nackten Beinen auf der gefrorenen Erde zu laufen. Nur Thorstein rennt ganz bis zum Fluß. Gest steht am andern Ufer und warnt ihn herüber zu kommen. Thorstein sieht, wie sein Feind am andern Ufer steht und die Axt überm Kopf schwingt, und es scheint ihm gewagt, ihn dort anzugreifen; und schon der Sprung über den Fluß ist ein Wagnis – so kehrt er um.
Der Bauer hatte Styrs Leiche in einer Kammer eingeschlossen, während sie hinter Gest her waren, bis Snorri käme und die Wunde nach dem Gesetz besähe. Wie sie ihn nun nicht einholten, wurde schleunigst nach Snorri geschickt. Der kam, bestimmte seine Zeugen und richtete die Leiche her. Dann reitet er ab und kommt am Abend zu einem Bauern, der hieß Snorri und wohnte auf Roßfels. Er sagte, er sei mit einer Leiche unterwegs und bat um Aufnahme. Die wurde ihm nach bestem Vermögen gewährt. Die Leiche war beim Übergang durch die Seefjordache ein wenig heruntergerutscht und am Kopf naß geworden. Deshalb wurde Feuer angemacht, sie wieder zu trocknen. Snorri sagte, das Hausgesinde möge sich die Nacht über ruhig halten.
Der Bauer hatte zwei Töchter, die eine hieß Gudrid, die war sechzehn Jahre alt, die andre vierzehn. Die lagen zusammen in einem Bett. Und mitten in der Nacht, als alles schlief, wurde die Ältere sehr unruhig und begann sich auf Hals und Hacken zu wälzen. Die andre fragt, was sie habe. Sie sagt, sie habe vom Totschlag-Styr so viel erzählen hören und ihn nie zu sehen bekommen, solange er lebte. Nun habe sie keinen sehnlicheren Wunsch, als ihn zu sehen. Die andre sagt, sie solle doch nicht so etwas Dummes sagen und den nun als Leiche sehen wollen, vor dem so viele in seinem Leben Angst gehabt hätten; und bittet sie, davon still zu sein. Nicht lang danach fängt Gudrid noch einmal an und wird nun noch unruhiger als das erstemal und sagt, sie bekomme nie wieder so gute Gelegenheit ihn zu sehen. Die Jüngere versuchts ihr wieder auszureden wie das erste Mal; aber die Ältere setzt ihren Willen durch und nun stehn sie beide auf. Die Ältere geht voran, die Jüngere hinterdrein.
Styr war in eine Rindshaut eingenäht, aber die Leiche hatte sich am Tag vorher im Fluß verschoben und davon war der Kopf frei geworden. Das Feuer war ausgebrannt und nur noch die Glut übrig; so wars oben hell im Raume und unten dunkel. Sie gehn leise in die Kammer hinein und schleichen sich bis nah an den Platz wo Styr liegt und beschauen ihn sich genau, und die Ältere drängt sich am nächsten heran. Da ists ihnen, als hebe Styr sich auf und spreche eine Strophe.
Snorri merkte, daß jemand auf war. Er fährt in die Schuhe und geht zur Kammer, um zu sehen, was da los ist. Aber sowie Gudrid die Strophe hört, kriegt sie einen solchen Schreck, daß sie laut aufschreit und Snorri in die Arme läuft. Da stehn auch die andern auf und halten sie fest. Sie tobt so unsinnig, daß vier Mann genug dran zu tun haben, sie festzuhalten. Sie hört die ganze Nacht nicht mehr auf mit Schreien und Hin- und Herwerfen, bis zum Morgen; da stirbt sie.
Snorri sagt zum Bauern: nun sei ihm seine Gastfreiheit übler gelohnt als ers vorgehabt habe; aber es sei nicht seine Schuld, denn sie habe nicht auf ihn gehört. Der Bauer sagt: er habe in der Tat keine Schuld daran, daß es so schlimm ausgegangen sei, sondern es sei der Unstern seiner Tochter gewesen. Dann macht Snorri sich schleunigst fertig und reitet mit der Leiche weiter. Nun gibts ein böses eisiges Schneetreiben ihnen entgegen, und als der Tag zu Ende geht, fängt die Leiche an auf dem Pferd unruhig zu werden und sich umzudrehen; und sie wird ihnen so schwer, daß sie sie schließlich nicht mehr weiter bringen als bis zu einem Ödhof auf einer Kieshöhe. Da werfen sie Steine auf die Leiche und scharren sie ein. Dann reiten sie heim und man hat von ihrem ferneren Ritt nichts mehr gehört, als daß er gut von statten gegangen sei.
Im Frühling, wie der Schnee wegschmilzt, holt Snorri die Leiche und von diesem Ritt wird nichts Besonderes berichtet. An der Kirche beim Lavahof, die Styr selbst hatte bauen lassen, wurde der Leichnam beerdigt. Als die Kirche aber einige Zeit nachher abbrannte, wurden seine Gebeine ausgegraben und nach Heiligenberg übergeführt.
Der Totschlag an Styr wird nun weithin bekannt, und viele findens sehr merkwürdig, daß so ein junger Bursch wie Gest, der vorher noch nie einen Totschlag vollbracht hat, eine derartig kühne Tat getan haben soll, und das gegen so einen Übergewaltigen, wie Styr bei seinen Lebzeiten gewesen war; und viele bekamen einen Schrecken davon und meinten, das sei hier einmal ganz nach Verdienst gegangen.
Nun ist von Gest weiter zu erzählen: Als er sich am Fluß von Thorstein getrennt hat, läuft er südwärts, zum Borgfjord, und kommt nach Dünenhof. Der dort wohnte, hieß Halldor, seine Frau war eine Schwester von Gests Vater. Halldor fragt ihn, was sein Kommen zu bedeuten hat. Gest erzählt alles von seinem Totschlag und bittet ihn um Hilfe. Da gerät Halldor in hellen Zorn und heißt ihn sich schleunigst aus seinen Augen fortmachen, er habe keine Hilfe von ihm zu erwarten, nachdem er eine solche Unglückstat getan und einen Häuptling wie Styr erschlagen habe. Aber die Bäurin legt bei ihrem Mann ein gutes Wort für ihn ein. Gest ist recht verstimmt, denn er glaubt, Halldor meine es so wie er redet; aber nachher weist sichs anders: heimlich bekommt er einen Hengst verschafft, und wie er im Sattel sitzt, scheint ihm seine Lage schon besser geworden zu sein.
Er reitet weiter zum Borgfjord hinunter, so schnell er kann, und braucht nicht viele Nachtherbergen, bis er über den Fluß kommt. Spät abends langt er an Halldors Hof an und klopft an die Tür. Einer der Hausleute kommt heraus. Gest bittet ihn, Halldors Frau, Thordis, herauszurufen, er möchte sie sprechen. Sie war eine Schwester von Gests Mutter. Sie kommt heraus und erkennt Gest anfangs nicht. Gest erzählt ihr, wie seine Sache steht und in welcher Schwierigkeit er ist. Sie antwortet, ihre Hilfe sei ihm gewiß, aber sie sei in Sorge, wie ihr Mann es aufnehmen werde, denn der sei ein Freund Styrs gewesen; trotzdem wolle sie versuchen, was sie bei ihm ausrichte. Sie läßt Gest die Nacht über im Vorratshaus bleiben, so daß außer ihr und dem Hausmann keiner etwas davon weiß.
Am andern Morgen steht Thordis früh auf, früher als Halldor, und ist sehr freundlich gegen ihn. Er sagt, hinter dieser Freundlichkeit müsse etwas stecken, sie wolle ihn wohl um etwas bitten? Sie sagt, das sei in der Tat der Fall; und wenn er ihr diese Bitte erfülle, wolle sie ihm in allem zu Willen sein, so gut sie könne. Dann erzählt sie ihm, daß ihr Neffe Gest gekommen ist und ihn um Schutz bittet und wie er Styr zur Rache für seinen Vater erschlagen hat. Halldor tut ganz außer sich und sagt, wenn er ihn zu fassen bekäme, solle er nicht mit dem Leben davonkommen, nachdem er eine solche Untat begangen und seinen Freund, den großen Häuptling erschlagen habe.
Man konnte dort an der Wand entlang durch den ganzen Raum gehn, und vor dem Bett hingen Teppiche. Gest steht hinter einem Teppich zu Häupten Halldors und hört alles was sie sprechen und sagt da eine Strophe: er sei bereit, ihm ebenso mitzuspielen wie dem Styr und »beide Backen ihm im Blute zu röten«.
Sein Roß stand gesattelt vor der Tür. Er springt stracks in den Sattel und reitet nach Schluchtrand zum schwarzen Illugi. Er begrüßt ihn und erzählt, wer er sei. Illugi fragt, was er Neues bringe, und Gest sagt eine Strophe. Da fragt Illugi, wie groß denn die Wunde sei, die er dem Styr beigebracht habe. Da sagt Gest die Strophe:
Binden zum Wundverband nicht
Brauchts. Helms Säul'
Das Haupt. zerspellte
Die Axt. (Sah versehrt ich
Sinken Kampf-Styr
Den Totschlags-Styr. hin da) –
Vom Bein der Brau'
D. h. der Augenbraue: ›vom Stirnbein‹. Wundens
Bach, allroten
D. h. das Blut., fall'n ich
Sah ins Aug' dem Gesippen
Snorris
Der Gesippe (d. h. hier Schwiegervater) des Goden Snorri ist hier wieder Styr., des Ränkelist'gen.
Er bittet Illugi, sich seiner anzunehmen. Der zeigt sich nicht ganz abgeneigt; er habe aber schon so viele Verpflichtungen, daß er sich nicht mehr zutraue, ihn mit so viel Mann zu verteidigen, als ihm dazu erforderlich schienen; er solle zunächst einmal nach Hof gehn, zu Thorstein, Gislis Sohn. Gest reitet also weiter nach Thorsteins Hof. Er kommt nach Tage dort an und klopft an die Tür. Einer von den Hausleuten kommt zur Tür. Den bittet Gest, Thorstein herauszurufen. Thorstein kommt heraus, fragt Gest nach seinem Namen und was er Neues bringe. Gest sagt eine Strophe mit dem Inhalt, er habe Styr erschlagen, und bittet ihn, sich seiner anzunehmen. Thorstein sagt, das werde ihm rechte Ungelegenheiten bringen, weil so viele und so mächtige Männer da seien, die Sache zu verfolgen, und Gest sei ein Unseliger, von dem er nur Unheil haben werde; und ist in seinen Worten recht unfreundlich gegen ihn. Da spricht Gest eine Strophe und noch eine; Thorstein aber sagt, ihm liege nichts an seinen Strophen. Da spricht Gest weiter und Thorstein sagt, er solle damit aufhören, aber die Nacht könne er dableiben.
Am Morgen schickt er Gest nach Rauchquellen und läßt dem Kleppjarn sagen, er solle ihn aufnehmen. Kleppjarn sagt, Thorstein sei eher dazu verpflichtet als er, und er habe ihm niemals versprochen, von ihm kommende Schutzflehende aufzunehmen. Gest bleibt die Nacht bei ihm; dann kehrt er zu Thorstein zurück und der nimmt ihn nun freundlich auf. Er war den Winter über abwechselnd bei Illugi, Kleppjarn und Thorstein, aber bei Thorstein am längsten; und sie waren den ganzen Winter über sehr sorglich auf ihrer Hut. Bei Thorstein waren den Winter über selten weniger als sechzig Mann. So gehts bis zum Frühling.
Es war ein Mann der hieß Teit, der hatte sich nur durch Untaten einen Namen gemacht, und hieß Berg-Teit, denn er lag immer in den Bergen draußen und lebte dort mehr wie ein wildes Tier als wie ein Mensch. Kleppjarn war dort Gauhäuptling und ordnete nun etwas Neues an: er ließ alle Männer zusammenkommen und den Teit fangen und hielt ihn in Fesseln. Niemand wußte, was das bedeuten sollte, denn er hatte vorher nie Hand an ihn legen lassen, obgleich er oft genug darum gebeten worden war.
Nun ist von Snorri zu erzählen. Der nimmt die Sache gegen die Borgfjordleute auf, aber die haben sich für den Fall, daß er käme, mit Mannschaft versehen. Snorri reitet mit einer Handvoll Leute ab und sendet vorher noch zu seinen Freunden, sie sollen zu ihm stoßen; und wie sie alle zusammen sind, reiten sie zum Borgfjord hinüber. Die Borgfjordleute erhalten von seinem Zuge Kundschaft, und stellen an allen Furten bis hinunter zur See Trupps auf, ihm den Übergang zu wehren. Snorri kommt bei Hügelende an den Fluß. Er hat achthundert Mann, die Borgfjordleute zwölfhundert In der Parallelerzählung der ›Geschichte vom Goden Snorri‹ (Thule 7 Kap. 56) sind die unwahrscheinlich hohen Zahlen auf 400 und mehr als 500 ermäßigt..
Snorri reitet zum Fluß und sagt, sie sollen den Totschläger herausgeben. Sie antworten, sie seien jetzt so gut gerüstet, daß es ihm nicht gelingen werde, Hand an ihn zu legen. Hier werden auf Snorris Seite die Hauptkampfhähne aufgezählt, die am meisten loszuschlagen wünschten, und ebenso bei den Borgfjordern. Es war ganz nah daran, daß der Kampf über den Fluß hinüber begonnen hätte. Aber viele rechtliche Männer legten sich ins Mittel und meinten, so viele dürften nicht miteinander kämpfen.
Von beiden Seiten ritt man bereits in den Fluß. Snorri aber ritt bis zu einer Sandbank vor, die da mitten im Fluß lag, und sagte, es sei rechtens, daß der Ankläger so weit vorginge, wie er ohne Gefahr könne, und dort seinen Spruch spreche, und lud dann Gest wegen Totschlags an Styr vor. Aus der Schar der Borgfjordleute flogen allerlei Strophen zu Snorri hinüber, vor allem von Gest. Snorri sagt, er möge seine Trutzworte nicht erwidern, und es sei nicht zu verwundern, wenn er jetzt aus der Menge heraus eine scharfe Zunge führe. Er sieht ein, daß er diesmal nichts weiter ausrichtet und dreht um und reitet seinen Weg zurück.
Nun kommt die Zeit des Alldings. Den Winter über war im Rotwalfjord im Ostfjordland ein Schiffsherr gewesen, der hieß Helgi. Der wollte in dem Sommer nach Norwegen und war ein guter Freund von Kleppjarn. Die Borgfjordleute beschließen, Gest zu ihm zu schicken, damit er ihn mit hinüber nimmt. In Norwegen war damals ein Thronwechsel eingetreten: Jarl Eirik Hakons Sohn war nach Olaf Tryggvis Sohn König geworden Olaf starb im Jahr 1000.. In dessen Hofgefolge war auch Thorstein, der Sohn Halls von der Seite, eines Freundes von Kleppjarn. Kleppjarn läßt nun diesem Thorstein sagen, er möge sich Gests annehmen, und gibt ihm einen Ring mit als Wahrzeichen, wenn er Gests Worten etwa nicht glauben sollte. Thorstein, Gislis Sohn, und Kleppjarn bezahlen ihm die Überfahrt, Thordis aber zeigte sich nicht ärmlich: sie schenkt ihm einen Goldring und drei Mark in Silber. Berg-Teit soll ihn begleiten; denn dem waren alle Wege bekannt. So reiten sie um die Alldingszeit ostwärts übers Gebirge, oberhalb aller Siedlungen, sodaß niemand etwas von ihnen gewahr wird.
Gest kommt zu Helgi und bringt ihm Kleppjarns Gruß und erzählt ihm, warum er kommt. Helgi nimmt ihn freundlich auf, und auch Teit soll mitfahren dürfen. Helgi bedingt sich nur aus, Gest müsse sich höchlichst vorsehen, daß keiner von den Matrosen herausbekäme, wer er sei. Denn es seien ein paar von Styrs Freunden an Bord. Gest versprichts und es geht auch einige Tage gut, aber dann gehts mit dem Versprechen so, daß Gest einmal, wie er mittschiffs auf der Fracht sitzt, eine Strophe spricht, aus der man entnehmen konnte, daß er Styrs Töter war. Und wie die Matrosen entdeckten, daß er das sei, sprangen sie auf und wollten auf ihn los, und Helgi mußte ihnen Geld geben, damit sie ihm nur nichts antaten. Von da ab ging ihre Fahrt ruhig von statten. Sie stoßen ins Meer und haben guten Wind und kommen nach Norwegen.
Der Jarl hielt sich gerade in Trondheim auf und Thorstein war bei ihm. Helgi läßt Gest nicht von seiner Seite. Er sucht sofort Thorstein auf und bringt Gest mit Kleppjarns Botschaft zu ihm. Thorstein nimmts zögernd auf, bis er das Wahrzeichen sieht. Er sagt aber, er wage wegen der Freunde Styrs nicht, ihn längere Zeit dort bleiben zu lassen. Da trennt sich Helgi von Gest und entläßt ihn aus seiner Verantwortung; Teit aber fährt mit Helgi und kommt in der Geschichte nicht mehr vor.
Gest bleibt den Winter über bei Thorstein; gegens Frühjahr aber sendet ihn Thorstein zu einer reichen Witwe, die weiter nordwärts in den Fjorden wohnte, damit die Leute und vor allem die Freunde Styrs, die dort nahezu auf allen Höfen saßen, nicht so leicht etwas von ihm gewahr würden. Auf dem Allding gehts mit der Klage gegen Gest gar nicht voran. Die Leute wissen zunächst nicht recht, was aus ihm geworden ist; und so kommts, daß man in diesem Sommer noch nicht hinter ihm her fährt.
Im Winter kommt's auf, daß Gest wohl außer Landes gegangen ist, und das Gerede darüber wird so stark, daß mans für sicher nimmt. Da hält sich Thorstein, Styrs Sohn, Vgl. S. 274. am meisten zur Rache verpflichtet. Er fährt im Sommer nach Norwegen und nimmt viel Geld mit; damit gewinnt er sich im nächsten Winter das Vertrauen der Leute und bekommt so heraus, daß Gest sich bei der Witwe aufhält. Gegens Frühjahr fährt er dorthin; es waren im ganzen siebzehn Mann an Bord.
Die Witwe wohnte im innersten Winkel des Fjords. Eines Tags, wie Gest zum Angeln gerudert ist, kommt Thorstein mit seinem Schiff spät am Abend in den Fjord hineingefahren. Die Strecke war ihnen ganz unbekannt. So rudern sie auf eine Schäre auf und das Schiff kippt mit ihnen um, sie aber retten sich alle auf den Kiel. Gest war mit noch einem andern im Boot, und sieht das nun, da rudern sie dorthin, wo die Männer treiben. Gest fragt, ob sie Hilfe haben wollen; denn er sieht, daß sie sich selbst nicht helfen können. Sie bejahens erfreut. Da sagt Gest, dann wolle er aber bestimmen, wieviele und wen er jedesmal in sein Boot nähme und an Land schaffte. Er nimmt nicht mehr als zweie aufs Mal und richtets so ein, daß Thorstein der letzte ist. Der sitzt am einen Ende im Boot und Gest am andern; Gest hatte eine Lodenkappe über. Nun erkennen sie einander. Thorstein sagt, so wie sie sich jetzt getroffen hätten, wäre es ihm lieber gewesen, wenn es anders gekommen wäre. Da sagt Gest: »Von Anfang an hab ich dich erkannt, und deshalb hab ich mir die Entscheidung vorbehalten, wieviele ich jedesmal retten wollte. Ich hoffe, du lohnst mir nun diese Lebensrettung nicht damit, daß du mir ans Leben willst.« –
An diesem Abend kommen sie mit der Rache nicht zuwege, sondern habens nötig, daß man sich ihrer annimmt nach ihrer Seenot. Die Witwe tut das und sie bleiben alle bei ihr über Nacht. Als sie aber erfährt, mit was für einer Absicht sie gekommen sind, da schilt sie sie heftig, daß sie ihrem Hausmann aus geringer Ursache ans Leben wollen und ihm so das Gute mit Üblem vergelten. Aber sie hälts doch nicht für ratsam, Gest die Nacht über da zu lassen, sondern sendet ihn landeinwärts nach Raumarike zu einem reichen Bauern namens Eirik, seines Standes Gauhäuptling.
Dorthin zieht Gest also. Thorstein aber steht mit seinen Gefährten am andern Morgen auf und sucht Gest und findet ihn nirgends. Die Witwe sagt, es sei ihnen wohl nicht beschieden, ihn vors Schwert zu bekommen. Damit fahren sie wieder zurück und finden ihre Fahrt ganz übel abgelaufen.
Einige Zeit darauf erfährt Thorstein wieder, wo Gest untergekommen ist. Er bricht nun dorthin auf und kommt eines Morgens früh dort an. Und es traf sich da so, daß Gest gerade zum Wasser gegangen war, um sich zu waschen und so standen sie einander gegenüber. Gest gab nicht acht, Thorstein aber haut mit seiner Axt, die er unter seinem Mantel versteckt hatte, nach Gest und zielt mitten auf ihn, aber der Hieb ging daneben und Gest wurde nur ganz leicht verletzt, es gab nur eine Schramme. Der Bauer will Thorstein sofort greifen und totschlagen lassen; aber Gest bittet ihn, das nicht zu tun. Er sagt, Thorstein habe an ihm wohl eine Rache zu suchen, »und diese Schramme macht mir nichts weiter aus.« Durch Gests Bitte und Vermittlung kommt Thorstein los. Er findet seine Fahrt nun noch einmal so ruhmlos verlaufen als die erste. Aber er muß sich damit zufrieden geben und fährt nach Drontheim zurück.
Gest sieht ein, daß er sich vor den Nachstellungen Thorsteins in Norwegen nicht halten kann, und reist mit Frühlingsanbruch südwärts nach Mikligard. Konstantinopel. Er nimmt Dienst unter den Wäringern »Wäringer« ist der Name für die aus Skandinaviern bestehende Leibgarde der byzantinischen Kaiser. und hofft, daß er da eher in Sicherheit ist. Thorstein aber erhält davon Kundschaft und reist noch den gleichen Sommer hinter ihm her nach Mikligard. Bei den Wäringern und Nordleuten ists Sitte, daß sie den Tag mit Spielen und Ringkämpfen hinbringen. Thorstein läßt sich in ihre Schar aufnehmen, Gest aber entdeckt ihn nicht und hält sich auch nicht vor ihm auf der Hut. Thorstein ringt mit ihm, und dabei zückt er einen Dolch unter seinem Mantel und zielt ihm nach dem Kopf; aber der Stoß ging fehl und traf die Schulter und es gab eine ungefährliche Wunde. Da bewährte sich das alte Wort: Nur den Todverfallenen triffts. Gest wurde nur leicht geritzt. Die Wäringer springen sofort auf und es bleibt ihnen nichts, als Thorstein dort stracks zu erschlagen. Denn das war Gesetz bei ihnen: wenn einer während des Ringens dem andern ans Leben wollte, solle ers nur mit dem Leben bezahlen. Gest fleht die Wäringer an und gibt ihnen sein halbes Vermögen, um dem Thorstein Frieden zu erwirken. Er erzählt ihnen, wie alles gekommen ist, und bittet sie, Thorstein loszulassen. Auch einige andre setzen sich dafür ein, daß ihm das Leben geschenkt wird, und zwar waren das Leute, die Thorsteins Abkunft kannten, die kamen ihm auf Gests Wunsch zu Hilfe.
Wie Thorstein frei ist, bittet Gest ihn, nun damit aufzuhören und ihm nicht noch einmal nachzustellen, wo er doch sehen könne, daß es ihm nicht beschieden sei, ihn unter die Erde zu bringen; und das gehe auch ganz gerecht zu, denn er habe Styr nicht ohne Grund erschlagen. Thorstein versprichts, bittet ihn aber seinerseits, nicht mehr in die Nordlande zurückzukehren, und das verspricht ihm Gest und hats auch gehalten. Thorstein ist nun nach alledem ganz verarmt, so schenkt ihm Gest Geld für die Heimfahrt und sie gehn in Frieden auseinander. Thorstein reist also nach Norwegen und bleibt dort den nächsten Winter. Im Sommer darauf fährt er nach Island und seine Verwandten finden seine Fahrt recht wenig glücklich verlaufen.
Gest aber kommt nicht mehr in die Nordlande zurück. Er galt wo er war für einen brauchbaren Kerl. Ob Leute von ihm abstammen, wird nicht erwähnt. Thorstein übernimmt den Lavahof nach seinem Vater und wohnt dort bis an sein Ende. Drei Winter sind nun um, seit Thorstein Island zur Vaterrache verließ. Damit sind er und Gest aus der Geschichte verschwunden.
Nun findet Snorri, die Sache falle ihm zu, wo es Thorstein nicht vergönnt gewesen ist, Styr zu rächen. Er überlegt sich nun, wie er Gests Verwandten, den Borgfjordleuten, die ihm fortgeholfen haben, am bequemsten und ungefährlichsten eins versetzen kann. Die fangen nun an, etwas sorgloser zu werden als vorher, wo der Tod Styrs soweit zurückliegt. Es waren im Sommer drei Schiffe vom Meer nach Sanden ›Sanden‹ oder ›Sandufer‹ war ein gern benutzter Landungsplatz an der Südwestküste der Insel. hereingekommen; von denen war eins leck und völlig unbrauchbar. Das kaufte Thorstein, Gislis Sohn, und das bekam Snorri zu wissen. Wie der Markt am lebhaftesten im Gange ist, sendet Snorri zwei Männer von Seligentalszunge nach Sanden auf Kundschaft, wann Thorstein und die andern Borgfjorder daheim seien. Einer von den beiden Kundschaftern war Kolskegg von Lämmerstetten. Snorri sagt ihnen, sie sollten möglichst wenig von sich und ihrem Auftrag merken lassen und mit niemand Händel anfangen, dafür aber möglichst genau auf alles horchen, was da geredet wird, soweit es jene betrifft. Das tun sie, bleiben zwei Nächte dort und kaufen eine Kleinigkeit, und reiten dann schleunigst heim nach Seligentalszunge und berichten Snorri: Thorstein, Gislis Sohn, habe das unbrauchbare Schiff gekauft und habe vor, es am nächsten Mittwoch abzubrechen, seine Nachbarn würden dann am Montag über drei Wochen das Holz hinüberschaffen; in diesen Tagen werde Thorstein nicht viele Leute bei sich haben. Snorri sandte nun nach seinen Verwandten und Freunden im Sandengau, sie sollen sechs Wochen vor Winteranfang zu ihm kommen. Im fünften Sommermonat sandte Snorri diese Botschaft; und treffen wollen sie sich auf dem Bachwaldhof in den Tälern.
Snorri nimmt das Frühstück in der dritten Morgenstunde; die Pferde stehn gesattelt. Er hatte drei Söhne: Halldor, Gudlaug, das war der älteste, und der jüngste Thord, der war damals neun Jahr alt und sollte auch mitkommen. Gudlaug blieb immer zu Haus, und Snorri ließ ihn selbst seine Arbeit wählen. Er war zu körperlicher Arbeit nicht sehr aufgelegt, dafür aber eifrig im Glauben und ein großer Beter und hielt seinen Glauben streng, hatte auch nichts Böses mit den Leuten. Er war seinen beiden Brüdern darin sehr ungleich, die aber waren sehr zu Späßen aufgelegt und hatten deshalb ihren Spott mit ihm.
Snorri geht zur Kirche, die er dort hatte bauen lassen; da schien die Sonne von Osten; und wie er hineingeht, trifft er auf Gudlaug, der gerade herauskommt und nach seiner Gewohnheit gebetet hat. Snorri fragt ihn, ob er nicht mitkommen und seinen Muttervater rächen will? Gudlaug antwortet, er glaube, Snorri habe wohl schon genug Leute und brauche seine Hilfe nicht. Er habe bisher nicht an Totschlagsfahrten teilgenommen. Sein Vater habe zu entscheiden; aber am liebsten bleibe er zu Haus. Snorri sagt: »Ich habe dir bis heutigen Tages noch nie deine Arbeit bestimmt, und du sollst auch fernerhin deinen Willen haben. Und es ist mir auch ganz recht, wenn du nicht mitkommst, sondern deinem Glauben obliegst.« Snorri hat nachher erzählt, er habe niemals eines Menschen Antlitz gesehn wie das seines Sohnes Gudlaug, als er ihn in der Kirche traf; sein Gesicht sei so rot gewesen wie Blut, und er habe davon etwas wie einen Schrecken bekommen. Gudlaug reiste einige Jahre darauf nach England, sein Vater gab ihm Geld mit; er ging dort in ein Kloster, führte ein frommes Leben und galt für einen ausgezeichneten Geistlichen bis an sein Ende.
Snorri reitet nun also mit seinen Leuten ab und trifft die andern dort in den Tälern, wo es verabredet war. Dann reiten sie alle zusammen weiter den Jachhang entlang. Das war am Samstag. Es geht schon sehr gegen Abend, wie sie aus den Bergen heraus sind; dann halten sie sich oberhalb der Höfe. Da sagt Snorri: »Es wäre mir lieb, wenns jetzt Nebel gäbe.« Dann reiten sie weiter, die Weißachseite hin. Da lag dichter Nebel über dem Gau, und der Wind wehte mit Sprühregen vom Meer. Da lassen sie die Rosse grasen und ruhen aus. Nach einer Weile reiten sie weiter; da beginnt es zu dämmern, der Nebel hellt sich auf und man kann sehen, was im Gau vorgeht.
Auf Thorsteins Hof waren nicht mehr Leute als seine Söhne, ein Junge und die Viehmagd. Nun reiten sie über den Fluß, und wie sie so nahe heran sind, daß man die Tiere bei Thorsteins Hof erkennen kann, fragt Snorri, ob die andern mehr als drei Rosse auf der Hofwiese sähen, wie er zu sehen glaube? Sie sagen, sie sähen auch nicht mehr. Da sagt Snorri, da hätten sie ja nicht viel Leute daheim. Nun reiten sie zum Hof. Die Sonne ist eben aufgegangen und sie sehen hinter sich die Spur, wo sie zur Nacht über den Fluß geritten sind. Hinterm Haus sitzen sie ab und Snorri sagt zu einem von seinen Begleitern, er soll auf die Schlafhauswand rechts hinaufgehn, denn er hat erfahren, daß Thorstein dort liegt, und soll dort auf das Dach steigen und das Gras langsam ausraufen und dabei fest und gleichmäßig hineinfassen, als wenn da ein Pferd weidete.
Der Mann tuts. Thorstein wacht auf und ruft dem Hütejungen, er habe die Pferde gestern abend nicht weit genug fortgetrieben, er soll hingehn und sie wegjagen. Der Junge antwortet zwar, schläft aber wieder ein. Da hört Thorstein das Raufen wieder; er ruft dem Jungen zum zweitenmal, aber der schläft wieder ein. Da steht Thorstein auf und will selber nachsehn. Er hat nur die Leinenhosen an; und wie er zur Tür hinauskommt, sieht er sich um und wird nichts gewahr und will nun noch weiter nachsehn, ums Haus herum. In dem Augenblick springt Snorri mit seinen Leuten gegen ihn los, und da wird nicht lang nach Schuld oder Unschuld gefragt; kein Wort bringt er mehr heraus: vier Mann stechen gleichzeitig auf ihn ein und ein Stoß trifft ihn in den Bauch und er fällt auf der Stelle tot hin. Da schleppen sie ihn zur Wand hinauf und warten nun lautlos draußen.
Dem Thorvard dauerts zu lang, bis sein Vater wiederkommt, und er geht hinaus. Wehren kann er sich nicht, und es geht ihm wie seinem Vater; und ebenso dem zweiten Sohn. Thorsteins dritter Sohn war auch zu Haus, der hieß Svein und war neun Jahr alt. Der Vater bleibt ihm zu lang aus und er hört einen Lärm draußen und weiß nicht, was los ist. So tritt er in die Tür und hat den Schlaf noch in den Augen. Da sagt Snorri zu seinem Sohn Thord Kater: »Sieht der Kater die Maus? Junger soll Jungen schlagen!« Aber sein Pflegesohn Thord sagt: »Das darf nicht sein, so ein Junger darf nicht erschlagen werden – oder wir fallen beide!« Da sagt Snorri, er solle seinen Willen haben; aber ihm schwane, daß dieser Junge noch einmal einen Hieb in sein Geschlecht tun werde.
Nun tragen sie die Leichen zusammen in den Misthaufen dort auf dem Hofplatz und lassen sie da liegen und machen sich eiligst davon. All das war in sehr kurzer Zeit geschehen. Sie machen nun den Totschlag auf dem nächsten Hof bekannt und reiten dann flußaufwärts und hinüber auf die Weißachseite und auf die Höhen über den Gehöften. Da machen sie Halt und steigen ab, legen sich hin und gönnen sich und den Tieren Ruhe. Snorris Begleiter findens unklug, daß sie so nah bei den Höfen auf den Grasweiden bleiben. Aber Snorri sagt, das tue nichts. Sie bleiben dort über Mittag liegen und treffen einen Schafhirten. Den bittet Snorri, den Borgfjordern einen Gruß vom Goden Snorri zu sagen, und sie hättens ihm jetzt leichter gemacht als das erstemal. Dann reiten sie westwärts übers Gebirge und jeder nach seinem Hof und finden, der Zug sei ihnen gut geglückt.
Nun ist zu erzählen, was auf Thorsteins Hof geschah. Seine Frau kommt an demselben Sonntagmorgen von der Senne nach Haus, kurz nachdem Snorri mit seinen Leuten fortgeritten ist, und will ihrem Mann und ihren Söhnen frische Hemden bringen. Zwei junge Töchter sind bei ihr. Sie reiten also zum Hofzaun und steigen dort ab, und sie läßt die beiden da warten. Sie geht zum Hof und sieht die Spuren, und wie sie gesehen hat, wer da erschlagen liegt, kehrt sie um, steigt stracks aufs Pferd und sagt den beiden nicht, was sie zu Hause bemerkt hat. Sie fragen die Mutter, warum sie so schnell zurückkommt, und sie sagt, sie habe ihr Geschäft so schnell erledigt. Sie reitet nun schleunigst zum nächsten Hof, nach Warmbach, und trifft dort einen Verwandten von ihr, einen Geistlichen namens Eldjarn und erzählt dem, was geschehen ist. Er macht sich sofort auf und nimmt Leute mit, die Leichen zu besehen, und schickt die Meldung zum nächsten Hof. So fliegt die Runde um den Borgfjord, und nun gehts auf warmer Spur hinter Snorri her. Man stürmt die Weißachseite entlang, den Weg, auf dem man sie am ehesten vermutet, und bekommt sie nicht zu fassen. Das war ihnen nun ganz arg, daß Snorri ihnen so aus den Fingern gegangen war, und noch ärger, als sie erfuhren, daß er den Tag über so auf der Viehweide bei ihren Höhen gelegen hatte. Sie kommen sich da von Snorri gründlich überlistet vor. Damals nahmen sies in ihre Satzungen auf: sobald ein Totschlag im Gau geschehen sei, solle jedermann verpflichtet sein, sofort seine Ländereien nach dem Täter abzusuchen.
Der folgende Winter geht hin und das Allding kommt heran. Da leiten die Borgfjordleute die Verfolgung des Totschlags ein, und man konnte merken, daß sie noch nicht ganz ausgerottet waren, die diese Sache unterstützten. Sie wird also beim Allding vorgebracht, und da warens viele, die als Freunde und Verwandte dem Kleppjarn beistehen wollten. Snorri führt die Verteidigung im Namen seiner Leute und läßt sich auf eine Geldbuße ein. Die Entscheidung geht dahin, daß die Totschläge an Styr und Thorstein einander die Wage halten sollen; die Söhne Thorsteins aber sollen mit zweihundert Unzen in Silber gebüßt werden; und Snorri bezahlte diese Bußgelder für seine Leute. Viere von ihnen sollen außer Landes gehn und drei Winter über fortbleiben. Snorri bezahlte die Bußgelder gleich auf dem Ding; die Verurteilten aber fahren noch im gleichen Sommer außer Landes. Damit ist die Sache zunächst erledigt.
Der Hochlandskampf
Ein Mann hieß Gudmund. Er wohnte auf Asbjörnskap am Seespitz. Gudmund war ein tapferer Bursch gewesen, aber nun schon bejahrt, als diese Geschichte sich zutrug. Er hatte drei Söhne: Der älteste hieß Hall, der zweite Bardi, der dritte Steingrim. Hall war immer auf Handelsfahrten unterwegs, ein verständiger und ausgezeichneter Mann. Zu der Zeit, bei der unsre Geschichte jetzt angelangt ist, im Sommer nach dem Totschlag an Thorstein, hielt Hall sich gerade, wie auch sonst öfter, in Norwegen auf.
In Bergen lagen die Harekssöhne vor Anker und forschten nach Kolskegg, von dem vorhin erzählt wurde, daß er Snorri bei dem Zug gegen Thorstein begleitet hatte. Als sie erfuhren, daß er in der Stadt sei, suchten sie nach ihm, um Thorsteins Tod an ihm zu rächen. Er war auch ein Schwager Snorris. Kolskegg entkommt ihnen, aber sein Vermögen fällt in ihre Hände. Das war im Frühjahr. Er ist nun ganz bloß und hat kein Geld für die Überfahrt; er fragt überall nach, bekommt aber nirgends Fahrgelegenheit. Da trifft er Hall und bittet ihn um Unterstützung und klagt ihm sein Mißgeschick und seine Not. Hall schenkt ihm sein Schiff und einige Handelsware, so daß er fort konnte, und so fuhr Kolskegg nach England.
Hall sucht nun Fahrgelegenheit nach Island und findet sie nirgends. Da geht er nach Drontheim und trifft dort einen Mann, der hieß Thorgils; mit dem hatte er früher in Handelsgenossenschaft gestanden, und sie hatten sich dann getrennt. Hall bittet ihn um die Überfahrt, aber Thorgils will sich zunächst nicht drauf einlassen. Hall sagt, von seiner Redlichkeit habe er das Beste erwartet, denn sie hätten doch früher in der Zeit ihrer Handelsgemeinschaft ausgemacht, daß keiner den andern abweisen solle, wenn er seiner Hilfe in der Not bedürfe. Da läßt Thorgils sich darauf ein, daß Hall mitfährt, aber nur unter der Bedingung, daß er das halbe Schiff von ihm kauft; und das tut Hall.
Die Harekssöhne erfahren nun, daß Hall dem Kolskegg fortgeholfen hat und Mitbesitzer von Thorgils Schiff ist. Sie sehen, daß jener ihnen entwischt ist, und halten sich an Hall. Thorgils und Hall werden spät fertig, und sobald es Wind gibt, legen sie ihr Schiff draußen unter die Insel Folskn im Drontheimfjord und liegen da einige Tage vorm Wind.
Ein kleiner Bauer wohnte auf der Insel. Er war einfältig und von armseligem Wesen. Ihm gehörte dort ein sehr schöner Wald. Die Schiffsleute des Thorgils gingen in diesen Wald und schlugen sich da Bauholz; dem Bauern aber war das gar nicht recht und er knurrte dazu. – Die Harekssöhne erhalten Kundschaft davon, daß Hall mit seinem Schiff unter der Insel liegt. Da nehmen sie sich ein Boot und rudern ihrer acht von ihrem Schiff bei Nacht ab und landen an der andern Seite der Insel. Sie reden mit dem Bauern und fragen ihn, ob die Kaufleute ruhige Leute seien und ob der Schiffsherr immer an Bord bleibe. Der Bauer erzählt ihnen alles bereitwillig: sie seien ziemlich unruhige Gäste und täten ihm in seinem Wald viel Schaden; aber Hall verbiete es ihnen, und deshalb möge er den am liebsten. Sie deuten an, sie hätten eine geheime Sache mit Hall zu besprechen, und schlagen dem Bauern ein Geschäft vor: sie wollen ihm eine halbe Mark in Silber schenken, wenn er ihnen Gelegenheit gibt, Hall zu treffen, ohne daß ein andrer dabei ist. Der Bauer schöpft zwar Verdacht, daß eine Tücke dahinter stecken konnte; aber das Geld sticht ihm in die Augen; er nimmts und versprichts. Darauf geht er zu Hall und rühmt seine Freundlichkeit, daß er den Schiffsleuten verbietet, ihm seinen Wald zu verderben; und nun wolle er ihm das damit lohnen, daß er ihm erlaube, sich in seinem Wald so viel Holz zu schlagen, als er Lust habe, und zwar wo der Wald am schönsten sei; er solle nur mitkommen. Hall hält anfangs zurück; aber weil der Bauer gar so schön redet, läßt er sich drauf ein und geht mit ihm zu einer Lichtung, wo der Wald am schönsten stand. Sie sind nicht lange da, so geht der Bauer fort und läßt Hall allein und sagt, er habe noch etwas Notwendiges vor. Aber sowie der Bauer fort ist, da springen die Harekssöhne alle zusammen aus dem Hinterhalt hervor und schlagen sofort auf Hall los. Kein Wort wird gewechselt, und Hall kommt nicht dazu, sich zu wehren, sondern sie schlagen ihn tot und decken seine Leiche zu und rudern darauf schleunigst davon.
Den Schiffsleuten dauerte es zu lang, bis Hall wiederkam. Sie fragen den Bauern, wo er sich von ihm getrennt habe; der Bauer aber sagt, Hall sei im Wald von ihm gegangen. Sie trauen ihm nicht und nehmen ihn fest und zwingen ihn, die Wahrheit zu sagen. Da zeigt er ihnen, wo er Hall zuletzt alleingelassen hat, und sie finden Halls Leiche und begraben sie; den Bauern aber hängen sie auf der Stelle dort auf.
Die Harekssöhne finden, sie hätten jetzt etwas Rache erlangt; sie fahren schleunigst an der norwegischen Küste südwärts und bis nach Dänemark. Gegen Ende des Sommers aber leiden sie an der jütischen Küste Schiffbruch und keiner von ihnen kommt mit dem Leben davon.
Thorgils sieht ein, daß es schwierig sein wird, die Totschläger zu fassen; er nimmt Halls ganzes Vermögen an sich und sticht in See, sobald es Wind gibt. Sie haben den Sommer durch mit schwerem Wetter zu kämpfen und haben eine harte, langwierige Fahrt; gegen Winteranfang erreichen sie einen Hafen im Ostfjordgebiet, in der Waffenföhrde. Dort bringt Thorgils die Matrosen in seiner Nähe unter und bindets ihnen auf die Seele, daß sie den Tod Halls verschweigen. Er war ein ruhiger, friedlich gesinnter Mann.
Im Sommer darauf reitet er zum Ding und nimmt Halls Vermögen mit. Da hatte noch niemand etwas von der Sache gehört. Halls Vater Gudmund war auf dem Ding; und gegens Ende des Dings geht Thorgils eines Tages zum Gesetzesfelsen und hebt dort an, die ganze Geschichte vom Totschlag an Hall zu erzählen, und seine Matrosen bezeugens ihm. Er hat Halls Geld da und möchte es nun abgeben. Die Nachricht macht dem Gudmund solchen Schmerz, daß er sofort zu seiner Hütte geht und sich hinlegt. Bardi aber übernimmt die Antwort. Er fragt Thorgils, warum ers so lange verschwiegen hat. Thorgils antwortet, ihm scheine, die Sache werde schon genug Verwicklungen nach sich ziehen, wenn er auch jetzt erst damit herauskomme – wo solche Männer dran Teil hätten! Außerdem habe er so lange warten wollen, bis von andrer Seite zuverlässige Nachricht über diese Sache gekommen sei. Es handelt sich wohl vor allem um das Schicksal der Harekssöhne. Bardi sagt, darin habe er klug gehandelt, »und du hast dich gut und redlich aus dieser Sache gezogen«. Er bietet ihm an, zu behalten, was Hall gehört hat; aber Thorgils weigert sich durchaus und will nichts davon haben; es könne wohl noch so kommen, daß sie selber Halls Geld nötig hätten, bis die Sache zu Ende sei. Da will Bardi, daß er die Hälfte behält, und das tut er.
Als Gudmund vom Ding heimkam, fragt sein Weib Thurid ihn, was es Neues gegeben hat. Er antwortete verdrossen und sagte eine Strophe über das Ende ihres Sohnes, und Thurid antwortete mit einer andern Strophe. Der Schmerz liegt so schwer auf Gudmund, daß er nur noch einen Monat am Leben bleibt.
Im Herbst geschieht es einmal, daß Bardi sich an den Platz setzt, auf dem Hall zu sitzen pflegte, wenn er zu Haus war; er saß dann unter den Brüdern obenan. Da kommt die Mutter herein und siehts und gibt ihm eine tüchtige Ohrfeige und sagt, er solle sich schleunigst von dem Platz wegmachen und sichs nicht noch einmal einfallen lassen, sich auf Halls Platz zu setzen, solange er nicht gerächt sei. Und Bardi sagt, das solle geschehen.
Im gleichen Herbst erfährt man nun allenthalben die Neuigkeit, daß Hall erschlagen und die Harekssöhne ertrunken sind; und viele meinen, die Sache werde dadurch noch viel schwieriger. Thorgils verkaufte sein Schiff an seine Matrosen und hörte mit Handelsfahrten auf; er siedelte sich am Borgfjord an und die Gislunge Die Familie des Gisli, dessen Sohn Thorstein im 10. Kapitel von Snorri erschlagen wurde. Genaueres über die Verwandtschaftsverhältnisse ist nicht bekannt. zeigten ihm allerlei Bosheit. Er aber sprach sie deswegen an und sagte, sie hätten ihm nichts vorzuwerfen. Dem wurde damals wenig Bedeutung beigelegt.
Nun ist weiter zu erzählen, daß Bardi sich die Rechtsverfolgung überlegt; er findet, es werde nicht leicht sein, zur Rache zu kommen. Ein Mann hieß Thorarin, ein gescheiter, voraussichtiger Mann; er wohnte in Bachgemünd im Weidental und war Bardis Pflegevater. Nun gehts im nächsten Sommer zum Allding. Auf dem Weg dorthin sucht Bardi seinen Pflegevater auf und fragt ihn, wie man die Sache anfassen soll. Thorarin antwortet: »Ihr habt da eine recht schwierige Sache und habt Geduld nötig; denn viele sind da gleich nah verwandt.« Er gibt ihm den Rat, auf dem kommenden Allding von Harek Buße zu fordern, und wenn er keine bekäme, solle er sichs nicht leid sein lassen, wenn er auf seinen Rat etwas gebe; und das würden alle gut heißen.
Bardi erhebt also auf dem Allding die Bußforderung. Harek war kein Mann von vielen Worten. Er hatte damals seinen Hof aufgegeben und all sein Geld seinem Bruder Kleppjarn übertragen. Er antwortet deshalb: er habe kein Geld und könne darum keine Buße zahlen, und weist ihn mit seiner Forderung an seine Verwandten. Bardi bekommt diesmal noch keine weitere Antwort und zieht damit heim.
Im nächsten Sommer holt er wieder Thorarins Rat ein. Der rät ihm, genau so zu verfahren wie im Sommer vorher: hier brauche es Geduld, und im dritten Sommer werde es schon klarer werden, ob sie zum Ziele kommen würden, wenn es nach seiner Vermutung gehe; aber jetzt seien noch zu viele gleich nah verwandt.
Bardi befolgt den Rat. Er bringt die Sache wieder gegen Ende des Dings vor und redet etwa so: »Es wird wohl allgemein bekannt sein, daß wir in einer recht üblen Lage sind: es ist sichere Kunde gekommen, daß mein Bruder Hall ums Leben gekommen ist. Wir haben im letzten Sommer von Harek, dem Vater der Totschläger, Buße verlangt und haben keinen Bescheid bekommen. Und die meisten werden finden, wir seien durch euch an unserm Recht verkürzt worden. Jetzt wiederholen wir unsere Forderung. Vielleicht wißt ihr jetzt, was ihr zu antworten habt.« Harek war nicht auf dem Ding; das Alter hielt ihn fern. Aber die von der Gegenseite, die auf dem Ding waren, steckten die Köpfe zusammen und es ging ganz wie im Sommer vorher. Die ganze Dingversammlung war voll Anerkennung, wie ruhig Bardi die Sache behandelt hatte.
Es war ein Mann, der hieß Gisli; er war der Sohn Thorsteins, des Sohnes Gislis. Er war lang auf Handelsfahrten gewesen und war ein sehr eitler, in seinen Worten unvorsichtiger Mann. Diesen Herbst kommt er nach Island und reitet zu seinen Verwandten in den Borgfjord und hört da von der Geschichte.
Im dritten Sommer reitet Bardi wieder nach Bachgemünd, ehe er aufs Ding geht, und fragt Thorarin, wie man jetzt vorgehn solle. Thorarin antwortet: jetzt müsse er noch einmal Buße fordern wie die beiden vorigen Male; noch öfter würde er ihm das nicht raten, denn jetzt sei der Mann zurückgekommen, auf den er gewartet habe; und damit meinte er Gisli. »Von Gisli habe ich gehört«, sagte er, »daß er ein Heißsporn in Worten ist, herausfordernd und übermütig, und mir sagt eine Ahnung, daß er etwas antworten wird, wonach deine Sache leichter vorwärts zu bringen ist.« Bardi sagt, es werde ihm nicht leicht, sie aufs Neue um Buße zu bitten, aber es müsse nun einmal sein, denn sein Rat werde ihm zum Heil ausschlagen.
Es war ein Mann, der hieß Torfi; er war ein Verwandter der Gislunge, ein übler Bösewicht und Raufbold, sehr stark, verlogen und zu allen Übergriffen aufgelegt. Mit allen Leuten lebte er in Unfrieden, am schlimmsten mit seinen Verwandten. Er schlug sich mit den Leuten, wenn er nicht bekam, was er wollte, und nahm ihnen weg was er konnte. Er lebte bald hier bald dort im Land und war nirgends zufrieden. Diesen Mann, sagte Thorarin, solle Bardi um jeden Preis mit heim bringen, falls er ihn auf dem Ding treffe; das werde seine Folgen haben.
Bardi kommt aufs Ding, und Gisli und einige seiner Verwandten aus dem Borgfjord sind auch da. Eines Tages, um die Mitte des Dings, geht Bardi zum Gesetzesfelsen und beginnt zu reden. »Es ist nun so weit gekommen«, sagt er, »daß ich hier zweimal für den Totschlag an meinem Bruder Hall Buße verlangt habe; dazu hat mich die Not gezwungen. Beide Male wurde auf meine Worte wenig acht gegeben. Jetzt, scheint mir, kann ich hoffen, von dir, Gisli, etwas herauszubekommen, so daß ich nicht länger im Ungewissen zu schwanken brauche. Die meisten werden auch sagen, wir hätten die Sache nicht eben überstürzt; und ihr seid um so mehr verpflichtet, gut zu antworten.« – Der Erste, der mit der Antwort herauskommt, ist Gisli. Er spricht und stützt sich dabei auf seinen Speerschaft nach vorn: »Wie du die Sache vorbringst«, sagt er, »und weil du gradaus mich aufgerufen hast, wird es wohl an mir sein, die Antwort zu geben; obgleich ich nicht weiß, wie ich dazu komme. Im vorigen Jahr, in England, war ich an einem Platz, der hieß Knüllstein. Da saß ich auf dem Markt und hatte einiges Silber bei mir. Ein Beutel lag neben mir, in dem waren sieben Mark in Silber. Da ritten ein paar nichtsnutzige Bursche über den Markt, und einer von ihnen kam auf den Einfall, mit mir anzubändeln: er stach mit seinem Spieß in den Beutel und schwang ihn hoch und ritt mit ihm davon und ich hatte das Nachsehn. Da magst du dir die Buße für deinen Bruder holen; denn mir wills scheinen, mit diesem Silber stehts ganz wie mit deiner Sache: nicht besser, als wenn einer eine Gerte schwenkt. – Andres Geld bekommst du jedenfalls nicht von mir!« – Da sagte Eid Skeggis Sohn: »Sagen muß mans dem Riesen, sitzt er nackt am Feuer. Das Sprichwort zielt auf den Stumpfsinnigen, der die handgreifliche Gefahr nicht merkt. Übel und unklug war das gesprochen, wo so mächtige Männer an der Sache beteiligt sind!« Gisli antwortete: »Hier wird das Sprichwort wahr: Der späht weithin, aber schlägt nie drein! Das Sprichwort kennzeichnet den vorsichtigen Feigen. Aber das war ja von dir zu erwarten, daß du deine Verwandten so unterstützen würdest, wie wirs eben gehört haben«, und er fängt an, auf Eid zu schimpfen. Aber Eid sagt: »Wir mögen uns nicht mit dir zanken.«
Die Leute geben nun Bardis Worten lauten Beifall und finden Gislis Antwort stark, bei der Ruhe, mit der die Forderung vorgetragen war.
Mit Bardi war in jenem Sommer ein Mann auf dem Ding, der hieß Thord, ein Bauer von Breitenfurt im Seetal. Ihm gehörten zwei Hengste, die waren ganz weiß und nur an den Ohren schwarz und waren ihm so teuer, daß er sie für keine andern hergeben mochte. Dieser Thord hatte nun das Unglück, daß ihm die beiden Hengste abhanden kamen.
Eine junge Witwe namens Helga wohnte in den Tälern. Um sie freite ein Mann namens Grim vom Inselfjord. Sie war mit Kleppjarn verwandt, und auf dem Allding wurde diese Frau dem Grim verlobt: im Herbst, einen halben Monat vor Winteranfang sollte die Hochzeit sein. Einmal kam Bardi in Kleppjarns Hütte und sprach mit ihm über diese Heirat. Da sah er Torfi bei ihm und fing gleich ein Gespräch mit ihm an und lud ihn ein und Torfi nahm es an.
Als Bardi vom Ding zurückkam, ging er mit Torfi nach Bachgemünd und sprach mit Thorarin über seine Sache und meinte, sie habe sich bedenklich entwickelt. Aber Thorarin sagt: »Nun ists gekommen wie ich wollte: jetzt haben wir erreicht, daß kluge Männer ebenso über unsere Sache denken wie wir und jetzt scheint es mir nicht mehr schwer vorauszusehen, wo wir uns die Rache zu holen haben.« – Torfi wird von Thorarin mit offenen Armen aufgenommen und bleibt bei ihm und fühlt sich am Ziel seiner Wünsche.
Es war ein Mann, der hieß Thorolf und wohnte auf Hammersbach am Borgfjord. Er war zu der Zeit, wo dies geschah, schon recht in Jahren, war aber in seiner Jugend ein ganz hervorragender Kämpe gewesen. Er hatte eine Frau, aber die beiden waren immer verschiedener Meinung und wollten jeder seinen Willen haben. Sie war sehr zu heftigen Worten geneigt und nur mäßig klug. Thorolf hatte gute Waffen in seiner Truhe, die hatte er nicht mehr in der Hand gehabt, seit er mit Totschlägen aufgehört hatte. Nun kommt Thorarin einmal mit Torfi ins Gespräch und fragt ihn, wie er mit seinen Verwandten stehe. Torfi antwortet, die Freundschaft sei nicht eben groß. »Willst du ein Geschäft mit mir machen?« fragt Thorarin: »Ich habe gehört, daß dein Verwandter Thorolf ein gutes Schwert hat. Wenn du mir das verschaffst, will ich dir eine schöne Koppel Pferde schenken.« Torfi ist gleich dazu bereit. Thorarin händigt ihm ein großes Messer ein, das soll er Thorolfs Frau geben, damit sie ihm beisteht. »Ich habe gehört«, sagt er, »das Schwert bringe dem den Sieg, der es führt. Und es wird dir gewiß nicht schwer werden, eine Lüge auszudenken, wie sie dir am passendsten vorkommt, wozu du das Schwert nötig hast.« – Torfi sagt, darüber solle er sich keine Sorgen machen, und geht begierig auf das Geschäft ein.
Er läuft übers Hochland und kommt am Abend nach der Weißachseite hinunter zu einem Verwandten, der auf Wanden wohnte, und bleibt dort über Nacht. Er bittet ihn, ihm Waffen zu leihen: ein Norweger drüben im Axttal habe ihn zum Zweikampf gefordert, wegen einer Frau, die sie beide haben wollten; in einem halben Monat sei der Tag, und er könne nirgends Waffen bekommen; und erzählt irgend etwas Passendes, wo er die Nächte über geblieben sei. Der andre antwortet, das sei alles erlogen, und er bekomme von ihm keine Waffen. Die Nacherzählung ist hier ungenau. Nach Kap. 18 und 24 hat Torfi dem Thorarin zwei Schwerter gebracht, das eine davon muß er auf Wanden bekommen haben. Da wird Torfi sehr böse und läuft zu Thorolf hinunter, dem das Schwert gehört, und erzählt dem genau dasselbe wie auf dem vorigen Hof, von seinem Vorhaben und von seinen Nachtherbergen. Er wird leidlich aufgenommen und bittet den Thorolf nun, ihm Waffen zu leihen: er werde sie niemals nötiger haben als jetzt. Thorolf antwortet, ihm lägen andre Dinge näher, als sich in seine Händel mit fremden Leuten zu mischen, und er solle seine Frauensache allein erledigen, er werde ihm sein Schwert nicht anvertrauen.
Da geht Torfi zu seiner Frau und redet der seine Geschichte vor und schenkt ihr das Messer. Sie nimmts und findets ein schönes Stück. Da läuft sie schleunigst zu ihrem Alten und ist fast außer sich, sie nennts eine Schande, daß er seinen Verwandten in ihrer Not nicht helfen will: »Was soll dir Furzkerl so ein gutes Schwert, wo du dich nicht mehr auf den Beinen halten kannst?« – es liege verrostet in der Truhe und sei niemandem etwas nütze. Er antwortet wie vorhin, ihm seis nicht danach, dem Torfi seine Waffen anzuvertrauen, und das habe doch noch niemand gewagt, ihn so zu beschimpfen. Da geht sie hin und bricht die Truhe auf, in der das Schwert liegt; sie nimmts und gibts dem Torfi; der aber streicht sofort ab nach Norden und bringts dem Thorarin.
Thorarin sagt, er habe seinen Auftrag gut erledigt, er solle sich nun die Rosse nehmen und erst eine Weile weiter in den Norden gehn, um seinen Verwandten aus dem Wege zu sein. Torfi ist mit seinem Geschenk zufrieden und reitet mit den Rossen davon und ist damit aus der Geschichte heraus.
Die drei Gislisöhne hatten eine Wiese an der Weißach zu mähen und gingen alle zusammen an diese Arbeit. Die Wiese mußte immer zu einer bestimmten Zeit nach dem Ding fertig sein.
In diesem Jahr ereignete es sich, daß dort im Nordgau, im Seetal und Weidental, alle Zusammenkünfte unterblieben.
Bardi und seine Brüder Bardi hat hier noch zwei lebende Brüder, Steingrim und Stein (vergl. S. 319), den J. Olafsson S. 295 nicht genannt hat. beeilten sich in dem Sommer sehr mit der Arbeit und kamen gut voran; denn sie hattens diesmal besser eingeteilt als vorher. Worauf sich dieser Vergleich bezieht, geht aus Jón Olafssons Nacherzählung nicht hervor.
Nun ists soweit, daß vom Sommer nur noch sieben Wochen übrig sind. Da reitet Bardi zu seinem Pflegevater Thorarin nach Bachgemünd. Sie redeten oft lange miteinander, und niemand erfuhr, was sie besprachen. »Nächstens gibt es eine Versammlung,« sagt Thorarin, »zwischen der Brackbucht und dem Welpensee, wo es ›Dingsanden‹ heißt. Ich habs so eingerichtet, daß bisher keine stattgefunden haben. Nun sollst du da hingehn und dich umsehn, wer zu dir hält. Ich erwarte nämlich, daß sie diesmal besonders stark besucht wird, wo so lange keine mehr gewesen sind; in Haufen werden sie kommen. Ich denke, auch dein Pflegebruder Halldor kommt hin; den bitte, daß er mit dir zieht und dich unterstützt, wenn dir etwa der Sinn darnach steht, über die Grenze zu ziehn und deinen Bruder zu rächen.«
Ein Hof heißt ›Hang‹, der liegt westlich vom Welpensee; dort wohnte eine Frau namens Thordis mit dem Beinamen Gefn; sie war Witwe. Sie hatte einen Wirtschafter namens Odd; das war ein tüchtiger Mann. Er war nicht eben wohlhabend oder aus großem Hause, hatte aber einen guten Namen. »Den mußt du bitten,« sagt Thorarin, »daß er mit dir zieht; er kann frei über sich bestimmen.«
Die Gegend dort heißt ›Kolgas Moor‹, und es liegen da viele Höfe. Einer davon heißt Mittelheim. Da wohnte ein Mann namens Thorgisl, ein Sohn von Odds Mutterschwester, ein tapferer Mann und guter Skalde; er lebte in guten Verhältnissen und war ein tüchtiger Bauer. »Den fordere auch zu deinem Zuge auf.«
Ein Hof heißt Scheuerberg; der liegt daußen auf dem Buckel zwischen dem Schweinesee und dem Milchwasser. Da wohnte Eirik mit dem Beinamen Weitblick. Er war ein Skalde und nicht unbedeutend. »Den mußt du auch auffordern, daß er mit dir zieht.«
Im Langental heißt ein Hof Audolfshofen. Da wohnte Audolf. »Der ist ein tüchtiger Kerl und zählt mit« sagt Thorarin; »sein Bruder heißt Thorvald,« – der wird unter den Fahrtgenossen nicht genannt. Er wohnte auf Glattental, landeinwärts vom Schweinesee. Es gibt dort zwei Höfe dieses Namens. Er war der Stärkste im ganzen Nordland. »Den sollst du nicht zu deinem Zug auffordern,« sagt Thorarin, »und zwar wegen seiner Gemütsart.«
Ein Hof heißt Schweinesee. Auf dem wohnte Sumerlidi mit dem Beinamen ›der Schreier‹, ein reicher, hochangesehener Mann. Bei ihm wohnte sein Tochtersohn Thorljot mit dem Beinamen ›Schreiers Pflegesohn‹, ein rüstiger Mann. »Den bitte, daß er an deinem Zuge teilnimmt.«
Ein Mann hieß Eyjolf. Er wohnte auf Asmundsklippe, das liegt zwischen dem See und dem Weidental. »Den suche auf und bitte ihn, daß er mitkommt. Er ist unser Freund.«
»Ich sehe es kommen,« sagt Thorarin, »daß niemand Verdacht schöpfen wird, wenn du auf der Versammlung mit der Sache an die einzelnen herantrittst. Sag ihnen, sie sollten nur dann verpflichtet sein, mitzugehn, wenn du am Samstag fünf Wochen vor Wintersanfang zu jedem von ihnen auf den Hof kommst. Wer dann nicht bereit ist, den nimm nicht mit, denn auf den ist kein Verlaß.
Diese Männer sollst du dir vor andern aus unserm Gau zu deiner Fahrt auswählen, weil sie alle miteinander verschwägert sind und alle wohlbegütert, und ihre Sippe nicht minder, und dem entspricht ihre ganze Art: sie sind zugleich die tapfersten von allen, die bei uns im Weidental und in der ganzen Gegend wohnen. Und wer am nächsten mit uns befreundet ist, wird auch am ehesten für euch bereit sein. Es macht aber etwas aus, ob einer tüchtige und entschlossene Männer bei sich hat oder unsichere Landfahrer, die keinen Rückhalt haben, wenns etwa Schwierigkeiten gibt.
Außerdem sind auch deine Hausleute zu deinem Zuge bereit und deine Nachbarn, soweit sie mit dir verwandt oder verschwägert sind: dein Schwager Eyjolf von Borg; er ist ein tüchtiger, handfester Mann.« – An der Westbucht liegt ein Hof namens Seeschwalbenmoos. Dort wohnten zwei Brüder. Der eine hieß Thorodd, der andere Thorgisl; sie waren die Söhne Hermunds, also Bardis Neffen; sie waren recht wohlhabend und zeichneten sich durch Streitlust und Kühnheit aus. »Die sind zu deinem Zuge bereit,« sagt Thorarin.
Ferner waren die drei Brüder selber zur Fahrt bereit, weiter werden noch zwei Brüder genannt, die bei Bardi lebten; der eine hieß Olaf, der andere Dag; sie waren die Söhne von Bardis Mutterschwester und waren bei Gudmund aufgewachsen. »Die sind auch zu deinem Zuge bereit,« sagt Thorarin.
Weiter werden noch zwei Männer genannt; der eine hieß Gris, mit dem Beinamen Koll(Glatzen)-Gris. Er war auf Asbjörnskap groß geworden. Er war ein geschickter Mann und hatte die Aufsicht über die Leute dort und war den Gudmundssöhnen schon lange ergeben. – Der andere hieß Thord und hatte den Beinamen ›Weißfuchs‹. Er war ein Pflegesohn von Thurid und Gudmund. Sie hatten ihn als kleines Kind im Elend aufgelesen und groß gezogen. Er war nun erwachsen und ein tüchtiger Mann geworden, und man sagt, ihm sei alles zuzutrauen gewesen an Worten und an Taten. Seine Pflegeeltern liebten ihn sehr und machten mehr aus ihm, als er wert war. »Der ist auch bereit mit dir zu ziehen,« sagt Thorarin.
Jetzt sind alle aufgezählt, die mit Bardi ziehen sollten. Als sie dies alles beredet hatten, trennten sie sich.
Den Sonntag reitet Bardi wieder nach Bachgemünd und von dort zur Versammlung, und als er ankommt, ist man schon in Scharen beisammen und die Unterhaltung ist in vollem Gang. Die Lust an der Unterhaltung war groß, weil es so lange keine Zusammenkunft gegeben hatte, und es hatte nichts Verdächtiges, wenn Leute bei dieser Tagung viel miteinander verhandelten. Bardi kommt mit seinem Pflegebruder Halldor ins Gespräch und fragt ihn, ob er wohl im Herbst bei einem Zug über die Grenze mitmachen will. Halldor antwortet: »Meine Antwort wird dir nicht großartig vorkommen, wenn ich sage, daß ich nicht dazu bereit bin. Ich bin eben auf dem Sprung, außer Landes zu reisen, und will noch heuer zurückkommen. Aber ich habe im Sinn, wenn es so geht wie ich will, dir später einmal in einer Bedrängnis zu Hilfe zu kommen, wenn es dir noch mehr wert sein wird. Es eignen sich auch manche andere besser zu dem Zug, wenn ich richtig errate, wohin es gehen soll.« Bardi antwortet, er sehe ein, daß Halldor recht habe, und ihre Freundschaft solle darunter nicht leiden. »Dagegen möchte ich dich um etwas bitten,« sagt Halldor: »es war diesen Sommer, da kam ich in Streit mit einem Mann namens Thorarin; dabei bekam er einen Hieb weg, und ich war der Angreifer. Er selbst bedeutet wenig; aber nun verlangen die für ihn Buße, deren Dingmann er ist, und die bedeuten viel. Nun paßt es sich nicht, daß ich Eylif und Höskuld die Buße verweigere; darum möchte ich, daß du für mich den Vergleich schließest. Ich bringe es nicht über mich; hab ich mich doch damals geweigert, ihnen Genugtuung zu geben.« – Bardi sucht sofort Höskuld und Eylif auf und nimmt sich der Sache Halldors an, und sie verabreden eine Zusammenkunft auf Thorarins Hof Kliff, vier Wochen vor Winters Anfang, um dort die Sache zu begleichen.
Bardi kommt nun mit Gefns Odd darauf zu sprechen, er solle ihn auf seinem Zuge nach dem Borgfjord begleiten. Odd sagt sofort zu: »Und hättest du mich vor einem oder zwei Jahren aufgefordert, ich wäre auch schon bereit gewesen.« – Dann geht Bardi zu Odds Vetter Thorgisl und bespricht mit ihm das Gleiche. Er antwortet: »Man wird sagen, du kämest nicht gerade überraschend früh damit und ich gehe mit, wenn du willst.« – Darauf sucht Bardi Arngrim auf, Audolfs Pflegesohn, und fragt ihn, ob er seinen Zug mitmachen will. Er antwortet: »Sobald du bereit bist, bin ich es auch.« Ganz ebenso sprach er mit all den andern, die vorhin aufgezählt sind, und alle gaben ihm gute Antwort. Da sagte Bardi: »Ihr erweist euch mir als wackere Männer. Ich werde am Samstag fünf Wochen vor Winters Anfang zu euch kommen, und wenn ich dann nicht komme, sollt ihr nicht mehr verpflichtet sein mitzugehn.«
Sie reiten nun von der Versammlung heim. Bardi sucht seinen Pflegevater Thorarin auf und erzählt ihm von seinem Gespräch mit Halldor. Thorarin zeigt sich darüber erfreut und sagt: »Deine Fahrt wird ans Ziel kommen, auch wenn er nicht mitgeht, und er mag dir ein andermal noch von Nutzen sein. Daß ich aber erst so spät etwas von dieser Fahrt habe verlauten lassen, das geschah, weil ich wollte, daß die Kunde davon erst so spät wie möglich zu den Borgfjordleuten hinüberkäme.«
Nun vergeht die Zeit bis zum Freitag der sechsten Woche. An diesem Tag kamen Bardis Hausleute gegen drei Uhr heim und waren da mit der Heuarbeit so gut wie fertig. Bardi und seine beiden Brüder standen draußen, als die Arbeitsleute heimkamen, und hießen sie willkommen. Sie hatten ihr Arbeitsgerät bei sich, und Thord Weißfuchs schleifte seinen Sensenstiel hinter sich her. Bardi sagte: »Da läßt der Weißfuchs die Rute hängen.« »Sehr wahr,« sagt Thord, »ich lasse meine Rute hängen und strecke sie wenig oder gar nicht in die Höhe. Aber ich seh's kommen, daß du deine Rute noch sehr lange wirst hängen lassen, ehe du deinen Bruder Hall rächst.« Und Bardi ließ das auf sich sitzen.
Nun geht man zu Tisch. Die Brüder essen schnell und stehn gleich vom Tische auf, und Bardi tritt an Thord Weißfuchs heran und spricht mit ihm. Er gibt ihm seine Arbeit für den Abend und für den nächsten Tag, den Samstag. Vierzig Heuhaufen waren auf Asbjörnskap noch nicht eingebracht, und nun sagte Bardi, die solle er einbringen; er müsse aber noch am Abend fertig sein. »Und morgen sollst du den Flieger fangen, unsern Leithammel, denn die Hammel sind jetzt von der Außenweide ins Gehege hereingekommen.« Nach dem Leithammel schickte er ihn, weil der schneller war und schwerer zu fangen als die anderen Tiere. »Weiter sollst du morgen im Magdtal den fünfjährigen Ochsen fangen, der uns dort gehört, und ihn schlachten und das ganze Fleisch noch am Samstag nach Borg schaffen. Es ist eine tüchtige Aufgabe, aber wenn du es nicht fertig bringst, dann kannst du ja sehen, wer von uns beiden die Rute künftig höher trägt.« Thord antwortet, er habe schon oft so geschwollene Drohungen von ihm gehört, und läßt sich nicht einschüchtern. – Am Abend reitet Bardi mit seinen Brüdern nach Bachgemünd und redet bis in die Nacht mit Thorarin.
Nun ist zu erzählen, wie Thord mit seiner Arbeit zustande kommt. Er bringt das Heu ein, das auf dem Weidenkap noch in Haufen stand, und als er heimkommt will der Schafhirt eben seine Herde austreiben. Thord reitet denselben Hengst, auf dem er eben erst das Heu eingebracht hat. Er findet die Hammelherde, die ihm angegeben war, kann sie aber nicht eher einholen als draußen bei Brackmünde. Dort schlachtet er den Leithammel und reitet mit dem Fleisch heim; damit hat er den Hengst zuschanden geritten. Er nimmt einen andern und sprengt dem Weg nach ins Tal hinüber; ihm ists gleich, ob er bei Tag oder bei Nacht reitet. Frühmorgens kommt er im Magdtal an und fängt den Ochsen und schlachtet ihn und weidet ihn aus; er lädt ihn aufs Roß und reitet den Weg zurück. Als er heimkommt, lädt er ab und holt den geschlachteten Hammel, und wie er zurückkam, war ein Bein vom Ochsen weg. Thord schimpfte nicht schlecht. Ein Mann bekennt sich dazu, er habe es weggenommen, und er solle sich nicht unterstehen, davon zu sprechen, oder es setze Hiebe. Da nimmt Thord das übrige Schlachtfleisch und reitet nach Borg, wie ihm befohlen war. Dort nimmt Bardis Schwester Alof und ihre Pflegemutter das Fleisch in Empfang; die hieß auch Alof. Sie war eine weise Frau und war Bardis und seiner Brüder Pflegemutter. Man nannte sie Kjannök, dadurch wurden die beiden Namen unterschieden. Alof Kjannök war eine sehr weise Frau und sah mehr als andere und hielt treu zu den Gudmundssöhnen. Sie war zauberkundig und heidnisch gesinnt.
Nun ist weiter zu erzählen, was Thorarin und Bardi besprachen, ehe Bardi aufbrach. Sie redeten viel miteinander. Es war früh am Samstagmorgen, und er sollte nun losreiten und seine Fahrtgenossen aufsuchen, die mit ihm ziehen sollten; und als er schon zum Aufbruch fertig war, da wurden zwei Hengste vorgeführt, beide weiß und mit schwarzen Ohren. Diese Hengste gehörten Thord von Breitenfurt, und sie waren im Sommer auf dem Ding plötzlich verschwunden. Vgl. S. 302. Nun sagte Thorarin: »Hier diese Hengste gehören dem Thord. Bring sie ihm zurück, nimm aber keine Belohnung von ihm an; das wäre nicht angebracht, denn ich selber stak dahinter, als sie verschwanden, und in meiner Obhut sind sie solange gewesen (und man sah ihnen nicht an, daß sie benutzt worden wären). Daß ich gerade diese Hengste wegnehmen ließ, das geschah, weil ich meinte, daß ich dann einen besseren Grund hätte, nach ihnen fragen zu lassen als bei irgendwelchen elenden Gäulen. So habe ich diesen Sommer oft Leute in den Borgfjord geschickt, um nach ihnen zu fragen. Der Auftrag schien mir wichtig genug, und ich denke, niemand hat Verdacht geschöpft. Jetzt hab ich noch einmal einen Mann hingeschickt, der muß morgen zurückkommen und Nachricht bringen, wie es dort steht.« Es war damals gerade Markt auf Weißachaue, denn es waren vor kurzem Schiffe von der See hereingekommen.
Nun reitet Bardi los, und kommt nach Hang, wo Thordis wohnte. Da stand dort ein gesatteltes Roß, und ein Schild lehnte daneben. Sie ritten nun auf den Hof, daß es auf dem harten Boden dröhnte. Da war ein Mann draußen und eine Frau, die wusch ihm den Kopf, und das waren Thordis und Odd. Sie war noch nicht ganz fertig mit Waschen und hatte ihm den Seifenschaum noch nicht vom Kopf gespült; aber sobald er Bardi sah, sprang er auf und begrüßte ihn lachend. Bardi dankte ihm freundlich und sagte zu der Frau, sie solle nur weiter machen und ihn zu Ende waschen. Odd ließ es geschehen und machte sich dann fertig und ritt mit Bardi.
Sie reiten über die Milchach nach Breitenfurt und bringen dem Thord seine Hengste. Hier ist zu erzählen, daß Thorgisl, Aris Sohn, gerade in dieser Woche nach dem Inselfjord geritten war, denn er wollte auf Querach Hochzeit machen und er wurde in der nächsten Woche zurückerwartet. Thord freute sich über seine Hengste und bot Bardi zum Dank ein paar gute Wallache an. Bardi aber sagte, er wolle nichts dafür haben, denn so habe es ihm der geboten, der die Rosse zu sich geholt hätte. »Sei unser Freund, wenn's drauf ankommt,« sagt er.
Bardi reitet ins Langental und über die Wiese bis nah an Audolfs Hof. Da sehen sie einen Mann aus dem Gehöft reiten und erkennen ihren Genossen Arngrim. Der schließt sich ihnen an, und nun reiten sie über die Milchach zu Eirik Weitblick. Sie kommen noch am Vormittag dort an, bald nach der Zeit, wo das Vieh gemolken wird, und begegnen dem Schafhirten und fragen ihn, ob Eirik zu Hause sei. »Er ist schon bei Sonnenaufgang fortgeritten, und wir wissen nicht wohin,« antwortet der. »Wohin meinst du wohl, mag er am ehesten geritten sein?« fragt Bardi, und es kommt ihm der Verdacht, Eirik könne sich aus dem Staube gemacht haben, um nicht mit zu müssen. Aber es zeigte sich bald, daß dem nicht so war; denn nun sahen sie zwei Leute am Schweinesee daherreiten. Man hatte vom Hofe aus einen weiten Blick, und sie erkannten deutlich Eirik und Thorljot, des Schreiers Pflegesohn. Sie treffen sich an der Lachsache, dem Bach, der aus dem Schweinesee kommt, und begrüßen einander herzlich.
Sie reiten nun weiter bis zu Thorgils Hof Mittelheim. Dort gab es eine herzliche Begrüßung, und dann reiten sie alle miteinander weiter bis nah an den Klammbach. Da sagte Bardi, es solle jemand nach dem Hof auf Asmundsklippe reiten und Eyjolf, Odds Sohn, abholen. »Aber da kommt einer vom Hof her am Fluß heruntergeritten,« sagte er, »und nicht eben langsam. Ich denke, das wird Eyjolf sein, und wenn ich richtig schätze, wird er gerade an der Furt sein, wenn wir dort ankommen. Reiten wir vorwärts!« Sie ritten weiter, und dann sehen sie den Mann an der Furt und erkennen Eyjolf, und als sie beieinander waren, gab es eine herzliche Begrüßung.
Dann ritten sie weiter und kamen nach Asch im Weidental. Da kamen ihnen drei Männer in gefärbten Kleidern entgegen geritten, und weil sie aufeinander zuritten, so trafen sie bald zusammen. Das waren zwei Schwestersöhne Bardis, der eine hieß Lambkarr, der andere Hun; der dritte war ein Mann aus dem Seetal. Sie waren alle drei von der Reise zurückgekehrt und ins Weidental gekommen; Gudbrand, der Vater der beiden Brüder und ihre Mutter Gudrun wohnten weiter drinnen im Weidental auf dem Hof, der seither Gudbrandshofen heißt. Nun gibt es ein fröhliches Wiedersehen zwischen den Verwandten, als Bardi so seinen Schwestersöhnen begegnet, und einer erzählt dem andern, was er Neues weiß. Bardi erzählt ihnen von dem Zuge, den er vorhat. Sie waren damals achtzehn Jahre alt und waren ein Jahr auf Reisen gewesen. Sie waren ungewöhnlich schön, voll Kraft und Gewandtheit, und hätten selbst als Erwachsene nicht vollkommener sein können. Nun berieten sie miteinander und meinen, sie hätten wohl Lust, sich Bardis Zuge anzuschließen. Ihr Reisegefährte aber reitet ins Weidental.
Bardi reitet weiter nach Bachgemünd und erzählt seinem Pflegevater, wie es steht. »Nun reit heim nach Asbjörnskap,« sagt Thorarin. »Morgen komme ich mit meinem Sohn Thorberg hinüber, dann wollen wir mit euch reiten.« Da reitet Bardi mit seinen Genossen heim, und sie bleiben da über Nacht.
Am andern Morgen richtet ihnen Kollgris das Frühstück. Es war damals Sitte, den Leuten das Essen so auf den Tisch zu legen; Teller gab es nicht. Es zeigte sich, daß drei Portionen für drei Männer zu wenig da waren. Da ging er hin und sagte es Bardi. »Setz nur die Tische vor,« sagt Bardi, »und sprich mit niemand anders davon.« Aber Thurid sagt, man solle ihre Söhne auslassen, denen wolle sie selber ihr Teil geben. Kollgris setzt also Tisch für Tisch vor die Leute und teilt jedem sein Stück zu. Da kommt Thurid herein und legt jedem der drei Brüder sein Teil vor, und da war es die Schulter jenes Ochsen, die war in drei Stücke zerlegt. Da hebt Steingrim an und sagt: »Das nenne ich großartig ausgeteilt, Mutter! Sonst war es nicht deine Art, uns so üppig zu bewirten. Das geht ja über alles Maß hinaus, als wärest du von Sinnen!« Da antwortet sie: »Da ist gar nichts so Besonderes dabei und es braucht dich nicht zu wundern. Euer Bruder Hall wurde in noch größere Stücke zerlegt, und noch hörte ich nie ein Wort von euch, als wäre das etwas Besonderes gewesen.« Dann legt sie jedem von ihnen noch einen Stein neben sein Fleisch. Sie fragen, was das zu bedeuten habe, und Thurid antwortet: »Ihr habt schon Schlimmeres verdaut als diese Steine, ihr drei, als ihr das Herz nicht hattet, euern Bruder Hall zu rächen, solch einen Mann! Ihr seid sehr aus der Art eures Stammes geschlagen; das waren andere Männer! Die hätten solche Schmach und Schande nicht auf sich sitzen lassen, wie ihr sie nun schon so lange ertragt, und laßt euch von andern darum schelten!« Wutschnaubend ging sie tiefer in die Stube und sagte die Strophe:
Bald Fehd'-Dorsches Fördrer
Fehde-Dorsch: Schwert; dessen Förderer: Krieger (Bardis Feinde).
Fahr'n hart dich an, Bardi –
(Wär' eigner Sipp' Würger
Vernichter des eigenen Geschlechts.
Wund'natters Ull
Ull: ein Gott; der Gott der Wundennatter (des Schwertes): Krieger (hier Bardi).: glatt heißt's) –
Legst, Erdfischpfads Eigner,
Erdfisch: Drache; dessen Pfad: Gold (vergl. Fafnir, der über den Hort schreitet); Goldes Besitzer: Mann (hier Bardi).
An nicht du Seelichtes
Reichern
Die Reicher (d. h. Schenker) des Seelichtes (= Goldes): die (freigebigen) Krieger: Bardis Feinde. roten Prachtschmuck
Nämlich am Haupte. Das Ganze bedeutet: Wenn du nicht das Haupt deiner Feinde blutig schlägst.
Recht sieh dir mein Lied an!
Da stoßen sie die Tische um mit allem, was darauf ist, und gehn zu den Rossen und machen sich eiligst fertig. Das war am Sonntag, fünf Wochen vor Winters Anfang. Sie sitzen auf und reiten vom Hofe. Und wie sie sich nach ihrer Mutter Thurid umblicken, sehen sie, daß die auch zu Pferde sitzt; sie ritt den Hengst Eykjard, und hatte ihren Knecht als Begleiter aufsitzen. Dessen Name wird nicht genannt, aber man erzählt, er sei etwas einfältig gewesen.
Nun sagte Bardi: »Das gibt nichts Gutes, wenn die mitkommt. Das können wir schlecht gebrauchen; nun heißt es Mittel finden, wie wir ihrem Ritt ein Ende machen.« Er ruft seine Hausleute Olaf und Dag heran und sagt zu ihnen: »Reitet ihr entgegen und begrüßt sie mit aller Ehrerbietung und tut, wie ich euch heiße: sagt, es sei schön von ihr, daß sie mitkäme, und sagt dem Knecht, er solle sie treu geleiten. Und stützt sie beim Reiten und reitet so neben ihr her bis zum Klingenbach. Der tritt aus dem Westbuchtsee und fließt in die Weidentalache. von Norden her führt ein Rennweg an den Bach hinunter und ebenso auf der andern Seite wieder herauf. Dort löst ihr den Sattelgurt, und zwar soll das Dag tun. Tu so, als wenn du den Gurt fester schnallen wolltest, wenn ihr am Bach seid, und dann zieht sie vom Pferd herunter, daß sie in den Bach fällt, und der Knecht dazu; aber den Hengst nehmt mit.«
Sie ritten ihr also entgegen und begrüßten sie ehrerbietig. Da sagt sie: »Meine Söhne hatten es nicht so eilig wie ihr, mir die Ehre zu erweisen und mir entgegen zu reiten.« »Wir kommen in ihrem Auftrag,« antworten sie. Da sagt Thurid: »Ich habe mich auf den Weg gemacht, weil ich glaube, daß etwaige große Absichten dann weniger leicht zunichte werden; denn dann wird es meinen Söhnen nicht am Stachel fehlen, und den haben sie nötig.« Die beiden meinen, es würde viel helfen, daß sie mitkäme. – So reiten sie mit ihr bis zum Klingenbach. Da sagt Dag: »Dieser Mann, den du dir da mitgenommen hast, Thurid, ist wohl blödsinnig; er hat deinen Sattelgurt so schlecht geschnallt, daß er nicht halten kann. Es ist eine Schande, wenn eine so tüchtige Frau wie du so was zum Begleiter hat.« »So schnall du ihn fester,« sagt sie, »und bleib von nun an bei mir.« Da faßt er zu und sprengt den Sattelgurt der Alten, und da gehts mit den Beiden in den Klingenbach, wie Bardi befohlen hat. Für Thurid war dabei nicht die geringste Gefahr. Sie krabbelt aus dem Bach heraus; die andern beiden aber ritten fort und nahmen den Hengst mit. Sie selber kam am Abend mit ihrem Knecht nach Haus, und war nicht gerade erfreut.
Bardi und seine Schar reiten nun ihres Weges weiter bis sie nahe an Borg waren. Da kommen ihnen Männer entgegen geritten; das war der Gode Thorarin, Bardis Pflegevater, und sein Sohn Thorberg. Zwischen Thorarin und Bardi beginnt sogleich ein Gespräch: »Du hast da ja ein großes Schwert überm Knie, Vater,« sagt Bardi. – »Hast du das noch nie bei mir gesehen, du Achtsamer und Scharfsichtiger?« antwortet Thorarin; »aber in der Tat, ich habe es früher nicht gehabt. Wir wollen jetzt die Schwerter tauschen; gib du mir deins.« Bardi tuts und fragt, wie er zu dem Schwert gekommen sei. Thorarin erzählt es ihm mit allen Einzelheiten: wie es zwischen ihm und Lügentorfi gegangen war, und wie er ihn dazu veranlaßt hatte, die Waffen zu holen, »Mein Sohn Thorberg hat das andere; das gehört dem Thorbjörn. Dies aber, das du jetzt hast, gehört dem Thorgaut. Es schien mir gerade recht, wenn ihre eigenen Waffen ihnen den Stolz und Hochmut brächen, – darum habe ich diesen Plan ersonnen. Damit magst du zugleich die Schmach an ihnen rächen, die sie dir und deinen Brüdern angetan haben. Nun möchte ich aber auch, daß du meinen Rat treu befolgst, wo ich mir um eure Ehre solche Mühe gebe.«
Damit reiten sie auf die Wiese vor Borg, dem Hofe ihres Schwagers Eyjolf. Als Bardi auf den Hof kam, standen dort zwei Hengste aufgezäumt vor der Tür; der eine trug die Lebensmittel für die Brüder, die ihnen als Wegzehrung dienen sollten. Und das hatte es zu bedeuten gehabt, als Bardi damals das frischgeschlachtete Fleisch hatte dorthin bringen lassen; das hatten nun ihre Schwester Alof und Bardis Pflegemutter Kjannök zubereitet.
Nun sitzt Eyjolf auf und war eben daran, von der Haustür auf den Hofplatz zu reiten. Da kommt eine Frau heraus und ruft Bardi an und sagt, er solle noch einmal zur Tür zurückkommen, sie habe ihm etwas zu sagen. Das war seine Schwester Alof. Da hieß Bardi die andern vorausreiten; er werde bald nachkommen. Er reitet zur Tür und fragt, was sie will. Da sagt sie, er solle absteigen und zu seiner Pflegemutter hereinkommen. Er tut's und geht hinein. Da ließ sich vom Zimmer her die Alte vernehmen, wo sie in ihrem Bette lag: »Wer kommt denn da?« fragt sie. Er antwortet: »Bardi ist's. Was willst du von mir, Mutter?«
»Komm her,« sagt sie; »es ist recht, daß du gekommen bist. – Jetzt habe ich geschlafen,« sagt sie, »aber die Nacht durch habe ich gewacht und euch die Reisekost gerichtet, ich und deine Schwester. – Komm her,« sagt sie, »und laß dich betasten.« Bardi tat ihr den Willen, denn er liebte sie sehr. Da fängt sie beim Scheitel an und streicht auf allen Seiten an ihm herunter bis auf die Zehen. Bardi fragt: »Was spürst du, und wie meinst du, wird es werden? Du bestreichst mich ja recht genau.« »Gut scheint's mir,« antwortet sie, »ich stoße nirgends auf etwas, das mir Unheil verriete.«
Bardi war groß und stark und sein Hals war dick. Sie spannt die Hände um seinen Hals und nimmt aus ihrem Hemd eine große Steinperlenkette, die ihr gehörte, und bindet sie ihm um den Hals und zieht sein Hemd darüber. Er trug ein Messer an einem Riemen um den Hals, das ließ sie da hängen und sagte ihm fahrwohl. Er reitet nun fort, seinen Genossen nach, sie aber rief hinter ihm her: »Laß es so sitzen, wie ich es dir umgehängt habe; ich denke, dann wird es gut gehen!«
Als Bardi nun zu seinen Leuten kommt, reiten sie ihres Wegs. Thorarin begleitet sie weit und gibt ihnen seinen Rat, wie sie reiten sollen; es scheint ihm sehr wichtig, daß sie sich richtig verhalten: »Eine Nachtherberge habe ich euch im Klippental verschafft«, sagt er. »Der Bauer, bei dem ihr bleiben sollt, heißt Njal. Man sagt von ihm, er sei gegen Gäste nicht gerade großartig, obgleich er reich genug ist. Aber ich denke, auf meine Botschaft hin wird er euch aufnehmen.
Jetzt ist auch der Mann zurückgekommen, den ich vorige Woche nach dem Borgfjord auf Kundschaft schickte; er ist gestern Abend von dort abgeritten und kann genau erzählen, wie es dort steht. Er hat gesagt, Hermund Illugis Sohn und viele andere aus der Gegend würden mit Anfang dieser Woche auf dem Markt sein. Vergl. S. 311. Das andere werdet ihr schon selber gehört haben: daß die Thorgautssöhne im Sommer eine Arbeit vorhaben, nämlich die Goldwiese abzumähen; sie sind nun so weit, daß sie am Mittwoch dieser Woche fertig sein wollen; die werden also zu Hause bleiben.
Ich habe auch gehört, was die Gislunge zu sagen pflegen: sobald es irgend einen Lärm oder ein Geschrei gibt, so fragen sie: ›Ob da wohl Bardi kommt?‹ und treiben großen Spaß und Spott damit, euch zur Schande. Ferner ist zuverlässige Kunde zu uns gekommen, daß die Männer dort im Gau beschlossen haben: wenn irgend etwas Gewaltsames im Gau vorfällt, dann sollen alle verpflichtet sein, die Täter zu verfolgen – und zwar seitdem der Gode Snorri und seine Leute nach ihrem großen Totschlag so nahe bei den Höfen geschlafen haben. Und wer nicht mittun will, soll drei Mark Silber verwirkt haben, so viele den Dingschilling dort zu zahlen haben, von den Hafenbergen bis zur Nordache, denn die meisten von denen auf der Weißachseite und im Flokital gehören zu ihrem Ding.
Am zweiten Tag der Woche reitet ihr dann von Njal weiter und laßt euch Zeit; die Nacht bleibt ihr auf dem Hochland (damals bekam es seinen Namen Zweitagsheide), und wenn ihr dann südwärts weiterreitet, so kommt ihr zu den zwei guten Kampfplätzen, die es dort auf dem Hochland gibt; dann seht zu, ob es so ist, wie ich euch sage: die Gegend heißt Hochlandsmoor, und es sind dort große Seen. Auf der Nordseite des Moors ist ein See, in den ragt eine Landzunge hinein, die oben so schmal ist, daß nur neun Leute nebeneinander drauf stehen können. Und aus diesem See fließen die Wasser nordwärts zu uns hinunter; den Platz empfehle ich euch. Der andere Kampfplatz ist auf der Südseite des Moors; zu dem rate ich euch weniger; und es wäre nicht so gut, wenn ihr euch auf den zurückziehen müßtet. Dort geht gleichfalls eine Landzunge in einen See hinaus, auf der können achtzehn Mann nebeneinander stehen, und aus diesem See fließen die Wasser südwärts den Borgfjordern zu.
Am dritten Tage kommt ihr zu den Almhütten auf dem Südhang. Die Leute werden dann gerade alle abgezogen sein, das Buschtal hinunter; denn dort haben die von der Seite ihre Almen und bleiben bis zu diesem Tage oben. Ich denke mir, ihr werdet dort ankommen, wenn die Sonne im Südwesten steht; dann sollen zwei von eurer Schar dort in den Gau hinunterreiten und über den Berg bis zur Brücke, und sollen die Höfe meiden, bis sie über den Fluß Nämlich die Weißach. sind. Dann sollen sie nach Hallvardshofen reiten und den Bauer dort nach Neuigkeiten fragen und nach den Hengsten forschen, die aus dem Nordland verschwunden sind. Auch nach Neuigkeiten vom Markt sollen sie sich erkundigen. Wenn sie den Fluß hinunterreiten, können sie auf die Goldwiese sehen, und ob dort Leute beim Mähen sind, wie uns hinterbracht wurde. Dann sollen sie ebenso wieder hinaufreiten bis zur Furt. Den Weg sollen sie sich vom Bauern weisen lassen. So reiten sie zum Hochland und aufs Hochland hinauf. Wenn sie am Fluß entlang reiten, können sie wieder auf die Goldwiese sehen.
Am Mittwochmorgen sollst du zur Brücke hinunterziehen; von dort kannst du sehen, wie es im Gau steht. Dann sollst du deine Schar in drei Haufen teilen. Alles in allem seid ihr achtzehn, denn der neunzehnte muß zurückbleiben und eure Hengste bewachen, und zwar soll das Kollgris tun und soll dafür sorgen, daß sie bereit sind, wenn ihr sie braucht. Sechs Mann sollen an der Brücke bleiben, und ich will auch bestimmen, welche das sein sollen, und will dir sagen, warum ich sie so verteile: an der Brücke sollen bleiben die Schwäger Thorgisl von Mittelheim und Arngrim, Eirik Weitblick und Thorljot, des Schreiers Pflegesohn, und Eyjolf von Asmundsklippe. Der sechste (Gefns Odd) wird nicht genannt. Und zwar sollen diese dort bleiben, weil sie dir am widerspenstigsten sein würden und du sie am schwersten würdest lenken können, wenn ihr in den Gau hinunterkommt; und für euch ists gefehlt, wenn ihr nicht Verstand und Mäßigung bewahrt.
Auf halbem Wege sollen weitere sechs zurückbleiben, nämlich Thorodd und Thorgisl vom Seeschwalbenmoos, und als dritter Halldors Ersatzmann; ferner sollen die Söhne deiner Schwester dabei sein, Hun und Lambkar, und dein Schwager Eyjolf als sechster. Diese werden dir viel leichter gehorchen und nicht so wild drauf losgehen. Sie sollen dort halten, weil sie dann alle Bewegungen im Gau beobachten können.
Ihr sechs aber zieht hinunter, du und deine Brüder Stein und Steingrim, Olaf und Dag und Thord. Diese werden dir am sichersten aufs Wort gehorchen, und ihr seid gegen die auf der Wiese immer noch stark genug.
Und sobald ihr denen eins versetzt habt, zieht euch zurück, denn die Verfolgung wird nicht auf sich warten lassen; aber man wird mit weniger Eifer dran gehn, wenn nicht mehr als sechs Mann zu sehen gewesen sind, und es werden dann nicht so viele hinter euch her kommen, wenn ihr es so macht. Dann sollt ihr also, so schnell ihr könnt, davon reiten, bis ihr zum nördlichen Kampfplatz auf dem Hochland kommt; denn für alles, was dort geschieht, gilt das Zeugnis aus dem Norden, und das wäre für euch von großem Vorteil. Doch schwant mir, daß du es nicht fertig bekommst wegen des Eigensinns deiner Begleiter.
Aber jetzt müssen wir für diesmal scheiden. Mögen wir uns gesund wiedersehen!«
Am Abend kommt Bardi mit seiner Schar bei Njal an. Der steht draußen und lädt sie alle aufs Herzlichste ein, bei ihm die Nacht zu bleiben. Sie nehmen es an, lassen ihre Hengste in den Hag und setzen sich auf beide Bänke. Njal und seine Frau sind den Abend über draußen, ihren Gästen das Mahl zu bereiten; ihr junger Sohn aber ist drinnen und unterhält die Gäste. Bardi fragt ihn, ob er wohl einen Wetzstein habe. »Ich weiß einen«, antwortet er, »aber er gehört dem Vater, und ich getrau mir nicht ihn zu nehmen.« »Ich will ihn dir bezahlen«, sagt Bardi, »und dir ein Riemenmesser dafür schenken.« »Ja«, sagt der Knabe, »warum soll ich es dann nicht tun?« Er sucht den Wetzstein und findet ihn und bringt ihn Bardi. Bardi nimmt ihn und bindet sich das Messer ab, das er um den Hals trug, und dabei verrückt sich die Perlenkette etwas, die ihm die Alte um den Hals gebunden hat, und davon wird noch die Rede sein. – Nun wetzen sie ihre Schwerter, und der Knabe meint, einen guten Griff getan zu haben, weil sie nun haben, was sie brauchten. So bleiben sie dort die Nacht und sind gut aufgehoben.
Am Montag ritten sie bei gutem Wetter weiter und ließen sich Zeit. Bardi fragte Eirik Weitblick, was er wohl meine, wie es ausgehen würde. Eirik antwortete:
Nah'n heid'über neunzehn
Nordher all' wir; werden,
Nämlich: wir.
Schildfeuer-Bretts Föhre,
Schildfeuer = Schwert; dessen Brett; der Schild; dessen Föhre (= Baum): der Krieger (hier der angeredete Bardi).
Futtern die Möw' des Blutes.
Den Raben; d. h. Feinde töten.
Wähn' doch, walzengewohnten
D. h. an die Hinausrollung auf See durch die Schiffswalzen gewohnten.
Well'nhengsts Eigner,
Wellenhengstes (d. h. des Schiffes) Besitzer: Seefahrer, Krieger (hier Eirik). länger
Im Kampf soll der Skalde
Eirik.
Südwärts haben Müh' da.
Die Nacht bleiben sie auf dem Hochland und reiten am nächsten Tag ins Buschtal, da stand die Sonne im Südwesten; und als sie ihre Tiere dort eine Weile hatten grasen lassen, da ritten zwei Mann in den Gau hinunter, wie Thorarin es angegeben hatte. Sie trafen weder Menschen noch Höfe und ritten immer den Bergweg und kamen zur Brücke und weiter nach Hallvardshofen. Dabei sahen sie deutlich, was auf der Goldwiese vorging: daß da Mannsleute auf der Wiese waren, beim Mähen, alle in Hemden, und es kam ihnen genau so vor, wie Thorarin vorhergesagt hatte: als wäre gerade noch ein Tagwerk übrig. –
Sie suchten den Bauern auf und begannen mit ihm ein Gespräch und fragten ihn nach Neuigkeiten. Da wußte keiner dem andern etwas zu erzählen. Sie fragten nach den Hengsten, nach denen sie auf der Suche seien und nach denen schon so oft Leute unterwegs gewesen wären. Der Bauer antwortete, er habe keine Ahnung, wo sie wären, und verwünschte ihre ewige Fragerei. Sie fragten, was es auf dem Markt für Neuigkeiten gäbe, und wie stark er besucht sei. Er antwortete, er wisse nichts Genaues von dort, und er finde auch, es könne ihm gleich sein. Da baten sie ihn, ihnen den Weg am Fluß hinauf zur Furt zu zeigen, Er tat es, und dann trennten sie sich, sie ritten zu ihren Genossen zurück und erzählten ihnen, wie es stand. Dann schlafen sie dort die Nacht.
Nun ist etwas von den Leuten im Gau zu erzählen, die hier in der Geschichte vorkommen. Thorbjörn, Brunis Sohn, stand auf Wanden früh auf und hieß seinen Knecht mit aufstehen: »Wir müssen heute zu Thorgaut in die Werkstatt«, sagte er, »und bei ihm schmieden.« Es war noch früh, die Sonne ging eben auf. Er verlangte ihr Frühstück, und was ihnen da gebracht wurde, wird nicht weiter erzählt, nur daß die Bäurin einen Napf vor sie auf den Tisch setzte. Thorbjörn erklärt, er werde nicht gut bedient, und wirft den Napf nach ihr und trifft sie zwischen die Schultern. Da dreht sie sich um und wird wütend und gerät in Hitze und dann schelten sie beide auf einander. »Du setzt mir da etwas vor«, sagt er, »da ist ja nichts drin als lauter Blut! Merkwürdig, daß du nicht selber siehst, daß da was nicht stimmt!« Da antwortet sie ihm ruhig: »Ich habe dir nichts vorgesetzt, was du nicht gut essen könntest; aber ich glaube in der Tat, du bist bald in der Hölle, wenn sich dir schon solche Wunder zeigen. Da sagt sich gewiß dein Tod an.« Thorbjörn sagte die Strophe:
Schwerlich Hauptbind', schwarze,
Zur Trauer.
Schmückt' Goldes Var,
Goldes Var (d. h. Göttin): die (freigebige) Frau. soll ich
Fall'n. Halsbandes Fold
Halsbands Fold: desgleichen. ja
Fodert, im Staub ich soll modern!
An wünscht mir Äls Schenkin
Äls (Bieres) Schenkin: das Gleiche.
Äpfel Hels
Hels (der Todesgöttin) Äpfel: der Tod. – gar seltsam!
Nie doch Goldes Diel'
Goldes Diele: die Frau. je
Dahin wird es bringen.
Nämlich: daß ich sterbe.7
Da läuft sie fort und holt einen Laib Käse und wirft ihn vor ihn hin; dann setzt sie sich auf die Bank gegenüber und weint. Thorbjörn sagte eine zweite Strophe:
Dem Weib wenig Dank es
Weiß stattlich bemalten Ati-
Hengst's Lenker:
Ati: ein Seekönig; dessen Hengst: das Schiff; dessen Lenker: hier Thorbjörn. so lang ich
Leb', wenn da sie klaget.
Fahl'n Heid'sassen-Fußes
Färber
Der Heidesasse: der Wolf; der Färber von dessen Fuß (mit Blut): der Krieger, hier Thorbjörn. käme herb an
Schwerer Wangen-Schauer
Tränen.
Spend' von ihr, wenn ich ende.
»Aber schon wieder verändert sich's seltsam. Mir ists, als wären beide Giebelwände des Hauses nicht mehr da, und als bräche reißend ein Strom durchs Haus vom Norden her, vom Hochland. Und der Käse, den ich hier esse, erscheint und schmeckt mir wie lauter Erde.«
Sie stehn vom Tisch auf und gehn zu den Pferden, sitzen auf und reiten aus dem Hof. Da beginnt Thorbjörn: »Heute Nacht habe ich einen Traum gehabt.« »Was hast du geträumt?« fragt der Knecht. »Mir war's, als stände ich mitten an einem Platz, wo es nicht friedlich herging, und hätte das Schwert in der Hand, das ich früher zu führen pflegte, und das jetzt fort ist; aber es brach entzwei, als ich zuschlug. Da war es mir, als spräche ich im Traum zwei Strophen, und ich kann sie noch beide:
Geschah mir's, daß Schildes
Stab
Das Schwert. sprang, hehrer, blanker,
In Helmfenrir-Holmes
Harm.
Fenrir (d. h. Wolf) des Helmes: das Schwert; dessen Holm: der Schild; dessen Harm (d. h. Schaden): der Kampf. – Ich fördr' die Dichtung. –
Wo zusamm'ngell'nd in Galgen-
Gott's
Odins (er ist der Gott der Gehenkten). urkräft'gem Sturme
Odins Sturm: Kampf.
Fuhr da, Fehdemaid-Things
Föhr',
Föhre (d. i. Baum) des Fehdemaid(Walküren)-Thinges (d. h. Kampfes): Krieger. des Blutes Röhricht.
Blutes Röhricht: das Schwert.
Im Schalle der Schilde
Im Kampf.
Schwäng' ich, Kieles Lenker,
Seefahrer, Krieger.
Lieber heilen Hauptes
Herrliche Wund'-Gerte.
Das Schwert.
Fällen sollt' sie viele.
Fest dann in der Hand ich
Führ', kostbar'n Tal-Förchen-
Felds Balder,
Der Balder (Gott) des Talforellen(d. h. Drachen)-Feldes (d. h. des Goldes): der Mann. sie allda.
Der Knecht lernte beide Strophen auswendig, während sie weiterritten. Plötzlich sieht Thorbjörn sich um. »O weh«, sagt er, »das Schmiedewerkzeug ist zu Haus geblieben, oder unterwegs verloren gegangen. Reite du zurück und such es. Findest du es unterwegs, so komm zur Schmiede nach; ich will vorausreiten. Wenn du es aber nicht unterwegs findest, so geh an deine Arbeit.«
Damit trennen sie sich. Der Knecht findet das Werkzeug nicht. Thorbjörn reitet nun zu seinem Verwandten Thorgaut in die Werkstatt und ist noch vor der Frühstücksstunde bei ihm. Sie begrüßen sich und fragen einander nach Neuigkeiten, aber keiner weiß etwas.
Nun wird weiter erzählt, daß die Thorgauts-Söhne alle aufstanden und zum Mähen auf die Goldwiese gingen. Sie sprachen davon, daß es nach gutem Wetter aussähe, und heute würden sie wohl mir der Wiese fertig werden. Sie kamen auf die Wiese und legten Kleider und Waffen ab. Da ging Gisli ein Stück weit über die Wiese hin und sah sich an, was sie mähen wollten und blieb stehen und sprach die Strophe:
Hier, mich heimzusuchen,
Hengst' FalasFala: eine Riesin; deren Hengste: Wölfe. ansprengten.
Der Hild-Loh' ZerhauerHild: eine Walküre; deren Lohe (Feuer): das Schwert; dessen Zerhauer: der Krieger (hier Gisli).
Hielt Wach' höchst bedachtsam.
Ausspricht Ull des PfeilsangsPfeilsang: Kampf; dessen Ull (Gott): der Krieger (Gisli).
Es: Nicht all' dem Dichter,
Hlökkglut-Sturmes Härter,
Hlökk: eine Walküre; deren Glut (Feuer): das Schwert; dessen Sturm: der Kampf; dessen Härter: die Krieger.
Hold und treu sein wollen.
Und dann erzählt er ihnen seinen Traum: sie wären hier auf der Goldwiese gewesen, da wären viele Wölfe auf sie los gekommen, und sie wären aneinander geraten; »es war schrecklich«, sagt er; »und ich wachte damit auf, daß ich weglief, heim zum Hof«. Da machten sie sich an die Arbeit und mähten eine Zeitlang.
Inzwischen hat Bardi seinen Leuten die Plätze angewiesen, wie es ihm sein Pflegevater gesagt hat, und wie vorhin erzählt worden ist; dann erklärt er ihnen allen, welchen Plan er im Sinne habe. Da waren sie schon etwas zufriedener, und meinten, so würde man wohl zum Ziel kommen, und ließen sich seine Anweisungen immerhin gefallen; doch sagten sie, es scheine ja nicht gerade Großes bevorzustehen.
Damals war an der Weißachseite noch dichter Wald, wie es in jener Zeit überhaupt hierzulande viel Wald gab. Jene sechs aber lagen über dem Walde und konnten genau sehen, was auf der Goldwiese geschah. Bardi mit seinen fünfen war im Wald und nur noch durch eine kurze Strecke von denen auf der Wiese getrennt. Nun zählt er nach, wie viele Männer da beim Mähen sind und kann nicht recht erkennen, ob der dritte Mann mit dem weißen Ding auf dem Kopf eine Frau ist, »oder ist das etwa Gisli?« Nun treten sie aus dem Walde heraus, einer hinter dem andern, und den Thorgautssöhnen kommt es zuerst so vor, als käme dort nur Einer. Thormod, der am weitesten hinten auf der Wiese mähte, fängt an: »Dort kommen Männer!« »Mir scheint, es ist nur einer«, sagt Gisli. Sie gingen schnell, aber ohne zu laufen. »Nein«, sagt Ketil Bock, »mehrere sinds und nicht ganz wenige.« Damit hielten sie ein und sahen hinüber, und Ketil sagte: »Ob da wohl Bardi kommt? Es sieht ganz so aus, und ich will nicht Menschen erkennen können, wenn er es nicht ist. Gerade so war er im Sommer auf dem Ding angezogen.« Ketil und Thormod sahen hinüber, aber Gisli mähte weiter und sagte: »Ihr tut schon den ganzen Sommer so, als käme Bardi aus jedem Busch, und noch ist er nie gekommen.«
Bardi und die Seinen hatten vorher ihre Gegner so unter sich verteilt, daß immer zwei von ihnen einen übernehmen sollten: Bardi und Stein sollten Ketil Bock übernehmen, der war sehr stark; Dag und Olaf sollten Gisli angreifen, Steingrim und Thord den Thormod. So gehn sie auf sie los. Da sagt Ketil: »Jetzt läßt sichs nicht mehr leugnen: nun ist er gekommen, der Bardi!« Sie wollten ihre Waffen aufnehmen, konnten sie aber nicht mehr erreichen. Wie sie das einsehn, laufen Ketil und Gisli nach dem Hofwall, und Bardi mit seinen dreien hinterdrein. Thormod aber wendet sich zum Fluß hinunter und Thord und Steingrim hinter ihm her, und sie jagen ihn in den Fluß hinein und werfen ihn vom Ufer mit Steinen. Er aber kommt hinüber, denn er ist ein guter Schwimmer.
Die beiden andern Brüder kommen nun zum Wall. Ketil ist voran und springt über den Wall auf den Hofplatz. Gisli springt auf den Wall; da löst sich ein Rasenstück, und er gleitet aus. Da ist Bardi heran, vor den andern, und haut mit dem Thorgautsschwert nach ihm und schlägt ihm das Gesicht so ziemlich ab. Dann geht er den Gefährten entgegen und sagt, nun habe es eine Wunde gesetzt. Sie sagten, der Angriff sei etwas schwächlich und nicht gerade stürmisch ausgefallen. Er sagt, damit müsse es sein Bewenden haben, »und wir müssen jetzt umkehren«. Es bleibt bei seiner Entscheidung, den andern aber geht es sehr gegen den Wunsch.
Ketil zieht den Gisli vom Wall herunter und nimmt ihn auf die Schultern. Sie sehen nicht, daß er ihm etwa schwer würde. So läuft er mit ihm zum Hof. Thorgaut war in der Schmiede und Thorbjörn wartete bei ihm auf den Knecht, der das Werkzeug bringen sollte. Thorgaut sagt: »Was ist das für ein Lärm! Ob da wohl Bardi kommt?« Zudem Augenblick tritt Ketil herein und sagt: »Dein Sohn Gisli hats gespürt, daß er gekommen ist!« Damit wirft er ihm den Toten vor die Füße.
Bardi kehrt nun zu seinen Gefährten zurück und sagt, seiner Meinung nach seis nun Mann um Mann gegangen. Aber sie sagten, die seien doch nicht gleichwertig, und es sei wenig erreicht, wenn nur ein Mann erschlagen sei, »und dazu so weit geritten!«
Als die Gefährten nun alle zusammen waren, sagten die, die weiter oben im Hinterhalt gelegen hatten, sie wären gewiß nicht mitgegangen, wenn sie gewußt hätten, daß es so ausgehn würde, und daß sie keine bessere Rache bekommen würden für solch ein Leid wie es ihnen angetan sei – und Gisli und Hall seien doch nicht gleichwertig! Sie schalten Bardi und meinten: wären sie dabei gewesen, so wäre mehr erreicht worden. Dann gingen sie zu den Rossen und sagten, sie wollten jetzt ihr Frühstück. Bardi bat sie, doch jetzt nicht ans Frühstück zu denken; aber sie sagten, sie wollten nicht fasten: »und es ist gar nicht auszudenken, wie du erst laufen würdest, wenn du etwas vollbracht hättest, was der Rede wert gewesen wäre«. Bardi sagte, er schere sich nicht um ihr Geschwätz. Und nun essen sie.
Nun sprechen die auf dem Hof miteinander, Thorgaut und Thorbjörn und Ketil. Thorgaut sagt: »Ein schlimmer Schlag ists, und er hat mich nah getroffen; aber ich glaube, billiger gings nicht, und man soll sie nicht verfolgen.« Die beiden andern sagen, das ginge auf keinen Fall. Die Frauen hattens mit angehört, was gesprochen wurde, und nun sandte Ketil sie mit der Nachricht nach Frodistatt und Seitenstirn; von dort sollte es dann einer dem andern weitersagen bis nach Querachleite und im ganzen Nordachtal: man solle unter Vermeidung von Acht und Geldstrafe den Tätern nachreiten. Die Männer selber gehn hin und nehmen ihre Rosse und reiten nach Hochberg zu Arni, Thorgauts Sohn. Der hatte gerade seinen Schwiegervater zu Gast, Thorarin von der Querachleite, den Vater seiner Frau Astrid. So reiten sie von da zu fünft weiter.
Nun ist von Thormod zu erzählen: er läuft südlich vom Fluß ins Land hinein bis nach First. Damals gabs noch wenig Höfe südlich vom Fluß. Auf First waren nur wenig Leute zu Haus, denn die Männer waren nach Weißachaue und die Knechte zur Arbeit. Eid saß mit seinen zwei Söhnen überm Brettspiel; der eine hieß Illugi, der andre Eystein. Thormod erzählt ihnen nun, was vorgefallen ist. Damals (und noch lange Zeit nachher) gabs droben beim Bjarnifall eine Brücke über die Weißach. Eid war nicht für die Verfolgung; seine Söhne aber greifen nach den Waffen und machen sich fertig und reiten nach Hackerstätten hinüber zu Thorgisl. Damals war auch dessen Sohn Eyjolf eben heimgekehrt; der war im selben Sommer nach Island zurückgekommen.
Thormod reitet weiter nach Hallkelstätten hinauf. Er kommt dort an und erzählt, was geschehen ist. Tind war als einziger zu Haus, aber aus der Nachbarschaft waren Leute zu ihm in die Schmiede gekommen: ihre nächste Nachbarin war Thorfinna die Skaldin, die auf Thorvardstetten wohnte. Sie hatte einen Sohn Eyjolf und einen Bruder Tanni mit dem Beinamen Starkhand; der hatte übermenschliche Kräfte, aber sein Neffe Eyjolf nicht minder; sie waren beide herzhaft und streitlustig. Die waren zu Tind in die Schmiede gekommen. Nach Schluchtrand aber ging man nicht, weil Hermund mit seinen Hausleuten zum Schiff geritten war. Bei Tind sinds vier, Thormod ist der fünfte. Das war spät am Tage.
Die Söhne Eids kommen zu Thorgisl dem Hacker. Dort ist man sofort bereit und sie reiten von dort zu sechst weiter; Thorgisls Sohn Eyjolf war dabei und vier andre. Der sechste ist Thorgisl selber; zwei bleiben ungenannt.
Nun ist weiter zu erzählen, was Bardi und seine Gefährten von all dem sehen. Bardi reitet voran und etwas schneller als die andern, so daß ein gutes Stück zwischen ihnen war. Die andern aber ritten recht gemächlich hinterdrein und sagten, er habe ja schreckliche Angst. Nun sehen sie, wie man sie verfolgt, und sehen, daß die Schar, die hinter ihnen herkommt, nicht viel kleiner ist als ihre eigene. Da freuten sich Bardis Gefährten und es war ihnen recht, daß noch etwas Rühmliches aus ihrem Zuge werden würde. Bardi aber sagte: »Reiten wir noch eine Weile zu! Wir brauchen darum noch keine Sorge zu haben, daß sie uns nicht nachkommen.« Da sprach Eirik Weitblick die Strophe:
Einstellt' vielkund Volk sich.
Fehd' begehrt die Heerschar.
Von Süd hasten heid'wärts
Hier Mannen, bekannte.
Daß wir fliehn, wahrlich
Wünscht Bardi nicht, harter.
Soll im Speerwand-Sturme
Speerwand: Schild; dessen Sturm: der Kampf.
Streits Nährer
Kämpfer. abwehr'n man.
»Da hast du nicht recht«, ruft Bardi: »ich meinte, es solle jeder reiten was er kann, bis wir zu dem Kampfplatz im nördlichen Moor kämen, den mein Pflegevater uns empfohlen hat«. Aber das setzt er nicht durch, wie sie bei dem Platz im südlichen Moor ankommen, sagen sie, nun seien sie genug gejagt. Da sieht Bardi ein, daß es nicht anders geht, und reitet zu ihnen zurück. Er sagt: er sei nicht mehr aufs Fliehen versessen als sie, und sie würden diese Meuterei noch zu bezahlen haben; »aber jetzt kann man euch nicht abhalten. Heut abend sollen wir gewiß nicht eher weiterjagen, als bis es euch Zeit scheint. Und ihr sollt eher wünschen als ich, nicht länger zu bleiben – oder keiner von uns!« Das ist ihnen von Herzen recht. Ihre Rosse ließen sie auf die Landspitze voran und setzten Kollgris dazu, sie zu bewachen; er war nicht kriegerisch und über die besten Jahre hinaus. Nun sprach Eirik die Strophe:
Stramm wohl auf der Stell' wir
Steh'n – Heer tret' zur Fehd' an.
Schildgert',
Schwert.| wohlbewährte,
Wühl' rund
rings. in den Wunden.
Will den Heid'platz halten,
Heißt's auch, Schwertsturm
Kampf. fauche
Her von Süden, harter.
Helms Scheit'
Das Schwert. röt' ich weidlich.
An diesem Tag war auch noch nach Hermund nach Weißachaue gesandt worden. Er war schon auf dem Heimweg und die Boten trafen ihn unterwegs hinter Dingskap. Da ließ er seinen ganzen Zug im Stich und läßt jeden, der irgend abkömmlich ist, mitreiten und wirbt auch unterwegs noch Begleiter und reitet so mit auf die Verfolgung.
Nun treffen sie zusammen, die aus dem Süden und Bardi. Die Verfolger steigen ab. Bardi hat seine Leute quer über die Landzunge aufgestellt. »Keiner darf aus der Reihe heraus«, sagt er, »denn mir ahnt, daß noch mehr zu erwarten sind.« Die achtzehn Mann reichten gerade quer über die Landzunge, man konnte also nur von einer Seite an sie heran. »Allem Anschein nach werdet ihr heut eure Schwerter erproben können«, sagt Bardi; »besser wärs gewesen, wir hielten den nördlichen Platz; einen Vorwurf hätte uns niemand draus machen können, wenn wir das getan hätten, und für die Totschlagsklagen wärs besser gewesen. Vergl. S. 320. Aber wir wollen uns auch hier den Mut nicht nehmen lassen!« – Sie standen mit gezückten Schwertern da. Auf der einen Seite von Bardi stand Thorberg, auf der andern Gefns Odd, und neben ihnen Bardis Brüder.
Nun greifen die aus dem Süden nicht so schnell an, wie sie gedacht hatten: sie finden ihre Gegner doch stärker als sie vermeinten. Die Führer waren Thorgaut, Thorbjörn und Ketil. Thorgaut sagt: »Ratsamer ists, wir warten, bis wir mehr sind. Sie waren gut beraten, daß nur so wenige in den Gau hinuntergekommen sind.« Sie greifen also noch nicht an. Und wie das die aus dem Norden sehen, da machen sie selber den Anfang.
Thorberg fragt: »Ist der Bock dabei?«, und Ketil sagt, er sei da. »Kennst du vielleicht das Schwert hier?« Ketil sagt, er habe keine Ahnung: »wer bist du denn?« – »Ich heiße Thorberg. Und dies Schwert hat mir dein Vetter, der Lügen-Torfi, gebracht. Hier stimmt etwas nicht: Nach S. 316 führt Thorberg das Schwert Thorbjörns, Bardi das von Ketils Vater, Thorgaut. Damit sollst du heut tüchtige Hiebe bekommen, wenn es so geht wie ich möchte. Aber warum greift ihr jetzt nicht an? Ihr seid doch bisher nicht schlecht hinter uns her gejagt, wenn ich mich recht erinnere, zu Pferd – und zu Fuß!« »Es mag sein«, sagt Ketil, »daß das mein Schwert ist. Aber ehe wir heut auseinandergehn, sollst du uns nichts mehr vorzuwerfen haben.« Da sagt Thorberg: »Wenn du ein ganzer Kerl bist, was wartest du, bis ihr die Übermacht habt?«
Nun fängt Bardi an: »Was gibs Neues im Gau?« – »Dir wirds lieb sein: mein Bruder Gisli ist erschlagen!« Bardi sagt: »Ich wills nicht tadeln. Es war mir auch, als hätt ich eindeutig gearbeitet. Aber wie ists: meinst du nicht, du hättest etwas an mir zu rächen, Ketil? oder dein Vater? Wenn ich mich recht erinnere, ists nicht lange her, da kamst du heim, Ketil, und brachtest deinem Vater einen huckepack. Wenn dus nicht mehr weißt: hier ist der Zeuge, dies selbe Schwert, an dem sein Hirn noch nicht trocken ist!« und er schüttelt das Schwert vor ihm: »Meinst du, du hättest nichts zu rächen, Ketil? Sieh nur her: das Hirn ist noch nicht trocken!« Und er schüttelts zum zweitenmal.
Das halten sie nicht aus und springen nun gegen sie an. Thorbjörn springt auf Bardi los und gibt ihm einen Schlag auf den Nacken. Es krachte furchtbar und traf auf den Stein der Halskette, der sich verschoben hatte, als er das Messer abnahm und dem Njalssohn schenkte. Der Stein brach entzwei und es gab an beiden Seiten des Bandes Blut; aber das Schwert biß nicht. Da rief Thorbjörn: »Du Troll! Daß dich Eisen nicht beißt!« Nun geraten sie an einander. Nach dem einen schweren Hieb wendet Thorbjörn sich gleich gegen Thorodd, Ketil geht gegen Bardi los, Thorgaut gegen Thorberg. Da mangelts nicht an schweren Hieben und Hetzreden. Die aus dem Süden waren an Zahl wie an Mut unterlegen.
Zuerst ist der Kampf zwischen Bardi und Ketil zu erzählen: Ketil war stärker als andere und kannte keine Furcht. Sie hattens lang miteinander. Endlich versetzt Bardi ihm eins wagrecht in die Weiche, und Ketil fällt. Da springt Bardi gegen Thorgaut los und gibt dem den Todeshieb. So sanken sie beide vor dem Schwert, das ihnen selber gehört hatte.
Nun ist von Thorbjörn und Thorodd zu erzählen: sie gehn aufeinander los und keiner schont den andern. Es setzt schwere Hiebe, die meisten hinreichend schwer. Einen gibt Thorodd dem Thorbjörn, der nimmt ihm den Fuß im Rist ab; aber Thorbjörn kämpft trotzdem weiter; er stößt dem Thorodd das Schwert in den Bauch, daß die Eingeweide heraustreten, und Thorodd fällt. Nun sieht Thorbjörn Vater und Bruder tot. Da liegt ihm nichts mehr daran, so verstümmelt weiter zu leben. Nun gehn die Gudbrandssöhne gegen ihn los, aber Thorbjörn ruft: »Sucht euch ein anderes Ziel! Ehedem wars nichts für Jungens, mit uns Hiebe zu wechseln!« Damit springt er gegen Bardi an und schlägt sich mit ihm. Da sagt Bardi: »Du scheinst mir ein Troll, daß du noch kämpfst, wo dein Fuß ab ist. Von dir stimmts besser, was du von mir gesagt hast.« Da sagt Thorbjörn: »Dazu brauchts keinen Troll, wenn einer Wunden aushalten kann und nicht so weichlich ist, daß er sich nicht wehrt so lang er kann; daran kennt man den rechten Kerl; und man sollte das auch gelten lassen und die Leute nicht Troll schelten – wo man dich doch einen rechten Kerl nennt! Aber das sollt ihr noch von mir sagen, eh ich ins Gras beiße: daß ich wahrhaftig das Herz hatte, ein Schwert zu führen!« Damit stürzt er vor Bardis Füße hin und erwarb sich so einen guten Namen.
Nun geht der Angriff weiter und endet damit, daß die aus dem Süden zurückweichen. Von einem Mann namens Thorljot wird noch erzählt, einem rechten Haudegen, der gehörte nach Wanden (einige sagen, er sei von Hammersbach gewesen). Er schlug sich mit Eirik Weitblick, und ehe sie aufeinander losgingen, sprach Eirik die Strophe:
Schnell zusammen die Schilde
Stoßen unser Los ist.
Im Kampf keine Schonung
Kenn' ich, Schwertklipp'-Färber.
Schwertes Klippe: Schild; dessen Färber (mit Blut): Krieger.
Dich ich ob hoh'r Beherztheit
Hört', Landfessel-Brandes
Reicher,
Landfessel: das das Land umgebende Meer; dessen Brand (Feuer): das Gold; dessen Reicher: der (freigebige) Krieger. preisen prächtig.
Proben laß uns das nun.
Sie hattens lang miteinander und man sagt, es habe kaum je kühnere Männer gegeben, alle beide ausgezeichnet durch Mannheit und Kraft, waffengeübt und furchtlos. Zuletzt haut Eirik dem Thorljot einen Hieb und das Schwert zerbricht. Da greift ers bei der Spitze und haut nach ihm. Es setzt eine tiefe Wunde und Thorljot fällt.
Nun ist eine Zeitlang Ruhe. Dann kommen sechs neue Gegner in Sicht, das war Thorgisl der Hacker und sein Sohn Eyjolf und die Eidssöhne. Sie sehen die üble Lage ihrer Leute und wie es in ihre Schar hineingehauen hat, und sind damit wenig zufrieden. Die Gudbrandssöhne werden gewahr, daß Eyjolf darunter ist; da bitten sie Bardi, er möge ihnen erlauben, ihm ans Leben zu gehn und sich zu rächen. Der Anlaß war, daß er sie drüben in Norwegen einmal von einer Treppe in die Jauchengrube gestoßen hatte und sie hatten den Schimpf davon gehabt; das wollen sie nun rächen. Sie haben von Anfang an Bardis Fahrt nur deshalb mitgemacht: ob sie ihn etwa erwischten. Bardi sagt: »Ihr seid zwei wackere Kerle und seid zu was zu gebrauchen und es wäre ein schwerer Verlust für uns, wenn ihr abginget. Wir wollen schon noch dafür sorgen, daß euer Wunsch in Erfüllung geht; aber ich bitt euch: geht nicht aus der Reihe.« Sie aber können sich nicht halten und laufen dem Eyjolf entgegen ins Moor hinaus und schlagen sich mit ihm. Eyjolf war ein Haudegen wie kein zweiter und hervorragend wie sein Vater, vollkommen an Kraft und in vielen Kämpfen erprobt. Der Kampf ist lang und heftig und endet damit, daß sie von beiden Seiten so hartnäckig und so kampfgierig und so großartig vorgehn, daß sie am Ende alle drei am Boden liegen.
Die Eidssöhne schlagen ebenfalls heftig drein und gehn gut und tapfer drauf, Stein und Steingrim ihnen entgegen. Sie schlagen sich alle vier und machen ihrem Namen Ehre und zuletzt fallen die Eidssöhne, und Bardi stand dicht dabei, als sie ihr Leben ließen.
Thorgisl der Hacker schont sich nicht. Der Tod seines Sohnes scheint ihm ein schwerer Verlust. Er war ein ganz ausgezeichneter Mann und verstand sich aufs Fechten besser als irgend ein anderer. Er haut nach rechts und nach links, Leben und Tod dünken ihm gleich. Thorgisl, Eirik und Thorodd werden meistens als die besten bei diesem Kampfe genannt. Thorgisl schont sich nicht. Es gab niemanden dort im Gau, dessen Beistand allgemein für wertvoller gegolten hätte. Thorgisl, Thorodds Bruder, trat ihm entgegen. Sie hattens lang miteinander und beide lassens nicht an kühnem Draufgehn fehlen. Thorgisl, Thorodds Bruder, versetzt ihm eins von den Brauen die Nase herunter und sagt: »Nun hast du ein schönes Zeichen bekommen, wie es sich für dich schickt; so eins sollten noch mehr von euch haben!« Da sagt Thorgisl der Hacker: »Schön ist das Zeichen nicht; aber ich hoffe, ich bin Manns genug, es getrost zu tragen; und ihr braucht euch noch nicht damit zu brüsten.« Damit versetzt er ihm eins, daß er hinfällt und kampfunfähig ist. Nun gibts eine Weile Ruhe und man verbindet sich die Wunden.
Dann kommen vier neue Gegner in Sicht; das waren Tind und Tanni, Eyjolf und Thormod. Und wie sie anlangen, hetzen die andern sehr. Sie waren auch selber große Kampfhähne. Und so beginnt der Kampf zum drittenmal. Tanni greift Bardi an und es gibt einen Zweikampf von großartiger Kühnheit. Tanni haut einmal ums andre, aber es geht wie vorhin: Bardi ist schwer beizukommen. Und es endet damit, daß Tanni vor Bardi hinstürzt.
Eyjolf geht gegen Odd und sie schlagen sich und sind beide die tüchtigsten Kerle. Nun versetzt Eyjolf dem Odd eins an die Backe und in den Kiefer und es gibt eine tiefe Wunde. Da sagt Eyjolf: »Kann sein, der Witwe scheints nun übler, dich zu küssen!« Odd antwortet: »Das ist schon lange nicht gut gewesen; aber nun mags in der Tat ganz verdorben sein. Doch kanns sein, daß du deinem Schatz nichts davon erzählst!« Damit haut er nach ihm und es setzt eine schwere Wunde, und es geht wieder wie vorhin: Bardi stand ganz in der Nähe und gibt ihm den Rest.
Thormod, Thorgauts Sohn, ging auch wacker drauf. Sein Gegner war Eyjolf von Borg. Der wurde schwer verwundet. Und wenn diese auch von denen aus dem Norden am meisten genannt werden, so gingen doch alle gut und tapfer drauf; denn es war eine auserlesene Schar. Und als die gefallen waren, die jetzt genannt sind, da ruhte der Kampf.
Nun sagte Thorberg, sie sollten sich davon machen. Da waren acht von denen aus dem Süden gefallen und drei aus dem Norden. Nach der vorausgehenden Erzählung sind es 10 (mit Gisli 11) Tote aus dem Süden. Bardi fragt den Thorodd, ob er imstande sei mitzukommen. Der sagt, das sei ausgeschlossen und bittet sie, abzureiten. Bardi besieht sich die Wunde. Da sehen sie die neue Schar von Süden heranreiten, und es ist als sähen sie einen Wald. Da fragt Bardi, ob sie noch standhalten wollen, aber sie wollen lieber reiten. Und so geschiehts. Sie reiten nun ab, ihrer sechzehn, und die meisten verwundet.
Nun ist von Illugi zu erzählen: Er kommt auf den Kampfplatz und sieht da die große Neuigkeit. Und als er fragt, wie viele es gewesen seien, sagt Tind die Strophen:
Da hatt' mit der Degen
Dritthalb zehn Kampfg'witters
Esch'
Kampfgewitters Esche: der Krieger (Tind). wider Seemond-Eschen
Seemond: Feuer des Meeres (Gold); dessen Eschen (Bäume): Krieger.
Achtzehn eine Schlacht dort.
Neu im Schwertsturm
Im Kampf. nieder
Neun – (weiß) – Bogen-Eises
Bieter
Bogen-Eis: Pfeil; dessen Bieter: die Krieger. fiel'n. Gefällt da
Fjord-Glut-Spender
Fjordglut = Meerfeuer: Gold; dessen Spender: die Krieger. ruhten.
Erbbäum' Eids
Eids Söhne. im Kampfe
Allzuschnell gefall'n sind.
Gar bald zwei im Gerlärm,
Im Kampf.
Gudbrandssöhn', fiel'n dann hier.
Auf unsrer Seite.
Das Schwertthing verschmerzen
D. h. Buße für die Verluste erhalten.
Schwerlich einmal werden
Wir noch ohne Ahndung.
Edler
Zuverlässiger. Mann der Fehd' denkt.
Nun kommt einer von den Südleuten an die Stelle, wo Thorodd lag. Er sieht, daß er noch am Leben ist und schlägt ihm gleich den Kopf ab. Und wie Illugi das sah, sagte er: da habe er etwas Übles angerichtet: »den Mann zu erschlagen, der uns in unserm Prozeß der einzige und beste Augenzeuge dafür war, daß sie weggelaufen sind«; dem hätten sie doch das Leben schenken können. Dafür solle er immer Undank haben!
Nun reitet Illugi mit 100 Mann hinter jenen her. Da überfällt sie eine dichte Finsternis und sie müssen umkehren. Illugi läßt die Leichen der auf ihrer Seite gefallenen ins Tal schaffen, und viele aus ihrer Schar waren außerdem noch verwundet, besonders schwer die Gislunge Arni und Frodi, Thormod und Thorarin. – Dann bestimmt Illugi Leute, die die Leichen der andern bewachen sollen, ob sie sie vielleicht ins Netz bekommen, wenn sie zurückkehren, ihre Toten zu holen. Sechzig Mann blieben dafür zurück. Sie schlugen ein Zelt auf und lagen da einige Zeit im Hinterhalt.
Bardi kommt zu Njal und reitet von dort nach Bachgemünd; und sie reiten noch in demselben Anzug. Er trifft nun seinen Pflegevater Thorarin und erzählt ihm heimlich, was vorgefallen ist; und sie wollten jetzt die Leichen holen. Da sagt Thorarin, sie sollten jenen doch nicht ins Netz laufen; Stürme und Unwetter würden die andern bald heimtreiben; und sie würdens ja mit dem Gesetz zu tun bekommen, wenn sie sich nicht um die Toten kümmerten. Die aus dem Süden müssen auch die Leichen der Gegner zudecken. Deswegen also braucht Bardi nicht hinzuziehn. Und es geht wie Thorarin vermutet hat: jenen wirds auf den Bergen draußen leid und sie kehren heim.
Nun zieht Bardi weiter nach Asbjörnskap, und wie sie den Gau hinunterreiten, meinen die Leute, da kämen Frauen geritten. Es ist nun vier Wochen vor Wintersanfang. Ihre Taten wurden nicht weiter bekannt, und sie selber befriedigen die Neugier der Leute nicht.
Nun reitet Bardi zu jener Vergleichszusammenkunft, die mit den beiden Großbauern auf Kliff angesetzt war, ehe er auszog. Vergl. S. 308. Sein Weib Gudrun reitet mit ihm. Sie soll dabei ihren Vater Björn besuchen und sehen, was der dem Bardi beisteuern will. Für die durch den Totschlag notwendig gewordene Vergrößerung seines Hauswesens. Sie kommt mit ihm zusammen und bringt ihre Sache vor, aber er nimmts nicht gut auf.
Bardi und seine Gefährten reiten noch immer in derselben Ausrüstung und niemand wußte, was ihr Zug zu bedeuten habe. Höskuld und die andern warteten lange und meinten schon, es sei nicht mehr wahrscheinlich, daß Bardi noch komme. Es war eine große Schar, und sie wollten schon wegreiten; da bittet Höskuld den Thord, nach ihnen auszuschauen. Thord sagt, es sähe wunderlich aus: Frauen kämen dahergeritten. Höskuld sagt, das werde wohl nicht so sein. Er geht selbst hinauf und sieht Männer heranreiten. Als Bardi mit seinen Leuten ankam, blieb Thord zurück, Höskuld und Eilif aber gehn ihm entgegen und begrüßen ihn. Nun beginnt das Gespräch. Bardi sagt: »Du magst diesen Handel allein entscheiden, Höskuld.« Der antwortet: »Ich will den Schiedsspruch tun; aber ich werde dir keine Geldbuße auflegen, sondern meinen Dingmann selber zufriedenstellen. Und weil du dich so gut benommen hast, Bardi, will ich dir zwei Lasten Walfleisch beisteuern – oder wie hast du's jetzt mit deinem Hauswesen vor?« Bardi antwortet: »Wir haben vor, auf Asbjörnskap Besatzung zu halten, mit unsern Leuten und denen, die sich uns anschließen,« und er dankt ihm für seine Beisteuer.
Höskuld reitet heim, Bardi aber reitet mit seinen Leuten weiter und macht nun seine Tat öffentlich bekannt. Da sitzen Thord von Breitenfurt und Thorvald auf und reiten ihnen nach und begrüßen sie. Thord sagt: »An meinem Beistand schien dir nichts zu liegen, Bardi, daß du mich nicht aufgefordert hast mitzukommen.« Bardi sagt: »Dazu glaubte ich mich durchaus nicht verpflichtet. Aber du kannst uns immer noch von großem Nutzen sein.« – »Einen Ochsen will ich dir schenken, und ein altes Schaf.« – Thorvald schenkt ihm zwölf Hammel und sie scheiden als gute Freunde.
Nun kommt Bardi endlich ins Weidental zu Björn. Der begrüßt ihn, fordert ihn aber nicht auf, dazubleiben. Darauf redet Bardi mit seiner Frau Gudrun und die sagt, sie habe es auf alle Weise versucht, aber Björn wolle ihm nichts Gutes zukommen lassen, auch nicht um ihretwillen. »Björn«, sagt da Bardi: »was willst du mir in meine Fleischkammer beisteuern, wenn ich jetzt mein Heimwesen etwas vergrößere?« Björn antwortet: »Nichts will ich beisteuern. Ich bin zu nichts verpflichtet.« Da legen sich andre für Bardi ins Mittel, aber es ist nichts Gutes aus ihm herauszuholen. Da sagt Bardi: »Dann soll keiner von uns beiden es gut haben und die werdens büßen, die keine Schuld trifft. Nämlich Bardis Frau Gudrun. Und ich will dir etwas antun, was dir ewig Schande bringen soll!« Damit nennt er seine Zeugen und erklärt sich von seiner Tochter Gudrun geschieden: »und als Grund gebe ich an, daß du ein viel zu arger Schuft bist, als daß ein Ehrenmann dich zum Schwiegervater haben könnte. Und du sollst nichts von mir herausbekommen, weder Wittum noch Mitgift.«
Nun hören sie lauten Lärm von vielen Männern, die zum Fluß hinunter reiten. Da war Thorgils, Aris Sohn, von seiner Hochzeitsfahrt aus dem Nordland zurückgekommen und der Gode Snorri war bei ihm. Im Ganzen waren es achtzig Mann. Da sagte Bardi: »tun wir unsern Schmuck herunter und mischen uns in den Haufen, aber immer nur einer zur Zeit. Dann werden sie nichts merken, weils schon so dunkel ist.« Bardi reitet an den Goden Snorri heran und hat eine Maske vorm Gesicht und redet mit ihm, während sie durch die Furt reiten und erzählt ihm, was geschehen ist. Wie sie vom Fluß weiter reiten, sagt Snorri: »Thorgils,« sagt er, »hier wollen wir absitzen und uns ausruhen und miteinander plaudern, ehe wir Herberge suchen.« Bardi und seine Leute reiten mit dem Haufen, und niemand hat ein Arg dabei. Thorgils will noch den Abend nach Breitenfarmstedt. Und wie sie sich niedergelassen haben, sagt Snorri: »Ich habe sagen hören, Thorgils, daß sich niemand so gut auf den Vortrag des Friedensspruches und andrer Rechtssprüche versteht wie du.« – »Es ist nicht der Rede wert,« sagt Thorgils. – »Nicht doch,« sagt Snorri: »es muß etwas daran sein; es gibt nur eine Stimme darüber.« Thorgils sagt: »Es ist nicht an dem, daß ich den Friedensspruch besser könnte als andre. Aber nach dem Gesetz kann ich ihn.« Snorri sagt: »Ich möchte wohl, du ließest ihn mich einmal hören.« Thorgils fragt: »Wieso ist das nötig? Sind hier Leute in Unfrieden?« Snorri antwortet, er wisse nichts davon: »aber so etwas ist nie unangebracht. Sei so gut und stille meine Neugier.« Thorgils sagt: »So seis drum,« und so begann er den Spruch:
»Dies ist der Anfang unseres Friedensspruches: daß Gott mit uns allen versöhnt sei. Und wir sollen auch sein untereinander
versöhnt und gesellt
bei Met und Mahl,
beim Richten und beim Raten,
beim Kirchenbesuch
und im Königshause
und überall, wo Männer zusammenkommen. Da sollen wir so ausgesöhnt sein, als wäre niemals Feindschaft zwischen uns gewesen. Wir sollen miteinander teilen Messer und Mahl und alle Dinge, wie Freunde und nicht wie Feinde.
Wenn je wieder Streit unter uns entsteht, den sollen wir
mit Geld büßen,
doch nicht den Geer röten.
Doch wer von uns
zertritt den Vertragsbeschluß,
oder bricht gebundenen Eid,
der sei soweit
wolfsfrei und flüchtig,
soweit nur Menschen
Wölfe jagen,
Christenmänner
Kirchen besuchen,
Heiden opfern
im Heiligtum,
Feuer flammen,
Flur grünt,
Kind Mutter ruft,
Schiff schreitet,
Schilde blinken,
Sonnenschein Schnee schmelzt,
Finne fährt,
Föhre wächst,
Falke fliegt
Frühlingslangen Tag,
Steht ihm frische Bö
Untern Flügeln beiden,
Himmel sich wölbt,
Heimat bebaut ist,
Wind wächst,
Wasser zur See treibt
Und Knechte Korn säen.
Meiden soll er
Kirchen und Christenmänner,
Gotteshaus und Gastung,
Der Heime jedes
Außer der Hölle.
Ein jeder von uns nimmt vom andern den Treuschwur entgegen für sich und seinen Erben, atmend und ungeboren, gezeugt und ungezeugt, genannt und ungenannt, und jeder leistet dagegen Treuschwur und ewigen Treuschwur, gültigen Treuschwur und großen Treuschwur, die ewig gelten sollen, solange Marken und Menschen leben.
Nun sind wir einig und ausgesöhnt, wo wir uns treffen,
in Haff oder Heide,
auf Schiff oder Schneeschuh,
auf See oder Sattel,
Riemen zu teilen
Und Ruderbank,
Schöpfkelle und Schiffsplanke,
wo es dessen bedarf.
So ausgesöhnt einer dem andern
wie Sohn und Vater
oder Vater und Sohn
in allem Umgang.
So nehmen wir denn den Handschlag zum Treue-Schwur
nach dem Willen des Christ
Und dem Wissen aller, die den Treuschwur hörten.
Habe der Gottes Huld,
der da hält den Treueid,
doch der Gottes Grimm,
der zerreißt rechten Treueid,
doch seine Huld, der ihn hält.
Zum Heil seien wir versöhnt und Gott sei ausgesöhnt mit uns allen!« Denselben Friedensspruch bringt in ähnlichem Zusammenhang auch die Geschichte vom starken Grettir (Thule 5 Kap. 72).
Und als Thorgils den Friedensspruch beendet hatte, da sagte Snorri: »Hab Dank, lieber Freund! Sehr gut hast du gesprochen. Und das ist klar: wer von solchem Schwur zurücktritt, ist sicherlich ein Friedensbrecher, auch wenn einer nur hier dabei war.« Und nun erzählt Snorri ihm, was geschehen ist, und daß Bardi und seine Leute in Thorgils Schar seien. Darunter waren viele Freunde und nahe Verwandte der Südleute. Thorgils selber hatte vorher Grima, die Tochter Hallkels, die Schwester des schwarzen Illugi, zur Frau gehabt. Nun sagte Thorgils: »Wir hätten deiner diesmal gut entraten können, Snorri.« Der aber antwortet: »Nicht doch, guter Freund. Die Schwierigkeiten unter den Leuten sind schon groß genug geworden, auch wenn sie hier zum Stehen kommen.«
Thorgils will nun den Frieden nicht brechen, den er selber vorgetragen hat, und damit gehn sie auseinander. Snorri reitet mit zwanzig Mann weiter und Bardi und seine Leute mit ihm, nach Bachgemünd. Thorarin nimmt sie gut auf, und nun sind sie fröhlich und besprechen ihre Lage. Hier fehlt in der Handschrift ein Blatt, d. h. etwa 3½ Seiten unsrer Übersetzung, auf denen erzählt gewesen zu sein scheint, wie Bardi und seine Genossen auf Asbjörnskap von den Borgfjordleuten vergeblich angegriffen wurden. Das nächste Stück versetzt uns mitten in die Vergleichsverhandlung, die den Hochlandskampf abschließt. Die Stimmung ist sehr erregt und von Seiten der Borgfjordleute scheinen aufhetzende Reden gehalten worden zu sein.
Da steht ein alter Mann auf, das war Eid Skeggis Sohn, und sagte: »Wir wissen denen wenig Dank, die sich hier nur zanken, ganz gleich ob es unsre Leute sind oder die andern. Das führt nie zum Guten, aber oft kommt Böses davon. Lieber sollte man hier reden, was dem Vergleich dienen könnte. Wir glauben, niemand hat schwereren Verlust zu beklagen und niemandem ist herberes Leid angetan worden als mir. Und trotzdem erscheint es uns rätlich, uns zu vergleichen. Deshalb werden wirs keinem verzeihen, der hier zankt. Es ist auch sicher zu erwarten, daß es wie gewöhnlich übel ausgeht, wenn einer den andern mit kränkenden Worten bewirft.« Er erhielt lauten Beifall auf seine Rede.
Nun sucht man nach Leuten, von denen am ehesten zu erwarten ist, daß sie den Vergleich zustande bringen. Von Snorri wird gesagt, er habe den Vergleich am eifrigsten betrieben. Er war damals schon recht bejahrt. Als zweiter wird Thorgils genannt, Snorris Freund. Die beiden hatten zwei Schwestern zu Frauen. Sie sagten beide, die Sache müsse zu Schiedsspruch und Verrechnung kommen. Aber beide Parteien hatten schwere Verluste unter ihren Verwandten.
Wir wissen nun nichts weiter zu erzählen, als daß die Gefallenen gegeneinander verrechnet wurden. Von Bardis Seite wurden Snorri und Gudmund Eyjolfs Sohn für den Schiedsspruch gewählt, von Seiten der Südleute Thorgils, Aris Sohn, und Illugi. Diese vier besprachen nun untereinander, wie man am besten zu einem Vergleich kommen könnte. Und man beschloß, die Gefallenen so gegeneinander zu verrechnen: die Söhne Eids wurden den Söhnen Gudbrands gleichgesetzt, und Thorodd, Hermunds Sohn, dem Thorbjörn. Die Forderung für Hall schien den Borgfjordern zu hoch werden zu sollen, denn sie wußten, was Bardi im Sinne hatte. Da traten sie zurück und wollten den Vertrag vereiteln. Aber das Ende war dann doch, daß die Thorgautssöhne Ketil und Gisli dem Gudmundssohne Hall gleichgesetzt wurden.
Im Ganzen waren es neun aus dem Süden, von denen waren nun fünf durch vier aus dem Norden aufgewogen. Denn der Unterschied in den Geschlechtern war groß und die Verwandten Bardis ließen sich auf nichts anderes ein. Aber nun war mit beiden Teilen beredet, was am aussichtsreichsten war.
Nun waren noch vier aus dem Süden ungebüßt: Thorgils und sein Sohn Eyjolf, Tanni Starkhand und sein Schwestersohn Eyjulf. Bei dieser Verrechnung sind Thorgaut und Thorljot von Wanden vergessen. Aber Bardi sagte, er sei nicht reich, noch auch seine Brüder und Verwandten, »und erbetteln mögen wir uns das Geld für die Buße nicht.« Da antwortet Snorri: »Es geht aber doch nicht an, daß weder Geldbuße noch Acht drauf folgt!« Bardi antwortet: er habe nichts dagegen, daß sie Landes verwiesen würden, nur die Rückkehr müsse ihnen freistehn. Und es sollten so viele außer Landes gehn, als Bußansprüche unerfüllt blieben. »Aber einer ist dabei, der kann nicht mehr reisen; für den soll man Geld bezahlen; es mag sein, daß ihr einigen Klaganspruch an ihn zu haben vermeint. Mein Gefährte Gris aber, den trifft keine Schuld.« Gris hatte nicht mitgekämpft, sondern nur während des Kampfes die Pferde bewacht; vergl. S. 329. Sein Vetter Hesthöfdi, der am Skagifjord wohnte, wo es jetzt »Stätten« heißt, der nahm Gris bei sich auf.
Unter diesen Bedingungen kam der Vergleich zustande; und darin waren sie alle besonders einig: daß sie außer Landes müßten. Denen aus dem Süden schien das am ehesten ein gewisser Erfolg, da Bardi ja mit Geldbußen nicht zu fassen war; sie meinten, daß so der Unfriede am ehesten aufhören würde, und für sich selber hielten sie's für eine ausreichende Genugtuung, wenn jene außer Landes wären. Und den verständigen Männern erschien es so am ehesten möglich, daß sich der Übermut der andern, so groß er war, legen würde, wenn sie fürs Erste nicht im gleichen Lande wären. Vierzehn von denen, die an dem Hochlandskampf teilgenommen hatten, sollten das Land verlassen und drei Winter draußen bleiben und im dritten Sommer heimkehren dürfen. Aber Geld für freie Ausfahrt brauchten sie nicht zu bezahlen. Die Landesverweisung war nicht selten mit einer Art Loskaufsumme verbunden, durch die sich der Landesverwiesene die freie Einschiffung, die Freiheit, unangefochten das Land zu verlassen, erkaufen mußte. Diese Summe wurde an die Partei der Verletzten gezahlt.
Der Handel war beglichen, noch ehe die Gerichte antraten, und man fand allgemein, Bardi und die, die seine Sache unterstützten, hätten einen vollen Erfolg davongetragen, so aussichtslos wie es eine Zeitlang für sie gestanden hatte!
Nun sendet Bardi Botschaft nach Haus. Sie hatten für den Fall, daß es so ausgehn würde, ihr Land und ihren Hof schon vergeben, noch ehe es entschieden war. Der es übernahm, hieß Thorodd, mit dem Beinamen Faßwart. Er war nicht beliebt, aber mit den Gudmundssöhnen verwandt und reich. Er sollte den Hof die drei Winter über behalten. Der Vertrag war so gut wie abgeschlossen.
Nun fährt ein Schiff in Milchachmünde ein, das gehörte Bardis Pflegebruder Halldor. Wie nun die Leute vom Ding heimkommen und Halldor erfährt, daß Bardi landesverwiesen ist, da läßt er seine Fracht ausladen und schafft das Schiff in die Brackbucht vor Bardis Hof. Da gibts eine frohe Begrüßung. »Lieber Bruder,« sagt Halldor: »Du hast dich gegen mich gut benommen, hast mir oft gute Dienste geleistet und mirs auch nicht übel genommen, als ich deine Fahrt nicht mitmachte. Nun will ich dir etwas beisteuern. Hör also: dies Schiff hier will ich dir schenken mit Takel und Tau.« Bardi dankt ihm dafür und findets großartig gehandelt. Er macht also das Schiff fahrtbereit und nimmt fünfundzwanzig Mann mit. Sie werden ziemlich spät fertig und stechen nun in See und sind elf Tage unterwegs. Da endet es damit, daß sie am Mastbaumkap Am Inselfjord an der Nordküste Islands. Schiffbruch leiden und großen Schaden haben. Die Leute retten sich.
Gudmund der Alte war gerade nach Galmarstrand hinausgeritten. Er erfährt von dem Vorfall und reitet spornstreichs heim. Und am Abend sagt sein Sohn Eyjulf: »Kann sein, daß das Bardi ist, was man da drüben sieht.« Viele meinten, das sei gar nicht unwahrscheinlich. »Was würdest du tun,« fragt Eyjulf, »wenn er hierher zurückgetrieben wäre?« Gudmund antwortet: »Was würdest du für richtig halten?« Er sagt: »Sie alle hier bei uns aufzunehmen. Das wäre deiner würdig!« Gudmund antwortet: »Du hasts gut vor. Aber ich will nicht sagen, daß das verkehrt wäre.« Da antwortet Eyjulf: »Sei gesegnet für dein Wort! Ich kann dir sagen: Bardi und seine Gefährten sind zurückgetrieben und haben am Mastbaumkap Schiffbruch gelitten und fast alles verloren. Das wird eine Ehre für dich!« und er nimmt ihm die Entscheidung vorweg. Dem Gudmund ists nicht ganz recht, aber er läßt den Sohn gewähren.
Eyjulf macht sich also fertig. Er nimmt fünfundzwanzig Pferde für sie mit und trifft sie am Strande. Er begrüßt sie freundlich und lädt sie ein, mitzukommen; dem Vater sei es recht. Da tun sie's und haben den Winter durch ihren Platz auf der unteren Bank. Gudmund ist freundlich zu ihnen und bewirtet sie großartig. Das wird weithin bekannt. Einar, Eisenbarts Sohn, lädt sie ein, auch ihn öfter zu besuchen, und so sind sie den Winter über guter Dinge.
Nun ist noch von dem zu erzählen, was Thorarin geraten hatte, daß nämlich Bardis Gefährten vornehme Leute sind, die in guten Verhältnissen leben. Vergl. S. 336. Die lassen ihr Geld herüberschaffen und wollen im folgenden Sommer wieder ausfahren.
In diesem Winter geschah es, daß einer den Skalden Eirik fragte, wie es hergegangen sei und wie groß die Verluste gewesen seien. Da sagte er die Strophe:
Gestreckt war'n elf schmucke
Schwertsangbäum'
Schwertsang: Kampf; dessen Bäume: Krieger. zur Erde,
Bewährt', im Tosen der Tartschen,
Schilde.
Tot. Sprang Lind'brett,
Der Lindenschild, Schild überhaupt. rotes.
Das geschah, als sein Schicksal
Sterben ließ da Gisli.
Wir schürten Wund'gertens
Wehr
Wundengerte: Schwert; dessen Wehr: Kampf. Schreckfeuers Härtern.
Schreckfeuer: Schwert; dessen Härter: die Krieger.
Noch ein zweitesmal geschah es, daß man ihn fragte, wieviele auf beiden Seiten gefallen seien. Da sagte er die Strophe:
Bäum' der Nattern-Nied'rung
Das Gold (auf dem der Drache lagert); dessen Bäume: die (freigebigen) Krieger.
Nordher, drei von meinen,
Fiel'n. Wir in Blut färbten
Fehd'brettes EisF
ehdebrett: Schild; dessen Eis: das (kalte) Schwert. stetig.
Neun Fjölnirsang-Feuers
Föhr'n
Der Sang Fjölnirs (d. h. Odins): der Kampf; dessen Feuer: das Schwert; dessen Föhren (Bäume): die feindlichen Krieger. breit lagen heide-
Südwärts. Heersturm,
Kampf. harter,
Hub an zwischen Mannen.
Da wurde davon gesprochen, wie schlimm es in die Schar der andern hineingehauen habe, der Südleute. Da sprach er die Strophe:
Styr und Snorri scharfes
Schwertthing
Kampf. ließen werden,
Da die Gerbäum'
Krieger. Los, grimmes,
Gislis Sipp' zuwiesen.
In ihr Geschlecht schwerste
Schart' gehau'n hatt' Bardi.
Fiel'n aus Süden Fehdens
Förd'rer
Kämpfer. all' da zahlreich.
Bardis Gefährten bekamen ihr Geld und machten sich mit reicher Habe zur Ausreise fertig. Bardi und seine Brüder senden dem Thorodd Botschaft: sie wollten ihr Land von ihm wieder haben und es verkaufen; sie hätten jetzt bar Geld nötig. Thorodd aber will das Land nicht herausgeben, sondern besteht darauf, daß es bei dem bleibt, was ausgemacht ist. Sie müssen also entweder aufs Geld verzichten oder ihn totschlagen. Da erbietet sich Eyjulf, ihnen soviel Geld zu geben, wie das Land wert ist; er werde sichs schon von ihm wieder holen, sagt er; noch in diesem Sommer werde er ihn totschlagen oder von Haus und Hof wegjagen und sich selbst das Land aneignen.
Bardi kauft sich ein Schiff, das in der Hausbucht auf dem Land lag. Dann fahren sie aus und Eyjulf bringt sie mit allen Ehren auf den Weg. Sie haben guten Wind und landen bei der Stadt Drontheim. Dort läßt Bardi sein Schiff aufs Land ziehen und gut dafür sorgen.
Damals herrschte König Olaf der Heilige über Norwegen 1016-1029. und hielt sich gerade in Drontheim auf. Bardi tritt mit seinen Genossen vor den König, und sie begrüßen ihn wie es sich geziemt; »und es steht mit uns so, Herr,« sagt Bardi, »daß wir gern deine Wintergäste sein möchten«. Der König antwortet folgendermaßen: »Wir haben von dir gehört, Bardi, daß du aus angesehenem Hause bist und auch selbst ein hervorragender Mann, und daß ihr alle tüchtige Leute seid, und daß ihr in große Taten verwickelt worden seid, habt euern Harm gerächt und doch lang damit gewartet. Aber ihr seid doch noch den alten Bräuchen ergeben und einem Glauben, dem Unser Herz abgeneigt ist. Und darum, weil Wir das alles so gänzlich von uns abgetan haben, darum wollen Wir euch nicht bei uns aufnehmen. – Gleichwohl wollen Wir eure Freunde sein, Bardi,« sagt er; »es wird wohl noch Großes vor euch liegen. Und wenn jemand in so etwas verwickelt wird und die Sache bekommt ein solches Gewicht – wenn dann noch etwas vom alten Glauben hineinspielt, so kann es leicht geschehen, daß die Leute allzusehr daran festhalten.« – Da sagte Bardi: »Ich weiß niemand, den ich lieber zum Freunde haben möchte als euch. Und wir danken dir für deine Worte.«
Bardi wohnte den Winter über dort in der Stadt, und sie waren alle geachtete Leute. Gegen den Frühling aber rüstete er sein Schiff zur Fahrt nach Dänemark und verbringt dort den zweiten Winter in gutem Ansehn. Weiter wird von dort nichts erzählt.
Nach diesem Winter rüstet er sein Schiff zur Fahrt nach Island, und sie kamen im Norden ans Land und waren da fast völlig mittellos. Gudmund der Alte war inzwischen gestorben. Eyjulf ritt ihnen entgegen und nahm sie bei sich auf. Und von dort zog jeder wieder nach seinem Hof, denn jetzt waren sie alle frei. Eyjulf tritt den Brüdern ihr Vatererbe wieder ab und zeigt sich da ebenso großartig wie vorher. Keiner hat ihnen so kräftig geholfen wie Eyjulf.
Bardi zieht nun zu seinem Schwager Gudbrand. Er war reich und aus großem Haus, galt aber für etwas knauserig. Und Bardis Brüder zogen nach dem südlichen Borg zu ihrem Schwager Eyjulf. Ihre Pflegemutter war inzwischen gestorben.
Nun kaufte Eyjulf von Borg für die beiden Brüder das ganze Land zurück Von Eyjulf Gudmundssohn. Dessen Großartigkeit besteht darin, daß er, der große Herr, der kein Bargeld nötig hat, sich überhaupt auf den Rückkauf einläßt. und löst Bardis Anteil mit Bargeld ab. Da schlugen die beiden ihr Hauswesen auf dem Erbe ihrer Väter auf und starben dort den Alterstod, beide tüchtige Leute, aber nicht so bedeutend wie ihr Geschlecht; beide vermählt, und ihre Nachkommen leben noch.
Nachdem Bardi einen Winter im Lande gewesen war, ritt er zum Ding. Dort freite er um Aud, die Tochter des Goden Snorri, und sie ward ihm verlobt und die Hochzeit sollte im Herbst in Seligental bei ihrem Vater Snorri stattfinden. Es wird nicht ausgemacht, wie groß die Mitgift werden soll, aber es bleibt kein Zweifel, daß sie recht beträchtlich wird. Sie war eine kraftvolle Frau und Snorri liebte sie sehr. Ihre Mutter war Thurid, die Tochter des roten Illugi.
Bardi reitet noch während der Dingzeit wieder zu seinen Schwägern nach Seetal. Er ist mit seiner Fahrt sehr zufrieden und wird von den Leuten mit Achtung behandelt. Und es ging, wie kluge Männer es vorausgesehen hatten: der Vergleich wurde gehalten wie er festgesetzt war, und es wird nichts von neuen Händeln erzählt.
Snorri rüstet im Herbst die Hochzeit, wie es ausgemacht war, und man kam dazu in hellen Scharen. Sie verlief prächtig, wie zu erwarten war. Bardi bleibt den Winter über mit Aud in Seligental, gegens Frühjahr aber ziehn sie mit all ihrer Habe fort und Bardi und Snorri schieden als gute Freunde. Bardi zog wieder zu seinem Schwager Gudbrand nach Seetal. Im Frühling macht er sich fertig, kauft sich ein Schiff und fährt mit seiner Frau außer Landes. Man sagt, sie hätten eine gute Fahrt gehabt. Er landet in Halogaland Helgeland im nördlichen Norwegen. und wohnt dort den Winter über in Thiotta Insel Tjöttö vor der Mündung des Vessenfjordes. bei Svein, Hareks Sohn, und stand in gutem Ansehn. An ihm, meinten die Leute, könne man großartiges Wesen sehen; und Svein schätzte sie beide sehr hoch.
Eines Morgens geschah es, als sie beide in ihrer Schlafkammer waren, da wollte Bardi noch schlafen, sie aber will ihn wecken und nimmt ein Kissen und wirfts ihm wie im Scherz ins Gesicht. Er wirfts weg, und so gehts ein paarmal. Und einmal wirft er nach ihr und läßt die Hand mitgehn. Da wird sie böse und nimmt einen Stein und wirft ihn damit. – Und am Tag, nach dem Trinken, steht Bardi auf und nennt seine Zeugen und erklärt sich von Aud geschieden: er wolle sich von ihr so wenig gefallen lassen wie von andern. Es nützt nichts dagegen zu reden, so fest steht sein Entschluß. Ihr Vermögen wird also unter ihnen geteilt, und er zieht im Frühling weiter und macht nicht Halt, ehe er nach Gardareich Rußland. kommt. Dort nahm er Sold und ging unter die Wäringer und alle Nordleute schätzten ihn sehr hoch und hielten treue Freundschaft mit ihm. Wo es gilt, das Königreich zu schützen, ist er stets dabei und macht sich durch seinen Mut einen guten Namen und hat eine große Schar von Männern um sich. Drei Winter lebt Bardi dort, hochgeehrt vom König und allen Wäringern.
Und einmal, als sie wieder mit einem Heer auf ihren Galeiden Name der byzantinischen und damit für den Erzähler überhaupt der fremdländischen Kriegsschiffe. unterwegs waren und das Königreich verteidigten, da kam ein Heer gegen sie. Sie schlagen eine große Schlacht und viele aus der Schar des Königs fallen, weil die Gegner übermächtig waren; und vorher taten sie manche große Tat. Dort fiel auch Bardi mit gutem Nachruhm und hatte sein Schwert wacker geführt bis an seinen Tod.
Aud wurde einem andern mächtigen Manne vermählt, einem Sohne von Thorir Hund, der hieß Sigurd; und von denen stammen die Birkeninselleute, jene hochberühmten Männer.
Und damit ist diese Geschichte zu Ende.