Joachim Nettelbeck
Des Seefahrers Nettelbeck Lebensgeschichte
Joachim Nettelbeck

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Inzwischen war auch Kriegsrat Wisseling mit sehr ausgedehnten Vollmachten vom König wieder zurückgekehrt. Sein Eifer brachte sofort ein neues, wunderbares Leben. Ganze Herden Schlachtvieh, lange Reihen von Getreidewagen zogen zu unsern Toren ein. Heu und Stroh füllte in reichem Überflusse die Futtermagazine. Für diese erzwungenen Lieferungen erhielt der Landmann nach dem Taxwert Lieferungsscheine, die künftig eingelöst werden sollten und mit denen er zufrieden war. In der Stadt wurde geschlachtet und eingesalzen und die Böden der Bürgerhäuser mit Kornvorräten gefüllt. So konnte Kolberg allgemach für notdürftig verproviantiert gelten.

Neuen Trost gab das Eintreffen des Hauptmanns von Waldenfels. Ein junger, tätiger Mann, der vom König geschickt worden war, um als Vizekommandant Loucadou zur Seite zu stehen. Wenn er auch mit dem alten grämlichen Mann manchen Kampf zu bestehen hatte, so mußte er doch auch eben so oft sich seinen Launen fügen. Wir hatten also an ihm noch immer nicht den Mann, den wir brauchten.

Auch Schill, der seit dem Januar vom König zur Organisierung eines Freikorps autorisiert worden war und von allen Seiten gewaltigen Zulauf fand, war ein von Loucadou sehr ungern gesehener Gast, dem er, wo er nur konnte, Hindernisse in den Weg legte. Nun ließ sich der wackre Schill bei all seiner natürlichen Bescheidenheit nicht so leicht unterjochen. Zudem stand sein Ruhm einmal fest; und selbst als ihm sein Überfall auf Stargard mißlang, konnte er sich mit unverletzter Ehre gegen Kolberg zurückziehen.

Bis zum 13. März hatte der Feind seine Umzingelung vollendet. Dennoch war die Einschließung nicht so dicht, daß nicht immer noch Nachrichten durch flüchtende Landsleute zu uns gedrungen wären, die stärkere Zusammenziehung der französischen Truppen ankündigten. Überhaupt blieb uns auf dem Wege längs dem Strand fast die ganze Zeit der Belagerung hindurch noch manche Verbindung mit der Nachbarschaft erhalten, und auch zu Wasser ließ sich jeder beliebige Punkt der Küste heimlich erreichen.

Unsere Belagerer hatten nun auch die Anhöhen der Altstadt besetzt und waren uns dadurch in bedenkliche Nähe gerückt. Es wurde daher hohe Zeit, die Wiesen unter Wasser zu setzen, sodaß an kein Durchkommen zu denken war. Um einen haltbaren Damm zu bekommen, hatte ich mehrere hundert leere Glaskisten mit Erde füllen und neben- und aufeinander versenken lassen. Andere Dämme waren ausgebessert und die Schleusen und Wasserläufe in Ordnung gebracht worden.

Bis zum 19. März waren die Belagerer vornehmlich damit beschäftigt, ihre Lager einzurichten, sich in der Altstadt festzusetzen und eine Verbindungsbrücke über die Persante zu schlagen. Danach rückten sie vor. Das Dorf Sellnow ging verloren, und damit war der Feind Herr des Gradierwerks und der Saline. Die Schanze auf dem Strickerberge, die heftig angegriffen wurde, verteidigten die Grenadiere mit Entschlossenheit bis gegen Abend. Dann mußten sie durch eine Abteilung Freiwillige des Schillschen Korps abgelöst werden. Diese behaupteten sich noch achtundvierzig Stunden.

Scharmützel und Plänkeleien zwischen den Vorposten, kleine Ausfälle und Überrumpelungen waren mit wechselndem Glück an der Tagesordnung und kosteten uns immer einige brave Leute. Ihr Verlust wäre uns noch fühlbarer geworden, wenn wir unsre Reihen nicht hätten ergänzen können. Aber, nun die See wieder fahrbar geworden war, strömten uns von Zeit zu Zeit auf einem dänischen Schiffe und auch auf mehreren Rügenwalder Booten kampflustige ehemalige Kriegsgefangene zu Hunderten zu. Doch auch der Feind verstärkte seine Reihen von Tag zu Tag. Sein Wurfgeschütz richtete hier und da Verheerungen an; besonders machten uns seine so nahe gelegenen Batterien auf der Altstadt viel zu schaffen.


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