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Neuntes Kapitel

Das Winterlager

Da wir auch am folgenden Tage (28. August) am Weiterkommen nach Süden verhindert waren und der Herbst jetzt herannahte, beschloß ich endlich, den Winter über hier zu bleiben. Ich glaubte, wir hätten noch mehr als 223 Kilometer zu gehen, um Eira-Hafen oder das Winterquartier Leigh Smith's Ich glaubte jetzt mit Sicherheit annehmen zu können, daß wir uns an der Westküste von Franz-Joseph-Land befänden und in diesem Augenblicke ein wenig nördlich von dem nordwestlichsten Punkte Leigh Smith's, Kap Losley, seien, das etwas südlich von 81° nördlicher Breite liegen sollte, während unsere Beobachtung an diesem Tage uns auf ungefähr 81° 14' nördlicher Breite versetzte. zu erreichen. Es könnte uns wol lange Zeit kosten, um dorthin zu gelangen, und dann würden wir noch nicht sicher sein, eine Hütte zu finden. Und wenn wir hinkämen, würde es mehr als zweifelhaft sein, ob vor Eintritt des Winters noch Zeit genug wäre, ein Haus zu bauen sowie Vorräthe für den Winter zu sammeln. Es war daher unzweifelhaft das Sicherste, sofort mit den Vorbereitungen für das Ueberwintern zu beginnen, solange noch reichlich Wild zu bekommen war; auch war hier eine gute Stelle zum Ueberwintern. Das, was ich jetzt gern zuerst gethan hätte, war, die Walrosse zu schießen, die während der ersten Tage auf dem Eise gelegen hatten, doch waren sie jetzt natürlich verschwunden. Das Meer draußen wimmelte aber von ihnen; sie bellten und schnaubten Nacht und Tag. Um für eine Begegnung mit ihnen bereit zu sein, entleerten wir unsere Kajaks, damit wir bei dieser einigermaßen gefährlichen Jagd damit leichter manövriren könnten.

Während wir so beschäftigt waren, bekam Johansen zwei Bären in Sicht, eine Bärin und ihr Junges, die von Süden her am Rande des Eises entlang kamen. Unverzüglich ergriffen wir unsere Büchsen und gingen ihnen entgegen. Als sie die Küste erreichten, waren sie in Schußweite, und Johansen jagte der Mutter eine Kugel durch die Brust. Sie brüllte, biß in die Wunde, taumelte ein Paar Schritte weiter und stürzte hin; das Junge wußte nicht, was der Mutter fehlte, war um sie herum und beschnüffelte sie. Als wir uns näherten, lief es eine kleine Strecke den Abhang hinauf, kam aber bald wieder zurück und beugte sich über die Mutter, als ob es sie gegen uns verteidigen wollte. Ein Schrotschuß machte seinem Leben ein Ende. Das war ein guter Anfang für unsern Wintervorrath. Als ich nach der Hütte zurückkehrte, um die Seehundsmesser zu holen, hörte ich Geschrei in der Luft über mir. Da waren wirklich zwei Gänse, die nach Süden flogen! Mit welcher Sehnsucht blickte ich ihnen nach, als sie verschwanden, und wünschte, ihnen folgen zu können in das Land, nach dem sie jetzt ihren Flug richteten!

Nächst dem Sammeln von Nahrungsmitteln und Brennmaterial war nun das Wichtigste, eine Hütte zu bauen. Die Wände derselben auszurichten, war nicht schwer; es war eine Menge Steine und Moos vorhanden. Größere Schwierigkeit bot das Dach, und wir hatten bisjetzt noch keine Ahnung, woraus wir es herstellen sollten. Glücklicherweise fand ich einen angetriebenen gesunden Fichtenstamm, der nicht weit von unserer Höhle an den Strand geworfen war; er mußte ein vorzügliches Firststück für das Dach unsers zukünftigen Hauses geben. Und wenn dort einer war, so konnten sich auch mehrere finden. Eine unserer ersten Arbeiten war daher, einen Ausflug an der Küste entlang zu machen und zu suchen; alles, was wir fanden, waren aber nur ein kurzes Stück verfaultes Holz, das zu nichts zu gebrauchen war, und einige Späne von einem andern Stücke. Ich kam daher auf den Gedanken, anstatt dessen Walroßhäute zum Dache zu verwenden.

Am nächsten Tage (29. August) bereiteten wir uns vor, unser Glück auf der Walroßjagd zu versuchen. Wir verspürten keine große Lust, die Thiere im Einzelkajak anzugreifen; davon hatten wir, wie ich meinte, genug, und die Aussicht, umgeworfen zu werden oder die Hauer durch den Boden des Kajaks oder in unsere Lenden dringen zu sehen, war nicht sehr verlockend. Die Kajaks wurden daher zusammengebunden. In dem Loche sitzend, stießen wir ab, auf einen großen Bullen zu, der eben draußen lag und tauchte.

Wir waren gut mit Büchsen und Harpunen ausgerüstet und meinten, die Sache sei ganz einfach. Wir gelangten unschwer in Schußweite und feuerten unsere Läufe in den Kopf des Thieres ab; es blieb einen Augenblick betäubt liegen, worauf wir nach ihm hinruderten; aber plötzlich begann es, vollständig außer sich, zu schlagen und sich im Wasser herumzuwälzen. Ich schrie, wir müßten zurückrudern, allein es war zu spät; das Walroß kam unter die Kajaks, und wir erhielten bei seinen gewaltsamen Bewegungen von unterhalb mehrere Stöße, ehe es ganz untertauchte. Bald darauf kam es wieder nach oben, und sein Pusten erscholl weithin; das Blut strömte ihm aus Maul und Nase und färbte das Wasser rundherum. Unverzüglich ruderten wir hin und jagten ihm eine neue Salve in den Kopf. Wieder tauchte es unter, während wir uns vorsichtig zurückzogen, um einen Angriff von unten zu vermeiden. Bald erschien es wieder oben, und wir ruderten aufs neue näher heran. Dieses Manöver wiederholte sich, und jedesmal, wenn es an die Oberfläche kam, erhielt es wenigstens eine Kugel in den Kopf. Das Blut floß jetzt in Strömen, und das Thier wurde immer matter. Aber da es uns stets das Gesicht zuwandte, so war es schwierig, ihm eine tödliche Wunde hinter dem Ohr beizubringen.

Während eines dieser Manöver wollte ich mein Gewehr in der Eile in das an Deck liegende Futteral stecken, um näher hinanzurudern, vergaß aber, daß der Hahn gespannt war; auf einmal ging es los. Ich erschrak nicht wenig, da ich glaubte, die Kugel sei durch den Boden des Bootes gedrungen, und befühlte meine Beine. Sie waren jedoch unverletzt, und als ich auch das Wasser nicht einströmen hörte, beruhigte ich mich wieder. Die Kugel war durch das Verdeck gedrungen und durch die Seite gerade über der Wasserlinie wieder hinausgegangen. Wir hatten jetzt aber genug von diesem Sport; das Walroß holte keuchend Athem, und gerade als wir wieder heranpaddelten, wandte es den Kopf ein wenig und erhielt zwei Kugeln hinter das Ohr. Nun lag es still, und wir ruderten hin. um die Harpune zu werfen. Allein ehe wir nahe genug waren, sank es unter und verschwand. Es war ein trauriges Ende der Geschichte; insgesammt hatten wir neun Patronen nutzlos verschwendet und ruderten daher schweigsam und nicht wenig niedergeschlagen wieder ans Land. An diesem Tage versuchten wir keine Walrosse mehr von den Kajaks aus zu jagen; jedoch sahen wir jetzt eins, welches in geringer Entfernung aufs Küsteneis gekommen war. Vielleicht können wir es an Stelle des entkommenen erlegen. Es dauerte nicht lange, dann kam ein zweites neben dem ersten herauf. Nachdem ich eine Sonnenhöhe genommen und ihnen Zeit gelassen hatte, sich zu sammeln, machten wir uns auf. Sie hatten längere Zeit gebellt und einen fürchterlichen Lärm gemacht, jetzt lagen sie arglos und schliefen, während wir uns vorsichtig zu ihnen hinanschlichen, ich voran, Johansen mir dicht auf den Fersen. Ich näherte mich erst dem Kopfe des nächsten Thieres, das mit dem Rücken uns zugekehrt lag. Da es den Kopf ziemlich tief hinabgezogen hatte, war es schwer, nach einer verwundbaren Stelle zu zielen, und ich ging daher hinten herum nach dem Kopfe des andern. Die Thiere lagen noch immer bewegungslos und schliefen in der Sonne. Das zweite war für einen Schuß in besserer Lage, und als ich Johansen bei dem Kopfe des erstem bereit stehen sah, schoß ich hinter den Hals. Das Thier drehte sich ein wenig herum und blieb dann todt liegen. Bei dem Knall sprang das erste Thier auf, erhielt aber in demselben Augenblicke Johansen's Kugel. Halb betäubt drehte es seinen Riesenleib gegen uns herum; im nächsten Moment hatte ich den Kugelschuß abgefeuert, traf aber, wie Johansen, zu weit nach vorn in den Kopf. Das Blut strömte aus den Nasenlöchern und dem Maule, und das Thier schnaubte und pustete, daß die Luft erzitterte. Sich auf die ungeheuern Hauer stützend, lag es jetzt still und gab Blut von sich, vollständig gleichgültig gegen uns. Trotz seines ungeheuern Körpers und seines unförmigen Aussehens, welches an einen Kobold, Riesen, Kraken und andere böse Dinge erinnert, war etwas so sanft Flehendes und Hülfloses in den runden Augen, als das Thier so dalag, daß man das koboldartige Aeußere und die eigene Noth in dem Bedauern für dasselbe vergaß. Es sah beinahe wie Mord aus. Ich machte seinem Leiden durch eine Kugel hinter das Ohr ein Ende, jedoch verfolgen die Augen mich noch jetzt; es schien das Flehen um das Leben und um die Existenz der ganzen hülflosen Walroßrasse darin zu liegen. Allein sie ist verloren, sie hat den Menschen zum Verfolger. Es kann jedoch nicht geleugnet werden, daß wir uns bei dem Gedanken an all das Fleisch und den Speck, die wir bei einer einzigen Begegnung erlangt hatten, freuten; es glich die Patronen aus, die wir bei dem andern gesunkenen Thiere verschwendet hatten.

Wir hatten die Walrosse jedoch noch nicht an Land, und es war eine langwierige Arbeit, sie abzuhäuten, zu zerlegen und heimzubringen. Das erste, was wir thaten, war, Schlitten und Messer zu holen. Da auch die Möglichkeit vorhanden war, daß das Eis losbrechen und ins Treiben gerathen würde, so hielt ich es für klug, auf den Schlitten zugleich auch die Kajaks mitzunehmen, zumal es vom Fjord her etwas zu wehen begonnen hatte. Eine glückliche Vorsichtsmaßregel! Ohne sie wäre schwer zu sagen, was aus uns geworden wäre. Während wir mit dem Abhäuten beschäftigt waren, nahm der Wind rasch zu, und war bald zum Sturme angewachsen. Landwärts von uns war die schmale Rinne, neben der die Walrosse gelegen hatten, und ich fürchtete, daß das Eis sich hier öffnen würde und wir forttreiben könnten. Ich behielt daher, während wir arbeiteten, die Rinne im Auge, um zu sehen, ob sie breiter würde; sie blieb aber unverändert, und wir arbeiteten so rasch wir konnten weiter. Als das erste Walroß halb abgehäutet war, blickte ich zufällig landwärts über das Eis und entdeckte, daß es in beträchtlicher Entfernung von uns durchgebrochen war und dasjenige Stück, auf welchem wir uns befanden, schon längere Zeit getrieben hatte. Zwischen uns und dem Ufereis stand eine schwere See, und der Wind wehte so stark, daß der Wasserstaub von den schäumenden Wogen flog. Es war keine Zeit zu verlieren. Ob wir eine größere Strecke gegen diesen Wind und Seegang würden rudern können, war mehr als zweifelhaft; doch schien das Eis bisjetzt noch keine größere Strecke getrieben zu sein, als wir würden kreuzen können, wenn wir uns beeilten. Die ungeheuern Thiere vollständig aufzugeben, konnten wir nicht über uns gewinnen, und wir schnitten daher so viel Fleisch herunter, wie wir konnten, und schleuderten es in die Kajaks. Dann schnitten wir ungefähr den vierten Theil der Haut mit dem Speck daran ab, warfen ihn obenauf und machten uns auf den Weg nach der Küste. Kaum hatten wir unsere Beute verlassen, als die Möven sich in Scharen auf die halb abgehäuteten Kadaver warfen. Beneidenswerthe Geschöpfe! Wind und Wellen und Treiben kümmerte sie nichts; sie kreischten und lärmten und dachten nur an den Schmaus, den sie hatten. Solange wir die Kadaver, während sie nach See hinaustrieben, verfolgen konnten, sahen wir, daß die Vogel sich in immer größern Scharen wie Schneewolken darum sammelten. Inzwischen strengten wir unsere Kräfte aufs äußerste an, um das feste Eis zu gewinnen; aber dieses hatte nunmehr in allen Richtungen Spalten und Rinnen bekommen. Es gelang uns, mit den Kajaks eine Strecke zurückzulegen; als ich jedoch einen breiten Kanal mit einigen losen Schollen kreuzte, trat ich auf so schlechtes Eis, daß es unter meinem Gewichte sank und ich rasch zurückspringen mußte, um einem Bade zu entgehen. Wir versuchten es an mehrern Stellen, aber überall sank es unter uns und den Schlitten weg, sodaß uns nichts übrigblieb, als uns auf dem Wasser zu halten und an der Leeseite des Eises entlang zu fahren. Noch waren wir nicht lange gerudert, als wir bemerkten, daß es von keinem Nutzen sei, bei solchem Winde die Kajaks zusammengebunden zu halten, wir mußten einzeln rudern und die Walroßhaut mit dem Speck opfern, weil wir sie nun unmöglich mitnehmen konnten; bisjetzt lag sie quer über das Heck beider Kajaks gebreitet. Während wir mit dieser Veränderung eifrig beschäftigt waren, wurden wir, ehe wir es wahrnahmen, vom Eise umgeben und mußten die Kajaks schleunigst aufs Eis holen, um sie vor dem Zerdrücktwerden zu bewahren. Wir versuchten nun an mehrern Stellen herauszukommen, doch war das Eis in beständiger Bewegung; es mahlte rund herum wie in einer Wirbelströmung. Kaum hatten wir, wenn sich eine Gasse öffnete, die Kajaks ins Wasser gelassen, so schloß dieselbe sich gewaltsam wieder, und wir mußten die Boote in der größten Hast wieder aufs Eis heraufreißen. Mehreremal waren sie nur um Haaresbreite der Zertrümmerung entgangen. Inzwischen hatte der Sturm stetig zugenommen, der Wasserstaub stob über uns weg, und wir trieben weiter und weiter in die See hinaus. Es war keine angenehme Lage.

siehe bildunterschrift

Kampf gegen den Sturm.

Endlich kamen wir jedoch frei und entdeckten zu unserer Freude, daß wir unter Aufbietung aller unserer Kräfte die Kajaks gegen den Wind weiter bringen konnten. Es ruderte sich schwer und die Arme schmerzten uns, aber doch krochen wir langsam dem Lande näher. Die See war bewegt und bös, aber die Kajaks waren seetüchtige Boote; selbst meines mit dem Kugelloche bewährte sich so gut, daß ich ziemlich trocken blieb. Hin und wieder kam der Wind in solchen Stößen, daß wir das Gefühl hatten, als wolle er uns aus dem Wasser heben und umwerfen. Aber allmählich, je näher wir unter die hohen Klippen kamen, wurde es ruhiger, und endlich, nach langer, langer Zeit, erreichten wir die Küste und konnten verschnaufen. Dann ruderten wir in ruhigerm Fahrwasser am Lande entlang nach unserm Lagerplatze. Mit wahrer Befriedigung kletterten wir in dieser Nacht ans Land. Wie unbeschreiblich behaglich war es, als wir wieder bequem, wenn auch naß, innerhalb der vier Wände unserer niedrigen Höhle lagen! Dann wurde ein tüchtiger Topf voll Fleisch gekocht, denn wir hatten einen wahren Wolfshunger. Mit Bedauern dachten wir nun an die verlorenen Walrosse, die jetzt draußen im Sturm trieben, freuten uns aber, daß wir nicht in ihrer Gesellschaft waren.

Ich hatte noch nicht lange geschlafen, als ich von Johansen mit der Meldung geweckt wurde, es sei ein Bär draußen. Noch im Halbschlafe hörte ich vor der Thür ein seltsames dumpfes Grunzen. Ich sprang auf, ergriff meine Büchse und kroch hinaus. Eine Bärin mit zwei großen Jungen ging am Strande hinauf; sie waren soeben dicht bei unserer Thür vorbeigekommen. Ich zielte auf die Bärin, fehlte sie aber in der Eile. Sie fuhr zusammen und blickte sich um, und als sie mir ihre Breitseite zukehrte, schoß ich ihr eine Kugel durch die Brust. Sie stieß ein fürchterliches Gebrüll aus; dann rannten sie alle drei den Strand hinab. Dort fiel die Mutter in einem Tümpel auf dem Eise nieder, während die Jungen weiter liefen, sich in die See stürzten, daß der Schaum in die Höhe spritzte, und hinauszuschwimmen begannen. Ich eilte zu der Mutter hinab, die sich vergeblich quälte und abarbeitete, um aus dem Tümpel zu gelangen. Um uns die Mühe, das schwere Thier herauszuschleppen, zu ersparen, wartete ich, bis es sich selbst auf den Rand hinaufgezogen hatte, und machte dann seinem Dasein ein Ende. Inzwischen hatten die beiden Jungen ein Eisstück erreicht, das für beide sehr enge und nur eben groß genug war, um einem derselben Platz zu bieten; da saßen sie nun balancirend und in den Wellen auf- und abtauchend. Hin und wieder fiel eins von ihnen herunter, kletterte aber immer wieder geduldig hinauf. Sie schrien unaufhörlich ganz kläglich und blickten fortwährend nach dem Lande, da sie offenbar nicht zu begreifen vermochten, weshalb die Mutter so lange auf sich warten ließ. Der Wind wehte noch immer stark und trieb sie vor sich hin und mit der Strömung rasch nach der See hinaus. Wir glaubten, sie würden schließlich ans Land schwimmen und nach der Mutter sehen; wir wollten daher warten und verbargen uns zwischen den Steinen, damit sie unsertwegen nicht zu große Angst hätten, an Land zu kommen. Noch immer hörten wir sie klagen; jedoch klang es immer entfernter, und sie wurden da draußen auf den blauen Wogen immer kleiner, bis wir sie schließlich nur noch als zwei weiße Flecken auf der dunkeln Ebene unterscheiden konnten. Da wir dessen längst müde waren, begaben wir uns zu den Kajaks. Dort hatten wir jedoch einen traurigen Anblick. Alles Walroßfleisch, das wir mit so vieler Mühe mit nach Hause gebracht hatten, lag verstreut, zerrissen am Strande, und jedes Bischen Fett und Speck, das daran zu finden gewesen, war verschwunden. Die Bären müssen hier schön gehaust haben, während wir schliefen. Eins der Kajaks, in welchem das Fleisch gewesen, war halb ins Wasser, das andere hoch hinauf zwischen die Steine geworfen worden. Die Bären waren sogar darin gewesen und hatten das Fleisch herausgeschleppt; glücklicherweise hatten die Kajaks nicht gelitten, sodaß wir den Bären wol vergeben konnten, zumal wir den Vortheil hatten, Bärenfleisch für Walroßfleisch einzutauschen.

Wir brachten dann die Kajaks zu Wasser und machten uns auf, die Jungen ans Land zu jagen. Sobald sie uns nur herankommen sahen, wurden sie unruhig, und als wir noch eine größere Strecke entfernt waren, sprang das eine schon ins Wasser. Das andere zögerte eine Weile, als ob es Angst vor dem Wasser habe, während das erste ungeduldig wartete, aber schließlich schwammen beide. Wir machten einen weiten Bogen um sie herum und begannen sie dann, einer auf jeder Seite, dem Lande zuzutreiben. Es war leicht, sie in der Richtung, in welcher wir sie haben wollten, zu scheuchen, und Johansen wußte diese einfache Methode, die Bären von einem Platze zum andern zu schaffen, nicht genug zu rühmen. Wir brauchten gar nicht stark zu rudern, um mit ihnen Schritt zu halten; wir fuhren langsam und bequem, aber sicher dem Lande zu. In der Nachbarschaft sahen wir mehrere Walrosse, doch entgingen wir glücklicherweise einem Angriff von ihnen. Vom ersten Augenblicke an sahen wir, um wie viel besser der Bär, der zuerst das Wasser gewonnen hatte, schwamm, obwol er kleiner und dünner war; er wartete jedoch geduldig auf den andern und leistete ihm Gesellschaft. Endlich wurde aber das Tempo des letztern seinem Begleiter zu langsam; dieser griff aus nach dem Lande zu, sodaß die Entfernung zwischen beiden sich immer mehr vergrößerte. Sie blickten sich unaufhörlich ängstlich nach uns um; als der eine zurückblieb, sah er noch hülfloser als vorher nach uns hin. Während ich mich hinter dem einen Bären hermachte, hatte Johansen auf den zweiten acht, worauf wir sie ans Land bis in die Nähe unserer Höhle trieben und dort erschossen.

Wir hatten also an diesem Tage drei Bären erlegt; das war eine gute Entschädigung für unsere Walrosse, die in die See hinausgetrieben waren. Außerdem fanden wir, was nicht weniger glücklich war, das gesunkene Walroß vom Tage vorher am Rande des Ufereises treiben. Unverzüglich schleppten wir es an eine sichere Stelle in einem Einschnitt und machten es dort fest. Dies vergrößerte unsern Wintervorrath.

Es war schon spät in der Nacht, als wir uns niederlegten, nachdem wir die Bären abgehäutet, auf einen Haufen gelegt und wieder mit den Häuten bedeckt hatten, um die Möven davon abzuhalten. Wir schliefen fest, da wir den Schlaf für zwei Nächte nachzuholen hatten.

Erst am 2. September konnten wir uns ans Werk machen und unser Walroß abhäuten, das noch im Wasser lag. Dicht bei unserer Höhle war in dem Küsteneise Eis, das auf dem Grunde festgefroren ist und daher oft wie ein Eisfundament an der Küste liegen bleibt, selbst wenn die See eisfrei ist. Durch das vom Lande kommende warme Wasser bildet sich oft zwischen diesem Eise und der Küste ein offener Kanal. eine Oeffnung, welche die innere Rinne zwischen dem Strande und dem Lande mit der See draußen verband. In dieser Oeffnung hatten wir das Thier festgemacht, weil wir hofften, es dort aufs Land ziehen zu können. Da das Gletschereis mit sanftem Gefälle bis ins Wasser hineinragte, schien die Arbeit dort guten Erfolg zu versprechen. Wir rundeten die Ecken des Eises ab, stellten eine Talje her, indem wir eine Leine durch ein in die Kopfhaut geschnittenes Loch zogen, verwendeten am Ende des Taues die abgebrochene Schlittenkufe als Handspeiche und schlugen als Stützpunkte für diese am Strande hinauf Kerben in das Eis. Aber wir mochten arbeiten und uns abquälen, wie wir wollten: alles, was wir erreichen konnten, war, den ungeheuern Kopf über den Rand des Eises zu bringen. Mitten in der Arbeit schrie Johansen: »Halt, sehen Sie, dort!« Ich wandte mich um. Ein großes Walroß schwamm in der Oeffnung gerade auf uns zu. Es schien es nicht eilig zu haben, sondern öffnete nur die runden Augen weit und schaute verwundert zu, was wir da machten. Ich vermuthe, daß es den Gefährten erblickt hatte und nun sehen wollte, was wir mit ihm machten. Ruhig, langsam und würdevoll kam es bis ganz an den Rand heran, wo wir standen. Glücklicherweise hatten wir unsere Gewehre bei uns; als ich mich mit dem meinigen näherte, erhob sich das Thier nur im Wasser und blickte mich lange forschend an. Ich wartete geduldig, bis es sich ein wenig drehte, und jagte ihm dann eine Kugel in den Hinterkopf. Es war eine Zeit lang betäubt, begann aber bald wieder sich zu rühren, sodaß mehrere Schüsse erforderlich waren. Während Johansen lief, um Patronen und eine Harpune zu holen, mußte ich so gut wie möglich mit dem Thiere kämpfen und es mit einem Stocke zu hindern suchen, daß es sich wieder in die Oeffnung stürzte. Endlich kam Johansen zurück, worauf ich das Walroß abthat. Wir freuten uns über unser gutes Glück, hätten aber fürs Leben gern gewußt, was das Walroß in diesem engen Kanale wollte. Diese Thiere müssen ungewöhnlich neugierig sein. Während wir zwei Tage vorher die Bären abhäuteten, kam ein Walroß mit seinem Jungen ganz dicht bis an den Rand des Eises und sah uns zu; dann tauchte es mehreremal unter, kehrte aber immer wieder zurück und schob schließlich den ganzen Vordertheil des Körpers auf das Eis hinauf, um besser sehen zu können. Das wiederholte es mehreremal und ließ sich selbst dadurch nicht vertreiben, daß ich mich ihm näherte; erst als ich mit der Büchse ganz dicht heranging, kam es plötzlich zur Besinnung und warf sich rückwärts wieder ins Wasser, wo wir es tief unten mit dem Jungen zur Seite sich entfernen sahen.

Wir hatten jetzt zwei große Walrosse mit ungeheuern Hauern in dem Kanal schwimmen. Noch einmal versuchten wir, eins derselben aufzuschleppen, allein der Versuch war ebenso erfolglos wie vorher. Endlich sahen wir ein, daß der einzige Ausweg sein würde, sie im Wasser abzuhäuten. Dies war aber weder eine leichte, noch eine angenehme Aufgabe. Als wir spät am Abend endlich eine Seite des Thieres abgehäutet hatten, war Ebbe, das Walroß lag auf dem Grunde, und es war keine Möglichkeit, es umzudrehen, wie sehr wir uns auch abmühen und ziehen mochten. Wir mußten die Flut am nächsten Tage abwarten, um an die andere Seite zu gelangen.

Während wir an diesem Tage eifrig mit den Walrossen beschäftigt waren, sahen wir plötzlich den ganzen Fjord weiß von Weißwalen, die rundherum, soweit das Auge reichte, Luftsprünge machten. Es war eine unglaublich große Zahl. Nach Verlauf einer Stunde waren sie sämmtlich verschwunden; woher sie gekommen waren und wohin sie gingen, habe ich nicht entdecken können.

Während der nächsten Tage quälten wir uns damit ab, die Walrosse abzuhäuten und zu zerschneiden und dann nach einer sichern Stelle am Strande hinaufzuschaffen. Es war eine ekelhafte Arbeit, da draußen im Wasser auf den Thieren zu liegen und so tief zu schneiden, als man unter die Oberfläche des Wassers reichen konnte. Wir ließen es uns gefallen, naß zu werden, weil man mit der Zeit wieder trocken wird; schlimmer aber war, daß wir nicht vermeiden konnten, vom Kopf bis zu den Füßen mit Speck und Thran und Blut eingeschmiert zu werden. Unsern armseligen Kleidern (in denen wir noch ein weiteres Jahr stecken sollten, ehe wir sie wechseln konnten) ging es während dieser Tage schlecht. Sie nahmen so viel Thran in sich auf, daß er bis auf die Haut durchzog. Diese Beschäftigung an den Walrossen war ohne Frage die schlechteste Arbeit während der ganzen Expedition; wäre sie nicht dringend nothwendig gewesen, wir hätten die Thiere lieber liegen lassen, wo sie lagen. Allein wir brauchten Brennmaterial für den Winter, wenn wir uns auch ohne das Fleisch hätten behelfen können. Als die Arbeit endlich beendet war und wir zwei große Haufen Speck und Fleisch, dicht bedeckt von den dicken Walroßhäuten, am Lande hatten, freuten wir uns nicht wenig.

In dieser Zeit führten die Möven ein üppiges Leben von dem Ueberfluß an Abfällen, Speck, Eingeweiden und andern innern Organen. Aus allen Richtungen sammelten sich Elfenbein- und Tauchermöven in großen Scharen und unterhielten Nacht und Tag ein unaufhörliches Geschrei und Lärmen. Wenn sie so viel gefressen hatten, als sie bewältigen konnten, saßen sie meist draußen auf den Eishügeln und schnatterten zusammen. Kamen wir zum Abhäuten hinunter, so entfernten sie sich nur ein kleines Stück von den Kadavern und saßen in langen Reihen geduldig wartend auf dem Eise neben uns oder kamen, geführt von einigen kühnen Offizieren, allmählich näher. Sobald ein kleiner Fetzen Speck fiel, stürzten zwei oder drei Elfenbeinmöven darauf los und kämpften darum, oft dicht vor unsern Füßen, daß die Federn stoben. Draußen segelten Sturmvögel in ihrem stillen geisterhaften Fluge über der Oberfläche des Wassers hin und her, und am Rande der Küste bewegten sich Scharen von Stummelmöven unaufhörlich auf und nieder und schossen pfeilschnell auf die Oberfläche des Wassers hinab, sobald sich dort ein kleines Krustenthier zeigte. Wir liebten diese Vögel besonders, weil sie sich ausschließlich an Seethiere hielten und unsern Speck in Frieden ließen; sie waren auch so leicht und anmuthig. Unaufhörlich aber jagte die Raubmöve (Stercorarius crepidatus) am Ufer auf und nieder, und alle Augenblicke wurden wir durch einen kläglichen Nothschrei über unsern Köpfen erschreckt: es war eine Stummelmöve, die von einer Raubmöve verfolgt wurde. Wie oft haben wir die wilde Jagd da oben in der Luft mit den Augen verfolgt, bis endlich die Stummelmöve ihre Beute fallen ließ, worauf die Raubmöve hinabschoß und den Raub ergriff, bevor er noch das Wasser berührt hatte! Beneidenswerthe Geschöpfe, die sich dort oben so frei bewegen können! Draußen im Wasser lagen tauchend und bellend oft ganze Heerden von Walrossen, und hoch in der Luft flogen die Krabbentaucher scharenweise hin und her; man hörte das Schwirren ihrer Flügel von weit her. Da war Geschrei und Leben auf allen Seiten. Bald aber sinkt die Sonne, die See schließt sich, die Vögel verschwinden einer nach dem andern nach dem Süden – die Polarnacht beginnt, und es wird hier so still, so still werden!

siehe bildunterschrift

Walroßheerde.

Mit Vergnügen machten wir uns endlich am 7. September an die Arbeit, eine Hütte zu bauen. Wir hatten in der Nachbarschaft eine gute Stelle dazu ausgewählt, und von nun an hätte man uns täglich morgens wie gewöhnliche Arbeiter mit einem Eimer Trinkwasser in der einen und der Flinte in der andern Hand hinausgehen sehen können. So gut wir konnten, brachen wir in dem Gerölle Steine los, schleppten sie zusammen, hoben den Grund aus und bauten die Mauern auf. Werkzeuge hatten wir nicht viel; was wir dazu am meisten verwendeten, waren unsere beiden Fäuste. Die abgeschnittene Schlittenkufe diente wieder als Spitzaxt, um die festgefrorenen Steine loszulösen, und wenn wir es mit den Händen nicht fertig brachten, den Grund an unserer Baustelle aufzugraben, so benutzten wir einen Schneeschuhstock mit eiserner Zwinge dazu. Aus dem Schulterblatt eines Walrosses, das an ein abgebrochenes Stück von einem Schneeschuhstock gebunden war, stellten wir uns einen Spaten und aus einem an einen Querträger des Schlittens befestigten Walroßhauer eine Hacke her. Es waren zerbrechliche Dinger zum Arbeiten; aber mit Geduld brachten wir es doch fertig, und ganz langsam erhoben sich feste Steinmauern mit Moos und Erde dazwischen. Das Wetter wurde allmählich kälter und hinderte uns nicht wenig bei der Arbeit, da der Boden, den wir auszugraben hatten, härter wurde, und die Steine, die wir losbrechen mußten, festfroren; und dann kam auch Schnee. Groß war daher unsere Ueberraschung, als wir am Morgen des 12. September aus unserer Höhle krochen und das schönste Thauwetter fanden, mit 4° C. Wärme. Das war beinahe die höchste Temperatur, die wir auf der ganzen Expedition gehabt haben. Auf allen Seiten stürzten Bäche in schäumenden Fällen von dem Berge und dem Gletscher herab, fröhlich murmelnd den Weg zwischen den Steinen zur See hinunter nehmend. Ueberall rieselte und rauschte Wasser; wie mit einem Zauberschlage war wieder Leben in die erstarrte Natur zurückgekehrt, und die Hügel zeigten wieder überall Grün. Man konnte sich nach dem fernen Süden versetzt glauben und vergessen, daß ein langer, langer Winter vor der Thür stand. Der nächste Tag fand alles wieder geändert. Die sanften Götter des Südens, die gestern ihre letzten Kräfte angestrengt hatten, waren geflohen, die Kälte war wiedergekehrt, Schnee war gefallen und hatte alle Spuren bedeckt: nun wich der Winter nicht mehr. Auch der kleine Streifen bloßer Erde war in der Gewalt der Geister der Kälte und Dunkelheit; sie herrschten jetzt bis hinab zum Meere. Ich stand draußen und schaute mir die Gegend an. Wie öde und verlassen sah die Natur in ihrem Zauberbanne aus! Mein Blick fiel auf die Erde zu meinen Füßen. Dort unten zwischen den Steinen streckte noch der Mohn seine hübschen Blüten aus dem Schnee hervor, die letzten Strahlen der scheidenden Sonne sollten noch einmal seine gelbe Blumenkrone küssen, dann konnte er unter seine Decke schlüpfen, um den langen Winterschlaf zu halten und im Frühjahr zu neuem Leben zu erwachen. O, wer das doch auch könnte!

Nach einwöchentlicher Arbeit waren die Mauern unserer Hütte vollendet. Sie waren nicht hoch, kaum einen Meter über dem Erdboden, aber wir hatten ebenso tief in den Grund hineingegraben, sodaß die Hütte nach unserer Berechnung hoch genug werden würde, um darin aufrecht stehen zu können. Nun handelte es sich darum, das Dach herzustellen; dies war nicht so leicht. Das einzige Material, das wir zu diesem Zwecke hatten, waren der schon früher erwähnte, von uns gefundene Baumstamm und die Walroßhäute. Den Stamm, der volle 30 Centimeter dick war, konnte Johansen endlich, nachdem er einen ganzen Tag daran gearbeitet hatte, mit unserm kleinen Beil entzweihauen, und mit nicht geringerer Mühe rollten wir ihn über das Geröll auf die Ebene, wo er als Firststück auf das Dach gelegt wurde. Dann holten wir die Häute. Allein diese waren steif und an den Fleisch- und Speckhaufen festgefroren, über die sie gebreitet waren. Mit großer Mühe gelang es uns endlich, sie durch Benutzung von Keilen aus Walroßhauern, Steinen und Holz loszubringen. Der Transport dieser großen Häute auf dem langen Wege nach der Hütte war eine nicht weniger schwierige Aufgabe; durch Rollen, Tragen und Schleppen brachten wir es aber ebenfalls fertig. Das Schlimmste von allem war jedoch, die gefrorenen Häute über die Hütte auszubreiten. Mit drei halben Fellen wurden wir ziemlich gut fertig, indem es uns gelang, sie ein wenig zu biegen; aber die vierte Hälfte war ganz steif gefroren, sodaß wir ein Loch im Eise suchen und sie ins Meer versenken mußten, um sie erst aufzuthauen.

siehe bildunterschrift

Vor unserer »Höhle«.

Es schien mir fast beängstigend, daß wir in der ganzen Zeit nichts von Bären sahen. Sie waren es, von denen wir den ganzen Winter hindurch leben mußten, und mit den sechs, die wir hatten, kamen wir nicht weit. Jedoch glaubte ich, es leicht erklären zu können, da das Buchteneis, auf welchem sie sich gern aufhalten, sich an dem Tage, als wir mit den Walrossen fast in die See hinausgetrieben waren, entfernt hatte. Ich glaubte daher, daß auch wieder Bären erscheinen würden, sobald sich jetzt wieder Eis bildete. Es war darum eine Erleichterung, als ich eines Morgens (23. September) einen Bären vor mir erblickte, gerade als ich um das Vorgebirge herumkam, um nach der zum Einweichen ins Meer versenkten Haut zu sehen. Ich stand am Ufer nahe bei der Haut. Er hatte mich nicht gesehen, und ich zog mich rasch zurück, um Johansen, der mir mit seiner Büchse folgte, vorbeizulassen, worauf ich wegrannte, um auch eine Flinte zu holen. Als ich wiederkam, lag Johansen noch auf derselben Stelle hinter einem Stein und hatte noch nicht geschossen. Es waren zwei Bären da, einer neben der Hütte, der andere am Ufer; Johansen konnte aber an den einen nicht hinangelangen, ohne daß der andere ihn sah. Nachdem ich fortgelaufen war, um meine Büchse zu holen, hatte der Bär seine Schritte nach der Hütte gelenkt; aber gerade als er sie erreichte, hatte Johansen gesehen, daß plötzlich zwei Bärentatzen rasch über den Rand der Mauer langten und nach dem ersten Bären schlugen, worauf unmittelbar nachher auch der Kopf sichtbar geworden war. Der Bursche war eifrig beschäftigt, unsere Dachhäute zu benagen, die er heruntergerissen und verbogen hatte, sodaß wir sie später ebenfalls ins Meer senken mußten, um sie wieder aufzuthauen. Der erste Bär mußte sich wieder nach dem Ufer zurückziehen, wo wir später entdeckten, daß er unsere Walroßhaut heraufgezogen und das Fett davon abgekratzt hatte. Unter Deckung einiger Eishügel rannten wir nach ihm hin. Er bemerkte uns und machte sich im Galopp davon, sodaß ich ihm nur von hinten eine Kugel durch den Körper jagen konnte. Johansen zurufend, daß er nach dem andern Bären sehen solle, setzte ich mich in Lauf. Nach mehrstündiger Verfolgung den Fjord hinauf hatte ich ihn endlich bis unter die Gletscherwand gejagt, wo er sich zur Vertheidigung vorbereitete. Ich ging dicht an ihn heran, doch machte er brummend und zischend von der Anhöhe, auf der er stand, zweimal einen Angriff auf mich, ehe ich schließlich seinem Dasein ein Ende machen konnte. Als ich zurückkam, war Johansen schon eifrig mit dem Abhäuten des andern Bären beschäftigt. Letzterer war dadurch, daß wir den ersten angriffen, erschreckt worden und eine weite Strecke über das Eis gelaufen; dann war er wieder umgekehrt, um nach seinem Gefährten zu sehen, und war dabei von Johansen erlegt worden. Unser Wintervorrath vergrößerte sich.

Als wir uns am nächsten Tage (24. September) wieder an die Arbeit an der Hütte begaben, sahen wir eine große Heerde Walrosse draußen auf dem Eise liegen. Wir hatten mehr als genug von diesen Thieren und hatten sehr wenig Neigung für sie. Johansen meinte offen, wir brauchten sie nicht und könnten sie in Frieden lassen, ich hielt es aber für unbedachtsam, Nahrung und Brennmaterial gewissermaßen vor der Stubenthür liegen zu lassen und keinen Gebrauch davon zu machen; so brachen wir denn mit unsern Büchsen auf. Uns unter Deckung einiger Erhöhungen des Eises an die Thiere hinanzuschleichen, war nicht schwer; bald waren wir ihnen bis auf 20 Meter nahe gekommen und konnten ruhig dort liegen bleiben und sie beobachten. Worauf es ankam, war, sich ein Opfer auszuwählen und den Schuß gut anzubringen, um keine Patronen zu verschwenden. Es waren alte und junge Thiere, und da wir von den großen mehr als genug gehabt hatten, so beschlossen wir, mit den kleinsten, die wir sahen, einen Versuch zu machen; mehr als zwei brauchten wir unserer Ansicht nach nicht. Während wir lagen und darauf warteten, daß sie den Kopf wenden und uns Chancen für einen Schuß geben sollten, hatten wir gute Gelegenheit, sie zu beobachten.

Es sind merkwürdige Thiere. Als sie dort beisammenlagen, stießen sie einander unaufhörlich mit den ungeheuern Hauern in den Rücken, sowol die großen alten wie die kleinen jungen. Wenn eins von ihnen sich etwas umdrehte und seinem Nachbar zu nahe kam oder ihn störte, so erhob der letztere sich sofort mit Gegrunze und grub die Hauer in den Rücken des erstern. Es war das keineswegs eine zarte Liebkosung, vielmehr ist es gut für sie, daß sie eine so dicke Haut haben; trotzdem strömte mehrern von ihnen das Blut vom Rücken. Der andere richtete sich manchmal ebenfalls auf und erwiderte die kleine Aufmerksamkeit in derselben Weise. Bewegung im Lager entstand aber erst, wenn ein neuer Gast aus dem Meere auftauchte. Dann grunzten alle im Chor, und einer der alten Bullen, der dem Neuangekommenen am nächsten lag, gab ihm einige wohlgemeinte Stöße. Der Neuling zog sich aber vorsichtig auf das Eis hinauf, verbeugte sich respectvoll und schob sich ganz sachte zwischen die andern, die ihm dann ebenfalls so viele Stöße versetzten, als Zeit und Umstände gestatteten, worauf sie sich schließlich wieder besänftigten und ruhig lagen, bis eine neue Unterbrechung eintrat. Wir warteten vergeblich darauf, daß diejenigen Thiere, die wir ausgewählt hatten, den Kopf so weit drehen würden, daß wir gut zum Schuß kommen konnten; aber da sie verhältnißmäßig klein waren, so glaubten wir, daß eine Kugel in die Mitte der Stirn ihnen genügen würde, und brannten endlich los. Sie sprangen jedoch auf und rollten sich halb betäubt ins Wasser.

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Johansen und die Walrosse.

Dann gab es aber eine Bewegung. Die ganze Heerde erhob rasch die großen, häßlichen Köpfe, glotzte uns an und stürzte sich eins nach dem andern dem Rande des Eises zu. Wir hatten schleunigst wieder geladen, und da es jetzt nicht schwer war, gut zum Schuß zu kommen, gaben wir Feuer. Da lagen zwei Thiere, ein junges und ein altes. Die meisten der übrigen tauchten unter, nur eins blieb ruhig liegen und blickte verwundert bald seine beiden todten Gefährten, bald uns an, als wir zu jenen hingingen. Wir wußten nicht recht, was wir thun sollten; zwar meinten wir, daß die beiden dort uns mehr als genug zu thun geben würden, aber nichtsdestoweniger war es verlockend, dieses große Ungethüm, da wir doch einmal da waren, ebenfalls zu erlegen. Während Johansen mit seinem Gewehr im Anschlage stand und noch überlegte, ob er schießen solle oder nicht, benutzte ich die Gelegenheit, ihn und die Walrosse zu photographiren. Schließlich ließen wir das Thier doch unverletzt laufen; wir glaubten, es uns nicht gestatten zu können, noch weitere Patronen daran zu wenden. Mittlerweile kochte das Wasser draußen von den wüthenden Thieren, die ringsherum das Eis zertrümmerten und die Luft mit ihrem Gebrüll erfüllten. Besonders der große Bulle schien nicht geringe Lust zu haben, uns anzugreifen; er kehrte beständig zum Rande des Eises zurück, hob sich halb hinauf, grunzte und bellte uns an und betrachtete lange seine todten Kameraden, die er offenbar mitzunehmen wünschte. Allein wir wollten keinen Schuß mehr an ihn verschwenden. Er warf sich dann zurück, um unmittelbar darauf wieder umzukehren. Allmählich entfernte sich die ganze Heerde, und wir hörten das Grunzen des großen Bullen aus immer größerer Ferne. Plötzlich erschien aber sein ungeheuerer Kopf wieder über dem Eisrande in unserer Nähe; das Thier brüllte herausfordernd; dann verschwand es ebenso schnell wieder, wie es gekommen war. Dies wiederholte sich drei- oder viermal, nachdem wir es in den Zwischenpausen weit draußen gehört hatten; endlich aber blieb er ganz fort, und wir konnten das Abhäuten in Frieden fortsetzen. Sehr leicht war dies beim kleinern Walroß, im Vergleich zu der Arbeit, an die wir gewöhnt waren. Das andere war jedoch ein großer Bursche, der sich in den Schnee eingegraben, in dem er lag, und nicht so leicht umdrehen ließ. Wir begnügten uns daher damit, nur die obere Seite vom Kopfe bis zum Schwanze abzuhäuten, und kehrten mit dem Speck und den Häuten heim. Nun glaubten wir genug Speck zu Brennmaterial für den Winter zu haben; außerdem hatten wir Ueberfluß an Häuten zur Eindeckung unserer Hütte.

Die Walrosse hielten sich noch längere Zeit in unserer Nähe auf. Alle Augenblicke vernahmen wir zwei oder drei aufeinanderfolgende heftige Stöße von unten gegen das Eis, und dann brach plötzlich mit einem Krach ein riesiger Kopf durch das Eis. Er blieb dort eine Zeit lang schnaubend und ächzend, sodaß man es weithin hören konnte, und verschwand hierauf wieder. Als wir am 25. September damit beschäftigt waren, die Häute für das Dach aus einem Wasserloche in der Nähe des Ufers zu schleppen, hörten wir seewärts desselben Krachen im Eise; dann kam ein Walroß herauf, tauchte aber gleich wieder unter. »Sehen Sie! Es wird nicht lange dauern, bis wir es in diesem Loche haben.« Die Worte waren kaum ausgesprochen, als die Haut im Wasser beiseitegeschoben wurde und ein ungeheuerer Kopf mit Borsten und zwei langen Hauern vor uns in die Höhe fuhr. Er blickte uns unverwandt mit bösen Augen an; dann ein starkes Plätschern, und fort war er wieder.

Die Häute hatten sich in der See nunmehr so weit erweicht, daß wir sie über das Dach strecken konnten. Sie waren so lang, daß sie von einer Seite der Hütte über den First bis nach der andern Seite hinunterreichten. Wir streckten sie, indem wir mit Hautstreifen an beiden Enden große Steine befestigten, die sie durch ihr Gewicht über die Mauerkante reckten, wo wir dann Steine darauf thürmten. Mit Hülfe von Steinen, Moos, Hautstreifen und Schnee zur äußern Bedeckung dichteten wir die Fugen der Mauern einigermaßen. Um die Hütte bewohnbar zu machen, mußten wir im Innern Steinbänke zum Lager bauen sowie eine Thür herstellen. Diese bestand in einer Oeffnung in einer Ecke der Wand, die in einen im Erdboden ausgehobenen kurzen Gang führte, der mit Eisblöcken ungefähr in derselben Weise überdacht war wie der Eingang zu den Eskimohäusern. Der Gang war nicht so lang gemacht, als wir eigentlich beabsichtigt hatten, da der Grund für unsere Werkzeuge zu hart geworden war. Er war so niedrig, daß wir in hockender Stellung durchkriechen mußten, um in die Hütte zu gelangen. Die innere Gangöffnung war mit einem Vorhang aus Bärenfell verschlossen, das fest an die Walroßhaut des Daches genäht war; das äußere Ende war mit einem Bärenfell bedeckt, das lose über der Gangmündung lag.

Es begann jetzt, kalt zu werden, unter -20° C., und das Leben in unserer bisherigen niedrigen Höhle, wo wir keinen Platz hatten, um uns zu bewegen, gestaltete sich mehr und mehr unerträglich; auch griff der Rauch der Thranlampe unsere Augen beim Kochen an. Täglich stieg unsere Ungeduld, in unser neues Haus einzuziehen, das uns jetzt als der Gipfel der Bequemlichkeit erschien. Während des Baues wiederholten wir uns immer, wie nett und behaglich es sein würde, wenn wir erst darin seien, und malten uns gegenseitig die vielen angenehmen Stunden aus, die wir dort verbringen wollten. Natürlich waren wir eifrig bemüht, in unserm Dasein alle möglichen Lichtpunkte zu entdecken. Die Hütte war gewiß nicht groß; sie war 3,5 Meter lang und 1,8 Meter breit, und wenn man der Quere lag, so stieß man auf der einen Seite mit den Füßen und auf der andern mit dem Kopfe an. Man konnte sich jedoch ein wenig darin bewegen, und selbst ich vermochte beinahe aufrecht unter dem Dache zu stehen. Das war ein Gedanke, der uns besonders vorgeschwebt hatte. Man stelle sich nur einmal vor, was es für uns bedeutete, einen vor dem Winde geschützten Raum zu haben, in welchem man die Beine ein wenig ausstrecken konnte! Das hatten wir seit März, seit der »Fram«, nicht mehr gehabt. Es dauerte jedoch lange, bis alles in Ordnung war, denn wir wollten nicht umziehen, ehe die Hütte nicht ganz vollendet war.

Als wir unsere letzten Walrosse abhäuteten, hatte ich mehrere Sehnen aus dem Rücken genommen, weil ich glaubte, daß sie uns bei der Anfertigung von Winterkleidern von großem Nutzen sein würden. Erst einige Tage später (26. September) fiel mir wieder ein, daß die Sehnen auf dem Eise neben den Kadavern liegen geblieben waren. Ich ging daher hin, um danach zu sehen, fand aber zu meinem Bedauern, daß die Möven und Füchse sich längst damit davongemacht hatten. Ich war jedoch etwas getröstet, als ich die Fährte eines Bären fand, der in der Nacht bei den Kadavern gewesen sein mußte. Als ich mich umsah, erblickte ich Johansen, der hinter mir hergelaufen kam und winkte und nach der See wies. Ich wandte mich nach jener Richtung und sah dort einen großen Bären, der auf- und ablief und uns beobachtete. Bald hatten wir unsere Büchsen geholt, und während Johansen in der Nähe des Landes blieb, um den Bären in Empfang zu nehmen, falls er dorthin käme, machte ich auf dem Eise einen weiten Bogen, um ihn landwärts zu treiben, wenn er erschrecken sollte. Inzwischen hatte er sich draußen neben einigen Löchern niedergelegt, vermuthlich um auf Seehunde zu lauern. Als ich mich heranschlich, sah er mich und kam anfänglich auf mich zu; dann aber überlegte er es sich anders und entfernte sich langsam und majestätisch seewärts über das neue Eis. Ich hatte keine große Lust, ihm in dieser Richtung zu folgen, und dachte daher, ich sollte einmal, wenn auch die Schußweite groß war, aus der Ferne einen Versuch machen. Die erste Kugel ging zu hoch; dann noch eine: diese traf. Der Bär sprang auf, machte mehrere Sätze und trampelte in seiner Wuth auf das Eis, bis es brach und er hineinfiel. Da lag er nun plätschernd und spritzend und durchbrach das dünne Eis durch sein Gewicht bei den Versuchen, herauszukommen. Rasch war ich neben ihm. Ich wollte jedoch keine weitere Patrone verschwenden und hegte auch die schwache Hoffnung, daß es ihm gelingen würde, allein aus dem Wasser zu kommen und uns die Mühe zu sparen, ein so schweres Thier herauszuziehen. Ich rief Johansen zu, er solle mit einem Tau, Schlitten und Messern kommen; inzwischen ging ich wartend und beobachtend auf und ab. Der Bär quälte sich gewaltig ab und machte das Loch im Eise immer größer. Ein Vorderbein war verwundet, sodaß er nur das andere und die Hinterbeine gebrauchen konnte. Er faßte das Eis immer wieder und zog sich in die Höhe, aber sobald er halb oben war, gab das Eis nach, und er sank wieder hinein. Allmählich wurden seine Bewegungen immer schwächer, bis er zuletzt still lag und schnaufte.

Dann traten einige Zuckungen ein; er streckte die Beine steif aus, der Kopf sank ins Wasser, und dann wurde alles still. Während ich auf- und abschritt, hatte ich rundherum mehreremal Walrosse gehört, die mit dem Kopfe Löcher ins Eis stießen und die Köpfe durchsteckten; ich dachte mir deshalb, daß ich sie bald auch hier haben würde. In demselben Augenblick erhielt der Bär einen heftigen Stoß von unten, der ihn nach der Seite warf, und ein gewaltiger Kopf mit großen Hauern tauchte auf. Er schnaufte, blickte verächtlich auf den Bären, schaute dann mich, der ich auf dem Eise stand, eine Weile verwundert an und verschwand endlich wieder. Dies ließ mir das alte feste Eis etwas weiter landeinwärts doch als einen angenehmern Aufenthaltsort erscheinen als das Eis hier. Meine Vermuthung, daß das Walroß keine Furcht vor einem Bären habe, war mehr als je gekräftigt worden. Endlich kam Johansen mit einem Tau. Wir warfen dem Bären eine Schlinge um den Hals und versuchten, ihn herauszuziehen, fanden jedoch bald, daß das über unsere Kräfte ging. Bei jedem Versuche zerbrachen wir nur das Eis unter dem Bären. Ihn aufzugeben, kam uns hart an; es war ein großer Bär, der ungewöhnlich fett zu sein schien; aber in dieser Weise fortzufahren, bis wir ihn an den Rand des Packeises geschleppt hätten, würde ein zu langwieriges Verfahren gewesen sein. Dadurch, daß wir eine schmale Rinne, nur so breit, um das Tau durchziehen zu können, im jungen Eis bis zum Rande eines großen Eisstückes aushieben, kamen wir ziemlich gut aus der Verlegenheit. Nun war es leicht, den Bären unter dem Eise hierher zu schleppen, wo wir ihn herauszogen, nachdem wir ein genügend großes Loch ins Eis gebrochen hatten. Endlich hatten wir ihn abgehäutet und zerschnitten, und schwer beladen mit unserer Beute lenkten wir spät abends die Schritte heimwärts nach unserer Höhle. Als wir uns dem Strande näherten, wo die Kajaks auf einem unserer Haufen Walroßspeck und Fleisch lagen, flüsterte Johansen mir plötzlich zu: »Sehen Sie einmal dort, dort!« Ich blickte auf: drei Bären standen auf dem Haufen und zerrten an dem Speck. Es war eine Bärin mit zwei Jungen. »Zum Teufel!« erwiderte ich, »sollen wir es wieder mit Bären zu thun bekommen?« Ich war müde und hegte, die Wahrheit zu sagen, weit größere Sehnsucht nach unserm Schlafsack und einem tüchtigen Topf voll Fleisch. Im Augenblick hatten wir die Büchsen zur Hand und näherten uns vorsichtig den Bären; aber diese hatten uns in Sicht bekommen und machten sich über das Eis davon. Mit einem Gefühl der Dankbarkeit sahen wir ihnen nach. Etwas später, als ich mit dem Zerlegen des Fleisches beschäftigt war und Johansen Wasser holte, hörte ich ihn pfeifen; ich blickte auf, worauf er über das Eis wies. In der Dämmerung kamen die drei Bären zurück; unser Speckhaufen war für sie zu verlockend gewesen. Ich kroch mit der Büchse hinter einige Steine in der Nähe des Haufens. Die Bären kamen heran, ohne nach rechts oder links zu sehen; als sie an mir vorbeizogen, zielte ich, so gut die Dunkelheit es mir gestattete, auf die Bärin und gab Feuer. Sie brüllte und biß sich in die Seite, und alle drei machten sich wieder über das Eis davon. Dort stürzte die Mutter nieder; die Jungen blieben erstaunt und beunruhigt neben ihr stehen, ergriffen aber die Flucht, als wir herankamen, sodaß es unmöglich war, in Schußweite zu gelangen. Sie hielten sich in achtungsvoller Entfernung und beobachteten uns, während wir die todte Bärin an Land schleppten und abhäuteten. Als wir am nächsten Morgen herauskamen, standen sie da und schnüffelten an der Haut und dem Fleisch. Allein ehe wir schußbereit waren, hatten sie uns gesehen und sich wieder davongemacht. Wir sahen jetzt, daß sie die ganze Nacht dort geblieben waren und den einige Stücke Speck enthaltenden Magen der eigenen Mutter gefressen hatten. Nachmittags kehrten sie nochmals zurück, und wieder versuchten wir vergeblich, sie zum Schuß zu bekommen.

Als wir am nächsten Morgen (Sonnabend, 28. September) aus der Höhle krochen, erblickten wir einen großen Bären, der auf unserm Speckhaufen lag und schlief. Johansen kroch unter Deckung einiger Steine nahe hinan. Als der Bär etwas lärmen hörte, hob er den Kopf und blickte sich um; in demselben Augenblicke feuerte Johansen, und die Kugel ging dem Bären durch die Kehle, gerade unterhalb des Schädels. Er stand langsam auf, blickte Johansen verächtlich an, überlegte eine kurze Weile und schritt dann ruhig, mit gemessenen Schritten davon, als ob nichts passirt sei. Bald darauf hatte er von jedem von uns ein paar Kugeln im Leibe und brach draußen auf dem dünnen Eise zusammen. Er hatte sich so vollgefressen, daß, als er dort lag, Speck, Thran und Wasser ihm aus dem Maule auf das Eis liefen, das unter seinem Gewichte allmählich zu sinken begann, bis er in einem großen Pfuhle lag. Darauf zogen wir ihn schleunigst aus Land, ehe das Eis unter ihm nachgab. Es war einer der größten Bären, die ich je gesehen habe, aber auch einer der magersten, da sich keine Spur von Fett an ihm zeigte, weder unter der Haut, noch zwischen den Eingeweiden. Er muß lange Zeit gefastet haben und ungewöhnlich hungerig gewesen sein, da er eine unglaubliche Menge von unserm Walroßspeck gefressen hatte. Und wie hatte er ihn umhergezerrt! Erst hatte er das eine Kajak heruntergeworfen, den Speck nach allen Richtungen hin umhergestreut und darauf sich das beste Fett von fast jedem einzelnen Stücke gekratzt; dann hatte er den Speck an einer andern Stelle wieder gesammelt und sich, glücklich in dem seligen Gefühle des Sattseins, darauf zum Schlafen niedergelegt, vermuthlich, um ihn beim Erwachen sofort wieder zur Hand zu haben. Vor dem Angriff auf den Speckhaufen hatte er noch ein anderes Stück geliefert, welches wir erst später entdeckten. Er hatte die beiden jungen Bären getödtet die uns besucht hatten; wir fanden sie nicht weit entfernt mit zerschmetterten Schädeln, steif gefroren. An den Fußspuren sahen wir, daß er erst den einen, dann den andern auf das neue Eis hinaus verfolgt hatte; hierauf hatte er sie ans Land geschleppt und sie dort liegen gelassen, ohne sie weiter anzurühren. Was für Vergnügen ihm diese That gemacht haben kann, begreife ich nicht; doch muß er jene wol als Concurrenten im Kampfe um die Nahrung angesehen haben. Oder war er vielleicht ein mürrischer alter Herr, der junge Leute nicht leiden konnte? »Es ist hier jetzt so nett und ruhig«, sagte der Riese, als er das Land ausgeräumt hatte.

Unser Wintervorrath begann jetzt wirklich Vertrauen einzuflößen.


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