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IV.
Von meinen Hennen

Ich möchte hier den Rest meiner baulichen, oder soll es heißen erbaulichen Prüfungen berichten. Ich weiß noch nicht, warum, aber es bringt mich dies meinem eigenen Erleben näher.

Ich habe einen Hühnerstall gebaut und halte Hennen. Der Hühnerstall ist errichtet mit den Erfahrungen und dem technischen Geschick, gewonnen aus dem Bau des Hauses. Das Resultat ist, daß er, was Symmetrie, Grund und Aufriß anbelangt, eine weit vollkommenere Konstruktion darstellt als das Haus.

Hennen habe ich von Kindheit auf geliebt.

Wuchs unter ihnen auf bei meiner verwitweten Großmutter, die allein in einem alten Haus mit zahlreichen Katzen und Hühnern lebte und diese seltsame Symbiose von Knabe, Geflügel und Raubzeug in Frieden verwaltete; Sie war eine verquerte – stille alte Dame, ging nie zur Kirche, las ihre Bibel Sonntags für sich, duldete auch keine Kohlen im Hause, nur Holzfeuer, sah nie eine Eisenbahn, fuhr auf keinem Dampfschiff, verweigerte Besuche, machte wunderbare Pfefferminzkuchen – aß davon täglich Punkt neun Uhr abends ein Stück – gab auch mir eines und haßte bis ins Mark den alten T ..., den Spediteur von nebenan, dessen geschäftiges Geheul von morgens bis nachts den Hof erfüllte, nebst Sattelzeug, zerbrochenen Deichseln, Fässern, Kisten und Spänen, so daß es aussah, als hätte der Satan dort umgeschmissen.

Es war das Entzücken meiner Großmutter, an den Markttagen zu beobachten, wenn einem Bauer sein Gespann durchging, was öfter vorkam, und die Butterstücke klatschend in die Straßenpfützen plumpsten, indes der Fuhrmann »whoa« schreiend hinterdrein galoppierte und bei jedem Galoppsprung eines nach dem andern aus den Pfützen wieder auffischte. Ihre Hennen aber konnte sie dazu bewegen, mehr Eier zu legen als alle andern Hennen der Stadt – es war ein Legezirkus bei uns.

Wirklich brave kleine Knaben mochte sie nicht; ich war der einzige in der Familie, den sie um sich haben wollte – sehr gegen den Willen meiner Eltern. Ich aber war gerne bei ihr – dort hatte ich viel mehr Freiheit und Torte – auch soviel blaue Flecke, als ich nur immer erwerben konnte, in abendlichen Kampfspielen mit den Gassenbuben. Ihr Haupt und Führer war »Nigger Hen«, Neger Heinrich, der uns beherrschte und wenn nötig verprügelte, jedenfalls aber stets mehr flüssiges Geld besaß als wir alle zusammen. Er war der Busenfreund meiner extremen Jugend bis zu dem Tage, da ich – angespornt von den schadenfrohen Angestellten meines Vaters – Nigger Hen bewog, in eine kleine Spielzeug-Windmühle hineinzublasen. Sie war mit Mehl gefüllt – und eine Wolke davon stieg in Nigger Hens Luftröhre und sonstige Leibesöffnungen, als er kräftig in den Trichter blies.

Da verstieß er mich!

Nun mußte ich mich mehr an »Hen Hill«, Heinrich Hügel, anschließen. Das Hin- und Herschleppen eines großen Korbes von seiner Mutter Wohnung nach seines Vaters Sirup-, Kuchen- und Sodawassergeschäft füllte das Leben dieses Knaben aus. Ich liebte Heinrich, denn auf dem Weg durch unseren Hof ließ er mich regelmäßig seine Kuchen prüfen. Wir zogen uns in das Dämmerlicht einer mächtigen leeren Kiste zurück und kannten sinnreiche Methoden, mit einem Löffel Tortenübergüsse abzuheben und vernünftige Portionen aus dem Innern zu entfernen und unserem stets froh bereiten Knabenorganismus zuzuführen. Heinrich ruhte meistens aus – während ich aß. Äußerlich war »Hen« mehr oder weniger Torte, die in Fragmenten an ihm klebte, und wo er nicht Torte war, war er fleckenweise Eiscreme! Ließ ihn doch seine Mutter die »Gefrorenes«maschine in ihrem Keller handhaben, und wir hatten dort einen anderen alten Löffel verborgen, mit dem wir in kurzen Intervallen die Eiscreme kosteten, wenn sie vom tropfbarflüssigen in den festen Aggregatzustand überging. – Die Aristokratie des Ortes, die in Mrs. Hills Salons Eiscrême aß, ließ sich nicht träumen, wessen Finger zuerst darin gewesen – denn drängten Zeit und Umstände, fanden wir Finger eigentlich handlicher wie Löffel.

 

Da ich eben von Hennen spreche oder wenigstens zu sprechen die Absicht hatte, schien es mir passend, dies mit »Nigger Hen« und »Hen Hill« einzuleiten. Jedenfalls erbte ich meiner Großmutter Passion und Begabung, Hennen zu halten – und die gleiche erregende Freude durchzuckt mich noch heute, finde ich das Dutzend klarer, weißer, frischer Eier in den Nestern – wie als zwölfjähriger Knabe.

Schönheit und Wert des Lebens liegen aber darin, in gleichem Maß am Gleichen sich zu ergötzen, wie als Kind, und die unverwelkten Kindergenüsse mit den neuerblühten der Reife zu vereinen! Zu genießen, was man genoß, als der Körper neu war, und der Geist also frisch gekleidet wieder einmal die Welt betrat. Zwischen vier und vierzehn ist es, daß die Sonne in einer Glorie scheint und der Mond voller Märchen ist und das Gras so sehr grün – wie später nie mehr – und warum???


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