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Ein und zwanzigtes Kapitel.
Der Herr Präsident wird in Versuchung geführt. Das Gnadenzeichen. Das geheime Konseil u. s. w.

Der Präsident las: Konstantinopel, vom 10ten May. Der Sultan hat den Dolmetschern der fremden Mächte bekannt machen lassen, daß drey Sultaninnen schwanger sind, und aus dieser Ursache ist allen Schiffen das kanoniren verboten.

»Alle Blix, Herr Prätendent, wie viel Sultaninnen hat der Sultan? Drey.«

O Eu'r Gnaden, er hat wohl dreyhundert. Er hat ein gewaltig großes Schloß sternhagel voll.

»Und das sind alles seine Gemalinnen?«]

Allerdings Eu'r Gnaden.

»Und das ist da zu Lande Mode?«

Allerdings Eu'r Gnaden.

»Hagel noch mal! will das hier zu Lande auch Mode machen. Wills mal mit 'n Dutzt oder so versuchen.«

Halten zu Gnaden! Das würde Dero viel Ungelegenheiten machen. Zwölf Gemalinnen zu hüten!

»Kann der Sultan so viel hundert hüten, Herr Prätendent, so will ich die Paar wohl hüten, versteht er.«

Ja, Eu'r Gnaden, der hat da andre Anstalt zu, will ich die Gnade haben zu sagen. Der hält sich auf jedes Dutzend einen Verschnittenen, der sie bewachen muß.

»Kann auch ja wohl so welche halten, so gut als der Sultan. Hör er mal, Herr Prätendent, thu er mir den Gefallen und laß er sich verschneiden; 's soll sein Schade nicht seyn.«

Halten zu Gnaden! Bin in allen Stücken nach meiner Wenigkeit zu unterthänigstem Befehl, nur damit bitte mich zu verschonen.

»Schnack! Kann mir ja das wohl zu Gefallen thun, so kann er.«

Wenn es auf mich ankäme, gnädiger Herr, so wollt ich wohl sehen. Aber meine Frau würde das all mein Tage nicht leiden.

»Ah Schnickschnack! Muß Subordenatschon im Hause einführen. Na, will er mirs zu Willen thun?«

Der Hausfriede, gnädiger Herr ....

Christian unterbrach dieses für den Ludimagister so peinliche Gespräch, indem er dem Edelmanne einen großen, sehr sauber in Goldpapier gebundnen Bogen im Namen des Herrn Leibpoeten überbrachte.

»Herr Prätendent, seh er mal zu, was das ist.«

Es war nicht mehr und nicht weniger als ein Karmen auf den Geburtstag Seiner Gnaden; einen Tag an den bisher niemals jemand gedacht hatte, denn der gnädige Herr pflegte ihn nie zu feiern, weil er selbst nicht wußte, an welchem Tage er gebohren war. Der Präsident las es vor, und Seine Gnaden bezeugten ihr hohes Wohlgefallen darüber, ohne ein Wort davon zu verstehen. Der Präsident aber, der auf seines hohen Patrons Größe noch stolzer und eifersüchtiger war, als auf seine eigne, war der Meynung, Seine Gnaden müßten dergleichen Dinge, nach dem Beyspiele andrer grossen Herren, nicht ohne Belohnung lassen.

»Was ist denn wohl Kustühm, für so 'n Karmina zu geben? Ha?«

Ja, Eu'r Hochwohlgebohrnen Gnaden, das kömmt auf die Generosität des großen Herrn an. Eu'r Gnaden erinnern sich wohl noch aus den Avisen, daß so was manchmal eine goldne Dose mit des großen Herrn Konterfey drinn, oder das Konterfey schlecht weg abwirft. Zuweilen lohnts auch wohl einen Ring, oder eine Medaille, nachdem der Herr die Laune hat. Aber meines unterthänigsten Dafürhaltens ist das Porträt mit oder ohne Dose, das beste Merkmaal der Gnade.

»Schnackt wie 'n Schaaf, Lektoris! Weiß ja wohl, daß ich mich mit Dosen, und Ringen, und so dergleichen Bummelaschen nicht aufhalten thue. Das Patret, was das anlangt, mögte selbst wohl mein Patret da hängen haben, weiß man nicht, wo ichs herkriegen soll. Kann er Patretten machen, Herr Prätendent?«

Halten zu Gnaden, gnädiger Herr, ich bin ein Gelehrter.

»Er kann auch Nichts! Weiß er keinen, der 's kann?«

Nein, Eu'r Gnaden; will aber mal mit Deroselben Herrn Schloßbuchdrucker sprechen.

»Kann selber wohl mit ihm sprechen. Krischan! – Den Fix. – – Hör er mal, Herr Fix, kann er wohl so Dinger, so Kunterfeys machen?«

Will die Ehre haben, Sie zu sagen, Ihr Gnaden, daß ich alles kann. Bin 'n Schenny.

»Na, das ist gut. Mal er mich gleich mal ab.«

Aufzuwarten, Ihr Hochadlichen Gnaden! Will man hingehn und 'n Bleysticken holen.

»Thu er das. 'S wird Arbeit für ihn geben. Er soll mir 'n etzliche hundert von meinen Konterfeys machen, daß ich gleich eins bey der Hand habe, wenn mir jemand 'n Karmina bringt, oder wenn ich sonst jemand 'n Merkmaal meiner Gnade geben will.«

Erlauben Sie gnädigst, Ihr Gnaden, da wollt ich wohl bitten durchzudenken, obs nicht besser wäre, wenn ich das Bild in Holz schneiden thäte. Da könnte man, wenn 's einmal geschnitten ist, wohl fünf hundert in einem Tage abdrucken.

»Sieht er, Herr Prätendent, das ist noch 'n Mann der was gelernt hat. Aber er? Mit ihm ist nichts anzufangen. – Na, Herr Fix, schneid er mich man. Kann er auch wohl meinen Türk da bey mir schneiden?«

O ja, Ihr Gnaden. Und Wachtel dazu.

»Sieht er, Lektoris? – 'S ist an Türk genug, Herr Fix; mach er den man recht, mit dem blauen Halsband, versteht er. Kann nu man gehen! – Sieht er, Herr Prätendent, der kann doch noch was. 'S ist 'n allerwelts Kerl, mein Leibbuchdrucker!«

Non omnis fert omnia tellus! versetzte der Ludimagister. Der eine taugt zum Staatsminister, der andre zum Wurmschneider.

»Herr, komm er mir nicht so, oder ich will ihn bewurmschneidern, er soll von nachsagen.«

Halten zu Gnaden! Formschneider sagte ich.

Das changeante Genie schnitt wacker drauf los, und brachte ein rares Stück zu Stande, völlig so schön und in eben dem Geschmack als Karl der Zwölfte auf den Tobacksbriefen. Es wurde abgedruckt, auf Pappe geklebt, mit einem Streifen Goldpapier eingefaßt, und erhielt Seiner Gnaden Approbation, welche ein Exemplar neben sich auf den Tisch legten, und flugs den Justitiarius rufen ließen.

»Hör er mal, Herr Leibpoet, hat mir da letztens durch meinen Krischan 'n Karmina primisiren lassen. Soll auch bedenkt seyn. Und will ihm hier eine Schenkasche für machen.«

Hiermit winkte er dem Ludimagister, welcher das Porträt Seiner Gnaden vom Tische nahm, und es dem glücklichen Dichter mit vieler Cärimonie überreichte.

Der Justitiarius nahm die Callotsche Fratze aus den Händen des Favoriten an, zuckte (aber freylich so unmerklich als möglich) die Achseln, und war so boshaft, über die unerhörte Aehnlichkeit zwischen dem gnädigen Herrn und dem Holzschnitt zu erstaunen. Er witzelte und spöttelte so hämisch, daß es ein Wunder ist, wenn der Edelmann nichts merkte. Und der artige Herr wäre sehr am unrechtem Orte gezäumet gewesen, wenn sein Principal Lunte gerochen hätte. Der war nicht der Mann, der Spaaß mit sich treiben ließ, und dem Herrn Justitiarius war es gar behaglich im Schlosse. Sein Dienst war fett, und seine Arbeit gering. Vorher war er seines Standes wegen dem guten Junker verhaßt: nun er sich aber zur Hofpoetenstelle bequemet hatte, konnt er an Galatagen bey Hofe erscheinen, und zuweilen ein Wort mitsprechen, so gut als einer.

siehe Bildunterschrift

– und will ihm hier mit meinem Patrett eine Schenkaasche für machen.

Der Herr Präsident hatte indessen den großen Gedanken, Kabinetsminister oder so was gutes zu werden, noch nicht aufgegeben. Er begnügte sich anfangs, es bloß durch einen sehr nachdrücklichen Ton, mit dem er die Nachrichten las, daß dieser oder jener Bürgerliche einen Titel oder eine ansehnliche Stelle erhalten, dem Junker ans Herz zu legen, daß man nicht eben lauter Edelleute zu Räthen mache. Und der ehrliche Junker hatte von dem Unterschied zwischen einem Commißionsrath und Staatsminister keine gar zu richtigen Begriffe. Der eine, glaubte er, sey so gut ein Minister als der andere. Wie aber der Favorit sah, daß der edle Siegfried durch den bloßen Ton kein Feuer fangen wollte, nahm er sich die Freyheit, ihn durch einige Randglossen etwas aufmerksamer zu machen. Als aber auch das nicht helfen wollte, setzte er in die Schloßzeitung, es gienge die Rede, daß Se. Majestät den Herrn Justitiarius auf Lindenberg zum Kriegsrathe ernennen wollten. Das schlug an.

»Nee! das soll der König wohl bleiben lassen. Kann selbst wohl meine Leute zu was machen, so kann ich.« –

Mit einem male war das Projekt ein geheimes Konseil anzulegen, wieder im Gange. Der Herr Bartholomäus Schwalbe sah von der steilen und stolzen Höhe eines Prämierministers herunter, u. stand an der Spitze des hohen Staatsrathes, den die Herren für ihr Leben gern Conseil parmanent genannt hätten, weil das so hübsch klingt. Weil aber der Schulmeister das letzte Wort nicht dolmetschen konnte, und sich nicht so tief erniedrigen wollte, den Leibpoeten zu fragen, so hatte es bey geheimen Konseihl sein Bewenden, und der Wohlklang wurde der Furcht einen Bock zu schießen, weislich aufgeopfert.

Von dieser Zeit an wuchsen die Kabinetsminister, Staats- Kriegs- Finanz- Domänen- Kommercien- Kommißions- und andre Räthe auf Lindenberg aus der Erde wie Pilze.

Bey aller seiner irdischen Hoheit vergaß der Herr dirigirende Minister doch nicht, daß er seine ganze Größe ursprünglich den Vorlesungen, und hiernächst dem Avisenschreiben schuldig sey, und er war weise genug, diese beyden Aemter nicht niederzulegen, so sehr auch seine Neider und heimlichen Feinde ihm vorstellten, es sey unter der Würde so eines Mannes sich mit dergleichen zu beschäfftigen. Er hatte Staatsklugheit genug, einzusehen, daß er nur bloß durch eben die Mittel die ihn erhoben hatten, sich auf seiner Höhe erhalten könne.

Um diese Zeit stieß ihm ein Unfall zu, den er weder vorhergesehen hatte, noch mit aller seiner Klugheit vermeiden konnte. Es begab sich nehmlich, daß der Schweinehirte des Dorfes Lindenberg das Zeitliche gesegnete. Besetzt mußte diese Stelle wieder werden, das war unstreitig. Aber vermöge des Indigenats mußte sie durch einen Eingebohrnen des hochadlichen Lindenbergischen Gutes verwaltet werden, und dieser Umstand erregte unendliche Schwürigkeiten. Die sämtlichen Eingebohrne Unterthanen des Edelmanns im Pommerlande waren durch die sanfte Regierung, durch die brittische Großmuth, und durch die väterliche Fürsorge Seiner Gnaden samt und sonders zu wohlhabend, als daß sich einer zu einem so mühseligen Amte sollte bequemet, geschweige denn angeboten haben. Die Dorfgemeine zerbrach sich die Köpfe darüber in der Schenke, und der Edelmann im Konseil; aber umsonst.

»Seh' er zu, wie er da herdurch findet, Herr Magister Lektoris!« sagten Seine Gnaden als Sie sich vor den Bauren, die nicht wußten was sie mit ihrem Schweinevieh beginnen sollten, nicht mehr zu retten wußten.« Er muß Rath schaffen, so muß Er. Wofür hab'ich Ihn?

 


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