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Erich Mühsam, Schriftsteller, München, Akademiestraße 9
Ich wurde am 6. April 1878 als Sohn eines Apothekers in Berlin geboren. Im selben Jahr noch siedelten meine Eltern nach Lübeck über, wo ich meine ganze Kindheit verlebte. Ich besuchte dort das Katharineum, und meine Lehrer stellten mir ausnahmslos die ungünstigste Prognose für die Zukunft, da mir der Gymnasialbesuch herzlich wenig Freude machte. Aus der Untersekunda warf man mich wegen »sozialistischer Umtriebe« hinaus, durch ein Examen kam ich dann in die Obersekunda des Friedrich-Franz-Gymnasiums in Parchim (Mecklenburg). Von dort aus trat ich (1897) in meiner Vaterstadt Lübeck in eine Apotheke als Lehrling ein und absolvierte in der vorgeschriebenen Zeit mein Gehilfenexamen. Im Jahre 1900 konditionierte ich als Apothekergehilfe in Lübeck, Blomberg (Lippe) und Berlin.
Schon als Gymnasiast und Apothekerlehrling hatte ich begonnen, mich schriftlich zu betätigen und zugleich starkes Interesse an revolutionären Bewegungen gefaßt. Vom 1. Januar 1901 ab lebte ich als freier Schriftsteller in Berlin, wo ich in der Hartschen »Neuen Gemeinschaft« Fuß faßte. Hier gewann ich persönliche Fühlung mit Persönlichkeiten der Literatur und des revolutionären Lebens. In dieser Zeit lernte ich die anarchistischen Theorien Bakunins, Krapotkins, Proudhons etc. kennen und sprang mit beiden Füßen in die Bewegung ein. Als im Jahre 1908 Gustav Landauer die Thesen des »Sozialistischen Bundes« proklamierte, war ich der erste, der sich der neuen anarchistischen Richtung anschloß.
Mein Versuch, unter Vagabunden und Verbrechern sozialistische Aufklärung zu verbreiten, führte Ende 1909 zu meiner Verhaftung und im Jahre 1910 zu einem Prozeß wegen Geheimbündelei, der mit meiner Freisprechung endete. Verurteilt war ich im Jahre 1906 wegen öffentlicher Aufreizung, im Jahre 1909 wegen Beleidigung der Münchener Polizei. In den Jahren 1903 bis 1918 lebte ich ohne festen Wohnsitz bald in Berlin, bald in München und reiste in dieser Zeit auch viel in der Schweiz, in Italien und Frankreich herum. Seit 1908 lebte ich fast ohne Unterbrechung in München.
Ende 1903 erschien mein erster Gedichtband: die Wüste, Ende 1908 der zweite: der Krater. 1906 war ein Lustspiel: die Hochstapler erschienen und zwischendurch mehrere Broschüren und kleinere Schriften. Seit April 1911 gebe ich in München ein Monatsblatt heraus: Kain, Zeitschrift für Menschlichkeit, dessen einziger Mitarbeiter ich bin und worin ich zu allen sozialen, politischen, gesellschaftlichen und künstlerischen Dingen, die mein Interesse berühren, Stellung nehme. Die Zeitschrift ergänze ich noch durch einen jährlich erscheinenden Kain-Kalender. Anlaß zu diesen Gründungen gab mir der von fast allen deutschen Zeitungen und Zeitschriften um meiner Gesinnung willen konsequent durchgeführte Boykott gegen meine Produktion.