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Kaum hatte, im Frühling der Welt, begonnen
Der neuen Stämme rühmlicher Lauf,
Und die Zeit, die junge, zählte noch auf
Die ersten Tag' der Geburt nach der Sonnen;
Die Menschen und Engel, sich freuend im Stral
Der Natur, der dämmernden, lebten in Frieden
Auf hohem Gebirg und im sonnigen Thal;
Noch waren nicht Menschen und Himmel geschieden
Durch den Vorhang der Sünde; die Sorge war fern;
Die Erde lag näher dem himmlischen Stern
Als in diesen Tagen des Wehs und der Mängel,
Und die Sterblichen sahen im Himmelszelt
Verwunderungslos die Augen der Engel,
Die sich weideten an der unteren Welt.
Weh, daß selbst dann der Morgen der Erden
Durch Leidenschaft sollt' entweihet werden;
Daß, schlimmer noch, der unheilige Flecken
Sollt' Herzen von himmlischer Abkunft bedecken,
Und, Schlimmstes von Allem, des Makels Nacht
Durch Frauenliebe werden gebracht!
In dieser Blüthenzeit lagen am Abend,
Sich unter Gedüft am Gespräche labend,
An des Berges Hang, wo der scheidende Stral
Der Sonne noch schwebte, drei Jüngling' einmal.
Und wie sie blickten zum Himmel, allwo
Das Tagslicht mit leuchtendem Fittig floh,
Las man auf ihrem Antlitz, sie wären
Gekommen von jenen entlegenen Sphären, –
Geschöpfe des Lichtes, welche verkehren
Um Gott wie Mücken in Sonnenpracht,
Und jeden Augenblick Tag und Nacht
Durch ihre Lichtreihn pflanzen fort
Das Echo von seinem stralenden Wort.
Sie nahmen vom Himmel, noch öfter das Wort
Von den Augen, die weg sie gezaubert von dort,
Bis, allmählig vom Einfluß überwunden
Der sanften balsamischen Abendstunden,
Von der Blumen und Blüthen stillem Spiel,
Von dem schmelzenden Licht, das von Oben fiel
Wie an ihren ersten Verirrungstagen,
Jedweden drängte sein Gefühl,
Die Geschichte seiner Liebe zu sagen,
Der unseligen Stunde, die ihn verstieß, –
Dem Vogel gleich, der aus hohem Nest
Durch verführende Blicke sich locken läßt, –
Durch Lächeln der Frau'n aus dem Paradies.
Im Blick des ersten Engels, der sprach,
Am schwächsten der Abglanz des Himmels lag
Ein Geist von leichtem Thon, und bald
Ergriffen von irdischen Eindrucks Gewalt,
Der, selbst im Himmel, zunächst nicht trat
Dem Throne, sondern auf fernerem Pfad
In jene stralenden Schaaren sich reihte,
Die da kreisen durch die endlose Weite,
Und auf deren Fittig das göttliche Licht
Aus dem großen Centrum am dunkelsten bricht.
Von den Uebrigen war er, wenn selig und schön,
Doch der mindest himmlische anzusehn: –
Ein Wesen, an dem man noch Licht entdeckt'
Von Eden, doch verändert, befleckt,
Und über deß Antlitz nicht Liebe nur
Gesendet vernichtenden Hauch, vielmehr
Noch andere Erdlust gezogen daher,
Rücklassend ihrer Anwesenheit Spur.
Und als er das düstre Vergangne durchlief
Wie ein Grabdurchwühler, da seufzt' er tief;
Und indem er das Leichentuch nahm ab
Von jeder geraubten Hoffnung Grab,
Erzählt' er, was einst mit ihm sich begab.
Es war in einem Lande, so liegt
Weitab in dem goldenen Orient,
Wo den Aufschub der Nacht die Natur nicht kennt,
Und dem Tag, den Bräutigam sie nennt,
Auf der Schwelle des Himmels entgegenfliegt.
Einst Morgens auf irdische Botschaft gesend't,
Und mittwegs wählend, wo nieder schweben,
Sah ich aus dem blauen Element –
O Anblick so schön, doch zum Leid mir gegeben! –
Der schönsten Erdentochter Bild,
Verschleiert zur Hälfte, oder verhüllt
Vielmehr in des Baches Krystall, den reinen,
Der die jungen Reize, von denen er keinen
Verbarg, ließ geisterart'ger erscheinen,
Gleichwie sie etwa sich mögen entfalten
In des Traumes düstern Schattengestalten.
Erstaunt hielt ich an, und sah, wie sie hold
Die Welle, die sie wie Demanten umfloß,
Im Spielen um sich im Kreise gerollt,
Sich bewegend im Licht, das sie selber ergoß.
Als endlich ich leise mich abwärts ließ,
Um näher die Liebliche zu belauschen,
Erschreckte sie meiner Flügel Rauschen –
Ich fühlte durch jede Ader mir süß
Den Schauer rieseln, – an's Ufer sie floh
Des schmalen Sees, noch ihr Spiegel, allwo
Am Rand sie stand, dem Schnee gleich, den
Wir die scheidende Sonne röthen sehn.
Nie werd' ich diese Augen vergessen,
Das unschuldvolle Erstaunen, die Schaam
Auf dem schönen Gesicht, als unterdessen
In die Luft aufblickend sie wahr mich nahm.
Es schien, als wären Gedanken und Blick
Und Bewegung gefesselt im Augenblick,
Und eingewurzelt sie stand und bleich,
Der Sonnenblume am Bache gleich,
Das Antlitz gewendet zum Himmelreich.
Bedauernd die Staunende, beugt' ich mich sacht,
Wenn auch ungern von dieser Erscheinung mich wendend,
Um in der gebreiteten Flügel Nacht
Zu bergen das Feuer der Augen, die blendend
Nach ihr sich wandten, doch, wie ich empfand,
Für mich, für sie, zu heiß gebrannt.
Eh aber die ruhlosen Augen entsiegeln,
Und seitwärts lugen ich konnte, – sogleich
War das Mädchen dahin wie auf Windesflügeln,
Verborgen vor mir in des Waldes Gesträuch, –
Wie wenn den Mond, der im Volllicht schwimmt,
Eine Wolk' in die düsteren Arme nimmt.
Wie möchten Worte beschreiben die Macht,
Die Gewalt, die an mir seit diesen Stunden
Die Leidenschaft übte: – Tag und Nacht
Durchsucht' ich die Gegend, um Sie zu erkunden,
Und vergaß in Verfolgung der süßen Gestalt
Beruf und Himmel und Alles bald, –
Nur die Eine nicht, die im Strom ich sah,
Und den Traum von ihr, der mir immer nah.
Auch währt' es nicht lange, da ward mir das Glück,
Mich Tage lang ihr zu Seite zu sehen,
Den Worten lauschend, deren Musik
Wettstritt mit den Seraphgesängen der Höhen,
Wenn die Liebe durchglühet den Seraphgesang,
Wo nicht, ihn weit, weit überklang; –
In Augen zu blicken, wo, blau und schön,
Wie ein Aether durch schlummernde Wellen gesehn,
Für mich ein Himmel glänzte, mehr
Als mein eigener angebetet und hehr.
Was galt, da ich solchen Laut und Blick
Konnt' hören und sehn, mir des Himmels Glück!
Die irdische Luft, die ich athmete, ward
Gesegnet, indem Sie sie einsog mit mir;
Den Blumen, dem Himmel, die finster gestarrt,
Gab Liebe Helle, so lange Sie hier.
In der ganzen Schöpfung kannte ich nur
Zwei verschiedene Welten, – die eine, die schmale,
Geliebte und geweihte Spur,
Wo
Lea war; – die andre, die schaale,
Und weite, wüste, wo sie
nicht weilte.
Doch umsonst ein Antrag, den sie nicht theilte!
Obwohl, um von ihrem Aug' zu gewinnen
Nur ein irdisch Blicken, verirrtes Sinnen,
Ich gern hätt' abgerissen die Schwingen,
So an dem Rücken gefaltet mir hingen,
Und vernichtet die Trümmer in himmlischer Gluth, –
Doch blieb ich ohn' Hoffnung: rein und gut
Stand sie wie die Lilie da, um so weißer,
Als das Licht der Mittagssonne heißer;
Und wenn ich auch Liebe, herzinn'ge, gewann,
So war's doch als Sterblicher nicht, nicht als Mann;
Nichts Irdisches war in dieser Flamme,
Sie liebt' mich als Einen von himmlischem Stamme,
Aus jenem stralenden Orte, wohin
Sie im Traume so oft gelenket den Sinn,
Aus dem Himmel, zu dem sie Morgens gebetet,
Den sie staunend sah am Abend geröthet,
Sich Flügel wünschend, um aufzuschweben
Aus diesem schattigen Erdenleben
Zu dem freien und seligen Geisterweben.
Wohl gedenk' ich's, wie ich an ihrer Seit'
Einst saß zur rosigen Abendzeit,
Und sie, zu den Sternen sich wendend empor,
Die in dieser stummen erröthenden Stunde
Wie aus einem Brautbett hoben hervor
Die Häupter, sagte mit lieblichem Munde:
»O daß es doch mein Schicksal wäre,
Ein Geist zu sein der Sonnensphäre,
Dort oben wohnend in Reinheit, allein,
Wie alles so Glänzende wohl muß sein;
Mein einz'ger Beruf, zu stralen, zu beten,
Die Fackel am Lichte der Sonne zu zünden
Und mit ihrem Feuer den Altar zu röthen
Des Ewigen, welchen die Welten verkünden.« –
Ach, ein so schuldlos Mädchen, an Seele
Und Körper so frei von sterblicher Fehle,
Zu lieben war mein Beruf und Versünden,
Ja, Flammen für sie in der Brust zu empfinden,
Die die wildesten Gluthen überwinden.
O, hättet ihr nur den Blick geschaut,
Als zuerst auf der Lipp' mein Geständniß ward laut; –
Nicht Zorn, –
der kam nicht in ihr Herze,
Es war ein Anstrich von stillem Schmerze;
Ein Kummer, der ruhig und tief sich verhehlte;
Beklemmung, welcher die Thräne fehlte:
So sehr war das Herz bis zum Rand gefüllt
Und so durchschauert bei dem Bild,
Daß Engelnaturen, selbst ich, den vor Allen
In Liebe sie hegte, als sei er das Band
Von ihrem Geiste zum Sternenland,
Nun sollten aus reiner Glorie Hallen
Tief abwärts in die Sünde fallen, –
Die Sünde, die am bestimmt'sten verdirbt,
Die Sünde, durch die der Seele Schimmer
Am ehesten geht verloren und stirbt; –
Daß Sie, doch schwach und menschlich immer,
Sich sollte, wie der Taucher der See,
Auffittigen in die reinere Höh,
Indeß ich, himmelentstammt, ihr entgegen
Sollt' kommen in meinem Fall aus dem Segen,
Aus Licht und Himmel, von höheren Wegen
Sie niederwärts wenden, um mit mir zu trinken
Von der Salzfluth der Sünde und unterzusinken.
In dieser Nacht grad wurde mein Herz
Unmuthig ob innerem Brand und Schmerz;
Dazu war die Zeit des Verbleibens verflossen:
Schon meinten die glänzenden Wächter am Throne
»Die Wächter, Abkömmlinge des Himmels« – Buch Enoch. Auch bei Daniel werden die Engel Wächter genannt. »Und siehe, ein heiliger Wächter fuhr vom Himmel hinab.« (VI, 13.),
Wenn ein Meteor zwischen der niederen Zone
Der Erd' und ihnen aufgeschossen,
Es sei das leuchtende Gefieder
Von ihrem Gesandten, der kehre wieder;
Oft kam der mächtige Zauberspruch, –
An Boten gegeben, welche zur Erden
Vom Himmel ziehn, um gesprochen zu werden,
Wenn heimwärts zum Himmel ihren Flug
Wunsch oder die Stunde leiten mag, –
Auf die Lippen mir an dem unglücklichen Tag;
Und einmal war es so nah daran,
Daß der Mund das Zauberwort ausgesprochen,
Daß schon mein ausgebreitet Gefieder
In der Luft des Himmels zu spielen begann:
Doch schwach war das Herz, der Zauber gebrochen,
Unbeendigt erstarb das Wort; das Gefieder,
Bereit mich zu tragen zum Kreis der Brüder,
Sank schlaff und leblos wie vordem nieder.
Wie konnt' ich scheiden aus einer Welt,
Die, ob Sie errang, ob verlor mein Lieben,
Sie höher als Heimath und Ruhm mir gestellt?
Wie entfliehn, wo noch Aussicht und Hoffnung geblieben,
Selbst
die, daß durch diesen verderblichen Blick
Ganz unterzugehn mich zwäng' das Geschick?
Nichts frug ich, wohin mein Pfad mich führte,
Wenn nur hin, wo Sie athmete, blickte, sich rührte; –
Mit ihr weit süßer Tod, Untergang, Weh,
Als ohn' sie die Wonnen der himmlischen Höh.
Doch zurück – es ward an demselben Tag
Gehalten ein fröhliches Festgelag,
Zu dem in scherzenden munteren Zügen,
Wie Blumen die sich im Sommerwind wiegen,
Die jungen Schönen der Erde fliegen.
Und Sie, denn auch die Einz'ge war nah,
Stand unter den Holden die Holdeste da,
Obwohl an der Stirn ich die Schatten noch schaut',
Womit ich dieselbe am Morgen umgraut,
Der erste, den jemals Schaam, den Weh
Geworfen auf diesen Frühlingsschnee.
Mein Herz war berauscht, ich gab den Sinn
Der tollen und wilden Lust dahin,
Dem Strom von verzweifelter Fröhlichkeit,
Die diejenigen, welche nie empfunden,
Wie auf solche Weise sich mag bekunden
Der Ausbruch des Schmerzes, halten für Freud', –
Trübsel'ge Verstellung von Leben und Lust,
Wo den Aufblitz verursacht der Kampf in der Brust,
Den die Leidenschaft führt, – wie das Licht, so springt,
Wenn ein Paar im Gefechte die Schwerter schwingt.
Dazu goß jener Erdensaft,
Der Fluch und Segen für Hirn und Herz,
Der Zaubertrank, der Gebilde voll Scherz
Von schönen verbotenen Dingen erschafft;
Deß Tropfen, gleich denen vom Regenbogen,
Auf den Nebel lächeln, der uns umzogen,
Und, während die Erd' sie erhellen, zugleich
Umspannen das ganze Himmelreich, –
Nun zuerst ergoß der Becher verderbend
Den dunkeln Thau durch die Lippen mir hin,
In Finsterniß hüllend das Licht, das sterbend
In meiner verlorenen Seele noch schien,
Und mit solchem wilden Traumgeflimmer
Und verbotenen Wünschen sie füllend, wie immer,
Wenn die Stralen des Himmels entfernt, uns umziehn, –
Dem Irrlicht gleich, das den trügrischen Tanz
Beginnt, wenn vorüber des Tages Glanz.
Nun höret das Weitre – das Fest war geschwunden,
Ich sucht' in gewohnter Laube sie auf,
Wo wir, wenn geendet der Tageslauf
Und die Welt entschlummert, allein uns gefunden
Zu denselben stillen und mondhellen Stunden.
Ich traf sie dort, ach wie so schön!
Daß unglückliche Engel auch müssen sehn!
Warum gibt's Blumen nicht schön wie Frauen
Zu pflücken in jenen Himmelsauen?
Noch wandte ihr Haupt wie gewöhnlich sich hin
Zum geliebten Stern, der mit reinerer Zierde
An diesem Abend zu brennen schien;
Sie selbst, wie sie blickte, stralt' höher, als würde
Der Planet zur Urne, aus der die Augen
Der Jungfrau flüssige Helle saugen.
Es war ein Zauber von Heiligkeit
Und Tugend über sie ausgegossen,
Der, wär' nicht von giftigem Rausche durchflossen
Das Hirn mir gewesen, mich festgeschlossen,
Als wenn ich in Gottes Näh mich befand.
Selbst jetzt, mit der Seel', die in Flammen stand,
Mit Lippen, in eigenen Seufzern entbrannt,
Wagt' ich nichts weiter als mit Grauen
Und Schaam die Betende anzuschauen –
Die Erinnrung an Eden kam über mich, da
Ich in diese heiligen Augen sah;
Und obwohl ein jeder Blick, den ich erließ,
Dem bleichen zitternden Mädchen bewies,
Wie fern von irgend Göttlichen war,
Von Dem, was werth für so reinen Altar,
Die Liebe, die mir das Herz zerriß,
So mußte doch auch sie gewahren – o ja,
Der Gedanke beruhigt, daß sie es sah! –
Die seelengefühlten zärtlichen Triebe;
Die Huldigung einer Engelsliebe
Für Sie, die, nur Sterbliche, reinere Flamme
Hob über den Engel vom Himmelsstamme;
Die Unterdrückung des innern Streits
In einem Geist voll von sündigem Reiz,
Der zu dieser Stunde thätig in mir: –
Als ich mit einer Stimme, worin
Die Leidenschaft goß den tiefen Sinn,
Der der Schwermuth eigen, sagte zu ihr:
»So sei es denn, da zurück zu dem Aether
Ungeliebt, unbeklagt ich muß entschweben,
Und ohn' ein heiliges Zeichen, das später
Im einsamen Himmel mir Tröstung soll geben;
Ohn' einen Blick, wie sich Liebende schenken
Beim Scheiden, der selbst im Angedenken
Mir höher als Alles würde gelten,
Was von Glück mein harret in jenen Welten. –
O wenn dein Haupt nur Eine Minute
In diesem zitternden Arme ruhte;
Dein mildes Aug' zu dem meinigen säh'
Ohn' einen Gedanken von Unfall und Weh!
Laß nur einmal den Schauer mich rieselnd durchdringen
Von Lippen, zu lieblich, um vor mir zu zagen:
Und, wenn es zu viel, mir näher bringen
Den süßen Duft, den sie in sich tragen.
Nein, zittre nicht so – ein Blick – ein Wort,
Gib gütig sie nur, und ich fliege fort.
Sieh, meine Federn sind schon gehoben,
Und zittern nach ihrer Heimath dort oben.
So sei der Abschied – Mund an Mund –
Der Augenblick wird uns verziehen werden,
Und im nächsten spricht den
Zauber der Mund,
Der mich flügelt zum Himmel von dieser Erden.«
Wie Blumen vor dem sengenden Hauch
Des Südwinds zusammen sich ziehen, so auch
Die Maid, die, für sich bang und mich, im Pochen
Des Herzens stand, als ich so gesprochen.
Doch als ich das Wörtchen »Zauber« nannte –
Zu gut ruf' ich mir's in's Gedächtniß zurück,
Obwohl verwildert damals mein Blick –
Zum Himmel ihr Haupt und Auge sich wandte;
Mit einem Eifer, in welchem lag
Das Licht, so plötzlich über sie brach,
Rief sie: »Den Zauber! den Zauber! O sprich
Ihn aus, und ich will segnen dich!« –
Unwissend was ich that, erhitzt,
Und schon verloren, drückte ich
Auf ihre Stirne den brennenden Kuß,
Und nannte die mystischen Laut', die bis itzt
Noch vor keinem Geschöpfe von Staube klangen.
Doch schnell wie der Gedanken Erguß,
Als kaum es ertönt, war's aufgefangen
Von ihren Lippen, mit Augen und Händen
Sah ich sogleich sie zum Himmel sich wenden,
Und dreimal gen Himmel sprach sie es aus
Mit dem jubelnden Blick, den der Glaube trägt,
Wenn keine Wolke von Zweifel und Graus,
Kein Nebel in diesem Thale der Thränen
Zwischen ihm und seinem Gotte sich regt.
Ich sah sie in diesem Moment sich verschönen
Und geistig verklären, auf ihrem Rücken
Zwei Flügel prächtig wie
die sich dehnen,
Die die Engel am Throne des Ewigen schmücken,
Und deren Gefieder, als über mir sacht
Sie wegflog, in den Stralen der Nacht
Schon glänzte mit einem reineren Licht,
Das ich, ob der Farbe, in der es brannte,
Und die man findet hienieden nicht,
Als schimmernden Stral von Eden erkannte.
O heiligster Anblick! Nie vorher flog
So Stralendes – seit dem Tag, wo im Falle
Einst Luzifer von der Himmelshalle
Ein Dritttheil der Sterne nach sich zog
Doccnt Sancti (heißt es bei, Suarez VII, 7.), supremum angelum traxisse secum tertiam partem stellarum. –
In Erdenschönheit empor, zu ersetzen
Den Verlust an Licht und Himmelsergötzen.
Doch ließ ich ruhig sie von mir sich schwingen?
Rief ich nicht dreimal die mächtigen Worte,
Die uns zu des Paradieses Pforte
In dieser Nacht noch sollten bringen –
Ach! selbst für den Himmel zu große Lust –
So Seel' in Seel', als Brust an Brust?
Ich that's, ich sprach es fort und fort;
Umsonst, ob ich bat und die Hände gerungen:
Für mich war machtlos das Zauberwort,
Wie von dunkeln Ketten schien ich umschlungen,
Die immer, wenn ich versuchte den Flug,
Vereitelten jeden wilden Versuch.
Todt lagen die Flügel, so werden sie liegen.
Nach der beleidigten Gottheit Verfügen,
Seit jener traurigen Stunde, auf immer!
Es war bis zu jenes Sternes Schimmer,
Daß mein Auge ihre Spur begrüßte
Auf der Reise durch die erleuchtete Wüste,
Zu der Insel im blauen Firmament,
Zu der sich ihr Geist zuvor gewend't
So oft in Wünschen und in Träumen,
Und in deren lichterhellten Räumen –
So weiß die Gottheit die Reinheit zu lohnen –
Sie nun auf ewig sollte wohnen.
Einst – oder dacht' ich nur es mir? –
Fiel ein mitleidiger Blick von Ihr
Auf ihrem Flug zu dem Sternenrevier
Inmitten der neuen Geisterzier
Auf Den, der im Dunkel stand allhier,
Auf Den, deß Schmerz sie vielleicht noch theilt,
Wenn eitles Bedauern im Himmel weilt,
Und deß sie gedenket, wenn auf die Welt,
Die dunkle und ferne, ihr Auge fällt.
Doch bald war dahin der glückliche Traum,
Sie glänzte stets weiter und weiter im Raum,
Bis zu einem Punkt sich verkleinernd, der gleich
Den Flecken, so brennen am Himmelsreich,
Den Tropfen Lichts, die zuletzt von allen
Aus des Tags erschöpfter Urne fallen.
Und als sie endlich tauchte, weitab,
In ihr eignes unsterblich Gestirn hinab,
Und die angestrengten Blicke noch fingen
Die letzten welkenden Stralen der Schwingen:
In diesem Moment war mir geraubt
Das Licht der Lieb' und des Himmels zugleich,
Geburt ich vergaß und mein heimisches Reich,
Entweihte den Geist, und senkte das Haupt,
Und gab den groben Freuden mich hin
Der Erd', bis ich ward, was ich jetzo bin – –
Er beugte sein Haupt in verschämtem Gefühl,
Ein Gefühl, das von selber mochte verrathen –
Selbst wenn es die himmlischen Stralen nicht thaten,
Die durch sein verirdischtes Aeußere traten, –
Wie groß die Höhe, von der er fiel;
Die heilige Schaam, die nie vergißt,
Zu wie reinem Rufe sie einst erlesen,
Und deren Röthe sich noch ergießt,
Wenn die Tugend untergegangen ist,
Zum Zeichen, ihr Sonnschein
sei dagewesen.
Nur einmal während seines Berichts
Erhoben sich seine Augen, zu schauen
Nach jenen glücklichen Sternenauen,
Wo sie wohnt' in ihrer Laube des Lichts.
Nur einen Augenblick sah er, doch drauf,
Als ob er empfände tödtlichen Schmerz
Im Glanze derselben durch Hirn und Herz,
Zuckt' er und blickte nie wieder hinauf.
Wer war der zweite Engel? – Er,
Deß Blick durchdringend, deß Antlitz hehr',
Der, wenn er schaute zum Himmelszelt,
Mit scharfem Auge schien hinan,
Hinan zu durchspähn die unendliche Bahn,
Wo hinter dem Schleier der blauen Welt
Der Gottheit erhabne Geheimnisse liegen? –
Die Fittige glänzten, obwohl es Nacht,
In des Lichtes wechselnder Farbenpracht,
Das sie, von Eden noch hergebracht,
Aus sich selber schöpften in mancherlei Zügen:
Ein willengemäßer Ausfluß von Licht,
Das, wenn auch von früherem Glanze nicht,
Lebendig doch war und von solcher Macht,
Daß, glitzert' es über und über in Flammen,
Die menschlichen Augen zuckten zusammen.
'S war
Rubi, einst glänzend unter den Blüthen
Von jenen zarten und lichten Wesen,
Der
Erkenntniß Geister
Die Cherubim. Cherub bedeutet Erkenntniß. genannt, und erlesen,
Dem Gedanken, der Zeit und dem Raum zu gebieten,
Und untergeordnet nur Dem, deß Pracht
War gegen die ihre wie Tag und Nacht,
Und zwischen Dem und ihnen sich weit
Und breit ein Abstand dehnte, wie wäre
Die Reise von einer Inselsphäre
Nach dem irren Strand der Unendlichkeit.
'S war
Rubi, in dessen Trauerblick
Schlief mattes Licht von vergangenem Glück,
Und dessen Stimme, wenn süß, doch klang
In's Ohr wie das Echo auf einsamem Gang,
Das zuerst nach Jahren wiedererweckte.
Und wenn ein Lächeln sein Antlitz bedeckte,
So war's wie vom Mondscheinregenbogen
Die Anmuth, schön, doch von Blässe umzogen,
Die Sonnenkraft und die Verklärung verflogen.
Selbst seinen Stolz, der derselbe geblieben,
Sah man Schatten der Sorge beschwichtigend trüben;
Und obgleich sein Geist zu Zeiten kannte
Die Flammen von Zorn und Verachtung, so brannte
Er rasch wohl, doch nur kurz empor, –
Wie die letzten Gluthen, so lecken hervor,
Stark, doch nur bisweilen, aus Fenster und Thor
Von einem Gebäud', das die Flamme erkor.
So war der Engel, welcher nun brach
Das Schweigen, so über Alle gekommen,
Nachdem der Geist, der eben sprach,
Erzählt, wie das Paradies ihm genommen.
Und während ein heiliger Glanz, der schon lange
Verschwunden, ihm wieder durchstralte die Wange;
Und während der himmlisch tönende Mund
Nicht nur, auch Aug', Stirn, Locken und Mienen
Wie Abendrothwellen zu sprechen schienen,
That so er seine Begebnisse kund.
Ihr gedenkt wohl Beide des Tags, wo Er,
Vor Dem, was lebet, sich beuget tief,
Zu Eden's neuen Lauben her
Der Engel vorzüglichste Schaaren berief,
Um Zeuge des Einen Wunders zu sein,
Mehr als Mann, Stern, Engel und Sonnenschein,
Das noch auszuführen, bevor er sein Siegel
Auf die Welt als
vollkommen drückte; – zu sehn
Diese neue Vollendungsarbeit entstehn,
Die Krone der Schöpfung: als Augen der Frauen
Sich unter dem Rauschen der Engelflügel,
Die in Andacht kreisten, eröffnet, zu schauen
So Himmel als Erde zum Erstenmal,
Und von ihren Wimpern ein Schauer sich stahl,
Der durch jedes lebende Wesen so zog,
Wie das erste Licht den Himmel durchflog.
Könnt ihr's vergessen, wie langsam sich
Der erwachte Hauch der Seele schlich
Durch ihre vollkommne Gestalt, – die durchsichtig
Zu werden schien, als im Innern dann
Des Geistes Dämmerung leuchtete schön, –
Und die bei jedem Gedanken, der flüchtig
Aufblitzte, neue Huld gewann? –
So langsam, wie über Sommerseen
Wir des Mittags Zephyrlüfte säuseln
Und die helle schweigsame Fläche sehn
Mit immer neuer Anmuth kräuseln,
Abändernd des Himmels Spiegeltanz; –
Und wie des Abendlichtes Glanz,
Das über ein schönes Kirchlein sich hebt,
So den ganzen Tag im Schatten gefeiert,
Und, was von verschiedener Schönheit da schwebt
Allmählig und Stral nach Stral entschleiert,
Bis der Tempel in vollem Glanze steht,
Ein Haus des Segens, voll Licht und Gebet.
Könnt ihr vergessen die Rothe der Schaam,
Wie nach Eden's Zaubergarten sie da,
Nach See und Himmel um sich sah,
Und das Rauschen mancher Flügel vernahm,
Die Gottes Befehle weiter sandten;
Und die Augen der letzten Engel geschaut,
Die von einer Scene so lieb und traut
Nur zaudernd und ungern weg sich wandten?
Seit dieser Stunde, seit diesem Blick
Lag dieses neuen Wesens Geschick
Mit einem zaubergleichen Gewicht
Auf meinem Geiste; – früh und spat,
Was ich nur träumte, fühlte, that,
Verließ mich der Gedanke nicht,
Ob ein Unfall diesem Geschöpfe genaht.
Nicht Sie blos, nein, was von ihrem Geschlechte
Die kommende Zeit zum Tagslicht brächte,
Und was nur immer sollte entspringen
Von weiblichen, schönen und lieblichen Dingen
Aus so reinem Gemüth und Antlitz, erweckte
Des Herzens Sorgen; es blieb mein Quälen,
Daß ihre Gestalten, Gefühle und Seelen
Das tiefste Geheimniß der Gottheit deckte.
Es war mein Schicksal, sogleich, da gerufen
Mit den Engeln ich ward vor des Thrones Stufen,
Um Zeuge zu sein von der jungen Natur
Lenzausbruch durch dieser Sphären Prangen,
Durch diese Blumen des Lichtes, die, nur
Berührt vom Hauche des Ewigen, sprangen –
Es war mein Schicksal, stets noch empfangen
Durch irgend ein neues Wunder zu werden,
Ein Werk von erhabnen und einz'gen Gebährden,
Das die Seele mir hielt in des Zaubers Band
Und nicht
einen Gedanken und Traum mir sandt'
Als über den einzigen Gegenstand.
Der Wunsch zu wissen – dieß Dürsten ohn' Ruh,
Das, selbst wenn es gelöscht, nimmt zu,
Und entweder gesegnet wird oder verdammt,
Je nachdem die Quelle, woraus es stammt, –
Trieb mich mit ungestilltem Verlangen,
Gewißheit und Kunde zu empfangen,
Was sein wohl möchten die Wunderdinge,
Die mich hielten in des Zaubers Ringe,
Grund, Ziel und Quelle, in der sie enthalten,
Und ihre innerlichen Gewalten,
Als ob an dem Wissen mein Dasein hinge.
O, welchen Anblick gewährten die Sterne,
Als zuerst ich sie brennen sah in der Ferne,
Gleich des Lichts lebendigen Siegeswagen,
Um Götter auf ihrer Reise zu tragen!
Sie waren mein erstes liebend Verlangen,
Und unermüdet Tag und Nacht
Hab' ich schwebend in ihren Stralen gehangen,
Bis voll das Gefühl von der glänzenden Pracht.
Unschuldige Lust! Ach, wie viel Pein
Hätt' ich vermieden, wenn ich rein
In diesem Segen gelebt, und kein
Unstäter Stolz mich getrieben, kein Brennen,
Das Wissen, so Schuld und Weh gibt, zu kennen.
Oft – also forscht' ich nach den Spuren
Der Geheimnisse dieser Sternenfluren –
Auf meinem Morgen- und Abendgang
Bin ich die glänzenden Stralen entlang
Dahingeeilt, die zwischen der Sonnen
Und ihnen gleich Gewebe gesponnen,
All die verwirrten Glanzesfäden
In die Farben lösend, die eigen für jeden;
Dann schnell flog ich weiter, um auszuspähen
Die weitsten, vereinzeltsten, die da stehen
Gleich blinzelnden Wachen vor dem Revier,
Ob dem das Chaos lastet; und hier
Verfolgte ich mit stillem Flug
Durch die große Einsamkeit ihren Zug,
Indem ich alle und jeden frug
Nach der Seele, die in den Stralen er trug,
Und wünschend, es würde ihr Licht zu Lauten,
Damit sie mir, was sie fühlten, vertrauten.
Ja oft – so, eifrig war auf die Jagd
Nach den glänzenden Erben des Raums ich bedacht –
Oft folgt' ich, daß keinen Stral der Sphäre
Ich in der tiefsten Nacht verlöre, –
Einem fremden Kometen, der auf sich gemacht,
Zu besuchen entfernte Lichtesaltäre:
Und wohl noch gedenk' ich's, wie jubelnd ich sang,
Wenn von einem neuen Sternenheere
Der Glanz so frisch in das Auge mir sprang,
Wie wenn just aus dem Dunkel geboren es wäre.
Das war die sündenlose Wonne,
Mein Ehrgeiz damals, bei Tag und Nacht,
Eh die Welt der Menschen erblickte die Sonne,
Und der schönste der Sterne an's Licht war gebracht.
Den unter den Blumen der Himmeshöhn
Ich sah zur unglücklichen Stunde entstehn.
Von nun an war mir mein Wesen benommen,
Herz, Sinn und Seele abwärts gerichtet;
Und Der noch vor Kurzem sich aufgeflüchtet
In den Raum, wo Welten auf Welten glommen,
Und Der sein Gemüth beschränket fand
Sogar in diesem Stralenland:
Er konnte jetzo die niedrigsten Auen
Der dunkeln Erde segnen, wo Frauen.
Umsonst daß die Sterne der Höh wie zuvor
Von ihren Thronen mir winkten, – mein Ohr
Der Musik, der einst mich durchschauernden, lauschte,
Die meine Lieblingssphären umrauschte: –
Zur Erde, zur Erde flohn alle Gedanken
Der Seele, der halbverlornen und kranken, –
Wie ein Berg sein Haupt in den Himmel erhebt,
Wenn sein ganzer Schatten auf Erden schwebt.
Auch war, was so durch glühende Bande
Den Geist mir fesselte, noch nicht Liebe;
Noch weniger waren's die gröberen Triebe,
Um deren Flamme die Liebe fliegt,
Stets näher und näher, bis daß sie erliegt, –
Nein, Staunen, so wie's dem geblend'ten Verstande
Bei allen Werken der Gottheit zu Muth;
Dasselbe Staunen, welches nur schwoll
Von tieferer innerer Leidenschaft voll; –
Eine heftige, aber wandernde Gluth,
Die, wiewohl nicht Liebe, noch Verlangen,
Und wiewohl, wo holde Frauen prangen,
Sie blitzschnell mich überall mochte führen,
Doch einen Blick noch bedurft, ein Berühren,
Bis sie für
Eine aufgegangen.
So war es ferner mein rastlos Ziel,
Mein Wunsch, zu wissen, welches Gefühl
Wohl wohne in so holden Gestalten –
Nur einmal das Siegel zu entfalten
So vieler Huld, um die Seelen zu sehn,
So zu Augen gehören, die also schön;
Ob, gleich dem Stral der Sonne, der fliegt
In den Edelstein, so verborgen liegt,
Die Blicke nach Innen könnten lachen,
Um die Seele so hell wie sie zu machen.
All dieß trieb an mein sorgliches Irren,
Und was von der Frauen liebendem, schwachen,
Siegreichen Geschlecht ich erfuhr, – entfachen
Sollt' es noch mehr mein innres Verwirren.
Ich hatte
Eva, die Erste, gesehn,
So geboren in jenem Paradies,
Das Gott so glänzend werden ließ,
Um zu empfangen den ersten Stral,
Der aus ihren dämmernden Augen sich stahl;
Die reinsten Engel von ihren Höhn
Sich betend über sie beugen gesehn,
Es beneidend, daß der stolze Mann
Sich ihre ganze Liebe gewann.
Ich sah ihr Glück, so kurz, doch so schön!
Dazu ihr Verirren; das leichte Vertrauen;
Den schnellen Glauben an das, was bereitet
Sich wünscht das warme Herz und geschehn;
Das Bauen auf Worte, wenn sanft sie thauen,
Wodurch das zarte Geschlecht wird geleitet;
Vermischt mit dem Wunsche zu
wissen (wie tadelt'
Ich den, der mein eigner!), – ein traurig Streben,
Das Dem, der es hegt, muß Unglück geben –
Der, war auch rein vom Himmel sein Schweben,
Doch ihr und mir und
allem Leben
Schmach brachte und Sünde, nachdem er entadelt.
Dieß hatt' ich geschaut, den Mann geschaut,
Wie auch gewaffnet mit Weisheit und Macht,
Durch ihr erstes Wort zum Verderben gebracht;
Der gerühmten Weisheit Gegenwehr
Hinweggelächelt, wie'n Eisdamm, der
Im Strale des schmelzenden Sommers thaut.
Ja, was noch eigener, trotz dem allen,
Obwohl ihr Rath ihn brachte zum Fallen
Und trieb aus des Paradieses Hallen,
(Doch, dieß war wenigstens Wonne, sie
mit!),
Hatt' ich ihn nicht gehört, bevor
Er über die Schwelle des Himmels schritt,
Den er durch ihr verleitendes Lächeln verlor –-
So schnell war ihr das Unrecht vergeben! –
Hatt' ich nicht gehört, indem er mit Beben
Die Zitternde drückte an ein Herz,
Das sie verdammt zu Hader und Schmerz,
Sie nennen – denkt was – sein
Leben! sein
Leben?!
Chavah (Heva), der Name, womit Adam das Weib nach dem Sündenfalle benannte, bedeutet
Leben.
Dieß war der Name, den mit dem Munde
Der Liebe der Mann dem Weibe ertheilte
Sogar in dieser verworfenen Stunde,
Wo durch Liebeszauber der Fluch ihn ereilte,
Er heim ward gesucht mit jener Gabe,
Der schlimmsten und frühsten der Liebe – dem Grabe.
Sie, welche den Tod in die Welt gebracht,
Stand da vor ihm, noch vom Schimmer umlacht
Des verlornen Edens, der stralt' auf die Pracht
Der sonnigen Locken, so abwärts fließen
Den schneeigen Nacken bis zu den Füßen –
So schön von Gestalt, so lieblich von Herzen,
Und hold an Stimme, daß sich verschmerzen
Wohl ließe der Verlust, das Grab
Von Allem was theuer, nur ihres nicht,
Weil sie ihm von endlosen Lebens Licht,
So lang sie zugegen, den Anflug gab.
Konnt' ich umhin, zu bewundern ein Wesen,
Zu solchem Zauber auserlesen,
Dem die Allmacht ward, mit Gedanken und Blicken,
In Lust und Weh, in Unrecht und Recht,
Zu segnen oder zu berücken,
Zu verfluchen und retten das Menschengeschlecht?
Auch ließ der Zauber mit ihr nicht nach –
Denn alle Töchter, die nach ihr kamen,
Es waren nur Eva's mit anderen Namen,
Zu bezaubern so stark, als zu irren schwach,
Und sicher des Mannes in Preis und Schmach,
Der, was sie auch brachten, ob Ruhm, ob Gefahr,
Noch immer ihr blinder Verehrer war –
Die, wohin sie auch lächelten, Alles doch hätten
Gefesselt in ihres Zaubers Ketten,
Und in deren Hände diese Welt
Mit ihren Verhängnissen scheint gestellt
Nach des Himmels Fluch, um sie zu retten,
Wo nicht, zu verdammen, wie's ihnen gefällt.
Ich kann nicht sagen, wie lang' im Harm
Ich seufzte, um zu finden Eine
Hervor aus diesem glänzenden Schwarm,
Die an Form und Gemüth den Werth vereine
Des ganzen Geschlechts; die mich lehren sollte,
Wenn im Arm sie mir ruhte und ganz die Meine,
Die Gewalt, zu bezaubern und zu entflammen,
Und – wenn es also haben wollte
Mein unseliges Schicksal – auch zu verdammen;
In deren Seele Heiligthume
Ich dränge – wie die Biene hinein
Sich senkt in das tiefe Herz der Blume –
Um da die Blüthe, so hold und rein,
Zu plündern nebst dem Vollgehalt
Und des lieblichen Weibes Seel' und Gestalt.
Mein Wunsch ward endlich, mein heißes Gebet,
So den Lippen entschwebte – denn was entfährt
Der Zunge nicht, wo das Herz sich vergeht? –
Mein vorbedeutend Gebet ward erhört,
Doch, ob in der Höll', ob bei himmlischen Schaaren,
Drauf horcht, und ihr werdet
zu gut es erfahren.
Es gab ein Mädchen, geeignet vor Allen,
Die den Erdball wie höhere Wesen durchschweben,
Einem glänzenden Engel zur Lieb' zu gefallen,
Da sie selber so stralend und auserlesen.
Ihr stolzer Schritt, – so leicht war ihr Gang
Die unbewußte Erde entlang –
Schien der von Geschöpfen, die's Vorrecht genießen,
Ein höheres Element zu betreten,
Und zu gehn, wo sie sehen unter den Füßen
Bei jedem Tritt einen Stern sich röthen.
Es war nicht allein
die Lieblichkeit,
Die den wilden Sinn in Fesseln schlägt –
Von Lippen, deren Hauch schon weiht' –
Von Erröthen, dessen spielender Schein
Lichtvoller Gedankenflug schien zu seyn –
Von Augen, die, wenn durch Zorn erregt,
Aufblitzten, als ob sie in Feuer brännten,
Doch, durch ein Wort der Milde bewegt,
Sanft stralten, als ob sie schmelzen könnten
Wie der Phönix in ihrer eigenen Flamme –
Von einer Gestalt, so biegsam wie Sprossen
An einem jungen blühenden Stamme,
Doch rund und so von Gluth durchflossen,
Wie Frücht', ihm entfallend zur Sommerszeit; –
Es war nicht allein
die Lieblichkeit,
Die beigegeben dem lieblichsten Weib, –
Wenn auch Huld genug besaß ihr Leib,
Um mit der eigenen Fülle sogleich
Die andern zu machen an Schönheit reich: –
Es war vielmehr das edle Gemüth,
Das klar in der ganzen Gestalt sich verrieth; –
Die Seele, welche zum Licht gebracht
Jedweden Reiz, doch vom Gegenstand
Ganz frei, dem die Helle sie zugewandt;
So wie die Sonne, die Blumen umlacht,
Hell schiene, wenn auch nicht Blumen zugegen,
Auf die sie ergösse des Lichtes Segen –
Dieß war's, all dieses, in Einer beisammen,
Die unzähligen Künste und Blickesflammen,
So bilden der jungen Frauen Preis,
In ihrem ersten Verströmen, heiß,
Bevor nur
Eine Huld die Zeit
Hat angefröstelt; auch war ihr gegeben
Dasjen'ge Gepräg von geistigem Leben,
Das Reizen, sonst sinnlich und ungeweiht,
Den Ausdruck der Göttlichkeit verleiht –
Dieß war's, ein Verein, den die Hand der Natur
Für sie allein bewahrte nur,
Von Allem, was schmeichlerisch, geistreich, zart,
Wollüstig und groß in Engel-Art
Und in ihrer eigenen sich gepaart –
Dieß war's, was mich zu der Einen zog hin –
Die, wie ich, verwandt dem Himmel schien,
Meine glänzende Zwillingsschwester von Oben, –
In deren Liebe zusammen sich woben
Der beiden Sphären vermischte Freuden,
Was der Geist nur suchet im Himmel droben,
Und woran die Sinne auf Erden sich weiden.
O hätte – – doch still, hört jeden Theil
Von unserer traurigen Lebenskunde, –
Ob auch die Erinnerung schmerzt, wenn der Pfeil,
Der haftet, wird wiedergeregt in der Wunde –
Hört jeden Schritt, so voll Wonne, doch leider
Uns so verderblich, der bis zum Hang,
Dem äußersten, dunklen, uns führte, wo Beider,
Der Gefallnen, der Todten, Untergang.
Seit der ersten Stund', wo mein Auge sie sah,
Verließ ich sie nie, umschwebte den Pfad,
Ungesehn, bei Tag und bei Nacht, wo sie trat;
Und ihren einsamsten Träumen nah,
Vermocht' ich jeden Gedanken zu spüren,
Der glimmend im Herzen ihr lag, so hell
Wie Kieselchen in des Baches Well';
Und unter den zahllosen Dingen da,
Die in jungen Herzen das Feuer schüren:
Fruchtlose Wünsche; ein träumend Spielen;
Einbildungen, denen der Gegenstand fehlt;
Beflügelte Hoffnung, welche beseelt
Wenn gerufen; und Regenbogenwonnen,
Die endlich doch in Thränen zerronnen;
Und Leidenschaften, noch verdeckt
Und unter den reinsten Gedanken versteckt.
Gleich Schlangen, die sich durch Blumen wühlen –
Und unter allen diesen Gefühlen,
Gefühlt, wo junge Herzen nur leben,
Sah ich stolze Gedanken, und höheres Streben
Als je so zarte Seele verblendet;
Vorübergehende Blicke der Weihe
In die helle leere Zukunft; und freie
Großartige Phantasieen, gewendet
Wie der Adler Spiel nach des Himmels Bläue.
Dabei – daß fallen muß solche Seele
Durch die Kunst des Verführers in Schuld und Fehle! –
Ein Eifer für Wissen, wie nie er gehüllt
In ein so schönes Körpergebild
Seit der heillosen Stunde, wo Eva, erkoren
Zum Besitze jeglicher Edensfrucht,
Nur
einer nicht, lieber sie alle verloren
Als gelassen die Eine unversucht.
In Träumen war's, wo zuerst ich mich stahl
In ihr Gemüth mit sanfter Gewalt –
In's reiche Zwielicht der Seel', wo der Stral
Der Vernunft, so hinter das Wolkengrau
Der Sinne halb sich verborgen, nur fahl
Vergoldet jede Schattengestalt
An der Phantasieen seltsamem Bau; –
'S war damals, beim sanften Schimmer der Nacht,
Daß ich eitel Gebild' vor den Blick ihr gebracht –
Lichtblitze, verschwunden so wie erwacht;
Labyrinthe, welche führten zu Nichts;
Aussichten mit einzelnen Stellen Lichts;
Der Seligen Sitze, die offen standen,
Sich schlossen, zerflossen und spurlos schwanden;
Kurz, was nur die Hoffnung verlocken könnte,
Doch ihrem Fittig nicht Ruhe gönnte –
Ich selbst indeß in Engelsschöne,
So rein wie des jungen Mondes Saum,
Noch immer vor ihr in jedem Traum,
Der Zauberer jeder täuschenden Scene,
Die Hoffnung gab, dann Verderben bracht',
Die sprach: »Schau jene Welt der Pracht!«
Dann plötzlich den Schleier darüber senkte.
Als endlich ich merkte, wie sie lenkte
Die Gedanken, wenn sie schlief und wachte,
Nur auf diese Täuschungen und auf mich, –
Das Phantom, das also kam und entwich,
Sich halb nur enthüllend, und nur machte,
Daß ihre Neugier sich mehr entfachte, –
Und fand, daß durch so verschiedene Künste
Ihr Geist sich auf's höchste erreget hätte:
Da, bei nächtlicher Weile, an heiliger Stätte,
Die sie sich gewählet zum Gottesdienste,
In einer Grotte von Marmorstein,
So hinter ihr Gartenbeet war gestellt,
Durch die unsichtbarer Lampen Schein
Sich schlich und den ganzen Platz erhellt' –
Gleich jenem geheimnißvollen Licht,
Das die Seele, die selber wir sehen nicht,
Verbreitet über das Angesicht –
Da, während sie kniet' an des Altars Schrein,
Und fühlend, was Frauen fühlen mögen,
Wenn Gott
und Mann ihre Seufzer erregen, –
(Der Gedanken jeder, der je erschienen
Wie Sommergewölk im Dunstkreis umher,
Zu rein um zu fallen, zum Steigen zu schwer,
Lag in ihren Augen, Gebährden und Mienen) –
Da, bei dem sanften Licht, das tagte
Rundum, als wäre sein Stralenmeer
Von Ihr gehaucht, hört' ich wie sie sagte:
O Bild, das meine Träume sehn,
Du magst nun menschlich, göttlich seyn,
Selbst halb nur himmlisch, doch zu schön,
Zu himmlisch, je zu werden mein!
O wunderbarer Geist, der leicht
Den Schlummer und so lieblich macht,
Daß wachend Sein kein Sein mehr däucht,
Da mir im Traum der Himmel lacht:
Warum verlier' ich deine Spur,
Schau' ich dein Reich und dich? was hängt
Der Schleier, den ein Stündchen nur
Zu lüften, dann zum Tod mich's drängt?
Bevor von Wundern ich gewußt,
Wie du und deins, war längst erwacht
Ein Durst nach Licht in dieser Brust,
Den jetzt dein Blick zur Gluth entfacht.
Was Glänzendes besitzt die Erd',
Und was in Luft und See sich weis't,
Wie, es zu kennen, mich's verzehrt,
Und dich, dich, dich doch allermeist!
So tritt aus deinem Stralenkreis,
O Geist, hervor, und laß dich fromm
Als Gott verehren, oder heiß
Als Sterblicher umarmen – komm!
Bring' all dein Wunderblendwerk mit,
Gib, wenn ich wach, Erkenntniß mir,
Sonst lenk' zum Himmel meinen Schritt,
Wo nicht, zum – auch
dahin mit dir!
Gott oder Dämon, der das Buch
Des Wissens aufgeschlagen hat,
Gönn' mir – dann lebte ich genug –
Nur einen Lichtblick auf sein Blatt.
Bei diesen Schwingen, deren Weg
Führt durch ein Element, so voll
Don Gottes Hauch, daß, wenn sie reg,
Der Regung ein Gedank' entquoll;
Bei diesem Haar, durch dessen Gold
Der Wind des Paradieses süß
Vor Kurzem seinen Hauch gerollt
Und seine duft'ge Seele ließ;
Bei diesen Augen, deren Gluth
Bis in das tiefste Herz sich gießt,
Wie Abendröthe in die Fluth,
Und feuergleich den Leib durchfließt –
Beschwör' ich dich, leucht', wenn es wacht.
Auf mein entzücktes Auge her,
O Stralengeist, in dieser Nacht,
Nur Eine Nacht – und dann nichts mehr!
Erschöpft und athemlos, als sie gerufen
So glühende Worte, warf sie ihr Haupt,
Das müde, auf des Altares Stufen,
Als wär' ihm das Licht der Besinnung geraubt –
Bis, vom nahen Athmen von Lippen erschreckt,
Die ihre Seufzer hallten wieder,
Sie ihr Haupt erhob und mich entdeckt',
Der ich eben mich auf den Altar ließ nieder –
Nicht so, wie ich um sie geflammt umher
Voll göttlichen Lichtes in den Träumen,
Die jüngst sie hegte; geschmeidigt vielmehr
In Huld, wie sie eigen den irdischen Räumen; –
Die Blumenkrone, zu stralend für Hier,
War geblieben in jenem Sternenrevier;
Der Fittig lag an, wie der Fahnen Pracht,
Die der Friede gerollt und zur Ruh gebracht,
Und wie Herbstgewölk, das des Blitzes Feuer
In der Scheide verhüllt, statt zunichte macht
Eines jungen Gestirnes Aufgangsfeier; –
Nichts hatt' ich behalten, als was sich gehörte,
Daß der nahbare, doch ruhmvolle Gefährte
Des sterblichen Weibes es führe, – deß Blick
Gleich feurig auf ihren stralte zurück,
Deß williges Herz gab Gluthen für Gluthen,
Der die nämliche Sünde mit ihr erkor,
Und dessen Seele in diesen Minuten
Für Sie und ihre Liebe verlor,
Ach, mehr des himmlischen Lichtes, als jetzt
Selbst die Gewalt des Himmels ersetzt.
Und doch, die Stunde! – –
Hier schwieg der Geist,
Als ob die Worte den Dienst versagten
Den Gedanken, die wild von dannen jagten, –
Wie eine Saite, die unter dem Lied,
Das einem begeisterten Mund entsprüht,
Bei einer zu starken Berührung reißt, –
Indeß die geballte Hand auf der Stirn
Verrieth, wie Erinnerung wühle im Hirn.
Doch bald war's vorüber; – dieß Aufwärtsschlagen
Von versunkenem Feuer aus früheren Tagen,
Von einer stolzen Flamme der Rest,
Die sich nicht wieder erwecken läßt,
Ging bald vorbei, und der Jüngling, das Wort
An die glänzenden Brüder richtend, fuhr fort:
Es schwanden Tage wie Monde, und ob
Mein war, ganz mein, was ich liebte so heiß,
Dennoch, war ich glücklich? O Gott, du weißt,
Was
Glück ist bei Denjen'gen, die fielen,
Wie sie auch sich verstellen und lächeln und spielen.
Der bitterste Schmerz war's, der schärfer sich hob
Durch die Liebe selbst; – Glück, so von Gefühlen
Durchzuckt, wie der Blitzstral der Hölle flammt,
Hinfahrend in schmerzendem Gluthengewimmel
Durch den Lichtglanz, welcher sich senkt vom Himmel
Auf Diejenigen, so zum Fegfeu'r verdammt.
Das einz'ge Gefühl, das mir Freude schien,
Wenn nicht vielmehr mein einzig Entfliehn
Von schmerzlichem Elend, war, Sie, die so schön,
Meine blühende
Lilis glücklich zu sehn –
Sie, von Allem, was die Seele umnachtet
Als Schlimmes, die holde Quelle; nach der
Mein Durst noch immer feurig geschmachtet
Und den Reiz wie von Anfang gefunden so hehr! –
Sie glücklich zu sehn, –- indeß ich dachte,
Wie von früherem Glanz noch der Stralen Spiel
Mich umgaukelte, und von Ruhm, der zerfiel
An Ihr, die mein Mond, deß Licht ich machte,
Und bei welcher Verehrung sogar fand mein Schatte –
Dieß war Genuß, dreß der letzte und matte
Flugschimmer von Dem, was ich Freudiges hatte.
Und stolz war die Stralende, stolz erhoben
Ob Allem, was majestätisch sich zeigt
Im Frauenherzen; auch hätte sie nie
Vor Etwas die schöne Stirne gebeugt,
Was niedriger als der Höchste droben:
So hoch galt die Cherubliebe für Sie.
Auch die Sehnsucht, welche sich stündlich vermehrte, –
Der zuweilen sogar die Lieb' mußte weichen, –
Zu erfahren, was in den himmlischen Reichen
Unbekanntes es geb' und was hege die Erde;
Nicht blos, was Gott gefällt zu zeigen,
Auch, was unten er hüllte in Dunkel und Schweigen,
Damit es der Mensch
nicht nenne sein eigen –
Selbst dieses Verlangen, ach, das so bethörte
Und verderbliche, war, was ich stündlich nährte,
Entriegelnd solch ein Wunderheer
Vor ihren Gedanken, wie nie bisher
Entfließen hatte lassen sein Licht
Auf eines Sterblichen Angesicht.
In der tiefen Erde – unter der See –
Durch Feuerhöhlen – Einöden der Höh –
Wo auch immer das stumme Geheimniß den Schleier
Verbreitete: waren wir, ungetrennt
Mit uns die Liebe, wo wir schritten,
Heimisch in jedem neuen Element,
Und allwärts gewiß verehrender Feier.
Da lernte zuerst die Natur, zu schütten
Den Reichthum von jeglichem Königreich
Vor des angebeteten Weibes Füße,
Und zu sagen: »Alles ist dein, du Süße!«
Jetzt erst ward der Demant – Augen gleich,
Die im Dunkeln leuchten – ertappt, und gezwungen,
Mit seinem Glanz den Eroberertritten
Zu folgen der Schönheit, der stolzen und jungen.
Und jetzt erst ward die Perle befreit
Aus der rauhen Muschel der lichtlosen See
(Als wär' sie ein Geist, mit Gewalt gefeit
In widrige Form), und warf um den Schnee
Der Frauennacken ein Licht, das sie
Erborgte und zugleich verlieh.
Denn nie vergaß dieß Mädchen – wohin
Auch augenblicklich gewendet ihr Sinn –
Den Stolz auf Schönheit, der eigen auch ihr,
Noch jene gefällige seltene Zier,
Wodurch noch mächtiger wird erhöht
Der in Frauengestalt gefaßte Magnet.
Auch gab, wohin meine Flügel nur drangen
In rauschender Schnelle durch Lüfte und Höhn,
Es Nichts, was erhaben, seltsam und schön,
Das, wie schnell sich auch ändern mocht' ihr Verlangen,
Ich nicht suchte mit liebender Sorg' zu erspähn;
So daß, als staunend ihr Blick einst lief
Dem Gang eines Sternes nach, ich rief:
»Nein, blicke nicht dorthin, mein Leben,
Ach,
kann ich dir ihn doch
nicht geben!«
Doch jene sichtbaren Wunder nicht nur,
Die unverschleiert im Reich der Natur
Wir fanden, und die gleich Lichtern rund
Umhangen ihren Zaubergrund:
Auch, was ätherisch und nicht-erschaut
Fernab vom menschlichen Geiste graut,
In Selbstverständniß eingehüllt –
Das Geheimniß von jenem Schöpfungsbronnen,
Dem jeder Lebensgeist entquillt
Und jeder Lebenshauch, wo auch ergossen
Durch Menschen und Engel, Blumen und Sonnen –
Des Allmächtigen Walten, wie seiner Hand
Ob dem Chaos sich die Welt entwand,
Indeß er aus jenen dunkeln Räumen –
Wie Farb' auf Farb' der Regenbogen
Auflacht aus Nebelwolkensäumen –
Allmählig sah werden das große Bild! –
Das Bündniß, das Gott mit dem Menschen geschlossen –
Des Schicksals Ketten, die er gezogen
Um sich hat wie um sie, bis daß
Dereinst sein hoher Beruf erfüllt, –
Bis Gutes und Böses, Liebe und Haß
Geläutert werden nach Sünd' und Schmerz,
Das Schicksal verliert die Kette von Erz,
Und Alle frei, leuchtend sich ringen los:
Dieß waren die aus der Tiefe Schoos
Geschöpften Geheimnisse; ein'ge vielleicht,
Die noch tiefer lagen und mehr bethören
Als jene – so weit der Gedanke der Frauen,
So weit ein Geist, der gefallen, reicht –
Die sie wagte zu lernen und ich zu lehren.
Bis – von solcher unirdischen Weisheit erfüllt,
Und mischend das reine Licht, das ihr entquillt,
Mit Dem, was zuvor Phantasieengebild
In falsches Farbenspiel gehüllt –
Die Jungfrau mit begeistertem Laut
Ihr eignes dunkles Geschlecht erbaut,
Das von seinen halbgeschmückten Altären,
Wo zur Sonn' es sich wandte, enteilt', um zu schauen
Des Mädchens Antlitz, verklärt und traut.
Und obwohl nur verworren war, was sie sprach:
Doch durch dieß Spiel von Irrthumsrauch,
Das von der Phantasie zu hehren
Gestalten gekräuselt wurde, brach
Manch Stral des wahren Lichts, manch Hauch
Der Dämmrung, der zwar die Welt nicht erweckte,
Wohl aber aus ihrem Traum erschreckte.
O, manche geheime, erhabene Wahrheit,
Die vor Menscheneinsicht die Gottheit gern,
Bis es Zeit, gehalten dunkel und fern,
Ward in diesen Offenbarungen Klarheit,
Die schon, eh Gott kam, uns zu erlösen,
Jahrhunderte angedeutet gewesen –
Es ist die Meinung einiger Kirchenväter, daß die Kenntniß, welche die Heiden von der Vorsehung Gottes, einem zukünftigen Leben und von anderen erhabenen Lehren des Christenthums besaßen, herrührte von vorzeitigen Offenbarungen, die diese gefallenen Engel den Weibern der Erde gemacht hätten.
Wie halb das unvollkommene Licht,
Das vom Zodiakus dämmernd fällt,
Den zweifelhaften Osten erhellt,
Eh heran der wirkliche Morgen bricht.
So enteilten einige Monde der Wonne,
Der Wonne für Sie, die in Himmel und Erd'
Nichts sah als Lieb' und Wissen genährt,
Und in deren Aug' und Seel' ich den Werth
Besaß der goldenstralenden Sonne,
Der ich war das Licht der Tiefe und Höh,
Der Geist von Land und Luft und See;
Deß Einfluß, überall mitgetheilt
Von ihrem Herzen, als Centrum, sich
Nach dem äußersten Ende der Welten schlich –
Indeß durch diese Welt sie so kühn
Und so rasch, ungezügelt, dahin war geeilt,
Daß die Erde zurückgelassen schon schien,
Und sie im Geist, der zum Höchsten sich sehnt',
Schon die Thore des Himmels sah angelehnt.
Glückselige Schwärmerin! Noch, o noch –
Trotz der sterblichen Schauer in meinem Gemüth,
Trotz der Sorg', die mit doppeltem Antlitz sieht
Nach Vorn und Hinten, die schwarz umgraut
Und trostlos so Gestern als Morgen schaut –
Trotz alles dieses hatt' ich doch
Vergessen, trunken von ihrem Blick,
Ein jedes Uebel und Mißgeschick,
Und, wenn nicht vergessen sein
wollte das Leid,
Es geduldet ohn' Murren und Bitterkeit.
Wenn ich der beleidigten Gottheit gedacht,
Der Sünde, die mir, wie ich wußte, nie,
Indeß ich getaumelt in ihrer Nacht
Den jähen Pfad, der Himmel verzieh;
Wenn dieser Gedanke mein Herz durchschnitt,
Deß Weh all Erdenpein überschritt –
Ein Weh, Denjenigen überblieben,
Die Alles wissen, die Tugend lieben
Und kennen, indem sie fallen müssen –
Selbst dann besaß, war Sie zugegen,
Sie die Macht, zu beschwichtigen, zu versüßen,
Ja selbst mir zu gewähren Segen, –
Wenn ja der Segen zu pfropfen weiß
Auf einen so bittern Stamm sein Reis; –
Selbst dann, wenn ihr Lächeln auf mir geruht,
Gab mir's, wenn nicht Heilung, doch Glanz und Gluth, –
Gleichwie ob der empörten Fluth
Der Mond zwar hellt den Wellenschlag,
Doch ihn zu stillen nicht vermag.
Oft auch durchzog und entmuthigte mich
Die Furcht, die Jeden, der liebte, beschlich;
Der Schreckensgedank', daß der Gegenstand
Der Lieb' sei verfallen des Todes Hand –
Der Verzweiflungsgedanke, welcher so leicht
Die glücklichsten Stunden und Pfade beschleicht;
Der über die glänzendsten Dinge streut
Den Todesschatten der Bangigkeit,
Ankränkelt die Blüthe des Kinds, und zur Gruft
Die Häupter junger Liebenden ruft.
Dieß Aengstigen, Allen so traurig, für mich
Am traurigsten, durch den Gedanken, daß ich
Fortleben noch muß, wenn sie verschwunden,
Spurlos, wie der Schnee, der vor wenigen Stunden
Auf das Meer hinrieselte seine Flocken –
Daß der Himmel auf alle Erdenbürde
Nicht das letzte Siegel mir drücken würde,
Und ich, ohn' daß die Pulse stocken,
Den Todesschmerz ewig fühlen sollt' –
Selbst dieß, wenn Sie hold liebkosete, hold,
Wie jemals nur ein süßes Band
Um Herz und Herz sich innig wand –
Vermochte sie wegzuzaubern: es konnte
Vor ihren Blick kein Wölkchen sich stellen,
Und geschah's, so sah man so licht es sich hellen,
Daß das Dunkel sich zur Glorie sonnte.
Ihr Athem, schien's, war so frisch und rein,
Als könn' er nicht stocken in Grabes Schrein; –
Und, ihre Stimm', – o wer zweifelte, Sie
Sei fähig, solche Töne zu singen,
Gleich der rollendem Sphären Harmonie,
Zu süß, um jemals zu verklingen.
Auftaumelte beim Berühren und Beben
Von ihren Lippen ambrosisches Leben –
Wie solches, das in Früchten quillt,
Die mit Eden's köstlichstem Thau erfüllt –
Bis endlich mich der Gedanke durchfuhr,
Es wären geworden die Lippen, die nur
Als irdisch ich geliebt und gekannt,
Den meinigen himmlisch anverwandt.
Doch, Solchen, belastet von schwerer Schuld,
Lacht lange nicht des Glückes Huld.
Auf Sie sank auch der Schatte der Schmach,
Der schon auf ihrem Versucher lag, –
Der Schatte des Tods, der zum Welken bringt,
Wohin nur immer er fällt und dringt. –
Sie sank schon zu tief, als daß sie vermieden
Die Zerstörung, welche der Sünde beschieden.
Horcht auf, und sind in Euren Herzen
Noch Thränen, weint sie meinen Schmerzen.
Der Abend eines Tags war gekommen,
Der uns in Liebe hingeschwommen,
In demselben Garten, wo Nichts sich geregt,
Wo meinen Kranz ich abgenommen
Und jene Flügel zusammengelegt,
Die für menschlichen Blick zu hell gebrannt;
Wo zuerst vor ihren Blicken ich stand
Und mich – o Entzücken, das selbst im Schmerz
Nicht kann vergessen dieses Herz! –
Wie nur Gott sein sollte, verehret fand,
Und, wie nimmer ein Mann, in Liebe gehegt.
In dem nämlichen Garten saßen wir itzt,
Gedankenvoll auf den Arm gestützt;
Ihr Auge war zum Himmel gekehrt,
Und ihr Antlitz schien wie still verklärt
Von Gedanken, die durch ihr Innres geblitzt.
Es war ein Abend still und helle,
Wie je nur er röthete Laube und Welle,
Und der Himmel lächelte mild und schön,
Als könne
jetzt nichts Böses geschehn.
Doch, ich entsinne mich's, Wehmuth umspann
Uns das Herz, als wir sahn zum Himmel hinan;
Selbst Sie, so heiter und leicht erfreut,
Empfand der Stunde Feierlichkeit,
Der hehren und stummen, und glaubte, daß nicht
Allein nun schwinden werde das Licht,
Vielmehr nun Alles untergehn
Und im Tode scheiden, was hell und schön, –
Der letzte Sonnenuntergang,
Groß, ruhig, der selbst die Natur verschlang.
Doch dann, als hätte, jäh erweckt,
Ein Gedanke sich ihrer Brust entrungen –
Wie ein Vogel, vom Tagslicht aufgeschreckt,
Aus seinem Traumnest sich aufgeschwungen –
Wandt' sie ihr dunkles Auge zu mir,
Erweitert zu jener vollen Zier,
Die, verströmend
noch mehr Seel', es bekam
Nach Vorwurf, bei Erstaunen und Gram;
Und indeß auf dem Haupte mir spielend lag
Ihr Händchen, lächelte sie und sprach:
Von Dir träumt' ich in dieser Nacht,
Ach, einen jener Götterträume,
Die mich wie Minnesang umlacht,
Eh dich entsandt des Himmels Räume.
An deiner Stirn derselbe Kranz
War wie von Sternenlicht durchschossen;
Die Flügel, die nun ohne Glanz,
Gleich Meteoren um dich flossen.
Hell wie in jenem Traumgesicht
Erschienst du, so zur Lieb' geboren
Als Anbetung, ausathmend Licht,
Wie Blumen Duft aus allen Poren.
Zu deinem reinen Herzen da
Fühlt' ich mich plötzlich angezogen,
Und schien, als ich so traut dir nah,
Von jenem Hauch und Duft umflogen.
So angeschmieget, ging der Hauch
Von deiner Himmelsseel' in meine,
Und – o zu großes Glück! – ich auch
Ward Geist wie du, der Engel Eine.
Wozu hat mich das Licht umlacht,
Wenn, nun ich wach, es hin, umdunkelt?
Wann tritt mein Cherub
so in Pracht
Vor mich, wie er im Himmel funkelt?
Wann wird im Wachen mir die Lust,
Die höchsten Reize zu erschauen,
Zu halten dich an meiner Brust,
Ohn' Wolkendunkel, Erdengrauen?
O welch ein Stolz zu sagen – dieß,
Dieß ist mein Engel – kommt ihn sehen,
Ganz göttlich, rein, wie er verließ,
Mein, ganz nur mein, des Himmels Höhen!
Denkst du, daß
Lilis, wäre sie
Wie du entschwebt den Sternenauen,
Nur Einen Reiz, den dir verlieh
Der Himmel, dir verwehrt zu schauen?
Nein, nein – drum, wenn du liebst gleich mir,
So woll', o Geist, zu mir dich wenden
In deiner schönsten Götterzier,
Und fürchte nicht, mein Aug' zu blenden!
Zu lang' schon hab' ich angeschaut
Dieß Aug', das jetzt schon feurig taget.
Mein Blick, dem Sonnenglanz vertraut,
Das Größre anzuschaun nicht zaget.
Drum zweifle nicht an mir – wer weiß,
Ob dieser Traum nicht wird zur Wahrheit,
Mein Geist in deinem Stralenkreis
Berauscht sich hebt zur Himmelsklarheit?
O könnt' ich einmal fühlen nur
Der ausgedehnten Flügel Flamme!
Neu würden dann Gestalt, Natur,
Und ähnlich deinem Götterstamme.
So sprach die Maid, – als wär' sie gewöhnt,
Daß nimmer Etwas ihr abgelehnt,
Als würde von ihr der Einfluß gespürt,
Den über jedes Geschöpf sie geführt,
Und als ob, wenn selbst zum Himmel nicht steigen,
Sie ihn doch könnte abwärts neigen.
Nur wenig sah
Sie – und auch ich, selbst ich,
Deß Seele, in die Dunkelheit
Der Sünde halb nur eingeweiht,
Dem Planeten, auf dem wir lagerten, glich,
Deß Scheibe nur halb der Sonne entwich –
Nur wenig sahn
wir das Schicksal voraus,
Das herbe – – doch wie, kann ich sprechen es aus?
O Himmel! Solche Schmerzen verkünden,
Heißt sie von Neuem sehn, empfinden!
Doch
aus muß mein Herz den Kummer sprechen,
Es müßte, trauererfüllt, sonst brechen.
Ein dunkles Ahnen – gesteh' ich's – war
Für einen Moment durch die Brust mir geflogen:
Furcht vor einer unbekannten Gefahr,
Als könne für Einen, oder für Beid'
Aus diesem Verlangen erwachsen ein Leid.
Doch bald war das Vorgefühl verzogen;
Auch sah ich, was Ihr mich im Glanze des Lichts
Zu zeigen möchte verhindern, Nichts,
Es wär' denn die Angst, wie ihr Lid, das nicht
Gewohnt an den Himmel, ertrüge sein Licht,
Wenn unverborgen es sollte tagen.
Doch auch diesen vollen Glanz zu ertragen,
Gleich dem jungen Aar, der zur Sonne sich kehrt,
Hätt' wohl die Pflege der Lieb' sie gelehrt.
Auch wußt' ich: der Glanz, der vom Flügel mir floß,
Wenn am stolzesten er sich in Stralen ergoß,
War rein, unschuldig, gleich dem Flimmer,
Den das Johanniswürmchen hängt aus,
Die Gefährten zu locken durch diesen Schimmer
In der nächtlichen Laube grünes Haus.
Oft schwebt' ich ja in der Atmosphär',
Durch Wolken, in denen der Blitz schlief, daher,
Als wollt' er eben dem Lager entspringen:
Doch weckt' ich ihn nie, obwohl aus den Schwingen
Mir tausend glitzernde Funken stoben.
Oft auch, wenn um mich umher von Oben
Der gefiederte Schnee (den, weil er weiß,
In meinen reinen Tagen heiß
Ich liebte) fiel wie die Taube der Höh,
Die da wechselt ihrer Federn Schnee:
Blieb fleckenlos, doch voller Glanz,
An meiner Stirn der lichte Kranz,
So daß ein jedes Federhaar
Von seinen Blumen so schön und kühl,
So ungeschmolzen und zart entfiel,
Wie es darauf geflocket war.
Und bei
Lilis selbst – hatt' ich ihren Schlaf
Nicht im Glanz umschwebt, und dabei nicht vergessen,
Von den Reizen betäubt, wo ich einzelne traf,
Auf sie meine stralenden Lippen zu pressen?
Und war Sie aus diesem Schlummergekose
Am Morgen nicht unversehrt erwacht,
Wie die reine unbewußte Rose,
Die der Feuerwurm küßt in jeder Nacht?
Wenn selbst die von mir verbreiteten Stralen
Ihr tief in die träumende Seele sich stalen:
Die Gestalt, die schlummernde, regte sich nicht –
So geläutert war das Flammenlicht,
Das – schnell wie der Blitz, der die Klinge sprengt,
Doch die Scheide schonet, in der sie hängt –
Die äußre Gestalt zwar nicht versehrte,
Doch die Seele, die in ihr wohnte, zerstörte.
So durch Sündenblindheit getäuscht wie ich war,
Glaubt' ich, hier sei kein Grund für Gefahr.
Ihr Auge, schwarz und wunderbar,
Lag so auf mir, als sei ihr klar,
Ich könne mit Einem Zeichen und Worte
Erschließen ihr des Himmels Pforte.
Wie da mich weigern? wie etwas sagen,
Wodurch sie irre geworden wäre,
Ob jeder Stral, den ich abwärts getragen
Vom Himmel,
ihr nicht eigen gehöre?
Langsam erhob ich mich, auch Sie,
Ganz still und stumm, es bebt' ihr das Knie,
Doch aus Furcht nicht – nur unter sehnsüchtigem Pochen,
Zu sehn die Erscheinung, die ihr versprochen, –
Priesterinnen gleich, die mit wilder Hast
Dem Aufgang des Mondes entgegenharren,
Obwohl sie wissen, daß, wenn sie starren
In seine Stralen, der Wahnsinn sie faßt.
Mir fehlte nur die Stralenkrone,
Die, als ich zuletzt mich vom Himmel gesenkt,
Ich oben ließ – seht, wo in der Ferne
Die Wolken dort segeln gen Westen – da hängt
Sie noch, doch ähnlicher einem Stern
Als der Kron' vom gefallenen Himmelssohne; –
Sie fehlte von allen Glorien mir; –
Doch die helle Stirne; der Locken Zier,
Gleich Ranken aus der Sonne gewoben;
Die Augen, die die eigene Helle
Noch durch das Licht der Liebe hoben,
Und so in einer Flamme gebrannt,
Die ihnen vorher selbst unbekannt;
Die entfalteten Flügel, die Funken stoben
Gleich einer doppelten Stralenquelle
Und wie Sprudel sie schnell im Kreise versandt –
Was ich all nur besaß von himmlischer Tracht,
Von jener reichen Rüstung der Pracht,
Womit ein Cherub entgegenlacht
Im höchsten Reize, nahm ich zum Gewand;
Und stolz, daß ihr vor den Augen ich schritt
So glorreich, in ihre Arme ich glitt.
Die (obwohl bei dem Anblick plötzlich ihr Haupt
Auf die Brust gesunken des Lichtes beraubt)
Weit offen standen, an's Herz zu drücken
Die Gestalt, die Sie nicht konnte erblicken.
Wie
konntest du, Gott, ein solches Wesen
Zu einer so schmerzlichen Rache erlesen?
Wie konnte, Wer solche Reize geschaffen,
Sie sogar im Arme der Liebe entraffen?
Kaum hatt' ich die starre Gestalt berührt,
Als – o Entsetzen! – ich gespürt,
Daß die Funken von jener reinen Flamme
(Rein, während ich lebt' bei der Engel Stamme)
Nun waren geworden durch meine Versündung
Grob Erdenfeu'r, das, wohin sich's gewandt,
Sogleich mit so jäher Eile gebrannt,
Wie das Auge nur folgt der Blitze Windung;
Bis – o Gott, ich frage noch, weßhalb
Ihr Schicksal dieß? – ich in meiner Hand
Sie hielt, nun Asche, kalt und falb!
Die Wange, die nur zu schauen war Freud'; –
Die Lippe, deren Berührung so mild,
Wie der erste Trunk der Unsterblichkeit
Den Durst eines jungen Engels stillt; –
Die Arme, in deren sanftem Umfangen
Meines Herzens Umkreis, sein Verlangen,
Sein Himmel und Hoffen fand ein End';
Die selbst in diesem Schreckensmoment
Sich so zärtlich wie früher um mich schlangen,
Daß sie mich noch hielten, als schon sie gebrannt,
Und nicht lösen wollten das innige Band; –
Das Haar, das dunkel das Haupt umwob,
Und aus dem ein schneeiger Nacken sich hob,
Wie ein weißes Segel in Mondeshelle
Hervortaucht langsam über der Welle;
Das Haar, um das, wenn aus seinem Geflechte
Ich Eine Locke zu retten vermöchte,
Ich tausend Tode hätt' sterben mögen: –
All dieses, das noch so eben ich regen
Sich sah in der Liebe Duft und Segen,
Lag nun vor mir, wegwelkend und grau
Und ohne Regung, zur schmerzlichsten Schau;
Und mein, o Elend! mein die Gluth,
Die diese Verwüstung angerichtet, –
Und ich der Teufel, deß sündige Wuth
All diese Lieblichkeit vernichtet.
Wahnsinn ergriff mich – doch, noch nicht genug
Ist des Schlimmen! – Wär' nur der
Tod der Fluch
Gewesen, der ihr durch mich überkommen –
Hätt' dann das Verdammniß ein Ende genommen,
Als ihre Blüthe im Staube lag,
Und hätte der Geist von der schrecklichen Schmach
Nicht auch sein Theil geerbt: es wär'
So fürchterlich nicht – – – doch, nähert Euch mehr,
Zu schrecklich ist's, daß die Erde es hör'.
Just als ihr Aug', indem es brach,
Den letzten, schmerzlichen Abschied sprach,
Und in meines blickte mit – Ach,
der Blick;
Wie auch, was die Rache für Menschengeschick
Als Buße verhängt, wie die Hölle mag sein:
Die Erinnrung an diesen Blick bleibt
mein! –
Im letzten Kampf, mit erblaßtem Munde,
Drückt' einen Kuß sie mir auf die Stirn,
So verzehrend – ich fühl' es noch zur Stunde –
Gluth war's, doch Gluth, noch unsel'ger als meine,
Und ähnlich jener Flammenhelle,
Von der schaudernd sich wendet der Engel Reine:
Das ewige Element der Hölle!
Tief drang es, tief in mein Gehirn,
Mit Wahnsinnskraft, mit Marter und Schrecken,
Und hier – seht hier, das Mal, den Flecken,
Den der letzte Kuß der Sünde und Lieb'
Als Brandmal mir auf die Stirne schrieb –
Ein Mal, das selbst der Locken Wallen,
Die von ihm berührt zur Seite fallen,
Nicht im Stande ist, der Welt zu verdecken.
Doch, furchtbare Fürsicht, ist es so?
Kann Sie, die den Himmel selber geziert,
Wenn nicht Liebe und Stolz sie zur Sünde verführt,
Kann
Sie verdammt nun werden, – o,
Aussprechen kann ich's nicht, o nein,
Barmherziger Gott, so kann's nicht sein! –
Nie hätten göttliche Lippen den Spruch
Verkündet von so grausem Fluch.
Und doch, Ihr Blick –
der Blick, so umhüllt
Von Schmerz und so der Verzweiflung Bild –
Dieß wüthende Feuer, dessen Qual
Nichts gleicht in Himmel und Erden – dieß Mal –
Ach, – sieh, wie dieß Knie zum Erstenmal
Vor dir, o Macht, seit meinem Fall
Sich beugt: wenn auf Flehen, wie meines, sich wendet
Dein ewiger Rathschluß, o dann schenke
Verzeihung jenem Geist, und lenke
Auf mich, der ihren Stolz verblendet,
Die Schale des Schmerzes, für Sie bestimmt;
Gib, daß jeder Tropfe auf mich sich senke.
Sieh auch, wie mit mir im Staube sich krümmt
Ein Paar Verstoßne, die selbst zwar verloren,
Doch es wagen, zu senden zu deinen Ohren
Ein Flehn für die Arme himmelwärts.
Ach, sie kennen zu wohl, zu wohl den Schmerz,
Die Reue, das Weh, so die Leidenschaft
Selbst über Jene zu bringen hat Kraft,
Die vom Himmel empfingen das beste Herz,
Mit Weisheit begabt sind und lieblichem Scherz.
Wer hofft auf Rettung, wird solchen Seelen,
Wenn sie irrten, nicht verziehn ihr Fehlen?
Sie
wollten nicht irrgehn, ja selbst im Getümmel
Des Irrthums strebten sie nach dem Himmel.
Nochmals, du Gerechter, ruf' ich zu Dir:
Gib jenes Geschöpfes Leiden
mir!
Mein, mein sei die Schuld, die Qual! Um Ihr
Von einer Minute zu sparen das Leid,
Laß meines werden zur Ewigkeit! – – –
Hier hielt er ein, und zur Erde hin
Senkt' er sein pochend Haupt. Die Beiden,
Die mit ihm lagen auf den Knien,
Sie schienen, wie eignes, zu fühlen sein Leiden,
Und hauchten, beim stummen Schweigen der Nacht, –
Indeß die Lüft' im Vorüberschweben
Durch jene Fittige spielten sacht,
Die zur Heimath zurück nicht durften sich heben –
Aus dem Innern ein stummes Gebet hervor,
Das Niemand vernahm, als der Gnade Ohr –
Denn drang es
nicht zu der Gnade empor,
So wäre ja die Gottheit
Das nicht,
Was das All, durch das endlos die Lieb' sich ergießt,
Was diese Welt voll Schönheit und Licht
Und Güte verkündet,
das sie ist.
Sie knieten nicht lang', als aus dem Wald,
Der die Lufteinöde bekränzt, erschallt
Leis, ungewiß, ein Ton, als bebe
In glücklichen Gängen die Laute und schwebe
In neugeschaffner Phantasie –
So schwebt mit schmachtender Melodie
Die Ringeltaube über der Brut –
Kaum ahnend die Süße, die in ihr ruht:
Bis eine Stimme, die sich so gut
Mit dem sanften Ton der Laute verband,
Wie die Muschel sich eint mit Seeluft und Fluth,
(So war sich der Geist von beiden verwandt)
Begleitete zitternd den weichen Klang,
Aussprach sein Entzücken, der Schmerzen Drang,
Und die luftigen Flügel des Worts ertheilt'
Gedanken, die unter der Saiten Zwang
Sonst sprachlos und ungefiedert geweilt.
Sie fuhren empor bei dem Ton – doch zumeist
Der dritte junge Engelgeist,
Deß Antlitz, wie das der Andern verblüht,
Doch hehrere sanftere Spuren verrieth;
Als ob, nach dem Weh, das ihn betroffen,
Ihn noch nicht hätte verlassen das Hoffen –
Als läg' auf des Leidenkelches Grund
Die glänzende Perle der Hoffnung noch immer,
Um, wenn das Bittre getrunken sein Mund,
Ihn anzulachen mit neuem Schimmer.
Er besonders wandte sich nun, obgleich
Mehr Freud' in seinem Blick sich gemalt
Als Staunen, hin zu des Waldes Gesträuch,
Von woher die süße Stimme geschallt;
Froh, lauschend, sah er auf seine Genossen,
Indeß die Töne sich also ergossen:
»Komm, Seraph, der in Liebe mich umlacht,
Mein Engelherr, o komm', und bet' mit mir!
Vergebens rang die Lippe diese Nacht,
Ein fromm Gebet zu weihn der Himmelspracht:
Ob ich mein Knie gebeugt, ob aufgemacht
Die Lippe: beten kann ich nur mit Dir!«
»Ich hab' in meiner Laub' den Altarschrein
Genährt mit Weihrauchtropfen emsiglich;
Ich ließ ihn nicht des Sturmes Beute sein,
Doch trübe bleibt die Flamme, brennt nicht rein,
Als ob, gleich mir, sie keinen Lebensschein
Und keinen Glanz besäße ohne Dich.«
»Das Boot, um Mitternacht allein entsandt,
Zu treiben auf der dunkeln See dahin;
Die Laute, der die erste Saite schwand;
Der Vogel, der im Flug Verwundung fand
Und nun nicht mehr hinauf kann in sein Land;
Sie Alle sind, was ohne Dich ich bin.«
»So trenne Dich, geliebter Geist, im Tod
Wie in dem Leben nimmer denn von mir;
Und wenn Du wiederum im Sonnenroth
Durch Eden wandelst, schau auf meine Noth,
Und sei das Licht, das mir nur Schatten bot: –
Glücksel'ger
so, als lebt' ich fern von Dir!«
Der Sang war verstummt, als aus dem Wald –
Wo der luftigen Höhe er sich entwand
Bis zum Platz, wo sie wählten den Aufenthalt –
Aufglänzte plötzlich ein Licht, versandt
Von einer Lampe, die über Einen
Der Engel so sank auf sein Angesicht,
Daß dieser nach oben folgte dem Licht,
Als woll' er die Gruppe unten bescheinen.
Zwei Augen warfen dann ihr Gefunkel
Hervor aus dem dichten Blätterdunkel,
Wie nur Phantasie sie gewahrt in Gesichten,
Die umgaukeln des Dichters Abendgang
Und aus der Blätter düsterm Hang
Seine Träume von Himmel und Liebe lichten.
Es war nur ein Augenblick – denn die Rothe,
Die alle Züge des Mädchens gemalt,
Daß gesehn sie worden, allein, in der Späte,
Von andern Augen, als die sie gesucht,
Hatt' kaum auf einen Moment gestralt
Durch's Gebüsch, als schon sie ergriffen die Flucht,
Und verschwunden war wie ein Meteor,
Das plötzlich über uns glänzt hervor,
Und, eh wir: »Seht doch, seht, wie schön!«
Gesprochen, wiederum muß vergehn.
Doch, eh Sie verschwunden, trafen ihr Ohr
Die Worte: »Ich komme, o
Rama traut!«
Mit jenem freundlichen, herzlichen Laut,
Der von Vertrauen, von Heimath klingt;
Von Gewohnheit, die Herzen näher bringt,
Bis
eines sie sind; von der Treue Werth,
Und von Allem, was Liebe am liebsten hört.
Musik, die von der Vergangenheit,
Von der Gegenwart tönt und der künftigen Zeil,
Wo Erinnrung und Hoffnung zum letzten Moment
Den treuen Einklang des Lebens dehnt.
Er, den ein so gütiger Ton rief fort,
Blieb lang nicht zurück an diesem Ort;
Auch nicht nöthig schien's, daß er berichte,
Was die Andern, noch tiefer gefallen aus Glück
Als er, wohl kannten: die kurze Geschichte
Von seinem zarten Liebesgeschick.
Es folgt ihr Verlauf –
nicht, wie er sie berichtet,
Vielmehr, wie auf Tafeln sie eingeglättet,
Die, als die Sündfluth die Erde vernichtet,
Cham vor dem Untergang gerettet;
Die die schönen, doch trauererregenden Sagen
Der segenlosen Geister verkünden,
Die glorreich waren in jenen Tagen,
In deren Zahl wir auch diesen finden.
In der Zahl der
Geister von reinem Glanz,
Die um den Thron des Allmächtigen weilen –
Lichtkreise, die weit im schönen Kranz
Aus dem nämlichen ewigen Centrum sich theilen
Und die Stralen enttragen nach allen Seiten,
(Luftwellen gleich, die in die Weiten
Des Schalles Schwingungen fortverbreiten)
Bis der Stral, hinwirbelnd ausgeflossen,
Sich in das Unendliche hat ergossen –
Stehn zuerst und unmittelbar nah dem Thron,
Als wären sie Gottes Eigene schon,
Die
Seraphim
Die Seraphim sind die Geister der göttlichen Liebe.; ihr Panier ist umschrieben
Mit Flammenzügen: »Göttlich Lieben!«
Der Rang, die Ehre, die sie genießen,
Sind höher, als die man den
Cherubim weiht,
Die doch Alles wissen – so sehr überbeut
Lieb', selbst im Himmel, alles Wissen.
Unter diesen war
Zaraph einst – und Keiner
Fühlt' in der Lieb' ein Feuer, das reiner,
Und Keiner hat mit so tiefem Verlangen,
So schmachtend, wie er, an der Gottheit gehangen.
Lieb' war bei ihm, wie bei Anderen, nicht
Von seiner Seele blos ein Theil:
Lieb' war sein ganzes Ich, sie sein Licht,
Sein Lebenshauch und sein wahres Heil.
Oft, wenn von der Allmacht Antlitz ein Licht
Sich ergoß, das die Andern ertrugen nicht,
Und unter die Flügel die Seraphschaaren
Die Häupter gesenkt und so kühn nicht waren,
Auf den Lichterguß zu richten den Blick:
Da
suchte dieser Geist die Gluth,
(Die Bewunderung gab ihm solchen Muth)
Und eher, als daß er vermieden den Blick,
Ertrug' er der Blindheit Mißgeschick.
Dann auch, wenn Engelsstimmen sangen
Von ihres Gottes Barmherzigkeit,
Und die Harfen schlugen, um zu empfangen
Mit süßem Gruß die erharrete Zeit,
Wo zuerst die Schwelle des Himmels betrat
Ein Büßer, entwichen der Sünde Pfad:
Wie
Zaraph's Stimme so rein und voll
Dann über allen andern erscholl!
Lieb' schwebt' aus jedem Tone rein,
Lieb', wie sie nur vermag zu dringen
In Engelbrust, und aus dieser allein
Als solch ein Lied vermag zu klingen.
Ach, daß es immer doch ist gewesen
Im Himmel wie im Erdenthal,
Wo Nichts zu Glanz und Schmuck erlesen,
Dem sich nicht naht Gefahr und Qual –
Wo Recht dem Unrecht also gleicht,
Daß Das, was wir halten für Tugendgedanken,
Oft Nichts ist, als das erste Schwanken
Des Herzens, das sich zur Sünde neigt –
Wo Lieb' besitzet keinen Schrein,
Und sei er noch so heilig und rein,
Daß nicht die lauernde Schlange Sünde
Momente, selbst die sichersten, finde,
Wo unter ihren Altar sie schleicht.
So war's mit diesem Engel gewesen: –
Vom Tand zum Abhang und Fall getrieben.
Glitt leicht er weg vom Guten zum Bösen,
Vom vielen Lieben zum unrecht Lieben.
Sein Geist, liebtrunken, war gebunden
Durch der Schönheit Reiz, wo er nur sie gefunden;
Herab von überirdischer Flur
Stieg er, wenn ihn irdische Augen geblendet,
Bis die Liebe zum Schöpfer sich bald gewendet
In Verlangen nach seiner Kreatur.
Im Zwielicht, am Ufer des glatten Sees,
War's, wo er die Laute und Stimme von Der,
Die er liebte, zuerst hort' klingen daher
Ob den Silberwellen, die ohne Getös
Still ruhten, als wären sie selbst bemüht,
Durch kein Lüftchen zu stören das süße Lied,
Deß Echo's stets weiter und weiter drangen,
Bis unter dem Lichte sie verklangen,
Das am Meeresstrande schimmerte hold,
Da, wo über des Horizontes Gold
Des Tages reicher Wasserfall
Nach Elysium war hinweggerollt.
Von Gott ertönte des Liedes Schall
Und der Gnade, die neben Seinem Sitze,
Dem furchtgebietenden, immer stand,
Bereit, zu leiten der Rache Blitze
Auf ihre Beut', um mit schneeiger Hand
Auf dem Wege zu löschen ihre Hitze; –
Von Friede; – von jener versöhnenden Liebe,
Aus deren Stern, den die Zwielichtwelt
Der Hoffnung und Furcht mit Glanz erhellt,
Das Auge des Glaubens, thränentrübe,
Mit solcher innigen Zärtlichkeit lallt,
Daß mit jeder Thräne, die er geweint,
Das Licht des Liebegestirns sich eint.
All dieses sang Sie, und solche Seele
Der Andacht war in ihrer Kehle,
Daß der Engel, indeß sich stahl der Gesang
Zusein Ohr die lullenden Wogen entlang,
Und belauschend des Tagslichts sterbende Gluth,
Vermeinte, es käme die Stimm' aus der Fluth, –
Ein Echo, das irgend eine Fee
Zu Eden's harmonisch süßer Musik,
Die schwach nur vernommen unter der See,
Mit bezauberndem Wohllaut sandte zurück.
Als jedoch den schmelzenden Tönen er schnelle
War nachgefolgt bis zu ihrer Quelle,
Sah er, wie auf dem goldenen Sand
Des Seegestades ein Mädchen stand,
Zu deren Füßen die sterbende Fluth
In Seufzern warf den letzten Tribut –
Wie erschöpfte Sklaven im Osten die Gab'
Hinlegen und dann sinken in's Grab.
Und indeß die Laute stumm geruht,
Als ob sie sich zu messen geschämt
Mit der Fluth des Gesangs, der den Lippen entströmt,
Erhob Sie, gleich einer Verklärten, die Augen,
Die in ihrem Glanze eher taugen,
Anbetung zu finden als anzubeten,
Die wohl hatten geblickt
vom Himmel oben,
Doch vorher
zu ihm nie waren gehoben.
O Liebe, Religion, Musik, –
Was auf Erden nur übrig geblieben von Eden,
Die Segnungen, welche alleinig nur
Seit der Seelen Fall und Mißgeschick
Rückrufen der hohen Abkunft Spur –
Wie verwandt sind die Träume, die ihr reicht!
Wie freut sich die Liebe, obwohl geneigt
Zum Ird'schen, die Schwingen anzunehmen
Der Religion, wenn Zeit, wenn Grämen
Die eigenen hat befleckt und gebleicht!
Wie nah an der Liebe verlockendem Rand
Liegt zu oft die schlummernde Religion!
Indeß die Musik, die Musik ist das Band,
Wodurch sich Beid' an den Himmel gewandt,
Die Sprache der Heimath, deren Ton
Sonst ihrem Gedächtniß wär' entflohn.
Wie hätte
Zaraph nicht fühlen sollen
Des Zauberaugenblickes Macht?
Wo aus holdem Munde Töne rollen,
Die außer sich selbst den Himmel gebracht;
Und Sie in Gebet war versunken, woran
Selbst ein Seraphim Antheil nehmen kann!
Wohl
fühlt' er es, nur zu sehr; –
das Gefühl
Wär' besser fremd der Brust geblieben.
Auch wußt' er nicht, als er endlich fiel,
Durch welchen Zauber, durch welche Kraft,
Ob durch Musik, durch Andacht, durch Lieben,
Die Seel' ihm damals dahin ward gerafft.
Süß war, wenn auch theuer erkauft, die Stunde
Und, wie nur Etwas auf Erden, rein[?],
Als nun der Sonne goldener Schein
Zwei Herzen sah treten zum Altarschrein
Des Glaubens, gelobend, im Ehebunde
Zu leben und sterben, mit Herz und Munde.
Jetzt sah man der Frauen keusches Haupt
Zuerst vom Hochzeitskranz umlaubt,
Den, ist er einmal welk und geraubt,
Kein zweites Gelübde von Neuem kann winden; –
Ein holdes, von Engeln gewobenes Band,
Und würdig, zu kommen aus solcher Hand; –
Ein sichres Asyl, wo die Liebe, verbannt
Und gefallen von Oben, ein Heimathland
Auf dieser dunkeln Welt kann finden.
Und obgleich der Geist sich der Sünde ergab
Und vom Sitze der Seligen herab
Durch Frauenlächeln ward entrafft,
Zugebend, daß irdische Leidenschaft
Den Spiegel des Herzens, wo Gottes Bild
Sonst hell geleuchtet, trüb umhüllt: –
So blickte doch dieser Gott so mild
Nie auf den Irrthum herab; nie sah
Die Gerechtigkeit her, wo der finstere Blick,
Den sie warf, dem Lächeln war also nah.
Denn edel war ihr Liebesglück,
Mit Ehrfurcht und Zittern bewahrt gleich Schätzen,
Die ihre nicht waren nach den Gesetzen,
Die sie nur bewunderten mit Entsetzen,
Um ihren Werth mit Thränen zu netzen.
Demuth, die tiefe Wurzel, aus der
Entspringt der himmlischen Tugenden Heer,
War in Beider Herzen – in
Nama's Brust
Doch am stärksten, für welche
der Reiz,
die Lust,
Um die ein Himmel verloren ging,
Schien ungekannt und werthlos Ding.
Wenn ihr Seraph begegnete ihrem Blick,
Und den ihren sie barg und senkte zur Erden,
Demüthigte der Gedanke ihr Glück:
»Welch Recht hab' ich, so geliebt zu werden?«
Ein Mädchen, so zart, ward noch weniger versucht
Von Durst nach Erkenntniß, – der eitlen Begier,
Wodurch das ganze Geschlecht ward verflucht
Von
Eva, die glücklos, bis zu Ihr,
Die einst schlich in's Tabernakel hinein,
Sara (nach jüdischer Tradition)
Dem Geheimniß der Engel zu lauschen – nein, –
Sie liebte nur wie ihr Seraph liebte,
Mit
Glauben, den kein Wechsel trübte,
Der, wäre sogar vergangen sein Licht,
Wie der Sonnenzeiger könnt' stehen und warten,
Bis heran ein neuer Morgen bricht; –
Mit
Geduld, die, obwohl gebeugt vom harten
Sturmrauschen, sich von Neuem kann heben; –
Und mit
Hoffnung, die selbst durch der Wolken Schweben
Durchschimmern sieht ein sonniges Gut.
Dieß Lieben, voll Zuversicht und Muth,
Mehr als Cherubimweisheit im Himmel werth;
Dieß Glauben, über Alles bewährt,
War die einzige Freude, der Stolz und das Streben
In ihrer liebenden Brust; hieneben
Könnt' jeden andern Wunsch sie missen:
So suhlte sie's, daß, sich der
Hoffnung ergeben,
Glückseliger mache als alles
Wissen.
So wandelten sie in demüthigem Sinn,
Verschämt, doch rein vor der Gottheit dahin;
Nie hat die Erde gesehn ein Paar,
So schön und sanft wie dieses war,
Wenn, angestralt vom erhellten Altar,
Sie knieten, zu beten, Hand in Hand,
Von der großen Kette der Liebe zwei Glieder,
Für ein Weilchen losgerissen, dann wieder
Vereinigt, um nie zu trennen das Band;
Zwei Sterne – vom ewigen Blüthenbaum
Entfallen zu dem Erdenraum,
Die, entschüttelt, während des Falls doch nicht
Die Frische verloren und das Licht.
Anspielung auf die Sephirot oder Lichtausflüsse der jüdischen Kabbala, dargestellt als ein Baum, wovon Gott die Krone oder der Gipfel ist.
Ihr einziges Büßen', (da Schuld, wenn auch süß,
Doch ihrem Strafmal nicht kann entgehn –)
Ihr einziges Verdammniß war dieß,
Daß, so lange die Erd' und der Ocean stehn,
An Herz und Hand dieselben sie Beid'
Hier wandern sollen im Zeitenverlauf,
Zu jenem erhabenen Ziele hinauf
Stets blickend, dessen Licht sie sehn,
Untrüglich, wenn auch auf fernen Höhn,
Pilgrimme der Lieb', ihr Pfad ist die Zeit,
Und ihre Heimath die Ewigkeit.
Indessen noch preisgegeben dem Streit,
Den treue Liebe hat zu bestehn;
Den Hoffnungen, Wünschen, die fruchtlos sie nährt;
Dem Frost, der die heißesten Seufzer, eh
Sie steigen, in irdischen Dunst verkehrt;
Dem Zweifel, wovon sie lebt; dem Weh,
Das unter ihre Süße glitt; –
Noch schlimmer, der Täuschung, die ihren Schritt
Irrleitet zu ihrem glänzenden Rand,
Sie verlockend, auf irrem Weg, in den Sand
Der Wüste sich zu bücken, zu trinken,
Wo doch keine Tropfen den Lippen winken,
Und wo, ach, seufzend sie weiter muß gehn
Zu der Friedensheimath entlegenen Hohn,
Wo allein ihr brennender Durst wird vergehn.
Dieß war, was sie duldeten; dennoch ergab
Sich auch mancher Moment der Glückseligkeit: –
Wenn nach Tagen, verlebt voneinander weitab,
Sie sich begegneten, welche Freud'! –
Wenn wieder das Antlitz von Ihr, so geliebt,
Nah glänzte, von keiner Thräne getrübt; –
Wenn gegenseitig, aus Seel' in Seel',
Sie sich Alles vertraueten ohne Hehl,
So frei von Zweifel und von Bangen,
Wie das Licht, das fleckenlos und rein
Von der Sonn' auf die Sterne ist ausgegangen,
Um von ihnen zurückgestralet zu sein.
Glücksel'ge Vermischung von Herzen, wobei,
Wie sich Stoffe in der Natur zersetzen,
Sich jedes vom eigenen Daseyn macht frei,
Durch ein neues, ein besseres es zu ersetzen.
Zu diesen Freuden, krönend sie alle,
War die Hoffnung auf jene Stunde gesellt,
Wo, glücklich und sicher vor fernerem Falle,
Aufsteigen sie sollten in jene Welt,
Verjüngt, und belohnt für den Glauben an Den
Aus dem wir das Gute entspringen sehn;
Wo, schüttelnd den fleckenden Staub der Erden
Von den Flügeln, zum Glanze der Freiheit erhöht,
Durch den stralenden Himmel sie wandern werden,
Wo die Liebe nimmermehr untergeht.
In welchen Erdenregionen
Dieß Pilgerpaar nun mag schweifen, mag wohnen,
Vermögen nur Gott und die Engel zu sagen,
Die da lauschen, wohin die Füße sie tragen.
Doch sollt' auf unserer Wanderung
Uns ein Paar begegnen, schön und jung,
Um das, daß Engeln sie ähnlich sehn,
Nur zwei glänzende Fittiche müßten wehn; –
Das stralt, wohin es nur tritt, und doch
Nicht über sein Erdenloos sich vermessen,
Wie das Veilchen am Wege, das sich verkrochen,
Und ohne den Wohlgeruch wäre vergessen; –
Dem dieselben Gedanken den Herzen entquillen,
Deß Stimmen athmen denselben Willen,
Erwiedernd sich, wie das Echo erschallt
Von Feeenmusik im Bergeswald,
So ähnlich beid', daß vergebens man späht,
Ob das Lied, ob das Echo herüberweht; –
Deß Frömmigkeit ist Liebe, – deß Liebe,
Wie die Seelen sich auch ineinander flügeln,
Nicht stammt von der Erde niederem Triebe,
Von Oben vielmehr; gleich zwei schönen Spiegeln,
Die sich gegenüberstehen, das Licht
Von dem einen zum andern übertragen,
Und doch mit dem eigenen Glanze nicht,
Nein, mit dem Lichte des Himmels tagen: –
Wenn wir treffen hienieden ein solches, so rein,
So vollkommen, so können wir sicher sein,
Es gibt nur
ein solch Paar hienieden;
Und indem wir ihnen wünschen den Frieden
Auf ihrem Gang durch den Prüfungsort
Der Erde, können wir sagen: »Dort
Schwebt
Zaraph mit seiner
Nama fort!«