Jean Baptiste Molière
Die Schule der Frauen
Jean Baptiste Molière

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Erster Akt

Erster Auftritt

Chrysald. Arnolph

Chrysald. Im Ernst? Sie wollen dieses Mädchen frei'n?

Arnolph. Im Ernst, ich werde keinen Tag mehr zaudern.

Chrysald. Hier ist es menschenleer: wir sind allein
Und können ohne Furcht vor Zeugen plaudern.
Darf ich als Freund aufrichtig sein und offen?
Ihr Vorsatz läßt mich wenig Gutes hoffen,
Und komm' es, wie es mag, ein schönes Kind
Heiraten ist für Sie nicht ungefährlich.

Arnolph. Sehr wohl, mein Freund. Es scheint mir ganz erklärlich,
Daß Sie für mich in Sorge sind.
Nach Ihnen ist's ein Evangelium,
Daß jeden Ehemann die Hörner zieren.

Chrysald. Das hängt vom Schicksal ab: es wäre dumm,
Deshalb vorher den Mut schon zu verlieren.
Doch diesmal seh' ich schwarz, weil grade Sie
Mit hundert armen Gatten Spott getrieben,
Weil der Geringste gleich dem Höchsten nie
Von Ihrem scharfen Witz verschont geblieben,
Weil Sie verkünden wie ein Zeitungsblatt,
Daß der und die geheimer Schwachheit schuldig ...

Arnolph. Jawohl. In welcher zweiten Stadt
Sind auch die Ehemänner so geduldig?
Hat man die Auswahl nicht? Gewahrt
Man nicht fortwährend Gimpel jeder Art?
Der sammelt Schätze, die sein Frauchen täglich
In seiner Nebenbuhler Taschen senkt,
Und der, gleich ehrlos, wenn auch minder kläglich,
Sieht ruhig zu, wie man sein Weib beschenkt,
Und traut ihr arglos, bindet sie ihm auf,
Das alles sei nur ihm zu Ehren.
Der eine schnaubt und kann sich doch nicht wehren,
Der andre läßt den Dingen ihren Lauf,
Und kaum, daß der Galan sich eingestellt,
Greift er nach Hut und Stock und räumt das Feld.
Die eine beichtet mit erprobter List
Dem treuen Mann des Hausfreunds Huldigungen:
Sanft schläft er und beklagt des armen Jungen
Verlorne Müh', die nicht verloren ist.
Die andre flunkert, wenn sie unbesonnen
Das Geld vertut, sie hab's im Spiel gewonnen:
Ihr Pinsel, der nicht ahnt, in welchem Spiele,
Dankt Gott für dieses Glückes Übermaß. –
So hat die Spottlust immer neue Ziele,
Und mir als dem, der zuschaut, macht es Spaß.
Ich lache, wenn ...

Chrysald.     Wer über andre lacht,
Mit gleicher Münze wird dem oft vergolten.
Viel wird auch mir erzählt: für Mann und Weib
Ist ja der Klatsch ein Lieblingszeitvertreib;
Noch was man immer vorgebracht,
Nie hab' ich mitgehöhnt und mitgescholten.
Ich übe Nachsicht; zwar in manchen Lagen
Verdamm' auch ich zu große Duldsamkeit,
Und was ein andrer Ehemann verzeiht,
Das würd' ich selber nie ertragen.
Doch niemals halt' ich lautes Strafgericht:
Wer spottet, kann denselben Spott erleiden.
Wer ist davor geschützt? Wer kann beeiden,
Was er in solchem Falle tut, was nicht?
Werd' ich dann selber nach des Schicksals Willen
Von etwas Menschlichem betroffen,
So läßt mich mein Verhalten sicher hoffen,
Daß man nur drüber lächelt – ganz im stillen;
Vielleicht sogar wird mir die Gunst verliehn,
Daß wackre Leute sagen: Schad' um ihn!
Doch anders, Freundchen, liegt die Sache hier:
Ich wiederhol's, Ihr Mut ist höchst verwogen;
Wer mit so schonungsloser Spottbegier
Auf die verdächt'gen Männer losgezogen
Und sie gezaust mit solcher Teufelskralle,
Der stehe fest; sonst ist man sehr gelaunt,
Auch ihn zu hecheln. Kämen Sie zu Falle,
Das würd' an allen Ecken ausposaunt.

Arnolph. Gemach, mein Teuerster; nur ruhig Blut;
Früh aufstehn müßte man, um mich zu prellen.
Die schlauen Kniff' und Künste kenn' ich gut,
Mit denen uns die Weiber Fallen stellen
Und feinen Sand uns in die Augen streu'n.
Davor bin ich gewappnet; denn ich wähle
Zum Weib solch eine unschuldvolle Seele,
Daß keinerlei Gefahren mich bedräu'n.

Chrysald. So glauben Sie, daß eine Dumme bloß ...

Arnolph. Die Dumme frei'n heißt nicht der Dumme werden.
Zwar Ihre Ehehälft' ist – zweifellos –
Ehrbar; doch Frau'n mit Geist – das bringt Beschwerden.
Ich weiß, wie schlecht es manchem schon bekam,
Daß er ein zu begabtes Weib sich nahm.
Ich sollte mir wohl einen Blaustrumpf langen,
Der stets zitiert, in Prosa oder Reim
Galante Briefe wechselt und daheim
Marquis und schöne Geister will empfangen,
Indessen ich, ihr sogenannter Mann,
Als Säulenheiliger im Winkel stände?
Nein, nein, mich lockt solch ein Genie nicht an;
Ein Weib, das dichtet, weiß zu viel am Ende.
Ich will nur eine, die kein großes Licht,
Und wenn im Pfänderspiel beim Reimesuchen
Man sie befragt: Was reimt auf »Leibgericht«?
Soll sie zur Antwort geben: »Apfelkuchen.«
Kurzum, sie soll durchaus naiv geblieben,
Soll ungebildet sein und nichts verstehn;
Denn mir genügt sie, kann sie nur gut nähn,
Gut beten, spinnen und mich lieben.

Chrysald. Bedingung also, daß sie höchst beschränkt.

Arnolph. Ja, selbst die Häßlichste, gegebnen Falles,
Zög' ich der Schönen vor, die zuviel denkt.

Chrysald. Schönheit und Geist ...

Arnolph.     Die Ehrbarkeit ist alles.

Chrysald. Dann prägen Sie zunächst der Dummheit ein,
Was ehrbar heißt! Wird Ihnen das gelingen?
Auch muß es grade keine Kurzweil sein,
Mit einer Gans das Leben zu verbringen.
Und wollen Sie zu glauben sich vermessen,
Daß Ihre Ehre dann in sichrer Hut?
Die Frau von Geist kann ihre Pflicht vergessen;
Doch weiß sie wenigstens, warum sie's tut.
Die Dummheit überliefert sich der Sünde,
Nicht, ahnend, was sie will und was sie wagt.

Arnolph. Gut paßt auf diese wunderschönen Gründe,
Was dem Panurg Pantagruel gesagt:
»Dräng mich ein Weib zu nehmen, das nicht dumm;
Argumentier und predige bis Pfingsten,
Du wirst dich wundern, wenn du endlich stumm;
Denn mich bekehrtest du nicht im geringsten.«

Chrysald. Ich sag' kein Wort mehr.

Arnolph.     Jeder wie er muß.
Ob's Frau'n betrifft, ob anderes – ich lebe
Auf meine Art. Mich läßt mein Überfluß
Ein Mädchen wählen, der ich alles gebe,
Die demutsvoll und im Gehorsam blind
Mir weder Stand noch Geld hat vorzurücken.
Sie war bereits als ein vierjährig Kind
Durch ihre Sanftmut mein Entzücken.
Die Mutter lebte karg; dies gab mir ein,
Der guten Bäurin vorzuschlagen,
Des Kindes Pflege mir zu übertragen,
Und sie war froh, die Bürde los zu sein.
In einem Kloster, fern dem Weltgetriebe,
Ließ ich sie dann erziehn nach meinem Plan:
Das heißt, was irgend anging, ward getan,
Damit sie so beschränkt wie möglich bliebe.
Gottlob, gelungen ist, was ich begehrt:
Erwachsen jetzt ist sie in solchem Grade
Einfältig noch, daß mir des Himmels Gnade
In ihr mein weiblich Ideal beschert.
So kam sie heim; jedoch in meinem Haus
Gehn täglich hundert Menschen ein und aus;
Drum hab' ich sie mit klugem Vorbedacht
In jenes Nachbarhaus, wo niemand sie erreichen,
Nichts ihre Unschuld trüben kann, gebracht,
Zu Leuten, die an Schlichtheit ganz ihr gleichen.
Warum ich Ihnen alles das erzählte?
Um Ihnen meine Vorsicht zu beweisen.
In alter Freundschaft bitt' ich obendrein,
Daß Sie mit mir heut abend bei ihr speisen;
Ob ich die Rechte mir erwählte,
Soll Ihrer Prüfung unterworfen sein.

Chrysald. Ich komme gern.

Arnolph.     Und geben Sie nur acht,
Wie ahnungslos sie ist, wie untertänig!

Chrysald. Was Sie mir sagten, läßt in Anbetracht
Grad dieses Punkts ...

Arnolph.     Ich sagte viel zu wenig.
Sie spricht in ihrer Einfalt manchmal Sachen,
Daß ich imstande wär' mich totzulachen.
Erst kürzlich – kommt es einem glaublich vor? –
Find' ich sie grübelnd, und warum? Sie stellt
Mir ganz naiv die Frage, ob zur Welt
Die Kinder kommen durch das Ohr!

Chrysald. Herr Arnolph, meinen Glückwunsch!

Arnolph.     So nicht mehr
Mich anzureden bat ich Sie schon häufig.

Chrysald. Verzeihung! Das behält sich schwer;
Herr von Lasouche ist mir noch nicht geläufig.
Zum Teufel auch, nur wenige begreifen's,
Daß zweiundvierzigjährig Sie den alten,
Verdorrten Stammbaum Ihres Ackerstreifens
Für sich zum Adelstitel umgestalten!

Arnolph. Das ist mein Recht, und »von Lasouche« erklingt
Weit freundlicher als Arnolph meinen Ohren.

Chrysald. Man nenne sich, wie sich der Vater nannte!
Ein selbstgebackner Name ziemt nur Toren.
Das ist die Sucht, die stetig weiter dringt!
Ich will nicht grade sticheln: doch ich kannte
Ein Bäuerlein, das hieß der dicke Peter weiland;
Der Kerl, aus Stolz, ein Eckchen Land zu haben,
Umgab es rings mit einem schlamm'gen Graben
Und nennt sich heute Herr von Eiland.

Arnolph. Die weiteren Exempel schenk' ich Ihnen.
Ich heiße von Lasouche, trotz alledem.
Der Name kommt mir zu, ist mir genehm,
Und wer mich anders nennt, wird keinen Dank verdienen.

Chrysald. Nur scheint's gar vielen Mühsal zu bereiten:
Noch oft auf Briefadressen findet man ...

Arnolph. Wer's noch nicht weiß, dem rechn' ich das nicht an.
Doch Sie ...

Chrysald.     Schon gut. Wir wollen drum nicht streiten.
Ich werde meine Zunge täglich üben,
Bis »von Lasouche« ihr ganz von selbst entfährt.

Arnolph. Auf Wiedersehn. Ich will nur schnell hier drüben
Ankündigen, daß ich zurückgekehrt.

Chrysald. (Im Abgehen für sich).
Bei dem da rappelt's: das ist sonnenklar.

Arnolph (allein). In manchen Dingen ist er zart besaitet
Und wird sofort empfindlich. Wunderbar,
Wie jeder Mensch sein Steckenpferdchen reitet.
    (Er klopft an die Tür)
Holla!

Zweiter Auftritt

Arnolph. Alain. Georgette

Alain.     Wer klopft?

Arnolph.         Macht auf! (Für sich) Das wird 'ne Freude sein,
Wenn sie mich nach zehn Tagen wiedersehn.

Alain (am Fenster). Wer?

Arnolph.     Ich.

Alain.         Georgette!

Georgette.             Was gibt's?

Alain.                 Sollst öffnen gehn.

Georgette. Geh du doch!

Alain.     Nein, geh du!

Georgette.         Fällt mir nicht ein.

Alain. Mir auch nicht.

Arnolph.     Angenehme Höflichkeit!
Heda! Wie lange soll ich pochen?

Georgette. Wer ruft?

Arnolph.     Der Herr!

Georgette.         Alain!

Alain.             Was?

Georgette.                 Sei gescheit.
Es ist der Herr.

Alain.     So geh.

Georgette.         Ich bin beim Kochen.

Alain. Ich hüte meinen Sperling vor der Katze.

Arnolph. Wer mir die Tür nicht öffnet, und sofort,
Der wird vier Tage hungern – auf mein Wort!

Georgette (zu Alain).
Was läufst du denn? Ich bin ja schon am Platze.

Alain. Ich soll dir wohl zurückstehn? Solch Erdreisten!

Georgette. Mach, daß du fortkommst!

Alain.     Packe dich!

Georgette. Ich will hier öffnen!

Alain.     Mir nur kommt das zu,

Georgette. Das wirst du nicht.

Alain.     Du auch nicht.

Georgette.         Auch nicht du.

Arnolph. Da kann man wirklich in Geduld was leisten.

Alain (kommt heraus). Ich war's, der aufschloß.

Georgette (kommt heraus).     Gnäd'ger Herr, nein, ich.

Alain. Wär' nicht der schuldige Respekt vorm Herrn,
Dich wollt' ich ... (Holt aus und trifft Arnolph)

Arnolph.     Tölpel du!

Alain.         Ich tat's nicht gern.
Daran ist auch nur sie ...

Arnolph.     Schweigt alle beide! –
Alain, wie ging es hier, seit ich entfernt?
Antworte mit vernünftigem Bescheide!

Alain. Es ging uns, Herr ...
      (Arnolph nimmt ihm den Hut ab)
    Es ging ...
      (Arnolph nimmt ihm wieder den Hut ab)
        Es ging uns gut.
Wir ...

Arnolph (nimmt ihm abermals den Hut ab und wirft ihn hin).
    Altes Schaf, wo hast du denn gelernt,
Mit mir zu reden, auf dem Kopf den Hut?

Alain. Vergebung!

Arnolph. Agnes soll herunterkommen.

Dritter Auftritt

Arnolph. Georgette

Arnolph. War sie betrübt, als Abschied ich genommen?

Georgette.     Betrübt? O nein!

Arnolph.         Nicht?

Georgette.             Doch!

Arnolph.                 Warum?

Georgette.                     Beim Himmel,
Sie glaubte stündlich, daß Sie wiederkehren,
Und kam ein Esel, Maultier oder Schimmel
Des Wegs, gleich ward ihr bang, daß Sie es wären.

Vierter Auftritt

Vorige. Agnes. Alain

Arnolph. Die Arbeit in der Hand! Das lob' ich mir.
Nun, liebe Agnes, ich bin wieder da.
Bist du's zufrieden?

Agnes.     Dank der Nachfrag' – ja.

Arnolph. Ich bin es gleichfalls; denn ich bin bei dir.
Du warst wohlauf inzwischen, will mir scheinen.

Agnes. Nur haben nachts die Flöhe mich bedrängt.

Arnolph. Bald gibt es jemand, welcher sie dir fängt.

Agnes. Wie angenehm!

Arnolph.     Das will ich selber meinen.
Was machst du da?

Agnes.     Das wird ein Morgenhäubchen.
Ihr Nachthemd und die Schlafmütz' hab' ich fertig.

Arnolph. Vortrefflich! Geh mir nun ins Haus, mein Täubchen;
Langweil' dich nicht zu sehr und sei gewärtig,
Daß ich dir bald was Wichtiges enthülle.

Fünfter Auftritt

Arnolph (allein)

Arnolph. Ihr Modeheldinnen, ihr schönen Seelen alle,
Ihr Virtuosinnen im Phrasenschwalle,
Gern geb' ich eure Reim' und Schriften hin
Nebst Briefchen, Tagebüchern, Wissensfülle
Für diesen keuschen, ahnungslosen Sinn;
Auch aller Reichtum ist nicht halb so mächtig
Wie Lauterkeit ...

Sechster Auftritt

Arnolph. Horace

Arnolph. Was seh' ich? Ist das – Nein,
Ich täusche mich ... Doch ja, er muß es sein:
Hora ...

Horace.     Herr Ar...

Arnolph.         Horace!

Horace.             Herr Arnolph!

Arnolph.                 Prächtig!
Sie hier! Seit wann?

Horace.     Neun Tage.

Arnolph.         Was Sie sagen!

Horace. Ich kam sogleich zu Ihnen; doch ...

Arnolph.     Bis heute
War ich auf meinem Gut.

Horace.     Ja, seit zehn Tagen.

Arnolph. Man sieht, aus Kindern werden Leute.
Seltsam! Der steht nun vor mir groß und breit,
Und damals war er höher nicht als so.

Horace. Ja, ja.

Arnolph.     Wie geht's dem Vater? Meinem lieben,
Verehrten Freund Oront? War er die Zeit
Recht wohl? Und ist er noch so lebensfroh?
Er weiß, mein Anteil ist stets wach geblieben,
Obwohl uns nun bereits vier Jahre scheiden
Und keiner je vom andern Brief empfing.

Horace. Er nimmt's noch auf im Frohsinn mit uns beiden,
Und einen Brief an Sie, bevor ich ging,
Gab er mir mit. Doch heute schreibt er mir,
Er komme selbst; ich weiß noch nicht, weswegen.
Vernahmen Sie von einem Bürger hier,
Der aus Amerika mit reichem Gütersegen
Nach vierzehn Jahren heimwärts sich gewandt?

Arnolph. Wie heißt er denn?

Horace.     Enrique.

Arnolph.         Mir unbekannt.

Horace. Mein Vater spricht von ihm und muß wohl meinen,
Ich kennt' ihn ganz genau. Er schreibt,
Daß ein gewichtiges Geschäft sie treibt,
Hier bald gemeinsam zu erscheinen.
      (Er gibt Arnolph den Blief Oronts)

Arnolph. Ich werde hocherfreut sein, ihn zu sehn,
Und ganz zu seinen Diensten stehn.
      (Nachdem er den Brief gelesen)
Zu viel der Umständ' für so alten Bund!
Da soll geringre Höflichkeit genügen.
Sie konnten ohn' ein Wort aus seinem Mund
Stets über mein Kasse frei verfügen.

Horace. Auf so was mach' ich gerne gleich die Probe.
Mir fehlen grade hundert Stück Pistolen.

Arnolph. Das ist ein Freimut, den ich lobe.
Zum Glücke brauch' ich sie nicht weit zu holen.
      (Gibt ihm eine Börse)
Die Börse müssen Sie behalten.

Horace.     Ich ...

Arnolph. Kein Wort! – Wie haben Sie die Stadt gefunden?

Horace. Belebt und schön, die Bauten königlich
Und die Zerstreuungen ganz wunderbar.

Arnolph. Jawohl, hier schafft sich jeder gute Stunden;
Wer Liebesabenteuer sucht, ist gar
Am rechten Platz und fehlt vom Ziele schwerlich.
Die Weiber stillen gern die Herzenspein;
Braun oder blond – sie sind hier nicht von Stein
Und auch die Ehemänner ungefährlich.
Mir ist's ein Hauptvergnügen, ein Genuß,
Ein wahres Lustspiel, zuzuschauen.
Nun, noch nichts eingefangen, im Vertrauen?
Lief Ihnen nicht schon etwas in den Schuß?
Bei solchem Wuchs braucht's nicht einmal viel Geld,
Um manchen Hörnerträger mehr zu machen.

Horace. Ja, frei heraus, von solchen Liebessachen
Hat sich bei mir schon etwas eingestellt.
Dem Freunde darf ich wohl mein Innres zeigen ...

Arnolph (für sich). Brav! Wieder ein vergnüglicher Skandal
Und für mein Album eine neue Zahl.

Horace. Nur bitt' ich um das allertiefste Schweigen.

Arnolph. Oh! –

Horace.     Denn Sie wissen ja, wieviel Gefahren
Solch ein verletzt Geheimnis zeugen kann. –
So will ich Ihnen redlich offenbaren:
Ein reizend Wesen tat mir's an.
Sie schenkte mir erwünschten Hoffnungsschein
Und hat sich auch Besuche nicht verbeten;
Ich will nicht prahlen, noch zu nah ihr treten;
Doch glaub' ich auf dem besten Weg zu sein.

Arnolph (lachend). Wer ist's?

Horace.     Ein halbes Kind. Hier drüben steht
Das Haus, in dem sie wohnt – das mit den roten Mauern;
Sie weiß nicht viel; denn einsam dort versauern
Läßt sie ein Mensch, der ganz und gar verdreht.
Jedoch bei aller Bildungslosigkeit,
In der man sie erhält, ist sie entzückend,
So engelschön, durch Anmut so berückend,
Daß sich bezwungen jedes Herz ihr weiht.
Doch Sie erblickten wohl noch nicht
Des lieblichen Gestirns erfreuend Licht?
Sie nennt sich Agnes.

Arnolph (für sich).     O verflucht!

Horace.         Ihr Drache
Heißt von Lazousse, Lasource – so ähnlich wohl;
Der Name tut ja nichts zur Sache;
Reich, wie man sagt, jedoch im Kopfe hohl
Und zweifellos ein lächerlicher Wicht.
Sie kennen ihn?

Arnolph (für sich).     Recht bittre Pille das!

Horace. Sie schweigen?

Arnolph.     Ja, ich kenn' ihn.

Horace.         Ist er nicht
Ein ausgemachter Narr?

Arnolph.     I! ...

Horace.         Oder was?
I heißt wohl Ja? Und rasend eifersüchtig?
Und blöd'? Ich seh' ihn vor mir, meiner Seel'! –
Kurz, in schön Agnes bin ich tüchtig
Verliebt. Das Mädchen ist ein wahr Juwel,
Und Sünde wär' es ja, die seltne Perle
Zu überlassen solchem dummen Kerle!
Mit Aufwand aller Kräfte werd' ich sie
Dem eifersücht'gen Herrn zum Trotz gewinnen,
Und lediglich für dies Beginnen
Brauch' ich das Geld, das ich von Ihnen lieh.
Sie wissen selber: Gold ist überall
Der beste Schlüssel für verschloßne Türen;
Oft kann allein dies mächtige Metall
In Krieg und Liebe zum Triumphe führen.
Sie scheinen mir verstimmt. Wie? Sollte doch
Mein Vorsatz Ihnen nicht behagen?

Arnolph. O nein! Ich dachte ...

Horace.     Spräch' ich länger noch,
Sie würden's müd. – Bald komm' ich, Dank zu sagen.

Arnolph. (glaubt sich allein).
Oh, oh! Warum auch ...

Horace (kommt zurück).     Nochmals möcht' ich mahnen,
Daß niemand von der Sache was erfährt. –

Arnolph (glaubt sich allein).
Mir ist ...

Horace (kommt zurück).
    Zumal mein Vater darf nichts ahnen.
Mir würde sonst vielleicht sein Zorn beschert.

Arnolph (glaubt, daß Horace noch einmal zurückommt).
Oh!

Siebenter Auftritt

Arnolph (allein)

Arnolph.     Welcher Marter bin ich da entronnen!
All meine Kraft und Fassung ist zunichte!
Das nenn' ich übereilt und unbesonnen:
Grad mir erzählt er die Geschichte!
Gut, daß mein neuer Nam' ihm nicht bekannt!
Hat sich ein Mensch so gründlich je verhauen?
Trotz meinen Qualen hielt ich stand:
Jetzt heißt es, der Gefahr ins Auge schauen.
Er muß noch weiter schwatzen, mir noch mehr
Gestehn von ihrem heimlichen Verkehr.
Ich eil' ihm nach; weit kann er noch nicht sein;
Den ganzen Hergang will ich ihm entwinden!
Es schwant mir, böses Unheil bricht herein,
Und mancher sucht, was ihn nicht freut, zu finden.


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