Jean Baptiste Molière
Der Misanthrop
Jean Baptiste Molière

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Dritter Akt

Erster Auftritt

Clitander. Acast.

Clitander. Marquis, Behagen strahlt aus deinen Zügen;
Stets bist du sorglos, stets bereit zum Scherz.
Nun sag mir ehrlich, Hand aufs Herz:
Hast du so großen Anlaß zum Vergnügen?

Acast. Auf Ehre, Freund, wenn ich mein Leben prüfe,
So find' ich gar nichts, was mir Kummer schüfe.
Ich habe Geld, bin jung, man nennt mit Recht
Altadelig das Haus, dem ich entsprossen;
Durch meinen Rang und mein Geschlecht
Ist jede Stellung mir erschlossen,
Und Mut, der doch am höchsten wird gepriesen,
Mir fehlt er nicht, das weiß man überall;
Ich hab' in einem wohlbekannten Fall
Als äußerst kühn und schneidig mich erwiesen.
Geist hab' ich fraglos und Geschmack dabei,
Kann aburteilen, ohne nachzudenken,
Und in Premièren – meine Schwärmerei –
Sitz' ich als Kenner auf den ersten Bänken.
Ich mache Stimmung, klatsche oder gähne,
Bei schönen Stellen leit' ich den Applaus;
Ich bin gewandt, ich seh' nicht übel aus,
Bin gut gewachsen, habe hübsche Zähne,
Und daß ich meine Kleider weiß zu tragen,
Das wird wohl niemand zu bestreiten wagen.
Ich hab' den allerbesten Namen,
Bin gern gesehn bei Hof, beliebt bei Damen,
Und, Freund, bei solchen Gaben, glaub' ich fast,
Kann wohl ein Mensch mit sich zufrieden sein.

Clitander. Ja; doch weshalb, wenn du die Auswahl hast,
Bemühst du hier dich ohne Hoffnungsschein?

Acast. Ich? Nun, auf Ehre, bin ich wohl der Mann,
Die Kälte einer Schönen hinzunehmen?
Ein Alltagsmensch, ein blöder Tölpel kann
Dem strengen Joch geduldig sich bequemen,
Zu ihren Füßen schmachten und vergehn,
Mit Seufzern und mit Tränen sie erweichen
Und durch sein standhaft fortgesetztes Flehn
Erringen, was zu hoch für seinesgleichen.
Jedoch ein Mann wie ich ist viel zu gut,
Um unbelohnt zu lieben auf Kredit;
Wenn eine Dame noch so vornehm tut,
Gottlob, mein Wert hält mit dem ihren Schritt.
So ganz umsonst geschieht es nicht,
Daß ich ihr solch ein Herz zu Füßen lege,
Und mindestens verlangt das Gleichgewicht,
Daß sie entgegenkommt auf halbem Wege.

Clitander. So glaubst du, hier der Hahn im Korb zu sein?

Acast. Vielleicht besitz' ich Gründe, das zu glauben.

Clitander. Ich muß dir diesen großen Irrtum rauben:
Du täuschst dich, Freund, und redest dir was ein.

Acast. So red' ich mir was ein und täusche mich.

Clitander. Liegt denn dein Glück so fraglos vor dir offen?

Acast. Ich täusche mich.

Clitander.                       Hast du Beweise, sprich!

Acast. Ich rede mir was ein.

Clitander.                             Ließ sie dich hoffen?

Acast. Ich irre.

Clitander.         Machte Celimenens Herz
Sich im geheimen dir verständlich?

Acast. Nein, sie verschmäht mich.

Clitander.                                       Gib mir Antwort endlich!

Acast. Sie wies mich ab.

Clitander.                       Nun laß einmal den Scherz
Und sag, ob sie dir Hoffnung hat gegeben.

Acast. Mir blüht kein Glück; du aber stehst in Gnade.
Unleidlich bin ich ihr im höchsten Grade,
Und übermorgen nehm' ich mir das Leben.

Clitander. Marquis, was meinst du, wenn wir ehrenhaft
Uns miteinander durch Vertrag vergleichen?
Hat einer von uns beiden sichre Zeichen
Von Celimenens Liebe sich verschafft,
So gibt der andre sich besiegt, und künftig
Muß er auf jeden Mitbewerb verzichten.

Acast. Auf Ehre, Freund, das find' ich sehr vernünftig
Und will mich augenblicks dazu verpflichten.
Doch still . . .

Zweiter Auftritt

Vorige. Celimene.

Celimene.             Noch hier?

Clitander.                               Ja, stets in Ihrem Bann.

Celimene. Am Haustor hält ein Wagen an;
Wer mag das sein?

Clitander.                       Ich weiß nicht.

Dritter Auftritt

Vorige. Basque.

Basque.                                                 Eben fuhr
Arsinoë hier vor.

Celimene.                 Was will denn die von mir?!

Basque. Fräulein Eliante begrüßte sie im Flur. (Ab)

Celimene. Was fällt ihr plötzlich ein? Was sucht sie hier?

Acast. Als Tugendausbund wird sie rings geachtet,
Und ihre Frömmigkeit . . .

Celimene.                               Ist falsches Spiel!
Ihr Herz ist weltlich, und sie sinnt und trachtet
Nach Männerfang; nur hilft ihr das nicht viel.
Sie blickt auf jede Frau mit Neid,
Die eifriger Verehrer nicht ermangelt,
Und weil ihr arger Unstern keinen angelt,
Schilt sie auf die Verblendung unsrer Zeit.
Ihr falscher Tugendschleier soll verstecken,
Wie schrecklich die Verlassenheit sie quält,
Und nur um ihre Häßlichkeit zu decken,
Verlästert sie den Zauber, der ihr fehlt.
Doch ein Geliebter wär' ihr höchst willkommen;
Selbst um Alcest bemüht sie sich;
Seit er mir huldigt, ist sie bös auf mich
Und tut, als hätt' ich ihn ihr weggenommen.
Aus Eifersucht, die sie nicht bergen kann,
Verleumdet sie mich hinterm Rücken schmählich.
Nie traf ich solche Dummheit an;
Mit einem Wort: sie ist mir unausstehlich,
Und . . .

Vierter Auftritt

Vorige. Arsinoë.

Celimene.     Ah, welch guter Engel führt Sie her?
Ehrlich gesagt, ich war recht ungeduldig . . .

Arsinoë. Ein Wink, den ich der teuren Freundin schuldig,
Bestimmte mich . . .

Celimene.                     O, das beglückt mich sehr!

(Clitander und Acast gehen heimlich lachend ab)

Fünfter Auftritt

Celimene. Arsinoë.

Arsinoë. Es trifft sich prächtig, daß die Herren gingen.

Celimene. Ich bitte Platz zu nehmen.

Arsinoë.                                             Danke, nein. –
Die Freundschaft muß besonders wachsam sein
In wichtigen und großen Dingen,
Und da nichts Größeres den Menschen eigen
Als ihres Namens unbeflecktes Schild,
So mag mein Rat, der Ihrer Ehre gilt,
Die Treue meiner Freundschaft zeigen.
Als gestern man in äußerst würd'gem Kreise
In das Gespräch auch Sie verwob,
Fand Ihre prunkerfüllte Lebensweise
Zum Unglück nur geringes Lob.
Ihr allzeit offnes Haus, Ihr Liebesspiel
Und was die Welt daraus zu folgern willig,
Ward mehr getadelt, als gerecht und billig,
Und strenger, als es mir gefiel.
Ich nahm natürlich gleich für Sie Partei;
Ich habe Sie, so gut es ging, verteidigt,
Bewiesen, daß Ihr Wille lauter sei,
Und für Ihr gutes Herz mich hoch vereidigt.
Doch man vermag gewisse Dinge
Trotz aller Freundschaft nicht in Schutz zu nehmen;
Drum mußt' ich zum Geständnis mich bequemen,
Daß Ihre Art Sie leicht in Schaden bringe,
Daß sie den Schein nicht zu vermeiden strebe,
Der Anlaß gibt, ihr Schlimmes nachzusagen,
Und daß unstreitig Ihr Betragen
Den bösen Zungen stete Nahrung gebe.
Nicht, daß ich zweifeln will an Ihrer Ehrbarkeit;
Der Himmel schütze mich vor dem Gedanken!
Doch schon ein Argwohn bringt den Ruf ins Wanken,
Und auch ein reines Herz geht oft zu weit.
Madame, Sie werden mich nicht mißverstehn,
Den gut gemeinten Rat mir nicht verargen;
Sei'n Sie versichert, meine Worte bargen
Den regsten Anteil für Ihr Wohlergehn.

Celimene. Madame, ich bin für Ihren Rat erkenntlich
Und halt' ihn für so wenig mißverständlich,
Daß ich sogleich mich dankbar möchte zeigen
Durch einen Rat, der Ihrer Ehre gilt,
Und da Sie mir aus Freundschaft nicht verschweigen,
Wie man auf mich und mein Betragen schilt,
So macht dies edle Beispiel mir zur Pflicht
Zu sagen, was die Welt von Ihnen spricht.
Vor kurzem war ich zu Besuch erschienen
In einem auserwählten Kreise;
Man sprach dort von der besten Lebensweise,
Und unter anderm sprach man auch von Ihnen.
Da ward denn Ihre fromme Tugendlehre
Nicht grad als Muster hingestellt;
Ihr Heil'genschein, den man für künstlich hält,
Ihr ewiges Gered' von Zucht und Ehre,
Ihr Schreien, wenn in unbefangnen Worten
Ein heikler Doppelsinn sich wittern läßt,
Ihr Selbstbewußtsein, das sich allerorten
Ein Mitleidstränchen aus den Augen preßt,
Ihr Kanzelton, der sich damit vergnügt,
Auch Lauterkeit und Unschuld anzuklagen,
Ward, um es grad herauszusagen,
Ganz allgemein verurteilt und gerügt.
Was ist, so frug man, ihrer Andacht Sinn?
Spricht ihrer Maske nicht ihr Leben Hohn?
Denn diese pünktlich fromme Beterin
Schlägt ihr Gesind und zahlt ihm keinen Lohn.
Sie nennt das Kirchenlaufen unerläßlich
Und schminkt, um hübsch zu scheinen, ihr Gesicht;
Auf Bildern ist ihr jede Nacktheit gräßlich;
Doch das Lebendige mißfällt ihr nicht.
Ich stellte mich sogleich auf Ihre Seite
Und sagte laut, daß dies Verleumdung sei;
Doch meine Stimme war im Widerstreite
Mit allen übrigen; man blieb dabei,
Daß Sie, statt andern nachzuspüren,
Sich selber prüfen sollten streng und scharf,
Daß man erst fegen muß vor eignen Türen,
Bevor man alle Welt verdammen darf,
Daß eine Frau nur durch ein Musterleben
Dem Sittentadel gibt Gewicht
Und besser noch anheimstellt das Gericht
Den Leuten, denen Gott dies Amt gegeben.
Madame, Sie werden mich nicht mißverstehn,
Den gutgemeinten Rat mir nicht verargen;
Sei'n Sie versichert, meine Worte bargen
Den regsten Anteil für Ihr Wohlergehn.

Arsinoë. Obgleich ein Mahnwort stets gefährlich war,
So durft' ich einen bessern Lohn erhoffen;
Aus Ihrer Bitterkeit erkenn' ich klar,
Daß Sie mein Freimut hat ins Herz getroffen.

Celimene. Im Gegenteil, ich möchte jedermann
Solch wechselseit'gen guten Rat empfehlen,
Damit die arge Blindheit weichen kann,
In welcher einzeln wir uns quälen.
Wenn Sie nur wollen, werden wir hinfort
Uns mit dem gleichen Eifer redlich dienen
Und uns getreulich melden jedes Wort,
Das Sie von mir gehört und ich von Ihnen.

Arsinoë. Madame, wer spräche wohl von Ihnen schlecht?
Ich freilich bin des Tadels nicht enthoben.

Celimene. Es läßt sich alles tadeln oder loben,
Und jeder hat auf seine Weise Recht.
Denn wir erleben eine Zeit der Liebe
Und eine Zeit der strengen Sitten,
Zu denen schon allein die Klugheit triebe,
Sobald der Glanz der Jugend uns entglitten,
Weil wir nur so vor Kränkung uns bewahren.
Wahrscheinlich folg' ich Ihrem Beispiel auch,
Wenn ich erst alt bin; doch es ist nicht Brauch,
Schon sittenstreng zu sein mit zwanzig Jahren.

Arsinoë. Ei, wollen Sie den winz'gen Zwischenraum
Des Alters an die große Glocke hängen?
Daß Sie ein bißchen jünger sind, ist kaum
So wichtig, um es prahlend auszusprengen,
Und unklar ist mir, was Sie treibt,
Mich so empfindlich zu verletzen.

Celimene. Ganz ebenso, wie mir es unklar bleibt,
Warum Sie gegen mich beständig hetzen,
Warum Ihr Ärger immer mich beschuldigt;
Kann ich dafür, daß niemand Ihnen huldigt?
Wenn viele mir nicht widerstehen können
Und täglich ihre Liebe mir beteuern,
Das werden Sie mir zwar nicht gönnen;
Doch dem vermag ich wirklich nicht zu steuern.
Das Feld ist frei; ich hindere Sie nicht,
Die zu erobern, denen Sie gefallen.

Arsinoë. Ach, meinen Sie vielleicht, ich wär' erpicht
Auf jenen Männerschwarm, mit dem Sie prangen?
Als wüßte man nicht ganz genau bei allen,
Um welchen Preis es leicht ist, sie zu fangen!
Soll man wohl glauben bei der heut'gen Jugend,
Daß diese Schar nur Ihr Gemüt verehrt,
Nur in erlaubter Liebe sich verzehrt
Und nichts bewundern will als Ihre Tugend?
Solch eitler Vorwand macht doch niemand blind;
Die Welt ist nicht so dumm. Ich kenne Frauen,
Die Liebe zu erwecken würdig sind
Und doch kein Heer von Männern um sich schauen.
Und hieraus zieht man leicht den Schluß,
Daß sie nicht unsrer schönen Augen willen
Uns lieben, daß man ihre Wünsche stillen
Und ihre Dienste sich erkaufen muß.
Drum meiden Sie's, den zweifelhaften Schein
So leichter Siege rühmend zu entfalten,
Und schränken Sie den Hochmut ein,
Mit dem Sie sich für was Besondres halten.
Wär' unser Herz von Neid geschwollen,
Wir könnten leicht dieselben Wege gehn:
Entsagten wir der Scham, Sie würden sehn,
Daß wir Geliebte haben, wenn wir wollen.

Celimene. So wollen Sie doch nur; ich habe nichts dagegen.
Und da Sie nun die schwarze Kunst erkannt,
Wie man . . .

Arsinoë.             Nichts mehr von diesem Gegenstand!
Wir würden uns zu sehr erregen,
Und längst schon hätt' ich Lebewohl gesagt;
Jedoch mein Wagen zwingt mich zu verweilen.

Celimene. Solang es Ihnen irgend hier behagt,
Bitt' ich durchaus sich nicht zu übereilen.
Ich will nicht lästig sein und mag Sie gern
Der angenehmeren Gesellschaft gönnen;
    (Auf den eintretenden Alcest deutend) 
Ein guter Zufall schickt uns diesen Herrn;
Er wird Sie besser unterhalten können.

Sechster Auftritt

Vorige. Alcest.

Celimene. Mein Freund, ich habe einen Brief zu schreiben,
Der keinen Aufschub leiden darf. Sie sollen
Indes Madame die Zeit vertreiben;
Sie wird, so hoff' ich, mir deshalb nicht grollen.

Siebenter Auftritt

Alcest. Arsinoë.

Arsinoë. Das heißt, Sie müssen sich mit mir begnügen
So lange, bis mein Wagen wiederkehrt;
Sie konnte meinem Wunsch sich gar nicht besser fügen,
Als da sie dies Gespräch mir hat gewährt.
Muß doch an einen edlen Mann
Lieb' und Verehrung aller Welt sich heften;
Ihr Geist ist so begabt mit Zauberkräften,
Daß er mein wärmstes Mitgefühl gewann.
Sie hätten wahrlich Recht zur Klage;
Sie könnten fordern, daß die Majestät
Sich Ihres Werts erinnert; alle Tage
Verdrießt es mich, wie man Sie übergeht.

Alcest. Mich? Hab' ich Anspruch auf besondre Ehren?
Welch großen Dienst erwies ich je dem Staat?
Auf welche hohe Heldentat
Könnt' ich verweisen, um mich zu beschweren?

Arsinoë. Nicht jeder, den des Hofes Gunst mit Gaben
Beschenkt, hat etwas Rühmliches vollbracht.
Man muß nur Glück und mächt'ge Freunde haben,
Und weil schon Ihr Verdienst Sie würdig macht,
Drum . . .

Alcest.           Mein Verdienst! O lassen wir das ruhn!
Kann denn der Hof mit allem sich befassen?
Er hätte wirklich viel zu tun,
Um jedermanns Verdiensten aufzupassen.

Arsinoë. Ein echt Verdienst erstrahlt in eigner Helle;
Von Ihrem ist man überall durchdrungen.
Noch gestern ward an hoher Stelle
Von Leuten ersten Rangs Ihr Lob gesungen.

Alcest. Je nun, Madame, wen lobt man heute nicht?
Auf Unterschiede leistet man Verzicht;
Der Ruhm erhält die weiteste Verbreitung;
Man wird durch Lob schon längst nicht mehr geziert,
Man schwimmt darin, wird damit bombardiert,
Und selbst mein Hausknecht steht schon in der Zeitung.

Arsinoë. Damit die Welt Sie besser lerne schätzen,
Wünscht' ich, daß Sie ein Amt bei Hof erstreben.
Man wird, sobald Sie nur ein Zeichen geben,
Gleich alle Hebel in Bewegung setzen.
Mir stehen Freunde zu Gebot, die gern
Den Weg erleichtern und das Ziel gewinnen.

Alcest. Und was, Madame, sollt' ich am Hof beginnen?
Mein ganzes Wesen hält mich von ihm fern.
Die Seele, welche Gott mir eingehaucht,
Wird nimmermehr die Luft des Hofs vertragen;
Mir fehlen die Talente, die man braucht,
Um dort zu glänzen und sich durchzuschlagen.
Mir hat Natur ein offnes Herz geschenkt;
Ich kann nicht meine Worte drehn und winden,
Und wer nicht anders redet, als er denkt,
Der wird dort niemals eine Heimat finden.
Muß ich entsagen all den großen Zielen
Und all den Titeln, die der Hof verleiht,
So bleib' ich auch dafür befreit
Vom bittren Lose, den Hanswurst zu spielen:
Ich muß mich nicht vor jeder Kränkung ducken,
Mich nicht an eines Stümpers Versen freun,
Nicht hohen Damen Weihrauch streun,
Nicht unsrer Junker Faseleien schlucken.

Arsinoë. So lassen wir den Hof; doch manches Mal
Muß ich auch Ihrer Liebe Mitleid zollen,
Und wenn Sie meine Ansicht hören wollen,
So wünscht' ich Ihnen eine beßre Wahl,
Ein reichlicheres Maß von Glück beschert:
Denn diese Frau war niemals Ihrer wert.

Alcest. Mir scheint, Madame, Sie haben nicht bedacht,
Daß Sie von Ihrer Freundin sprechen.

Arsinoë. O doch! Nur mein Gewissen ist erwacht
Und kann nicht länger dulden dies Verbrechen.
Ach, Ihre Lage muß mein Herz verwunden;
Denn sicher ist's, daß man Sie hintergeht.

Alcest. Ein Mitgefühl, das Ihnen trefflich steht,
Für das ich Ihnen äußerst bin verbunden.

Arsinoë. Ist sie auch meine Freundin, das Vertrauen
Von einem edlen Mann verdient sie nicht;
Denn ihre Liebe hat ein falsch Gesicht.

Alcest. Wohl möglich; niemand kann in Herzen schauen;
Doch hätt' Ihr Mitleid schöner sich gezeigt,
Wenn Sie dies Gift mir vorenthalten hätten.

Arsinoë. Wenn Sie den Wunsch nicht haben, sich zu retten,
Dann ist es freilich besser, daß man schweigt.

Alcest. O nein. Doch alles setz' ich lieber dran,
Als daß mein Herz von Zweifeln wird zerrissen;
Ich will nicht, nein, ich will nichts wissen,
Bevor ich's nicht mit Händen greifen kann.

Arsinoë. Da halt' ich Sie beim Wort; wir machen aus,
Daß Sie sich nur den klarsten Gründen beugen,
Sich nur mit eignen Augen überzeugen.
Begleiten Sie mich jetzt zu mir nach Haus;
Dort sollen Sie mit größter Deutlichkeit
In Ihrer Liebsten falsche Seele schauen,
Und hätten Sie nur Sinn für andre Frauen,
Dann läg' ein Trost gewiß nicht allzuweit.

 


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