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Zu Anfang der für das westliche Deutschland so verderblich gewordenen neunziger Jahre, kurz eh das Deutsche Reich die Waffen gegen die neue französische Republik ergriff, hatte der ausgediente Steuereinnehmer Knisel seinen Ruhesitz in der damaligen Freien Reichsstadt Rothenburg genommen. Er folgte hierin wie in allen möglichen Fällen des häuslichen Lebens dem unbedingten Willen seiner Frau, welche daselbst geboren und erzogen war, und ihren Lieblingswunsch um so begieriger betrieb, da sich zur Wiedererwerbung des stattlichen Hauses ihrer Voreltern soeben günstige Gelegenheit darbot.
Die Frau, mit achtundvierzig Jahren erst an den genannten, als Junggesell ergrauten Mann verheiratet, erschien noch jetzt als eine saubere wohlgenährte Person, von strengem Blick und ausdrucksvoll gegossenen Zügen. Außer einer im stillen immer geschäftigen Sorge für Erhaltung und Vermehrung ihres beträchtlichen Vermögens war ihr kaum eine andere menschliche Neigung gegeben, und mit der entschiedenen Anhänglichkeit an die Vaterstadt hatte sie vor der geringsten ihrer Mitbürgerinnen wenigstens nichts voraus.
Unter Herrn Knisel denke man sich eine langgestreckte schmale Figur, ein feines, etwas klein geratenes Gesicht, die niedrige Stirn von reinlich gewickelten Buckeln umgeben, dünne Arme und beinweiße Finger, den ganzen Menschen in jedem Betracht seiner ehlichen Hälfte unähnlich. Als der einzige gemeinschaftliche Zug ist ein ausnehmender Ordnungsgeist zu bezeichnen, und ohne die ihm eigene Fügsamkeit, dahinter sich bisweilen wohl etwas Schalkähnliches versteckte, ohne die Anspruchslosigkeit, mit welcher er geräuschlos, oft verstohlen, seinen besonderen Liebhabereien nachhing, hätten die Leutchen sich zum steten Ärger leben müssen. Wenn er an langen Sommernachmittagen, sein leichtes Hauswams auf dem Leibe, im großen kühl gehaltenen Wohnzimmer – es war weiß getüncht, zum Teil mit Eichenholz getäfelt – die eben frisch vom Garten oder Feld gebrachten Kräuter, die teils der Speisekammer, teils der Hausapotheke angehörten: Schafgarbe, Melisse, Kamille, auf reinlich mit Papier belegten Hürden zum Trocknen ausbreitete; noch mehr, wenn er an seinem Pulte stehend das Kapitalbuch vor sich hatte, die Zinstermine nachsah und seine Einträge machte, so konnte Frau Susanne ihn gerne um sich haben. Er schrieb die gefälligste Hand, fest, rundlich und bequem; in jenem Hausbuch sah man Blatt für Blatt, den hübsch in Fraktur gehaltenen Namen des Schuldners voran, jedes Wort, alle Ziffern und Zeichen mit rabenschwarzer, selbstverfertigter Tinte so gleich und rein zwischen den roten Linien stehen, als gälte es ein Muster dieser Art für ewige Zeiten in diesem Pergamentbande aufzustellen.
Freilich bestand in Ansehung der sämtlichen Geschäfte seiner Felder im Verwaltungsfache der große Unterschied zwischen unserm Paare, daß es ihr wesentlich um die Sache, ihm lediglich bloß um die Form zu tun war. Von seinem früheren öffentlichen Amte her war ihm ein kanzellistisches Bedürfnis, eine spielende Schreiblust geblieben, die er indes doch keineswegs allein im Wege seiner administrativen Pflichten, vielmehr mit ungleich größerem Vergnügen an Gegenständen übte, durch deren Pflege er in eine ehrenwerte, wenn auch etwas weitläufige Beziehung zur Wissenschaft trat. Herr Knisel war Naturaliensammler, daneben Altertümler, und entwickelte seit seinem Aufenthalt zu Rothenburg eine nicht zu verachtende kompilatorische Tätigkeit für die Geschichte und Topographie der alten Reichsstadt [so]. In erstgedachter Eigenschaft muß ihm ein liebevoller Sinn und ein geübtes Auge für kleine stille Einzelheiten der Natur, Lebendiges und Totes, Stein, Pflanze oder Käfer zugestanden werden, das immerhin schon weit mehr ist, als man bei einem ganz verknöcherten Pedanten, wie sich der gute Mann dem ersten Anschein nach darstellen mochte, gesucht haben würde. Sein systematisch in zwei hohen Schränken aufgestelltes, schön katalogisiertes Kabinett von Petrefakten, ein größtenteils längst vor der Heirat erworbener Besitz, enthielt nach dem Zeugnis von Kennern manches beneidenswerte Stück, häufig mit einem Signo exclamationis (!) zum Zeichen des selbstgemachten Funds versehn; und seine Vorliebe gerade für diesen Zweig der Naturbetrachtung war um so eigentümlicher, je seltener im allgemeinen derselbe damals noch von Dilettanten gepflegt wurde. Einen eifrigen Steinsammler fand er indessen im Stadtapotheker, Herrn –, einem entfernten Vetter seiner Frau, der als wohlhabender Mann sich die Vermehrung seiner Fächer manchen Gulden [kosten] ließ. Bei der geringen Achtung, welche Frau S[usanne] für diese Studien ihres Mannes hatte, bedurfte es schon einer so namhaften Autorität aus ihrer eigenen Verwandtschaft, um ihre Meinung von dem Werte solcher Raritäten einigermaßen zu verbessern. Demungeachtet blieben jene beiden Schränke nebst anderen Seltsamkeiten in einer abgelegenen unheizbaren Kammer des obern Stocks verwiesen, so daß der gute Knisel sich seiner besten Schätze stets nur durch einen Teil des Jahres recht nach Lust erfreuen konnte. An weitere Erwerbungen war außer dem, was Gunst und Zufall brachte, seit lang nicht mehr zu denken, es wäre denn, daß sich bisweilen in der Stille mit Erdarbeitern und Werkleuten ein kleiner Handel machen ließ.
Aus angeborener Menschenfreundlichkeit bewies er sich, wofern die Gegenwart der Frau ihm nicht die Hände band, freigebig gegen Arme aller Art, gegen wandernde Handwerksgesellen zumal und reisende Halbkünstler, an deren Unterhaltung er sich stundenlang vergnügte. Ängstlich und karg fand man ihn nur mit Gegenständen seiner besonderen Passion. Um seinen reichen Vorrat an holländischem und anderem Schreibpapier, an Federkielen, Siegellack, Bindfaden und dergleichen niemals anzugreifen, behalf er sich im Notfall kümmerlich und zahlte gern das Doppelte für schlechtere Ware, wie sie im Augenblick zu haben war, eine Eigenschaft, welche mitunter zu seltsamen Auftritten zwischen dem Ehepaar führte.
Herr K[nisel] besaß, wenn auch weit entfernt von einem höheren Gesichtspunkt und mehr nur auf das Seltsame als das Bedeutende gerichtet, einen nicht ganz verächtlichen Sinn für antiquarische Denkwürdigkeiten.
Seine Lektüre blieb allerdings nach Maßgabe der kleinen, mehr durch Zufall als durch eigene Wahl zusammengekommenen Bibliothek auf einen ziemlich engen Kreis beschränkt. Von Lieblingen im Fach der schönen Wissenschaften sah man bei ihm in erster Reihe nächst Brockes' »Irdischem Vergnügen in Gott« die verdeutschte »Clarisse«, den »Grandison«, verschiedene Teile von Wieland und Thümmel, besonders aber den »Spitzbart«, eine tragikomische Geschichte, und »Leben und Meinungen des Freiherrn von Münchhausen«, dabei las er als ferner Lateiner »Oweni Epigrammata«.
... sein tiefer Respekt vor den wissenschaftlichen Arbeiten berühmter Männer in diesem Gebiet, wozu er in bescheidenem Ehrgeiz fürs Leben gern ein Scherflein beizutragen wünschte, nur daß er immerfort verlegen war, sie an den rechten Mann zu bringen.
Fremde Besucher Rothenburgs, die von dem Tale her den Anblick dieser Stadt – es ist die Abendseite – zum ersten Male haben, sind durch das Imposante ihrer hohen prächtigen Lage, vermöge deren sie in alten Reisewerken häufig mit Jerusalem verglichen wird, nicht minder durch die Menge von Türmen und Türmchen überrascht, welche rund und eckig, stumpf oder spitz allenthalben aufsteigen.
Die Stadt zieht sich in langer Ausdehnung auf einem Felsenhügel (von Keuperkalk) über dem Tauberfluß hin, so daß sie ihren Mauergürtel mehr oder weniger dicht an den Talrand vorrückt, der auf der Strecke seines steilsten Abfalls schon jederzeit nur geringer Befestigung bedurfte. Auf einem breiten Vorsprung dieses Felsens erblickt man die mit rohen Quadersteinen gewaltig unterbauten Überreste der sogenannten alten Burg, von welcher die Stadt ihren Anfang genommen. Die ganze Bergwand zeigt sich, insoweit nicht einige Felsblößen und wildbewachsene Schluchten die Anpflanzung verwehren, mit Wein und Obstbau heiter und mannigfaltig bekleidet. An der entgegengesetzten Talseite schwingt sich der Berg mit einmal weit und steil heraus. Nach einer längst verschwundenen Feste wird dieser Punkt, von welchem aus Oktavio Piccolomini im Jahre 1634 die Stadt mit Granaten und glühenden Kugeln beschoß, die Engelsburg genannt. In einer schönen Schlangenlinie fließt die Tauber untenher; während des Sommers meist friedlich klein und geräuschlos, nach Regengüssen stark und ungestüm genug. Zerstreute Gebäude, ein gut eingerichtetes Wildbad, verschiedene Mühlen und ländliche Hütten umgeben den Fluß. Dicht bei der Kreuzung zweier Steigen, die unmittelbar zur Stadt hinaufführen, fällt jedermann sogleich die schöne Brücke auf, ein altes großartiges Bauwerk, das mit seiner gedoppelten Reihe übereinanderstehender Bögen an die römischen Aquädukte erinnert. Hiezu in malerische Nachbarschaft tritt links am Fluß, von hohen Pappeln überragt, die Herrenmühle und rechts, durch die Reinheit seiner deutschen Bauart ausgezeichnet, das Kirchlein Unsrer lieben Frauen zu Cobolzell (so hieß zu Ehren des heiligen Cobol, eines Waldbruders der grauesten Vorzeit, das kleine Dorf, das einst an diesem Fleck gestanden haben soll). Von hier aus lief, mit frommer Anspielung auf jene von Pilgern bezeugte Ortsähnlichkeit, ein breiter Stationsweg aufwärts gegen die alte Burg. Wallfahrende Scharen aus der Nähe und Ferne versammelten sich in der Stadt und zogen feierlich zuerst die Cobolzeller Steige herab, nach dem Kirchlein im Tal, bewegten sich alsdann zwischen den Leidensbildern des Erlösers von einer Station zur anderen hinauf, um nächst an dem Burgtor eine große steinerne Kreuzigungsgruppe zu berühren, und so fort endlich zum Altar des heiligen Bluts in der Hauptkirche von St. Jakob zu gelangen. Dies Herkommen blieb bis gegen 1544, wo die Gemeine, längst lebhaft vom Zug der Reformation ergriffen, die erste evangelische Predigt in St. Jakob zu hören bekam. Diese Kirche, das köstlichste Denkmal des einstigen Glanzes der Stadt, gehört als eine Schöpfung des 14. und 15. Jahrhunderts derselben edlen Bauart an, die das Erhabene der großen Massen durch Zierlichkeit und Mannigfaltigkeit der Teile zu mildern und zu erheitern weiß. Wenn man bedauern kann, daß die zwei hohen, in durchbrochene Spitzen auslaufenden Türme das Ebenmaß des Ganzen in seiner ursprünglichen Anlage merklich verletzen, so sondern sich dagegen die anderweitigen geschmacklosen Zutaten, die ein abgelebtes und eitles Geschlecht dem ehrwürdigen Bau von außen und innen aufdrang, vor unserm Blick unschwer von selber ab, bis man sie eines Tages in Wirklichkeit verschwinden lassen wird. Die Stadt hat überhaupt vieles Sehenswertes an Gebäuden, an öffentlichen Plätzen und Anstalten: der Marktplatz mit seiner Umgebung, die beiden Rathäuser samt dem Archiv und den unterirdischen Staatsgefängnissen.
... unweit davon das Fronwaghaus mit der merkwürdigen Nürnberger Uhr, wo die Ratsgeschlechter ihre Trinkstube hatten; das Wohnhaus ferner des alten Geschlechts der Jaxtheimer, in welchem gewöhnlich die Kaiser herbergten; das große Brunnenwerk, vermittelst dessen das Wasser vom Talgrund jenseits unter dem Flußbett hinweg bis auf die Höhe des Klingenturms gehoben wird; sodann die Klöster, Kirchen und Kapellen, das Hospital, die reiche, mit Waffen mannigfacher Art versehene Rüstkammer, dies alles und was sonst für die Eigentümlichkeit eines reichstädtischen Lebens, für seinen abenteuerlichen Reiz in Krieg und Frieden bezeichnend sein mag, gibt dem Altertumsforscher vielfachen nicht leicht zu erschöpfenden Stoff. Wir haben nur noch flüchtig das Außenbild der Stadt von denjenigen Seiten zu ergänzen, auf welchen sich, ihrer natürlichen Lage gemäß, die eigentlichen Befestigungswerke befinden.
Von der nördlich gelegenen Klingenbastei erstreckten sich dieselben bis zu der südlichen Spitze der Stadt und deckten so die lange Linie nach Morgen gegen die Ebene hin. Das stärkste Bollwerk, die Spitalbastei, deren oberer Gang für schwere Kartauen und anderes Geschütz mäßiger Größe eingerichtet war, lag eben an jenem südlichen Ende; sie konnte für sich als abgesonderte Forteresse verteidigt werden. An der Ringmauer steht eine ganze Reihe von Türmen, darunter sich der Faulturm – er ist rund wie aus einem Stücke gedreht – durch seine Schönheit und Höhe auszeichnet. Bei den Wällen am Klingentor mit Galgen- und Rödertor erstürmte Tilly im September 1631 die Stadt; beim Gottesacker, wo die Straße nach Ansbach und Nürnberg führt, hatte Gustav Adolf im folgenden Jahr sein Lager geschlagen. Und dies sind nicht die einzigen Erinnerungen kriegerischer Art, von welchen jene Zinnen und Türme reden konnten.
Zwei Jugendfreunde, Georg Arends und Franz Wintermantel, beide aus Rothenburg, assoziieren sich als Fabrikanten in Nürnberg. Das Etablissement reussiert nicht; der jüngere, Wintermantel, erkrankt und stirbt zu eben der Zeit, als ein Bankerott unvermeidlich scheint. Bei der Massenuntersuchung ergibt sich aber, daß nicht nur die Gläubiger befriediget werden können, sondern daß beiden Familien noch etwas Vermögen bleibt. Frau Wintermantel zieht, den letzten Wünschen ihres Gatten gemäß, nach seiner Vaterstadt Rothenburg. Heinrich Arends, als kinderloser Witwer, geht unter den vorteilhaftesten Bedingungen in Geschäften eines großen Hauses nach dem Kap. Seine Schwester Susanne (die als Witwe eines Geistlichen den alten Steuereinnehmer Knisel in Ulm geheiratet) hat eine Kiste mit schwerem altfränkischem Silbergeschirr (einen Teil der Mitgift seiner Frau) in Verwahrung, welche er bei dem drohenden Gant zu ihr gerettet hatte. Vor seiner Abreise bittet er die Schwester, dieses Silberservice vorderhand in ihrem Verschluß zu behalten, nach Umständen aber es zu Gelde zu machen und das Kapital für die jetzt erst dreijährige Tochter seines verstorbenen Freundes Wintermantel, seinem Patchen Augusta, anzulegen, gegen dessen Hinterbliebene er besondere Verpflichtungen zu haben glaubt, insofern er das gemeinschaftliche Mißgeschick zum größten Teil seiner verfehlten Spekulation zuschrieb. Mad. Wintermantel, mit welcher er gewissermaßen auf gespanntem Fuße steht, erfährt von dieser Verabredung nichts, um so weniger, weil man sie nicht für die beste Haushälterin hält. Sie widerlegt jedoch eine solche Meinung durch die Tat, indem sie sich in Rothenburg anständig durch fleißige Handarbeit (Blumen- und Putzmacherei) ernährt, ihre Tochter gut erzieht usw.
Nach Jahr und Tag erfährt man, daß Arends in dem fremden Lande gestorben. Frau Susanne zögert mit Vollziehung seines Auftrags, sie kann sich von dem anvertrauten Schatze nicht trennen und weiß sich damit zu beruhigen, daß Mutter und Tochter nicht Not leiden. Übrigens trifft sie doch im stillen einige Vorkehrung, daß das Silber Augusten einstens zufallen soll; und als auch sie späterhin ihren Wohnsitz in Rothenburg hat, zeigt sie derselben je und je eine Wohltat.
Ein Kaufmann Wintermann stirbt als Witwer in seinem fünfzigsten Jahr, ohne Kinder zu hinterlassen, zur Zeit, als ihm ein Bankerott drohte. Er übergibt seiner Schwester eine Kiste mit altem Silbergerät, das sie seinem Patchen Augusten (der zehnjährigen Waise seines besten Freundes) retten soll. Nach seinem Tode zeigte sich aber nicht allein, daß sämtliche Gläubiger befriedigt werden konnten, sondern sogar noch einiges Vermögen übrig blieb. Die Schwester kann sich nicht entschließen, sich von dem anvertrauten Schatz zu trennen, beschwichtigt aber ihr Gewissen durch den Vorsatz, das Mädchen in ihrem Testament auf entsprechende Weise zu bedenken; inzwischen läßt sie derselben unter anderer Form die Zinsen dieses Kapitals regelmäßig zukommen.
Mittlerweile hat sie den alten Steuereinnehmer (Knisel ? Arthaus) geheiratet. Sie lassen sich nach dessen Pensionierung in Rothenburg an der Tauber nieder. Bekanntschaft des Steuereinnehmers mit dem jungen Zinngießer Christel, seinem Nachbar an der Stadtmauer.
Im Frühjahr 1800 verreist die Frau zu ihrer kranken Schwester. Den 12. Juli erscheint eine Anzahl französischer Chasseurs in der Stadt. Ihr Betragen macht dem Steuereinnnehmer für die Zukunft bange. In der Frau Abwesenheit läßt sich der Steuereinnehmer von Christel bewegen, das im Jahre 1796 in eine Wand der Hausflur eingemauerte Silbergeräte zu größerer Sicherheit einzuschmelzen, in Kugelform zu gießen und als Kirchturmknopf aufzustecken. (Andere wertvolle Gegenstände bleiben in ihrem bisherigen Verstecke.)
Christel schmelzt und gießt das vom Steuereinnehmer ihm vorgewogene Silber unter dessen Augen. Es bleiben vier silberne Löffel und ein Kännchen übrig, als die Form sich füllt. Das Gewicht der fertigen Kugel stimmt genau mit der Rechnung. Ende August kehrt Frau Friederike von der Reise zurück. Die schreckliche Entdeckung. Haussuchung bei Christel durch die Polizei. (Er hat noch Zeit, die Kugel wegzubringen.) Ohne recht zu wissen, in welcher Absicht, flüchtet er die Kugel; im Drange des Augenblickes läßt er sie – am lichten Tag, im hellen Morgensonnenschein – durch sein Kammerfenster über die Mauer den Berg hinabspringen – sie stürzt in etlichen Sätzen lustig in die unten vorbeifließende Tauber. Kein Mensch hat's wahrgenommem.
Christel entkommt. Vergebliche Nachforschungen.
1802 stirbt die Frau Friederike unvermutet schnell.
Ihr Mann, fast kindisch, überlebt sie nicht lange.
1805 Auffindung der Kugel durch einen Fischer im Mondschein. Gerichtliche Verhandlung über den rechtmäßigen Erben der Kugel. Charlotte hatte schon früher von ihren Ansprüchen, soviel sie selbst davon wußte, gegen eine Freundin geäußert. Allein es meldet sich der Schwestersohn von Frau Friederike. Er hat kein eigentliches Dokument, wohl aber ein genaues, unter den Papieren der Erblasserin vorgefundenes Verzeichnis sämtlicher Stücke Silber mit Angaben des einzelnen Gewichts. Die Summe dieser Angaben stimmt nahezu, doch nicht ganz mit der Schwere der Kugel. Der Neffe bringt ein silbernes Etui und drei Löffel mit G. v. A. bezeichnet. Diese Bezeichnung findet sich auf jenem Papier gleichfalls für ein ganzes Dutzend Löffel.
An dem Etui springt in der Hand des Untersuchungsrichters oder eines Aktuars zufällig ein geheimes Ressort, worin sich ein Zettel findet mit den Worten: »Dieses Etewü war bei den 32 Stück Silbersachen, so mein sel. Bruder vor die Auguste D. bestimmte; ich habe solches mit seiner Bewilligung vor mich eingetauscht und ein silbernes Leuchterlein davor hingetan.
T. Rosina Friederike Arthaus, geb. J.« Hierauf entscheidet das Gericht zugunsten Augustens.