Eduard Mörike
Idylle vom Bodensee oder Fischer Martin
Eduard Mörike

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Sechster Gesang

            Aber der Fischer zu Hause betrieb die begonnene Arbeit
Nach Mittag ungestört und nahm sich der Weile zu allem.
Still nach dem hinteren Höfchen hinab die Schauergestalten
Trug er ins Waschhaus jetzt, wo die Mittagshitze nicht hindrang.
Allda schloß er sich ein mit dem gar anstelligen Jungen,
Ruht' und rastete nicht, bis er, erst mit sinkendem Abend,
Reinlich und schön in die blumige Tracht nun beide gehüllt sah.
    Ungern weg vom vollendeten Werk dann folgt' er der Mutter
Stärkerem Ruf an den Tisch zu den andern, so viele das Haus nährt,
Die, um die Schüssel voll sauerer Milch her sitzend, in Ruhe
Speiseten, ohne den Vater (er zehrt' um sein Geld mit den Gästen):
Alle die stark herwachsenden Knaben und Töchter und jener
Blinde, der teilnahmlos, halbtaub, von dem Tagesereignis
Nichts vernahm im Gespräch; nur als mit erhobener Stimme
Ihm in das Ohr gutherzig die Hausfrau sprach von der Hochzeit,
Und von den leckeren Bissen zuerst ihm legt' auf den Teller,
Welche der Mann herschickte vom Gasthof, Kuchen und Rehfleisch,
Nickt' er zum halbverstandenen Wort, doch frug er nicht weiter.
    Märte, nachdem er den Löffel gewischt, nahm leise die Kappe
Hinter dem Ofen vom Nagel herab und ging aus den Hause,
Nach dem Versammlungsort. Ihn führte sein Weg an der Liebsten
Wohnung vorbei. Sie stand in der Scheuer und winkte; da lief er
Hurtig zu ihr, die strahlenden Blicks mit den Worten ihn ansprach:
»Denke, der Tone macht Ernst mit der Schäferin! Heut in der Frühe
Sah ihn die Cordel, die alte – sie ging Holz suchen im Eichschlag –
Sah sie ihn bei ihr stehn, denn sie hütete dort, und zum Abschied
Hätten sich beide geküßt! Was willst du weiter? Er machte
Sicher den Antrag ihr, und fürwahr sie bedachte sich nicht lang!«
    Sprach es, die Käth, und der feurige Bursch, sein Mädchen ergriff er
Unter den Armen und, Schmatz auf Schmatz, noch bevor sie geendet,
Schloß er die freundlichen Lippen ihr zu; dann Lirum tralarum
Schwang er, wie närrisch geworden, im Tanz sie umher auf der Tenne.
»Bei Gott!« rief er zuletzt – »nun hab ich Respekt vor dem Jungen!
Siehst du: daß er am richtigen Fleck noch käme zu landen,
Das war gut prophezein, nachdem sich der Wind einmal drehte;
Aber so frischweg und wie zum Trutz dem garstigen Werwolf
Sich just heut resolvieren – ich hielt ihn selber nicht Manns gnug.
Wetter! ich wollt, sie erführ's noch am Hochzeittisch, und zum Kehraus
Säng ihr einer, verkleidet als Hackbrettschläger, die Märe.
Ach, und warum ist der Tone nicht hier! Ich hoffe, er kommt noch.
Denn, im Vertrauen gesagt, heut schmausen wir droben im Walde,
Ihm zu Ehren; es geht hoch her, und wäret ihr Mädchen
Etwas nütz im geringsten, wir nähmen euch alle zum Tanz mit;
Aber man braucht euch nicht. Und also sag ich für heute,
Schatz, gut Nacht! und nimm es nicht übel, ich habe Geschäfte.«
    Hiermit lief er hinweg, und die dämmernde Gasse hinunter
Eilt' er und kam zur Halle, woselbst er die andern schon antraf.
    Lachend empfingen sie ihn, schon kundig des Planes, und standen
Dicht um ihn her; da begann ungesäumt lebhaft die Beratung,
Doch vorsichtig die Stimmen gedämpft, auch wann durcheinander
Alle sich mischten und hin und wieder die Meinung geteilt war.
    Vorweg hatte, schon gestern, der Fischer mit Mühe des Jörgen
Niklas beredt, er wolle zur Zeit aufschließen die Tenne,
Und so gelobt er auch jetzt, da ihn alle bestürmten, aufs neue,
Ungern freilich: er konnte des Vaters Entrüstung voraussehn.
Doch er gedachte vor Tag, noch ehe der Alte vom Gasthaus
Wäre zurück, im nüchternen Bett sich finden zu lassen.
Weiter: sie wollten mit Stroh dem Wagen die Räder umwickeln,
Daß sie ohne Geräusch ihn förderten über das Pflaster,
Bis vor das Dorf ihn zwingend allein aus menschlichen Kräften;
Doch dort sollten die Pferde bereitstehn, viere zum mindsten:
Frieders Gespann und Dieterichs Scheck und Damians Einaug.
Vorher mußten die Speisen indes nach dem Walde geschafft sein,
So wie das Fäßchen mit Wein auf dem Schubkarrn; ferner besonders,
Sorglich getragen von zwein auf der Achsel, das blumige Brautpaar.
Etlichen gab man noch auf, für den Notfall eine der langen
Tafeln, auch ein und die andere Bank aus dem Garten der Wirtschaft
Hinten am »Adler« zu holen, wo leicht von der Wiese man beikam.
Glas und Besteck war aber zu bringen ein jeder verbunden.
    Dies nun alles genau so wie sie es hatten beschlossen
Führten sie herzhaft aus; ja sie kamen zum fröhlichen Ziele
Unentdeckt, so nah noch zuletzt die Gefahr sie bedrohte.
Zwölf Uhr war's in der Nacht, nur spärlich der Himmel erleuchtet,
Und schon hatten sie glücklich heraus den belasteten Wagen;
Hinter ihm schlossen die Flügel der Tür sich leise zusammen,
Und dumpf rollt' er dahin, selb fünfzehn keuchten die Bursche
Vorn und hinten, die Stärksten jedoch an den Speichen der Räder
Schiebend. Und jetzo bereits vor den Ort und nahe dem Schafhaus
War er gebracht, es kam schon der Hans mit den Pferden entgegen:
Plötzlich da rief es von hinten und stolpert' heran auf der Straße –
Sime-Barthel, ein Ratsherr, war's, er kam von der Hochzeit
Hinter dem Flecken herum, es war ihm der nähere Heimweg –:
»Höll-Schwernot! was wird da geschafft? Ihr Mannen, wer seid ihr?« –
Alle erschraken ins Herz, doch es sagte der Märte mit Fassung:
»Der ist voll bis zum Hals – man hört es am Gang und der Sprache –
Mit dem werden wir fertig! – nur flink, spannt ein! – ich beschwätz ihn.«
– Hiermit lief er entgegen dem Trunkenen, welcher auf schwanken
Füßen daher sich in unfreiwilligen Kreisen bewegte,
Dem auch die Sinne zumeist und das Urteil gänzlich entflohn war.
Gern sah solches der Freund und sprach mit erlogener Stimme:
»Kommt Ihr vom Rathaus heim, Herr Gevatter? Ihr bringet ein kluges
Protokoll mit nach Haus, da unter dem Hut, wie ich merke!
Hier ist ein Fuhrmann, seht, aus dem Galler Kanton, will gegerbte
Rindshäut führen auf Ulm, wo sie jetzt – wir hörten es eben –
Über den Münster ein groß Futteral her machen, mit vielen
Kosten, ein Wunder der Welt: er sagt, man könne nicht Sattler
Gnug auftreiben im Land zu der Arbeit. Nun, und der Fuhrmann
Hatte gefüttert im Dorf; kaum ist er heraus und am Bildstock,
Bringt ihn der Teufel dem Graben zu nah – da lag ihm der Plunder!
Schrie er nicht Zeter und Weh, als führet er Glas auf den Wagen!
Wir dann sprangen ihm bei und halfen ihm wiederum laden
Seht, just fährt er hinweg! wir geben ihm noch das Geleite.«
– »Auch gut!« – stammelte jener zur Antwort – »irren ist menschlich.
Bringt ihn bis zur Chaussee, dann meinthalb fahr er nach Belgrad!«
    Sprach's, und redete noch, als Märte schon lange hinweg war.
Vorwärts ging schon der Wagen und bog jetzt ein in den Feldweg,
Wo er gelind anstieg, und es schwitzten im Ziehen die Pferde,
Rechts und links von den eifrigen Burschen zur Eile getrieben,
Während der Fischer in Atem den Jux erzählte vom Ratsherrn.
Hinten am Dorf noch hörten sie laut des Betrunkenen Stimme
Singen; ihn führte der Rausch abwegs in der Gärten Umfriedung,
Nimmer den Eingang ihm in die vordere Gasse gestattend.

    Als sie den nächtlichen Wald nun erreicht, und der türmende Wagen,
Sanft auf grasigem Weg noch wenige Schritte hineinwärts
Fahrend mit breitem Geleis und oft am Gezweig anstreifend,
Auf dem geräumigen Platz ankam, der zum Feste bestimmt war,
Machten sie halt und verschnauften ein weniges. Aber der Fischer
Sagte sodann: »Jetzt spannen wir aus! Du, Frieder, und ihr zwei,
Reitet die Pferde vor allem zurück! sie taten das Ihre.
Braucht Vorsicht mir im Dorf! Doch betrifft euch einer, so lügt ihr,
Was ihr vermögt; je nachdem es ein Mann ist schleppet ihn lieber
Mit, eh man etwa befährt, daß er wider uns zeuge am Morgen.
Auch spioniert nach dem Schiffer gelegentlich, ob er nicht heimkam.
Hört – ja brächtet ihr den mit herauf, ihr solltet gelobt sein!«
    Sprach's, und die rüstigen Bursche, nachdem das Gespann sie gelöset,
Schwangen sich auf und ritten hinweg, ihr Bestes versprechend.
Rasch dann gingen die andern ans Werk. Vorn, links in der Ecke,
Wo im Gebüsche der Mundvorrat mit dem Weine versteckt lag,
Machten ein lustiges Feuer sie an, und flammende Brände
Leuchteten hell um den Wagen herum, von dem sie die Decke
Zogen. Es stiegen der Jünglinge drei auf denselben. Die Stricke
Machten sie los und warfen zuoberst die Betten herunter,
Reichten die sauberen Stühle herab und die leichteren Tische
(Alles mit strohernen Bäuschen geschützt, von wegen der Reibung);
Rocken und Spinnrad auch, und im länglichen Kasten die Standuhr;
Hoben die Wiege heraus und das hohe Gestelle des Ehbetts,
Welches vom Urgroßvater noch da war: oben am Deckel
Sah man den Traum Jakobs mit der himmlischen Leiter in hellen
Farben gemalt, die geflügelten Engel hinauf und hinunter.
Nächst dem Küchenbehälter erschien ein altes Klavierchen,
Gar dünnleibig und schwach von Ton; ihm bangete jetzo
Schon vor dem roheren Griff der spielunkundigen Jugend;
Dann die Kommode von Nußbaum und zwei kleinere Schränke.
Endlich erhoben sie noch den verschlossenen Kasten mit Weißzeug,
Den acht stämmige Arme zugleich von unten empfingen.
Stück für Stück ward alles, so wie es vom Wagen herabkam,
Gleich an die schickliche Stelle gesetzt, und die grünenden Wände
Schmückten sich wohnbarlich aus. Ein paar hell strahlende Spiegel
Hingen an zwei dickstämmigen Birken vom Nagel herunter,
Gegeneinandergekehrt, an den längeren Seiten des Saales.
Quer hingegen, zurück nach dem Grund, sah man die gestreckte
Tafel bereits mit der sauberen Leinwanddecke des Wagens
Reinlich gedeckt und hüben und drüben geordnet die Bänke.
Gleich ward auch das vortreffliche Brautpaar, welches im Schatten
Schon seit Stunden gekoset, hervor aus den Büschen gezogen,
Und, an die Tafel gesetzt auf den Ehrenplatz in der Mitte,
Grinseten sie bei dem einzigen Licht, das ihnen einstweilen,
Bis die Stunde des Schmauses erschien, auf den Leuchter gesteckt war.
Scherz und Witz, nicht immer des feinsten, belebte der Burschen
Emsiges Tun. In die riesige Bettstatt wurden die vollen
Pfauschigen Betten gebracht, und der rötlich gewürfelte Vorhang,
Welcher dabeilag, fiel in Falten herab von dem Himmel.
Doch in der Wiege – befremdlicher Anblick! schreckenerregend
Jeder gesitteten Jungfrau, wenn sie es sollte gewahren –
Lag ein gebackenes Kind, mit Augen und Mund und Nase,
Gelb, schön glänzender Kruste, vom Sohne des Bäckers gestiftet.
    Einige hatten das Feuer geschürt, um die Speisen zu wärmen:
Denn es gebrach nicht Tiegel noch Topf, noch fehlte der Dreifuß.
Solches Gerätes enthielt der übelverwahrte Behälter
Mehr als genug, in Heu sorgfältig gepackt von der Mutter.
Alles entwickelten sie mit Bewunderung neben der Flamme;
Stellten die Teller zurück und was zur Tafel sie brauchten,
Hingen der Reih nach auf am Gesträuch messingene Pfannen,
Sonniger Pracht, und mit doppeltem Handgriff zinnerne Schüsseln,
Welche mit Blitzen zurück den gewaltigen Lichtglanz warfen.
Jegliches ordneten sie mit Sinn und Geschick, wie die Magd tut,
Wenn sie die Küche am Samstag schmückt auf den lieblichen Sonntag,
Hin und her mit Gesang sich bewegt und die lange bekannten
Stücke nun blank und rein den gewohnten Plätzen zurückgibt.
    Indes kam auch der Frieder vergnügt von dem Dorf mit den andern
Wieder. Sie hatten, von keiner lebendigen Seele betreten,
Glücklich die Pferde versorgt, und vom Hirschen herüber die hellen
Pfeifen im Lärmen der Tänzer gehört und den heftigen Brummbaß.
Aber vom Tone erspähten sie nichts; umsonst auf den Nußbaum
Hinten im Hof stieg einer und klopft' ihm, wie sie auch sonst wohl
Taten, ans Fenster: sein Bett war leer. – »Auf! zündet die Lichter
An auf dem Tisch!« – rief Märte – »das Essen herbei und die Kannen
Hurtig gefüllt! es dürsten die Gäste, es hungert das Brautpaar!«
    Also nahmen sie Platz, wie es kam. Ein paar von den Jüngsten
Warteten auf, ein dritter jedoch am Fäßchen (es ruhte
Auf zwei Stühlen, gesichert) zunächst an der festlichen Tafel
Zapfte den funkelnden Wein. Wie gut, nach der handigen Arbeit,
Schmeckte der Trunk im kühlen, im herrlich erleuchteten Raum! wie
Schmeckte zum Braten der frische Salat! Sie kaueten wahrlich
Auf zwei Backen zumal, die gesundheitstrahlenden Zecher,
Plauderten, strichen sich selber heraus und priesen ihr hohes
Glück bei so großer Gefahr und erwogen mit Lachen die Folgen.
Lustig ertönte der Gukukruf aus der Uhr, die der Fischer
Aufgezogen, jedoch auf die Stunde zu richten vergessen:
Neunmal rief sie, den herzerfreuenden Sänger des Frühlings
Schlecht nachahmend im Walde, bei Nacht und wider die Jahrszeit.
Nur erst zwei Uhr war es vorbei und ferne der Tag noch.
    Nicht lang saßen die Schmausenden so, als in dem Gehölze
Plötzlich Musik zu erschallen begann, die näher und näher
Rückte: da sprangen die meisten erschreckt empor von den Sitzen,
Schauten verwundert sich an, bis Märtes gelassene Miene,
Was es bedeute, verriet. Er hatte den Geiger von Argen
Auf die Stunde beschieden hierher mit seinen Gesellen.
Und schon traten sie ein, vier Mann hoch in den erhellten
Saal marschierend im Takt, und ein Bürschlein trug die Laterne.
Aber auf einmal hielten sie inne, verblüfft absetzend,
Da sie den seltsam verwandelten Schauplatz sahn und das Pärchen
In hoffärtiger Pracht am Tische. Sie lachten und schwuren:
»Solches erlebten wir nicht, fürwahr, so weit wir herum schon
Kamen, wir durstigen Spieler, im Land und außer den Grenzen!«
Dann, nachdem sie mit Essen sich erst und mit Trinken geletzet,
Spielten sie auf zur Tafel, die mannigfaltigen Weisen,
Wohl eine Stunde. Man stieß auf der Neuvermähleten Wohlsein
An, mit ledigen Gläsern, verkehrt sie haltend am Fuße,
Füllte sie neu und ließ den beleidigten Freund hoch leben;
Neckte mit kitzlichen Fragen die Braut und erteilte dem blöden
Bräutigam allerlei Rat; doch zur Antwort borgte der Fischer
Beiden die täuschende Stimme zum großen Ergötzen der andern,
Darin tat es ihm keiner zu gleich, dem bei der Geburt schon
Jegliche Kunst und Gabe der scherzenden Muse geschenkt war.
    Aber sie hatten des Sitzens genug und begehrten zu tanzen.
Paar und Paar erst drehten sie sich im melodischen Ländler,
Der halb traurig ein Herz, halb fröhlich zu stimmen gemacht war
Und das Verlangen die Liebste zu sehn in jedem erregte,
Weil er zuletzt bei diesem Getön sie gewiegt in den Armen,
Welche daheim nun lag in dumpfiger Kammer; die Stirne
Netzt unschuldiger Schlaftau ihr und die brennenden Glieder
Drängen die lästige Decke zurück im stöhnenden Schlummer,
Während der Hahn auf der Stange den Tag schon wittert und ankräht.
    Doch zu des Festes Beschluß nun schritten sie, fichtene Fackeln
Schwingend in düsterer Glut, durcheinander sich schlingend im Tanze;
Nur daß etliche, rasch vom Geiste des Weines bewältigt,
Schwankten, so mächtig ihr Juhschrei noch durchhallte die Waldung.
    Schon verblaßte die Nacht, und im Laub ein schüchternes Vöglein
Regte sich hier und dort: da ermahnte der Fischer zum Aufbruch.
Weggeworfen die Fackeln verglommen im feuchtigen Grase,
Und man eilte nur noch, dem Magen zur Sühne, den heißen
Kaffee hinunterzuschlürfen; dann raffte zusammen ein jeder
Was ihm gehörte. Die Musiker leerten die Reste des Weines
Noch in den Kannen; das ledige Faß ward tief ins Gebüsche
Seitab getragen und sorgsam versteckt, um es später zu holen,
Aber das übrige blieb wie es lag und stand. Eh die Sonne
Noch, aufgehend, die Wipfel beschien des beschatteten Haines,
War schon verlassen der Platz, nur das Ehpaar saß noch alleine
Schweigsam hinter dem Tisch; kein Laut als der singenden Vögel
Wurde gehört, und die Wanduhr hielt den gemessenen Takt ein.
    Aber indem sich der wacker bezechte, der lachende Haufen
Nun auf dem Umweg durch das Gehölz fortmachte, damit sie
Heimlich gelangten ins Dorf, ein jeder in seine Behausung,
Blieb mit Bedacht Freund Märte zurück in der Nähe des Platzes,
Daß nicht am einsamen Ort unbeschützt der Müllerin Hausrat
Sei zufälligen Dieben ein Fund, ihm aber vor allen
Schwere Verantwortung des geringsten Verlustes erwachse.
Dort an der Spitze des Waldes, gedeckt von den äußersten Büschen,
Saß er, sein Pfeiflein stopfend, allein auf dem liegenden Eichstamm,
Spähte mit Blicken des Falken umher im offenen Felde,
Rund um das Dorf, wo der Hochzeittumult schon lange verstummt war
Und der geschäftige Tag erst wenige Schläfer erweckte.
Hier denn war er entschlossen die Ortspolizei zu erwarten,
Und nicht eher zu fliehn, als bis sich Richter und Schultheiß,
Auch Waldmeister und Büttel, besonders der Müllerin Sippschaft,
Ja, wie er hoffte, sie selber mit ihm, voll stürmischer Eile
Naheten, lang nachziehend den Schweif neugierigen Volkes.
Er dann wollte geschickt auf verborgenen Wegen dem See zu
Eilen, und von dort aus, mit triefendem Netz auf der Schulter,
Kommen gemächlichen Schritts in das Dorf, als wüßt er von gar nichts.

    Niklas (welcher, von Märte gewarnt, nach desselbigen Beispiel,
Mäßiger war bei dem Trunk und sich bei guter Besinnung
Weislich erhielt) war kaum auf die eigene Kammer geschlichen,
Als er mit großem Geschrei, daß der Brautschatzwagen hinweg sei,
Allen verkündet' im Haus. Sogleich wie ein laufendes Feuer
Kam es im Dorfe herum, und zuerst vor die Müllerin selber.
Grausamer ward wohl nimmer ein Weibchen geweckt auf die Brautnacht,
Als im stillen Gemach die nur erst entschlummerte Schöne!
Und ein Rennen und Laufen begann und ein Fragen und Rufen
Allenthalben, als läutete Sturm, als brennt' es im Orte.
– Wundersames berichtete Sime-Barthel, der Ratsherr,
Was ihm einer gesagt von dem Frachtfuhrmann auf der Straße,
Unglaubwürdiges, eher dem Scherz gleich, weder dem Ernste,
Wie es ihm selber nun deucht'; auch sagte der Mann, der die Wache
Tat in der Nacht, er hätte vom Wald her öfters wie Geigen
Oder wie Pfeifen gehört, und andere, so ihm begegnet,
Hätten es mit ihm gehört, doch geschworen, es halle die Musik
Wider vom Tanz im »Hirschen«, obwohl er es lange bezweifelt.
Hiernach denn, sowie andern untrüglichen Zeichen zufolge,
Zog man hinaus, und entdeckte gar bald den unglaublichen Frevel.
Da war des Staunens umher und der aufgehobenen Hände,
Lachens und Jammerns kein End! In stets sich vermehrenden Scharen
Strömten des Dorfes Bewohner herbei; mit unmäßigem Schelten
Heulte die Mutter voran, ihr folgte die ganze Verwandtschaft.
Trude jedoch, von Scham und von Schmerz auf dem Wege bezwungen,
Als sie vernahm, was alles im Wald leichtfertige Hände
Stellten zur Schau, blieb weinend zurück: »O das hat der Böswicht«,
Rief sie, »der Märte getan!« – und lief und verbarg sich im Hause.
Peter inzwischen, er wußte nicht wie, stand schon auf dem Platze,
Schaute mit dummlicher Miene sich um und erblickte sein Abbild
Neben der Liebsten, das doppelte Kunstwerk, farbigen Glanzes,
Eh es, den Augen der Lacher entrückt, nun schmählich dahinsank.
    Während entschlossene Männer nun, hülfreich, aus dem verengten
Raum wegtrieben die Menge, das Fuhrwerk eilig zurechte
Stellten und gleich anfingen die Fahrnis wieder zu laden,
Sah man der Müllerin Mann untätig, in blöder Verwirrung
Stehen, bald hier, bald dort, und erneuerten Spott sich erwecken.
Denn, nicht wissend so recht was er tat, auch weil ihn des Essens
Stete Begier antrieb, und das kuchengebackene Kindlein
Vor ihm lag auf dem Tisch, unberührt noch, brach er dasselbe
An und kostete, weniges erst, dann aber zu immer
Völligern Bissen geführt, verzehrt' er es nahe zur Hälfte.
Deshalb sagt man noch heut: er ißt wie der Müller von Bärnau,
Welcher sein eigenes Kind, das unmündige, so ihm geschenkt war,
Gleich am Tag nach der Hochzeit fraß, ein grausames Frühstück.
    Als nun die Ladung endlich zurück auf den Wagen gebracht war,
Führten befreundete Rosse hinweg ihn stracks nach der Mühle,
Wo die Besitzerin schon sein harrete unter dem Hoftor.

    Also rächte der Fischer die Kränkung seines Geliebten;
Ungestraft: denn der Schultheiß riet zur Güte dem Ehpaar,
Daß nicht vielleicht gar Schlimmeres noch der vermessene Haufen
Ihnen an Gut und Ehre, zur Wiedervergeltung erweise.
Aber noch selbigen Tag kam froh, in des Vetters Begleitung,
Tone von Manzell heim. Er hatte dem ehrlichen Paten
Seine Geschichte vertraut und wie er die Schäferin liebe.
Jener nun brachte des Sohns Absicht (so verlangt' es der Jüngling)
Erst an Vater und Mutter, darnach an die Eltern des Mädchens,
Und den Morgen darauf lud Tone – wie staunten die Leute? –
Seinen trautesten Freund zum fröhlichen Fest der Verlobung.


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