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Erläuterungen.
Früher Vorwort zur zweiten Auflage.
Mein Aufsatz ist natürlich sehr verschieden beurteilt worden. Viele haben mir mündlich oder schriftlich zugestimmt; es öffentlich zu tun, hat allerdings, soviel wie ich sehe, noch niemand den Mut gefunden. Zu meiner Freude habe ich auch weiblichen Beifall erhalten; eine Dame z. B. sagte mir, sie fühle sich von einem Drucke erlöst, da sie Zeit ihres Lebens die Behauptung, das Weib könne dasselbe leisten wie der Mann, und ihr Bewußtsein nicht habe vereinen können. Viel häufiger als der Beifall war der Tadel, das Mißfallen zeigte die verschiedensten Grade, vom wohlwollenden Kopfschütteln bis zur leidenschaftlichen Empörung. Einige meiner Kritiker haben gemeint, meine Abhandlung sei eine Streitschrift gegen das weibliche Geschlecht, und ich sei ein Weiberfeind. Das ist nun freilich recht töricht. Denn in Wahrheit führe ich die Sache des weiblichen Geschlechts gegen seine Schädiger und streite gegen den blutlosen Intellektualismus, gegen den mißverstehenden Liberalismus, der auf eine öde Gleichmacherei hinausläuft. Die eigentlichen Weiberfeinde sind die »Feministen«, die den Unterschied der Geschlechter aufheben möchten. Auch indem ich diese bekämpfe, streite ich nicht gegen die Weiber, denn, wenn diese den Verlockungen folgen und für das »neue Weib« schwärmen, so fehlt ihnen eben die Umsicht, die Urteilskraft, zu wissen, was sie tun; sie würden auch nichts erreichen, ständen die Männer nicht hinter ihnen, die ihnen die Gedanken einblasen.
Den Nachdruck lege ich nicht auf den Nachweis, daß das weibliche Gehirn weniger leistet als das männliche, denn er ist oft genug geführt worden, und die Sache ist für den Vorurteilslosen einleuchtend genug, sondern darauf, daß die Inferiorität des weiblichen Gehirns nützlich und nötig ist. Manche haben die intellektuellen und moralischen Schwächen des weiblichen Geschlechtes stärker als ich hervorgehoben, dabei aber meinen sie, diese hingen von der Sitte ab und seien durch Erziehung zu ändern. Fanny Lewald z. B. gehört hierher F. Lewald, »Gefühltes und Gedachtes«, 1900. Die Urteile dieser sehr gescheiten Frau über ihre Schwestern sind sehr hart.. Es scheint zum Wesen der Reformer zu gehören, daß sie die Bedeutung der Willkür überschätzen. Die politischen und die religiösen Neuerer sehen nicht ein, daß die Menschheit mit zur Natur gehört, und daß die überall wiederkehrenden menschlichen Einrichtungen mit Notwendigkeit aus dem Wesen des Menschen hervorgehen. Sie glauben, wenn man nur die rechte Einsicht und den guten Willen hätte, dann würde sich die Welt ändern. Sie sehen nicht den wirklichen Menschen, der in der Hauptsache seinen Instinkten folgt, sondern sie haben eine Wachspuppe vor Augen, deren Form beliebig verändert werden kann, und hoffen, mit Gesetzen über die Natur zu triumphieren. Solche Phantasten waren die Revolutionäre von 1789, so sind auch unsere heutigen Stürmer und Dränger beschaffen. Wie Leo Tolstoi glaubt, die Menschen könnten Christen in seinem Sinne werden, wenn sie nur wollten, so denken die Feministen durch Gesetz und Erziehung das Weib umzuformen. Es ist geradezu kindisch, die Beschaffenheit des Weibes, wie sie zu allen Zeiten und in allen Völkern vorhanden ist, für ein Ergebnis der Willkür zu halten. Die Sitte ist das Sekundäre, nicht sie hat das Weib an seinen Platz gestellt, sondern die Natur hat dieses dem Manne untergeordnet, und deshalb wurde die Sitte. Da alle Bestrebungen, die wesentlichen Unterschiede der Geschlechter zu beseitigen, zu denen der kleine Kopf des Weibes nun einmal gehört, erfolglos sein müssen, so könnte man über sie lachen, wenn sie nicht so viel Elend mit sich brächten. Die im engeren Sinne des Wortes modernen Bestrebungen sind nur ein Teil der Verkehrtheiten, die die sogenannte Civilisation begleiten, Verkehrtheiten, die wir nicht aus der Welt schaffen können, die aber doch jeder nach Kräften zu erkennen und zu bekämpfen bestrebt sein sollte. Es ist mit den gesellschaftlichen Übeln ähnlich wie mit den Krankheiten, sie wachsen mit der Kultur, und wir streiten dagegen, so gut wie es eben geht. Das Weib ist berufen, Mutter zu sein, und alles, was sie daran hindert, ist verkehrt und schlecht. Das schlimmste Hindernis ist die Not des Lebens, die die Eheschließung hinausschiebt oder verhindert, die das Weib zwingt, sich selbst die Nahrung zu erwerben. Der Wunsch, den durch die Not des Lebens bedrängten Mädchen und Frauen zu helfen, ihnen die Fähigkeiten und Mittel zu anständiger Lebensführung zu verschaffen, ist natürlich berechtigt, und kein Verständiger wird eine »Emanzipation« dieser Art bekämpfen. Aber das soll man anerkennen, daß die Hilfe ein Notbehelf und selbst ein Übel ist. Die Arzenei ist für den Kranken, nicht für die Gesunden. Ganz anders als mit der Not verhält es sich mit der willkürlichen Schädigung des weiblichen Berufes. Die Abdrängung von der Mutter-Tätigkeit kann hauptsächlich auf zweierlei Art geübt werden, und man mag da von der französischen Methode einerseits, von der englisch-amerikanischen andererseits reden. Unter jener verstehe ich die Damen-Wirtschaft, unter dieser die Forcierung der Gehirnarbeit. Französisch nenne ich das Damenwesen deshalb, weil es während der letzten Jahrhunderte unter dem ancien régime in Frankreich die höchste Ausbildung erhalten hat und da seine Verderblichkeit am deutlichsten gezeigt hat. Die rechte Dame ist zum Vergnügen da, zum Vergnügen der Anderen und zum eigenen Vergnügen. Alles, was schwer, unrein, mühselig ist, das existiert für sie nicht, sie schwebt wie eine griechische Göttin in sonniger Schönheit über dem irdischen Dunste. Sie will lieben, herrschen und sprechen, die Männer sind dazu bestimmt, sie zu lieben, ihr zu dienen und mit ihr zu plaudern. Ihr Thron steht im »Salon« (dafür haben wir keinen deutschen Ausdruck, man könnte vielleicht sagen: Schwatzbude). Das Wort Salon kennzeichnet bekanntlich die Gesellschaft vor der großen Revolution, und man kann dreist behaupten, daß diese letztere ohne den Salon nicht möglich gewesen wäre. Denn die vorrevolutionäre Gesellschaft ist nicht an ihrer Schlechtigkeit, sondern an ihrer Schwäche zu Grunde gegangen. Ursache der Schwäche aber war in erster Linie der Salon, in dem im Damen-Sinne das Vergnügen als einziges Lebensziel galt, der alles weichlich und weibisch machte. Da wurde Alles zum Spiele und alles Ernste entwürdigt. Die Liebe war ein Spiel, womöglich ohne Folgen; hatte sie doch Folgen, so durften diese wenigstens das Vergnügen nicht mehr stören, als unbedingt nötig war. Kunst und Wissenschaft waren ein Spiel, ihr eigentlicher Sinn war, Stoff zur Unterhaltung zu geben, und ihre Vollendung war erreicht, wenn sie den Damen mundgerecht waren. Dieses schändliche Treiben ist natürlich nicht auf ein Land oder eine Zeit beschränkt, es war vielleicht vor der Revolution am reinsten ausgebildet, aber es herrscht in gewissem Grade bei uns und überall, wo Reichtum vorhanden ist und ernste Ziele fehlen. Eine faullenzende Gesellschaft fault, und eins der wichtigsten Zeichen der Fäulnis ist das, daß an die Stelle der Mutter die Dame tritt.
Ehrenhafter, aber ebenfalls verderblich ist die englischamerikanische Methode, die so genannt wird, weil in den englisch redenden Völkern das Streben nach einem Männergehirn im Weiberkopfe am frühesten Ausbreitung gewonnen hat. Wenn die gute Absicht eine schlechte Sache gut machen könnte, so würde es hier geschehen, denn die Vertreter der englischen Methode arbeiten in der Regel uneigennützig und in dem erhebenden Bewußtsein der guten Tat auf ihr Ziel los. Ja, es hat etwas Rührendes, zu sehen, wie junge Mädchen auf allerhand Annehmlichkeiten verzichten und ihre Gesundheit zu Grunde richten um des Bildungswahnes willen. Weil die Feministen ihre schädliche Tätigkeit aufrichtig für sehr verdienstlich halten, fahren sie jeden Widersprechenden mit großer Erbitterung an und sehen in meinesgleichen abscheuliche Finsterlinge, deren Unwissenheit noch ihr geringster Fehler ist. Sie halten sich besonders auch deshalb für berechtigt, weil sie die Beschaffung von Erwerb für notleidende Mädchen, d. h. die berechtigte Emanzipation, mit der Vermännlichung des Weibes, d. h. der unberechtigten Emanzipation, zusammen zu werfen pflegen, ein Verfahren, das beim Streiten manche Vorteile bietet. Nimmt man an, die Feministen hätten ihr Ziel erreicht, und die Weiber hätten sich aller männlichen Berufszweige und Rechte bemächtigt, so würde im günstigsten Falle das Ergebnis unnütz sein. Denn die Weiber würden höchstens dasselbe, was die Männer schon vorher geleistet haben, noch einmal leisten. Aber die Zahl der Arbeiter wäre verdoppelt und der Wert der Arbeit vermindert. Das wäre schon schlimm genug, aber ein geringes Übel gegen die weiteren Folgen. Denn es würde zunächst die Geburtenzahl enorm sinken, weil die Eheschließungen viel seltener würden, und in der Ehe wenig Kinder erzeugt würden. Jetzt drängen die meisten Mädchen zur Ehe, weil sie ihrem Instinkte folgen, und weil sie versorgt sein wollen. Werden sie zum Nachdenken angestachelt, und können sie ohne Mann ihr Auskommen finden, so wird ihre naive Selbstsucht zur raffinierten Selbstsucht, und gerade die Klügsten werden ehescheu. Auch kann das mannähnliche Weib den Mann viel weniger verlocken, als das natürliche. Daß die Ehen kinderarm würden, das versteht sich von selbst, denn das neue Weib kann nicht viel Kinder gebären und will es auch nicht. Es wird Keinkindehen, Einkindehen, höchstens Zweikinderehen geben. Kommt einmal, sei es durch den Willen des Mannes oder sonstwie, eine größere Kinderzahl zustande, so müssen entweder die Kinder, oder die Frau Not leiden, denn die Frau muß das Wohl der Kinder dem Berufe, oder diesen jenem opfern. Überdem wird von vornherein die Qualität der Kinder zu wünschen übrig lassen, denn die Früchte der Gehirndamen zeichnen sich nicht durch Kraft aus, und es fehlt an Muttermilch. Kurz, die Bevölkerung nimmt nach Zahl und Beschaffenheit rasch ab, das Volk tritt in das Greisenalter ein. Da auf keinen Fall die ganze Menschheit an der Umbildung des Weibes teilnehmen wird, so muß ein Feministen-Volk seinen Nachbarn unterliegen, und seine Reste werden in anderen gesunden Völkern aufgehen. Wenn in einem Volke nur bestimmte Stände die Mannweib-Bildung durchführen, so setzen sie sich auf den Aussterbe-Etat. Immer handelt es sich um gesellschaftlichen Selbstmord, wenn man will, um Landes- oder Standes-Verrat. Glücklicherweise braucht man nicht zu fürchten, daß die düsteren Prophezeiungen erfüllt werden, da die im Triebe sich kundgebende unbewußte Vernunft, so lange wie ein Volk überhaupt Lebenskraft hat, die Durchführung der Feministen-Pläne unmöglich macht. Immerhin entsteht durch diese Unheil genug, weil die Gruppen, die durch sie geschädigt werden, gerade die in der Kultur am weitesten fortgeschrittenen sind. Wollen die »Intellektuellen« ihre Geschlechter erhalten und in ihren Nachkommen fortleben, so müssen sie vor allem streng darauf achten, daß ihre Frauen gesunde Weiber und nicht Gehirndamen sind, denn der naturentfremdete Kulturmensch bedarf des natürlichen Weibes als eines Gegenparts; andernfalls bringt die Bildung ihre Jünger ohne Erbarmen um, d. h. ihre Familien sterben aus.
Aber, was soll man tun? Zuerst alles unterlassen, was dem Weibe als Mutter nachteilig ist. Da ist vor allem die Erziehung der Mädchen. Man hat geglaubt, etwas Gutes zu tun durch Errichtung höherer Töchterschulen, in denen den Mädchen eine allgemeine Bildung beigebracht werden soll. Neuerdings möchte man sogar Mädchengymnasien haben, von denen der Pfarrer Hansjakob sagt, sie seien so unnütz wie ein Kropf. Das Beste wäre, die »höheren Schulen« samt und sonders niederzureißen. Ihr Erfolg ist ohnedies gering In dem Grenzboten (LIX. 31, p. 235, 1900) steht ein Aufsatz: »Was leisten unsere höheren Töchterschulen?« Der Verfasser hat oft Mädchen von etwa 16 Jahren nach ihren Kenntnissen gefragt. »Das Resultat war, um Null herum ... Wenn aber das Gelernte völlig verloren geht, ist nicht dieses Resultat mit acht oder zehn Jahren, die auf Schulbänken verlebt werden, mit verdorbenen Augen, verdorbenen Nerven und bleichsüchtigem Körper zu teuer bezahlt? Ist es nicht besser, den weiblichen Unterricht wie in alten Zeiten von vornherein auf das dürftigste Maß zuzuschneiden und die freie Zeit auf Erlernung von nützlichen Dingen und auf die Pflege der Gesundheit zu verwenden?« Wunderlicherweise glaubt der Verfasser, das Nichtwissen der Mädchen sei Folge der Mangelhaftigkeit der Schulen, und er meint, man solle nur diese besser einrichten. Nein, das rasche Verlernen ist die Hülfe der Natur gegen die Schultyrannei; das weibliche Gehirn stößt in der Regel das Aufgezwungene rasch wieder ab., das Üble aber ist, daß in ihnen die Mädchen nervös und schwächlich werden. Sie lernen, was sie nicht brauchen, und bekommen dabei Kopfschmerzen, das aber, was sie brauchen, lernen sie nicht. Es ist ein Greuel, zu hören, wie Geschichtezahlen, geographische Bestimmungen, chemische Formeln usw. eingetrichtert werden, wie durch Aufsätze über abstruse Themata Verlogenheit und Phrasenmacherei begünstigt wird. Öffentliche Einrichtungen müssen auf den Durchschnitt berechnet sein. Ungewöhnlich befähigte Mädchen hat es immer gegeben, aber ihrer sind wenige. Ihnen sollte man nichts in den Weg legen, im Gegenteile man soll ihnen den Weg erleichtern und ihnen alle Türen offen lassen. Jedem Talente freie Bahn, aber nicht unnütze Massendressur. Ist schon die Mehrzahl der Knaben zur »humanen« Bildung ziemlich übel qualifiziert, so weist die Natur die Mädchen erst recht auf das praktisch Brauchbare hin. Beschränkt man sich darauf, die Mädchen nach der Volkschule in dem zu unterrichten, was ihnen im Leben nützlich ist, in Handarbeiten, Haushalt, Kinderpflege, in Kenntnis der öffentlichen Einrichtungen des Staates, der Gemeinde, der Kirche, der im Leben hauptsächlich benutzten technischen Dinge, der Geldgeschäfte, und was etwa noch in Betracht kommen mag, so werden sie leicht lernen, und das Gelernte behalten. Sprachen müssen so gelernt werden, wie das Kind sprechen lernt, nicht »wissenschaftlich«. Die Überwachung der Lektüre kann den Literatur-Unterricht ersetzen. Vor einiger Zeit hat eine Dame den guten Vorschlag gemacht, für die Mädchen eine einjährige Dienstzeit einzuführen, d. h. sie eine Zeit lang zu irgend einer nützlichen Dienstleistung zu kommandieren. Wenn ich mich recht erinnere, ist dabei hauptsächlich an Krankenpflege gedacht worden. Indessen sollte man diese nicht zu sehr betonen, sie fordert besondere Eigenschaften, und es wäre nicht gut, wenn der Lazarettduft das ganze Leben durchzöge. Die Hauptsache bleibt denn doch die Kinderpflege. Eigentlich sollte jedes Mädchen mit 20, spätestens mit 25 Jahren in Ehren ihr Kind haben. Jetzt haben manche junge Mütter zu viele, und die große Zahl der Unverehelichten hat gar keine Kinder. Da sollen die Kinderlosen den Kinderreichen helfen und den armen Müttern, die sich oft über ihre Kräfte abplagen, zur Seite stehen. Wie das zu machen wäre, kann ich hier freilich nicht auseinandersetzen, man wird mir sowieso längst zurufen, der Schuster solle beim Leisten bleiben. Ich breche daher ab und wiederhole nur: Schützt das Weib gegen den Intellektualismus.
Früher Vorwort zur 3. Auflage.
Wieder habe ich zu bemerken, daß viele und verschiedenartige Besprechungen meinem Aufsatze gewidmet worden sind. Einige Kritiker haben mir diesmal offen zugestimmt. Ich erwähne dies gern, aber nach der Natur der Sache bieten die ganz oder in der Hauptsache zustimmenden Kritiken keinen Anlaß zu weiteren Bemerkungen. Die »Anderen« aber, und sie sind die Majorität, nötigen mich, noch einiges zu sagen. Weibliche Federn haben nur Mißbilligung für mich, und das ist begreiflich, denn die Mädchen und Frauen, die fühlen, daß ich Recht habe, pflegen nicht zu den Gefiederten zu gehören. Ich könnte mich nun kurz fassen und sagen: Der Mangel an Verständnis, die vielen Irrtümer und die Gehässigkeit der weiblichen Kritiken beweisen nur, daß ich die weibliche Geistesart richtig beurteilt habe. Indessen wäre das doch ungerecht. Erstens sind nicht alle gehässig, manche zeigen vielmehr eine durchaus redliche Gesinnung. Zweitens aber glaube ich, allen es schuldig zu sein, Mißverständnisse nach Kräften aufzuhellen und durch Erläuterungen die Auffassung soviel wie möglich zu erleichtern. Ursprünglich war ja die Abhandlung für medizinische Kreise bestimmt. Da sie nun einmal in das große Publikum gelangt ist, muß manches erklärt werden, was früher der Erklärung nicht bedurfte.
Meine Gegner sind oft uneins, in Einem aber stimmen sie fast alle überein, darin nämlich, daß sie mich für einen ganz dummen Kerl halten. Anders wenigstens kann ich es nicht begreifen, daß ich von allen Seiten über Dinge belehrt werde, die sich nach meiner Meinung von selbst verstehen. Zunächst wird die ganze Art der Darstellung getadelt. Einige Grünschnäbel, die sich zu den Gelehrten rechnen, meinen, ich schriebe eigentlich nicht wissenschaftlich, denn es sei nicht wissenschaftlich, über Dinge zu schreiben, die der Meinung Raum lassen, die nicht exakt behandelt werden können. Diesen erwidere ich, daß ich lange Jahre wissenschaftlicher Tätigkeit hinter mir habe, und daß, wenn ich mich jetzt um des allgemeinen Wohles willen gern auf »nicht strengwissenschaftliche« Gebiete begebe, ich weiß, was ich tue. Meine Darstellung ist, heißt es von der anderen Seite, lieblos und einseitig; statt ebenmäßig Vorzüge und Nachteile abzuwägen, mache ich herbe und unfreundlich nur alle Nachteile geltend. Nun ich denke, Zärtlichkeiten gehören nicht in eine sachliche Darstellung, überhaupt handelt es sich weder um Loben noch um Tadeln, nicht um Ideale und Wünsche, sondern um Betrachtung des Wirklichen; mein Thema war die geistige Schwäche des Weibes, deshalb mußte klar und scharf gesagt werden, wie diese Schwäche sich zeigt; hätte ich »über das Weib« geschrieben, so hätte es schon anders geklungen. Großen Anstoß erweckt der Titel. Schwachsinn ist doch etwas krankhaftes, wie kann er sich unterstehen, von physiologischem Schwachsinne zu reden? Ei, ich unterstehe mich eben und halte durchaus daran fest, daß der Begriff des physiologischen Schwachsinnes unentbehrlich ist, wenn man die geistigen Fähigkeiten der Lebens-Alter, der Geschlechter, der Völker vergleichen will. Auf alles kann ich nicht eingehen. Wenn jemand Dummheit und Mangel an Kenntnissen verwechselt, so kann er nicht verlangen, daß ich mit ihm streite. »Geistige Schwäche« sagt ja ungefähr dasselbe wie Schwachsinn, enthält aber nicht das Merkmal des Ursprünglichen, Gesetzmäßigen, sondern kann auf zufällig entstandene Schwächezustände bezogen werden und braucht doch einen Zusatz, wenn die krankhafte Schwäche ausdrücklich ausgeschlossen werden soll. Von »geistiger Inferiorität« zu reden, ist geschmacklos Gelegentlich habe ich es selbst getan; wir sind allzumal Sünder., denn Inferiorität ist ein ganz häßliches Fremdwort und hat überdem einen verächtlichen Beiklang. Wenn das Weib im Vergleiche zum Manne schwachsinnig genannt wird, so soll es nicht herabgesetzt
werden, es wird kein Werturteil ausgesprochen, sondern nur eine Tatsache ausgedrückt.
Ja, aber »das Weib«. Es wird mir mitgeteilt, daß ich mich mit Unrecht auf den Sprachgebrauch berufe, früher sei freilich Weib die Geschlechtsbezeichnung gewesen, aber die Sprache schreite fort und bei der jetzigen Verfeinerung heiße es eben »Frau«. Zu gleicher Zeit wird mir aber das alte »Frauenhaus« ins Gedächtnis gerufen, eine, wie mir scheint, nicht ganz glückliche Erinnerung. Wer sich für das Historische interessiert, mag in Grimm's Wörterbuche nachlesen, wie ich es getan habe. Richtig ist, daß auch schon früher die ursprünglich als ehrende Anrede gedachte Bezeichnung »Frau« für erwachsene Personen weiblichen Geschlechts überhaupt, besonders in Anwendung auf soziale Verhältnisse gebraucht worden ist. Diese Verwendung ist begreiflich und berechtigt, weil mit Weib besonders das Geschlechtswesen bezeichnet wurde und wird. Im übrigen ist das Gerede von »Fortbildung der Sprache« reine Flunkerei. Auch heute noch wird das Wort Frau im alten Sinne gebraucht, denn das Dienstmädchen sagt: Der Herr ist ganz gut, mit der Frau aber ist es rein nicht mehr zum Aushalten, und auch in der Anrede entspricht die Frau dem Herrn. Auch heute noch wird bei gesellschaftlichen Einrichtungen der Name Frau als Sammelbezeichnung gebraucht, man spricht auf der Eisenbahn von Frauen-Abteilungen, wie man früher von dem Frauenzimmer sprach. Auch heute ist die Geschlechtsbezeichnung Weib, und so wird es bleiben allen Feministen zum Trotze. Wenn diese auch da, wo die weiblichen Eigenschaften als Geschlechtsmerkmale besprochen werden, und das Weib dem Manne als Naturerscheinung gegenüber gestellt wird, Frau statt Weib sagen, so handelt es sich nicht um Fortbildung der Sprache, sondern um Vornehmtuerei, es ist dasselbe, wie wenn jedes Dienstmädchen Fräulein heißen will. Nächstens werden sie auch das Wort »weiblich« durch »fraulich« ersetzen, obwohl es jetzt einen ganz anderen Sinn hat, und werden einen weiblichen Tiger das Frauchen des Tigers nennen. Wunderlich ist noch Folgendes. Obwohl das sächliche Geschlecht bei der Bezeichnung Weib am ehesten noch den weiblichen Stolz verletzen könnte Ich habe mich bei Gelehrten erkundigt, warum Weib sächlich sei, aber sie konnten mir keine Auskunft geben. J. A. Schmeller (bayr. Wörterbuch) sagt: »Das Weib, wib, vif; in den gotischen auf uns gekommenen Resten, wo für γυνή τ steht, ist dies Wort nicht zu finden, und vielleicht überhaupt erst später zu dieser ursprünglich wohl figürlichen Bedeutung gelangt, da schon das Genus auf irgend eine früher von ihr verschiedene, z. B. auf das Gebäude der Verehelichten, wenn, etwa dem bivaibjan ein veiban entsprochen haben sollte, zu weisen scheint«. Andere weisen auf weibôn, wëban, schweben, schwanken, weben oder auf vip im Sanskrit, innerlich erregt, begeistert sein, hin, wonach also Weib das Bewegliche oder auch das Begeisterte heißen soll. Merkwürdig ist, daß sowohl in Süddeutschland wie in Niederdeutschland die Bezeichnung »das Mensch« im Sinne »die Magd« ganz ohne die üble Bedeutung, die sie bei uns hat, vorkommt. In alten Zeiten gebrauchte man »das Mensch« auch im Sinne von genus homo, alle Arten von Mensch., ist der Singular nicht in Mißkredit geraten, man darf sagen: mein liebes Weib, man hängt an Weib und Kind, ja »das Weib« hat oft einen poetischen Klang (»tödte erst seine Frau« würde sich im Fidelio weniger gut machen). Dagegen hat die Mehrzahl »die Weiber« in der Umgangsprache wirklich einen eigentümlichen Beigeschmack. Wie das gekommen ist, weiß ich nicht. Sollte Ein Weib gefallen, eine größere Zahl aber weniger angenehme Empfindungen hervorrufen? Jedoch kann man sich aus Rücksicht auf die Umgangsprache nicht den Zwang auferlegen, bei wissenschaftlichen Erörterungen über das Weib den richtigen Plural zu unterdrücken. Es sollen damit doch alle Erscheinungsformen des Weibes zusammengefaßt werden, das aber leistet kein anderes Wort. Will jemand, um alle Empfindlichkeiten zu schonen, immer von »Mädchen und Frauen« reden, so ist das nicht nur recht umständlich, sondern oft auch schief, weil dabei schlechtweg gedacht wird »Noch nicht Verheiratete und Verheiratete«, also wieder gesellschaftliche Beziehungen eingedrängt werden, und weil man bei »Mädchen« nie weiß, ob der weitere Sinn oder der engere (Kinder und Jungfrauen) gemeint ist. Wir wollen also auch in Zukunft von Weib und Weibern reden und hoffen, daß die unberechtigte Empfindelei aufhören werde.
Wer soll vom Weibe reden? d. h. wer versteht etwas davon? Oder richtiger, da Alle etwas davon verstehen, wer versteht am meisten davon? Die Weiber selbst? Ja und Nein. Auf jeden Fall wird man sie hören müssen. Aber es sind zwei Fälle zu unterscheiden. Wenn ein Weib das Verhalten und die Handlungen eines anderen beurteilt, so wird sie oft sehr scharfsinnig sein, schärfer sehen, als die meisten Männer. Jedoch gilt auch das nur unter der Bedingung, daß Beurteilende und Beurteilte auf gleicher Stufe stehen. Anders ist es mit der Selbst-Beurteilung. Im allgemeinen ist das natürliche Weib weder geneigt, noch befähigt, Aussagen über ihr Inneres zu machen. Sie fühlt und handelt aus Gefühl, die Analyse ist ihr etwas Fremdes, ja Ungehöriges, durch die das Innere entweiht werden möchte. Erst ein gewisses Alter und ein gewisser Grad von höherer Kultur befähigen das Weib zur Selbstbeobachtung. Diese wird nicht selten vorzeitig erstrebt, aber dann kommen leicht sehr schiefe Ansichten und Unwahrheiten zu Tage, was man bei jungen Mädchen und Scheingebildeten oft genug beobachten kann. Es kommen also nur reife und hochgebildete Weiber in Betracht. Ihre ehrlichen Bekenntnisse sind sicher sehr wertvoll, aber es besteht hier die Gefahr, daß sie selbst und Andere die Selbstbeobachtungen unberechtigterweise verallgemeinern, ihre verfeinerte und veredelte Weise für weibliche Weise überhaupt halten. Auch wird selbst bei großer Wahrheitliebe volle Wahrheit selten zu erzielen sein, da alle Menschen, und das Weib noch mehr als der Mann, einerseits Selbsttäuschungen unterliegen und andererseits sich geistig nie ganz ausziehen, immer etwas drapieren, auch vor den Nächsten. Am meisten Vertrauen dürfte ein Tagebuch verdienen, das zur Geheimhaltung bestimmt war, wider den Willen der Schreiberin, oder erst nach ihrem Tode bekannt wird. Und auch da muß man noch vorsichtig sein. Endlich kommen die Beobachtungen, die Weiber an ihresgleichen als objektive Beobachter gemacht haben, in Betracht. Auch hier muß man daran denken, daß die weibliche Eigenart von Hause aus nicht auf Beobachtung gestimmt ist, daß das Weib sich von der Subjektivität durchschnittlich schwerer losmacht als der Mann. Sehen wir davon ab, so bleiben als Bedingungen geistige Befähigung einerseits, Erfahrung andererseits. Die meisten Weiber haben, abgesehen vom Familien- und Freundeskreise, nur in der Gesellschaft Gelegenheit zur Beobachtung, die Gesellschaft aber, als der Tummelplatz aller Lügen, ist gerade am wenigsten geeignet. Die Minderzahl erwirbt Erfahrungen als Wohltäterin, Lehrerin, Erwerbstätige, Reisende usw. Meist beziehen sich die Beobachtungen nur auf einzelne gesellschaftliche Schichten oder natürliche Gruppen. Auch fehlt meist das Vergleichsobjekt, da die Gelegenheit, viele und verschiedenartige Menschen aus der Nähe zu beobachten, selten gegeben ist. Natürlich gibt es Ausnahmen, die zufälligen Lebensverhältnisse oder der Beruf (z. B. der einer Schauspielerin) können ungewöhnlich günstige Gelegenheit zum Beobachten geben.
Es ist ersichtlich, daß dem Nachteile des Mannes, daß er nicht unmittelbar am Innenleben des Weibes teilnehmen kann, manche Vorteile gegenüberstehen. Auch die, die den faktisch vorhandenen Unterschied zwischen dem männlichen und dem weiblichen Geiste als unnatürlich und durch Mißhandlung des Weibes bewirkt ansehen, müssen zugeben, daß, wie die Dinge liegen, der Mann mehr Anlage zum Beobachten hat als das Weib, daß er unbefangener sieht, ausdauernder und folgerichtiger sieht, und daß das Leben ihm mehr Gelegenheit zur Beobachtung gewährt. Aber der Wert der Männer als Beobachter ist sehr verschieden. Auch hier kommt es natürlich auf Befähigung und Bildung, sowie auf Gelegenheit an. Von den sogen. gebildeten Ständen werden die im Vorteile sein, die durch ihren Beruf zur Menschenbeobachtung erzogen sind. Die Gelegenheit ist von zweierlei Art. Erstens muß der Mann intimen weiblichen Umgang gehabt haben, er muß nicht nur Mutter, Schwestern und andere weibliche Verwandte gehabt haben, sondern auch geschlechtliche Gemeinschaft. Im allgemeinen wird der Ehemann besser befähigt sein, als der, der nur Liebschaften kennt, denn diese Verhältnisse dauern oft nicht lange genug, und die weiblichen Teilnehmer sind oft zu wenig wertvoll. Andererseits ist mancher Ehemann teils durch die Liebe, die blind macht, teils durch Rücksicht, die jede Verletzung vermeiden möchte, gehemmt. Demnach hätte die günstigsten Verhältnisse der Verheiratetgewesene. Zweitens muß den Mann sein Beruf befähigen, sehr viele und verschiedenartige Weiber so genau wie möglich zu beobachten. Nimmt man alles zusammen, so bieten zwei Stände die günstigsten Gelegenheiten, der des Arztes und der des Priesters. Der katholische Geistliche ist zwar von der Geschlechtsgemeinschaft ausgeschlossen, aber die Beichte gibt ihm eine solche Fülle von Aufschlüssen, daß er in gewisser Beziehung unerreichbar ist. Neben ihm steht der Arzt, der in der Regel den Vorteil ehelicher Kenntnisse hat, und der als Naturbeobachter von Fach sozusagen technisch besser befähigt ist. Überdem ist der Arzt auch eine Art von Beichtvater, und gerade in protestantischen Ländern fällt ihm diese Rolle zu. Unter den Ärzten wieder sind zwei Arten besonders begünstigt, der Frauenarzt und der Nervenarzt. Für den Frauenarzt hat das Runge sehr gut auseinandergesetzt, er hat auch den törichten Einwurf widerlegt, der Arzt habe es nur mit kranken Weibern zu tun Erst nach Erscheinen meines Aufsatzes habe ich den Runge's über »das Weib in seiner geschlechtlichen Eigenart« (4. Aufl. Berlin 1900) gelesen. Umsomehr freue ich mich über unsere Übereinstimmung in allem Wesentlichen.. Dringt der Gynaekolog mehr in das Geschlechtsleben ein, so hat sich der Nervenarzt vorwiegend mit geistigen Zuständen zu befassen, und er gewinnt in dieser Hinsicht Erfahrungen, die Anderen nur selten zugänglich sind. Viel ungünstiger stehen andere Stände da. Der protestantische Geistliche hat bei weitem nicht die günstigen Gelegenheiten wie sein katholischer Kollege und der Arzt. Der Jurist hat in der Regel nur einseitige Erfahrungen, da er »minderwertigem« Material gegenübersteht. Dieses Bedenken kehrt auch bei manchen Verwaltungsbeamten wieder (den Leitern von Weibergefängnissen usw.), wenn auch anzuerkennen ist, daß gerade in bestimmten Beziehungen die Vertreter des Staates tief eindringen. Mädchenlehrer haben auch ihre besonderen Vorteile, sind aber doch durch die Beschränkung auf das unreife Alter im Nachteile. Am ungünstigsten stehen die Schreibtischmenschen da, die Theoretiker, die oft ihre Kenntnisse nur aus der Literatur und der eigenen Frau schöpfen. Das Gesagte gilt natürlich nur im allgemeinen, in der Wirklichkeit tritt denn doch der persönliche Wert in den Vordergrund. Geistliche und Ärzte, denen es am Besten fehlt, verlieren ihre Vorteile, und hochbegabte, scharfsinnige Männer vermögen aus relativ dürftigen Erfahrungen reichen Gewinn zu ziehen, besonders dann, wenn sie es verstehen, die Erfahrungen Anderer richtig zu benutzen. Kant ist z. B. ein vorzüglicher Beurteiler, obwohl seine Erfahrung nicht groß gewesen sein kann. Auch Der, der reich an Erfahrung ist, wird sich nicht auf diese allein verlassen, sondern wird sich nach Kräften die Erfahrungen Anderer zu Nutze machen. So verfährt denn auch Jeder unwillkürlich. Nur sollte man bei Benutzung der Literatur nie die Frage vergessen, ob der Schreibende durch seine Umstände in dem hier verwendeten Sinne begünstigt war. Schriften von Tendenz-Menschen sind von vornherein verdächtig, ergibt es sich nun gar, daß es mit der Erfahrung schlecht stand, so wird man wissen, woran man ist; man wird die Urteile von Stuart Mill, von Bebel und anderen verblendeten Theoretikern nicht höher schätzen, als sie es verdienen.
Die Sache mit dem Gehirngewichte ist so. Th. L. W. von Bischoff
Das Gehirngewicht des Menschen. Bonn 1880. 8° 171 S. und Tabellen. Wer etwas näheres wissen will, muß das vorzügliche Werk selbst lesen; er wird sich dann der leichtfertigen Bestreitung Bischoff's schämen. Es ist, nebenbei gesagt, eine Schande, wenn man sich jetzt noch auf die Aussagen des Prof. Brühl beruft. Hier will ich nur noch ein paar Angaben Bischoff's wiedergeben. »Wir müssen daher für die somatischen Funktionen des Gehirns bei beiden Geschlechtern einen relativ gleichen Gewichtsanteil desselben in Anschlag bringen und die Gewichtsdifferenz beider Gehirne daher nach dieser Berücksichtigung lediglich auf die psychischen Funktionen des Gehirns beziehen.« »Nach den übereinstimmenden Angaben aller Beobachter ist bei allen bis jetzt bekannten Rassen und Nationen der Menschen das mittlere Hirngewicht erwachsener Männer ansehnlich größer als das der Weiber ... Diese Tatsache der bedeutenden Gewichtsdifferenz zwischen dem männlichen und weiblichen Gehirn, zu welcher die andere hinzukommt, daß die minimalen Hirngewichte nur bei Weibern, die maximalen nur bei Männern vorkommen, ist bei ihrer universellen, ausnahmslosen Gültigkeit, der keine andere auf dem ganzen Gebiete der Gehirngewichtslehre gleichkommt, von der größten Bedeutung.«
Für den zweiten Teil meines Aufsatzes ist folgendes Ergebnis wichtig. »Die Zunahme des Hirngewichtes erreicht bei den Männern zwischen dem 20. – 30. Jahre, bei den Weibern bis zum 20. Jahre ihr Maximum, während bei den Weibern zwischen dem 50. und 60., bei den Männern zwischen dem 60. und 70. Lebensjahre eine steigende Abnahme erfolgt.«
Neuerdings sind Bischoff's Ergebnisse durch die Marchand's bestätigt worden. (Über das Gehirngewicht des Menschen. Biolog. Central-Blatt XXII. 12. 1902.) Vergl. a. S. 29 und S. 5., Professor der Anatomie in München, wog
559 männliche und 347 weibliche Gehirne. Er fand als höchstes Gewicht des männlichen Gehirns 1925 g, des weiblichen 1565 g, als geringstes Gewicht des männlichen Gehirns 1018 g, des weiblichen 820 g. Als Durchschnitt aus allen Wägungen ergab sich für das männliche Gehirn 1362, für das weibliche 1219 g. Bischoff hat selbst in seinem Werke die möglichen Einwände erledigt und hat besonders die Meinung zurückgewiesen, daß durch das sogen. relative Gehirngewicht die Ergebnisse anders werden könnten. Tatsächlich ist gegen Bischoff's Darlegung (die mit den Ergebnissen anderer Untersucher durchaus übereinstimmt) gar nichts einzuwenden. Nun ist aber das Gehirn-Wägen keine einfache Sache, und nur der Anatom kann es machen. Einen Ersatz bietet die Messung des Kopfes. Sieht man von den recht seltenen abnorm gestalteten Köpfen, z. B. den sogen. Turmköpfen, ab, so kann man unbedenklich annehmen, daß der größte Umfang des Kopfes der Größe des Kopfes und somit des Gehirnes proportional sei. Selbstverständlich ist die Bestimmung nicht vollkommen genau, aber darauf kommt es bei der Lage der Dinge gar nicht an. Für den Sachverständigen kann kein Zweifel darüber sein, daß im allgemeinen die Kopfgröße mit der Größe der geistigen Fähigkeiten wächst. Natürlich muß man die Körpergröße in Betracht ziehen, ein großer Kopf wird auf kleinem Körper bedeutungsvoller sein als auf großem Körper, und umgekehrt. Auch muß man bedenken, daß einseitige Fähigkeiten (einzelne Talente) nicht einem überhaupt großen Gehirn, sondern nur einem in bestimmten Richtungen großen Gehirn zu entsprechen brauchen. Proteste gegen diese einfachen und zweifellosen Dinge kehren mit auffallender Hartnäckigkeit in den Zeitungen wieder. Man fragt sich dabei, cui bono? Hat man eine größere Zahl von Männern gemessen, so überzeugt man sich davon, daß alle Die, deren Geistesfähigkeiten den Durchschnitt übersteigen, einen verhältnismäßig großen Kopf haben, 57 cm Umfang und mehr. Bei 56 und 55 cm ist geistige Tüchtigkeit nicht ausgeschlossen, aber diese trifft mit solchen Zahlen nicht häufig zusammen, während bei ihnen schlechte Fähigkeiten recht häufig sind. Dagegen findet man weniger als 55 cm fast nur bei geistig sehr schlecht ausgestatteten Männern, ja bei 53 cm kann man mit ziemlicher Sicherheit auf
pathologische Verhältnisse rechnen. Das gilt auch für kleine Männer. Mißt man nun weibliche Köpfe, so findet man ziemlich oft Umfänge von 56, 57 cm, aber auch sehr oft 52, 51, ja 50. Diese niedrigen Zahlen kommen bei erwachsenen Weibern von mittlerer Größe (160 cm und mehr) und von guten geistigen Fähigkeiten vor (d. h. sie haben in der Schule gut gelernt und leisten alles, was ihre Stellung in der Familie fordert, sprechen fremde Sprachen und haben im Gespräche ein gutes Urteil). Wenn ich sehe, daß ein Mann von 165 cm bei 53 cm Kopfumfang nicht sehr einfachen Ansprüchen genügen kann, ein Weib gleicher Größe bei 51 cm Kopfumfang viele ihrer Geschlechtsgenossen durch geistige Tüchtigkeit übertrifft, so kann ich das doch nicht als etwas Gleichgültiges betrachten. Hat man sich erst einmal an Reihen von der regelmäßigen Wiederkehr der Zahlen überzeugt, so können auch etwa vorkommende Einzelfälle, die scheinbar die Regel durchbrechen, nicht mehr irre machen. Ich lege auf diese Dinge deshalb Gewicht, weil sie sehr einfach und jedermann zugänglich sind
Ich bitte meinen i. J. 1903 erschienenen Aufsatz über »Geschlecht und Kopfgröße« nachzulesen..
Gegen Rüdingers Untersuchungen ist ebensowenig einzuwenden wie gegen die Bischoffs. Man kann höchstens sagen, daß es wünschenswert sei, die Zahl der Fälle noch zu vergrößern und auch weitere Gebiete der Gehirnoberfläche zu untersuchen. Bis jetzt aber sind Rüdingers Untersuchungen fast allein da, und ihre Bedeutung ist groß genug. Das Wichtigste scheint mir das zu sein, daß er die sichtbaren Geschlechtsunterschiede an den Gehirnen Neugeborener nachgewiesen hat.
In dem Verhalten gegen unwillkommene Tatsachen zeigt sich die ganze Unredlichkeit der Feministen-Literatur. Wenn ernsthafte Gelehrte durch jahrelange gewissenhafte und mühevolle Untersuchungen anatomische Tatsachen festgestellt haben, da erklärt irgend ein unwissender Mensch, seiner Meinung nach sei nichts davon zu halten, und die Anderen plappern es nach.
In einer gegen mich gerichteten Kritik heißt es: »Früher legte man zur Begründung der weiblichen Inferiorität den Nachdruck auf die Kleinheit des Frauengehirns. Seitdem sich aber herausstellte, daß das Gehirngewicht des Hauptvertreters dieser Ansicht ... hinter dem Durchschnittsgewicht weiblicher Gehirne zurückblieb, hat man diesen Beweis fallen lassen«. Ich bedaure, daß ich auf solche – sagen wir irreführende Angaben eingehen muß, aber es hilft nichts. Jeder muß jene Äußerung auf Bischoff beziehen. Um möglichst sicher zu gehen, habe ich mich an Herrn Prof. Bollinger gewendet, der die Sektion bei Bischoff gemacht hat. Er hatte die Güte, mir mitzuteilen, daß der mit 76 Jahren verstorbene, etwa 180 cm lange Bischoff ein Hirngewicht von 1330 g hatte. Nach Bischoffs eigener Tabelle beträgt das mittlere Hirngewicht bei Männern von 70-85 Jahren 1279 g (aus 24 Fällen berechnet, darunter B.'s eigener 79jähriger Vater mit 1452 g). Mithin übertraf Bischoffs Hirngewicht das Mittel bei Männern. Das mittlere Hirngewicht bei Weibern von 70-82 Jahren (18 Fälle) beträgt nach Bischoff 1121 g. Wieviel im einzelnen Falle der Alters-Schwund ausmacht, ist schwer zu sagen. Durchschnittlich wird sowohl nach Bischoffs wie nach Boyds Tabellen ein Mann im 8. Jahrzehnt 100 g oder mehr verloren haben. Da der Schädel sich im Alter nicht wesentlich verändert, so würden die Schädelmaße auch beim Alten einen Rückschluß auf seine gute Zeit gestatten. Merkwürdigerweise hat der 82 jährige Pettenkofer bei ca. 160 cm Länge auch 1330 g Hirngewicht gehabt.
Woher kommt Dir, fragt man mich, der Zorn gegen »das neue Weib«? Sicherlich nicht aus persönlichen Erwägungen, denn ich stehe ganz allein und habe keine persönlichen Wünsche mehr, auch hat mir niemals ein neues Weib etwas zu leide getan. Dass ein wirklicher Zorn mich erfaßte, das war bei Gelegenheit von Ibsens Nora. In diesem Stücke handelt es sich darum, daß die Nora, die als kleines dummes Frauenzimmer geschildert wird, schließlich auf- und davongeht, weil ihr Mann sie ihrer Meinung nach als Puppe behandelt hat. Was Ibsen sich eigentlich dabei gedacht hat, weiß ich nicht; man bekommt ja in der Regel nicht heraus, was der Apotheker-Dichter will
Wenn uns doch ein gütiges Geschick von der ganzen nordischen und anderweiten Lazarett-Poesie erlösen möchte!.
Zu seiner Ehre möchte ich annehmen, daß er die Gesinnung, der Nora huldigt, mit grimmigem Hohne verspotte. Nun aber mußte ich sehen, daß die Leute in der entarteten, halb verrückten Person, die ihre Kinder im Stiche läßt, weil sie sich einbildet, sie müßte ihr erbärmliches Ich ausbilden, eine Heldin erblickten. Das empörte mich, und je mehr ich darüber nachdachte, um so abscheulicher und widerwärtiger kam mir die Sache vor. In der Tat kann die tiefe Unsittlichkeit des Individualismus gar nicht treffender gezeichnet werden, als es durch Noras Weglaufen geschieht. Einem Weibe, das der Mutterpflicht durch wilde Leidenschaft untreu wird, mag man verzeihen, eine Mutter aber, die ihre Kinder verläßt, weil sie sich nicht gebildet genug vorkommt, ist ein Scheusal oder, wenn man den Gesichtspunkt wechselt, eine Geisteskranke. Nora ist ein Theatergespenst, aber die Bewunderung, die sie gefunden hat, zeigt, daß etwas faul ist im Staate Dänemark. Wie kommt es, daß das Schlechte und Kranke gefällt? Ist das Volk selbst krank, sind unsere Weiber so entartet wie Nora? Ich meine, folgende Auffassung sei richtig. Die widernatürliche Denkart eines beträchtlichen Teiles der Lebenden, vermöge der die individuelle Ausbildung des weiblichen Geistes höher geachtet wird als die Erfüllung des Naturzweckes, ist den geistigen Epidemien zu vergleichen, ein Massenwahn, eine Suggestion durch eine krafterfüllte Idee. Sie ist also nicht eine eigentliche Geisteskrankheit, aber die Massensuggestion wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht eine abnorme Geistesbeschaffenheit ihr den Boden bereitet hätte. Es gilt, zunächst die die Suggestion ausübenden Ideen zu betrachten, dann die Bedingungen ihrer Aufnahme. Die Gedanken, die der sogen. Emancipation des Weibes zu Grunde liegen, sind nicht neu. Im Jahre 1600 z. B. erschien ein Buch der Moderata Fonte, verehel. Giorgi, einer 1555 geborenen, 1592 gestorbenen Venetianerin, Il merito delle donne, in dem sie dartat, daß die Weiber die Männer übertreffen
Vgl. a. Guillaume, Mario Anne, Que le sexe féminin vaut mieux que le masculin. Paris, 1668.. Indessen in der alten Zeit zündeten solche Gedanken nicht. Es mußte erst der Liberalismus zur Herrschaft kommen. Sein Sinn ist die Befreiung des Individuums. Er begann seine
Arbeit schon im Mittelalter, wurde im 18. Jahrhundert groß und stark und explodierte sozusagen in der französischen Revolution. Gewiß war die Befreiung ein großer Gewinn, aber alle Dinge haben zwei Seiten. An sich ist die Freiheit nichts als eine Verneinung, wird nichts erstrebt als Freiheit, so muß die Souveränität des Individuums, die vollkommene Anarchie das Ende sein. Solange wie eine Bewegung wächst, wendet sich ihr die Hoffnung zu, und sie erscheint den Hoffenden als durchaus gut. Keine Idee glänzt mehr als die der Freiheit, sie hat eine ganz unvergleichliche Kraft der Suggestion während des lawinenartigen Anschwellens des Liberalismus erlangt. Alles mußte befreit werden, und schließlich auch das Weib. Freiheit des Weibes heißt die berauschende Suggestion. Freiheit wovon? Natürlich von allen Banden, müßte es konsequenterweise heißen, Freiheit von Vorurteilen, Freiheit vom Manne, Freiheit vom Kinde. So konsequent war man freilich nicht, es hieß zunächst: Menschenrechte. Daß es keine abstrakten Menschen gibt, war gleichgültig, das Weib sollte aufhören, ein Weib zu sein, »ein freier Mensch« werden. Mit diesem Köder werden heute noch die Fische gefangen. Bei näherer Betrachtung muß man sich sagen, daß es ein großer Unterschied ist, ob der Mann oder das Weib sich bedingungslos der Suggestion der Freiheit ergibt. Dem Manne, mag er ein körperlich herumschweifender Jäger, oder ein geistig herumschweifender Denker sein, ist ein gewisser Grad von Freiheit Lebensbedürfnis. Das natürliche Weib will gar keine Freiheit, ihr Glück hängt geradezu von der Gebundenheit ab. Das hängt mit der Verschiedenartigkeit der Zwecke zusammen. Der einseitige Liberalismus des Mannes ist eine Übertreibung, ein Zuweitgehen auf dem rechten Wege, der des Weibes ist wider die Natur, ein falscher Weg. Man kann daher nicht sagen, daß der moderne Individualismus des Mannes, wenn er auch zu Verkehrtheiten führt, notwendig krankhafte Beschaffenheit voraussetzte. Man muß aber sagen, daß der weibliche Individualismus ohne diese nicht möglich sei. Worin besteht die krankhafte Beschaffenheit, die das Weib für die Suggestion der Freiheit empfänglich macht? In der modernen Nervosität. Ein wesentliches Merkmal der Form der Entartung, die wir Nervosität nennen, besteht in dem
Unsicherwerden der natürlichen Triebe. Je gesünder der Mensch ist, um so entschiedener ist er Mann oder Weib. Beim nervösen Menschen aber treten mannweibliche Züge auf, weibische Männer und männische Weiber erscheinen. Das Denken, dem der feste Rückhalt fehlt, wird unsicher, der Mensch weiß nicht mehr recht, was er will, er strebt nach allen Seiten, aber die ausgestreckten Hände fassen nichts; viele Wünsche und wenig Kraft. Ich kann hier das Nähere nicht auseinandersetzen, will nur betonen, daß die Nervosität nach meiner Überzeugung die Hauptbedingung für den weiblichen Individualismus ist, daß das gesunde Weib die täuschenden Freiheit-Suggestionen, vom sicheren Instinkte geleitet, abweist
Mit Vergnügen habe ich das Buch der Laura Marholm gelesen: Zur Psychologie der Frau (Berlin 1897). Freilich auch mit einem gewissen Mißvergnügen, weil sie manches sagt, von dem ich glaubte, es sei mir zuerst eingefallen. Der Titel lautete vielleicht noch besser: Zur Psychopathologie des Weibes, denn die von der Verfasserin geschilderten Typen und Figuren sind nur Formen der Nervosität oder Entartung. Wenn auch sehr vieles, das Frau Marholm sagt, vortrefflich ist, so scheint sie mir doch zu viel Gewicht auf ihre Unterscheidungen zu legen und im Wechsel der Jahrzehnte und der geistigen Moden Bedeutsameres zu sehen, als darin steckt. Es ist doch mit den historischen Wandlungen so eine Sache, was in der Nähe als groß erscheint, wird in einiger Ferne klein. Die einzelnen Formen der Krankheit sind kaum als Eigentümlichkeiten der Gegenwart anzusehen, charakteristisch ist nur die Kraftlosigkeit, die auf der Schwäche der Instinkte beruht. Je nach den zu allen Zeiten wiederkehrenden Typen variiert dann die Nervenschwäche.
Auch übertreibt Frau Marholm zuweilen, als ob das ganze weibliche Geschlecht ihrer Schilderung entspräche. Glücklicherweise existiert doch noch viel mehr Gesundheit. Aber freilich in der Gesellschaft und in der Literatur trifft man vorwiegend die Aufgeregten, die Kranken: die Guten sitzen zu Hause bei ihrer Arbeit. Es ist wie in Paris: Geht man auf den Straßen, so könnte man denken, die ganze weibliche Bevölkerung bestehe aus Dirnen, aber auch hier sitzen die Guten zu Hause.. Nun ist aber nicht zu verkennen, daß die sogen. Frauenbewegung noch andere Bedingungen hat. Deren wichtigste ist die soziale Not. Durch die Verwicklung des Lebens und die Zunahme der Bevölkerung, durch die Entwicklung der Erkenntnis, die Steigerung des Verkehrs usw. wird teils Einsicht in die alte, früher gedankenlos ertragene Not, teils neue Not bewirkt. Auch hat der Liberalismus selbst die Not gesteigert dadurch, daß er die alten
Verbände zerstörte; durch die Isolierung wurde das starke Individuum gefördert, das schwache geschädigt. Nun kann der Not die Freiheit nicht abhelfen, sondern hier brauchen wir Gerechtigkeit und Liebe. Indessen tatsächlich ist doch das Verlangen nach Besserung der Lebensverhältnisse immer mit dem nach Freiheit verbunden worden, und auch in der weiblichen Bewegung hat der Liberalismus die Führung übernommen, so daß die nach Gerechtigkeit Strebenden sich für verpflichtet hielten, vor allem nach Freiheit zu rufen. Endlich muß ich noch auf ein eigentümliches psychologisches Verhalten hinweisen, das die Suggerierung des Freiheitgedankens bei dem Weibe erleichtert. Die Jungfrau wird von der Natur über ihre Triebe in Unklarheit erhalten. Das Widerstreben gegen den Mann, die Abweisung der Sinnlichkeit erscheinen dem Bewußtsein der Jungfrau als unbedingt und dauernd, obwohl sie ihrer Natur nach vorübergehend und im Grunde nur Schutzmaßregeln sind. Je besser ein Mädchen ist, um so fester ist es davon überzeugt, daß es kein Verlangen nach dem Manne habe, daß jederzeit sein Sinn nur dem Idealen zugewandt sein werde. Ja der Mann, der für dieses reine Streben kein rechtes Verständnis hat und das Mädchen auf seinen Standpunkt herüberziehen möchte, erscheint leicht als Feind. So wird es begreiflich, daß gerade hochgesinnten Mädchen das Feldgeschrei: Selbständigkeit des Weibes, Freiheit vom Manne! gefallen wird. Ertönt die Predigt zur rechten Zeit, so muß sie unter den Jungfrauen Anhängerinnen der neuen Lehre finden. Lernen diese später die Liebe kennen, so verfliegt in der Regel der ganze Spuk, die Liebe allein bleibt übrig, und das frühere Streben erweckt nur noch Lächeln. Kommen vollends Kinder, so werden die geistigen Kinderkrankheiten ganz vergessen. Kommt es jedoch nicht zur Verheiratung, so werden die einmal eingepflanzten Anschauungen in der Regel festgehalten, um so fester, je größer das Gefühl der Leere ist. Auch in kinderlosen Ehen wird es sich oft nicht anders verhalten. Je hartnäckiger das Freiheitstreben ist, um so eher wird es auf krankhafte Art schließen lassen. Manches gesunde junge Mädchen sagt: ich heirate nicht, ich will frei bleiben. Man weiß ja, wie die Dinge gehen, und lacht dazu. Aber wenn ein Mädchen, obwohl ihr die
Liebe entgegengebracht wird, ihren Vorsatz durchsetzt, dann ist sie aller Wahrscheinlichkeit nach pathologisch. Eine Frau, die keine Kinder haben will, oder etwa nach dem ersten sagt: einmal und nicht wieder, ist ganz sicher ein entartetes Wesen. Noch schlimmer ist es, wenn eine Frau um ihrer selbstsüchtigen oder wahnhaften Bestrebungen willen ihre Kinder vernachlässigt oder gar ganz verläßt. Der Weg der Gedanken vom ersten Nora-Zorne bis hierher ist lang, und unterwegs ist der Zorn verflogen. Die philosophische Betrachtung verträgt sich ja überhaupt nicht mit dem Zorne, sie deckt als Quelle des Schlechten Irrtum und krankhaften Mangel an natürlichen Gefühlen auf. Indessen man bleibt ein Mensch, und wenn man das Schlechte verherrlichen hört, regt sich der Zorn immer von neuem. Und der Zorn hat auch sein Gutes, er treibt zum Handeln, und das Handeln ist gerade in unserem Falle nicht aussichtslos, denn Suggestionen kann man beseitigen, und alle früheren Massensuggestionen sind dadurch mit Erfolg bekämpft worden, daß Einzelne ihnen ihr besseres Wissen entgegen hielten.
Vielleicht gibt es harmlose Seelen, die meinen, ich übertreibe, die »Frauenbewegung« führe gar nicht zur Verleugnung der Natur, die Gefühlsroheit sei gar nicht mit dem »Streben nach dem Höheren« verknüpft. Solche Vermittler täuschen sich sehr. Natürlich bleiben die Meisten, die sich der Bewegung anschließen, auf halbem Wege stehen, die Bewegung selbst aber hat den Zwang in sich, bis zum Ende zu gehen. Das Ende aber ist die Freiheit vom Kinde. Wenn das Weib irgend etwas hochhalten sollte, so ist es der Muttername. Ich hatte geschrieben, nicht die Leistungen des Mannes, sondern mütterliche Liebe und Treue verlange die Natur vom Weibe. Ein weiblicher Kritiker gibt das so wieder: nach meiner Auffassung tauge das Weib nur zur »Gebärerin und Brutpflegerin«. Man höre: Brutpflegerin! Und da soll man nicht von Entartung reden.
Meine Charakterisierung des Weibes wird hauptsächlich in drei Weisen beurteilt: Entweder heißt es, sie ist im wesentlichen falsch, oder, sie ist im wesentlichen richtig, paßt aber nur für den Durchschnitt, oder sie ist im wesentlichen richtig, paßt aber nur für die jetzt vorhandenen Zustände.
Gegen die Meinung, ich hätte Falsches behauptet, kann ich mich nicht durchweg verteidigen, weil die Verhandlung ins Grenzenlose gehen würde. Nur einige Mißverständnisse, an deren Aufhellung mir liegt, kann ich erwähnen. Zu meinem Bedauern haben Personen, auf deren gute Meinung Wert zu legen ist, geglaubt, ich halte das Weib für unmoralisch, obwohl ich mich ausdrücklich dagegen gewehrt habe. Daß die weibliche Moral insofern unvollständig, ungenügend ist, als sie im wesentlichen Gefühlsmoral ist, daran muß ich festhalten. Auch ist das gar nichts neues, man findet z. B. bei E. v. Hartmann die Sache ausführlich dargelegt. Es scheint, daß weniger der Hinweis auf den Mangel an Gerechtigkeit, als der auf die Notwendigkeit des Lügens verletzt hat. Das hängt offenbar damit zusammen, daß in weiteren Kreisen das Lügen als etwas schlechthin Unmoralisches angesehen wird, eine verkehrte Meinung, die hauptsächlich durch Kant gefördert worden ist. Wir alle lügen und müssen lügen, sei es mit Worten oder durch Schweigen, oder durch bloße Bewegungen. Die Lüge ist durchaus berechtigt, solange wie es sich um Notwehr handelt, erst dann wird sie unmoralisch, wenn sie zur Erringung persönlichen Vorteils oder gar zur direkten Schädigung Anderer verwandt wird. Die dem Weibe im Geschlechtsleben notwendige Verstellung oder Lüge ist aber Notwehr und daher untadelig. Ich hatte geglaubt, mich ganz deutlich ausgedrückt zu haben, aber es hat nichts geholfen, ich muß es daher zweimal sagen. Der andere Kummer ist der, daß ich halb scherzhaft das Paradoxon zitiert habe, das Weib soll »gesund und dumm« sein. Auch hier hatte ich gedacht, der Leser werde mich schon verstehen und die Dummheit nicht wörtlich nehmen, sondern wissen, daß hier ungelehrt gemeint ist. Gerade ich habe an verschiedenen Stellen meiner Schriften darauf hingewiesen, wie wichtig die geistigen Fähigkeiten der Mutter für die Söhne sind, und daß bei der Ehewahl die Klugheit des Mädchens sehr ins Gewicht falle. Ich selbst habe glücklicherweise eine kluge und gute Mutter gehabt und bin überzeugt, daß ich die Fähigkeiten, die ich etwa habe, zum großen Teile ihr verdanke. Die Erinnerung an sie allein würde mich abhalten, je etwas »gegen die Weiber« zu schreiben. Aber auf den »Mutterwitz« kommt es an, auf die natürlichen Fähigkeiten, nicht auf Kenntnisse und angelernte Fertigkeiten. Drittens habe ich gesagt, das weibliche Talent schlechtweg sei die Anlage für Liebesangelegenheiten. Nun soll ich gesagt haben, die Weiber hätten sonst keine Talente. Da will ich denn nachtragen, daß es neben dem Haupttalente noch andere weibliche Talente gibt. Ich meine damit nicht das musikalische, das malerische oder irgend ein Kunsttalent. Wenn ein Weib von diesen eins hat, so hat sie eigentlich ein männliches Talent. Es scheint, daß man nur das schauspielerische und in gewissem Grade das poetische Talent als ursprüngliches Eigentum beider Geschlechter betrachten dürfe. Ein weibliches Talent dagegen im strengen Sinne des Wortes ist das Schwatz-Talent, oder wenn das unehrerbietig klingen sollte, das Gespräch-Talent. Das wurde mir recht klar, als ich neulich ein Buch über Rahel Levin, verehel. Varnhagen von Ense las Rahel Varnhagen, ein Lebens- und Zeitbild von Otto Berdrow. Stuttgart 1900.. Anfangs wurde es mir beim Lesen manchmal übel, dann aber interessierte mich die Frage, was ist's eigentlich mit dieser Frau, und so habe ich das 460 Seiten enthaltende Buch bewältigt. Rahel war zweifellos eine gescheite und gutartige Frau. Sie war ehrlich, ernst, dachte gern und hatte eine Neigung zu philosophischen Betrachtungen. Das alles aber erklärt nicht die Rolle, die sie gespielt hat. Sie hat nichts hervorgebracht, sie konnte weder in Versen, noch in Prosa etwas zusammenhängendes schreiben, über Briefe und Aphorismen kam sie nicht hinaus. Ihr Stil ist originell, reich an Willkürlichkeiten und Sprachfehlern. Neue Gedanken fehlen gänzlich. Alles, was sie sagt, findet man bei den zeitgenössischen Schriftstellern so und so oft, höchstens mag sie hie und da einem Gedanken eine neue Fassung gegeben haben. Dabei stößt die andauernde Selbstbespiegelung, das Reden in Superlativen über die eigene Person, die immer als einzig und unvergleichlich hingestellt wird, stark ab. Alles wird übertrieben, entsetzliches Leid und überschwengliches Glück wechseln. Goethe würde sie eine aufgespannte Person nennen. Trotz des Fehlens poetischer oder wissenschaftlicher Leistungen hat sich eine ganze Literatur über Rahel gebildet. Man muß zwar eine gewaltige, teils unabsichtliche, teils raffinierte Reklame in Anschlag bringen, aber die Frau muß doch etwas besonderes gewesen sein. Sie war ein Schwatz-Genie. Sie hatte viel erlernt und erlebt, hatte ein gutes Gedächtnis, Geistesgegenwart, enorme Lebhaftigkeit und dazu die unendliche Lust am Schwatzen. Sie konnte Tag für Tag durch viele Stunden geistreich reden. Ihr Biograph nennt sie sehr gut eine »Geselligkeitsfanatikerin«: sie lebte sozusagen vom Reden. Wunderlicherweise lebte mit ihr zusammen ein zweites Schwatz-Genie, Bettina Brentano, verehel. v. Arnim. Diese Frau war weniger ernst und ehrlich als Rahel, übertraf sie aber bedeutend an poetischer Fähigkeit und Gestaltungskraft. Sie ist besonders durch ihre Lügenhaftigkeit interessant, sie log ganz unwillkürlich und erinnert stark an die von Delbrück beschriebene Pseudologia phantastica. Es war überhaupt damals eine redselige Zeit; die bedeutenden Männer schwatzten auch und fanden an dem nichtigen Salongerede eine seltsame Befriedigung. Aber die Männer waren gegen die genannten Frauen armselige Talente im Hinundwiderreden. Varnhagen, der überhaupt viel von einer alten Dame hatte, scheint sich ausgezeichnet zu haben.
Die, die sagen, meine Schilderung passe nur für den Durchschnitt, haben ganz Recht. Aber, ihr Lieben, etwas anderes habe ich ja gar nicht gewollt. Wie kann einer auf ein paar Druckseiten mehr tun und wieviel Seiten möchten nötig sein, wenn alle Abweichungen vom Durchschnitte erwähnt werden sollten? Bei messbaren Dingen kann man außer dem Mittel auch das Maximum und das Minimum angeben, aber hier ist doch die Sache so einfach nicht. Die Unterschiede der Geschlechter sind in ihren Hauptzügen bekannt, aber man weiß auch, daß Mischungen vorkommen. Wie beide Geschlechter ihre Gehirnwindungen gemein haben, so haben sie offenbar auch alle geistigen Eigenschaften gemein, und nur ein Mehr dort, ein Weniger hier macht den Unterschied aus. Niemand kann genau sagen, inwieweit im einzelnen Falle eine vorwiegend männliche Fähigkeit beim Weibe sich entwickeln könne und umgekehrt. Das gilt schon für die Norm, nun kommen aber unter pathologischen Bedingungen die geistigen Zwitterbildungen dazu, die wahrscheinlich viel häufiger und bedeutsamer sind, als man gewöhnlich denkt. Besonders dann, wenn man von den Verhältnissen unserer Zeit redet, darf man nie vergessen, daß unsere Kulturvölker außerordentlich stark mit pathologischen Elementen durchsetzt sind. Indessen, solche weiter greifende Betrachtungen scheinen meinen Kritikern fremd zu sein. Ihre Sorge ist nur, daß ich die über den Durchschnitt hinausragenden Weiber nicht genug berücksichtigt haben soll. Sie werfen mir vor, daß ich nicht an die weiblichen Heiligen, die Wohltäterinnen der Gesellschaft, die guten Fürstinnen, die geistvollen Frauen aller Art gedacht habe. Halten sie mich wirklich für so dumm? Es ist aber ein natürlicher Fehler, daß wir über den Ausnahmen gern die Regel vergessen. Finden sich auf einer langen Linie einzelne leuchtende Punkte, so ziehen diese unsere Augen auf sich und wir vergessen über ihnen die langen dunkeln Strecken. Von der Beschaffenheit des wirklichen Volkes scheinen viele Literaten gar keine Ahnung zu haben. Z. B. wird mir vorgeworfen, es gebe doch viele geistesfrische alte Frauen. Solche kenne ich eben so gut wie meine Kritiker. Aber geht hinaus ins Volk, vergleicht den fünfzigjährigen Mann mit dem fünfzigjährigen Weibe, macht Prüfungen, laßt nicht Zungenfertigkeit und übernommene Gedanken für Geistestätigkeit gelten, dann wird sich zeigen, ob ich Recht habe. Überhaupt hat meine Lehre von der Parallelität der geistigen Entwicklung und des geistigen Rückganges mit der körperlichen Entwicklung und dem körperlichen Altwerden viel ungerechten Tadel gefunden. Die Zukunft wird lehren, daß es ein besonderes Verdienst war, auf diese viel vernachlässigten Dinge hinzuweisen.
Die dritte Gruppe sagt, im Großen und Ganzen mag er ja Recht haben, aber das liegt nur daran, daß die weiblichen Geistesfähigkeiten bisher nicht genügend entwickelt worden sind. Entwickelung ist überhaupt alles, wenn wir uns entwickeln, so können wir werden, was wir wollen. Zunächst kann die weitere Entwickelung des weiblichen Geschlechts als ein Prozess im mystisch-darwinistischen Sinne aufgefaßt werden, als einer, der durch Naturnotwendigkeit, ohne Zwecksetzung abläuft. Beweise für eine solche Voraussetzung fehlen gänzlich, denn die Geschichte spricht direkt dagegen; da sehen wir Schwankungen in diesem und jenem Sinne, aber im großen und ganzen ein unverändertes Beharren, soweit wie das Wesentliche in Frage kommt. Wenn wir z. B. im alten Testament lesen, so sehen wir, daß das Verhalten und die Stellung des Weibes damals, d. h. durchschnittlich vor etwa 2500 Jahren, ungefähr eben so waren wie jetzt. Aristophanes schildert eine »Frauenbewegung«, die der unsrigen recht ähnlich war. Die Römerinnen hatten ungefähr auch die Stellung wie unsere Frauen. Andererseits haben in vielen Gegenden des Orients heute noch die Weiber dieselbe relativ ungünstige Stellung wie vor 1000 oder 2000 Jahren. Es scheint also die Stellung des Weibes nicht sowohl von der Zeit als von dem Charakter des Volkes, der natürlich den Charakter beider Geschlechter umschließt, abzuhängen. Manche die davon gehört haben, daß für die Art-Entwickelung sehr lange Zeiten in Anspruch genommen werden, mögen erwidern, was sollen uns ein paar Tausend Jahre, die bisherige Geschichte beweist gar nicht, daß die Entwickelung nicht doch noch kommt. Solche mögen ihres Glaubens leben, aber sie müssen auch uns gestatten, anzunehmen, daß wie in den letzten so in den nächsten Jahrtausenden keine wesentliche Veränderung zu erwarten sei. Andere verstehen unter Entwickelung ein bewußtes Eingreifen, eine Art von planmäßiger Erziehung. Sie meinen, wenn man die Mädchen nur genug unterrichtete und die Schranken der Sitte und des Gesetzes niederrisse, dann würden die Geistesfähigkeiten des weiblichen Geschlechts nicht von denen des männlichen verschieden sein. Mit diesen wunderlichen Heiligen ist schwer zu reden. Wenn man sie auf Tatsachen hinweist, z. B. auf die Musikgeschichte u. a., so gehen sie nicht darauf ein. Wenn man ihnen die Unmöglichkeit dartut, daß ein Weib die Aufgaben erfüllen könnte, die die Natur an zwei Geschlechter verteilt hat, so meinen sie, sie könnten es schon. Ich habe auseinandergesetzt, daß, wenn die Wünsche der Feministen erfüllt werden, die Geburtenziffer soweit sinken müsse, daß der Stand oder das Volk sich nicht erhalten kann. Darauf kommt zur Antwort, die hochgebildete Frau werde allerdings nur wenig Kinder gebären, aber sie werde sie um so besser erziehen. Da soll man ernsthaft bleiben! Man kommt eben an Stellen, wo alle Verhandlung aufhört. Nur die eine Bemerkung will ich machen, daß die unsinnige Überschätzung der Erziehung, die einem in diesen Verhandlungen immer entgegentritt, ein Zeichen der Rückständigkeit ist. Sie ist im 18. Jahrhundert zu Hause; wer heute lebt, der sollte wissen, daß keine Erziehung Fähigkeiten hervorrufen kann, daß alle Erziehung, die mehr sein will als liebevolle Förderung der natürlichen Entwickelung und Abhaltung von Schädlichkeiten mehr schadet als nützt. Leider kann ich nicht verschweigen, daß die Geistlichen und Lehrer, die sich einbilden, »Charaktere zu bilden« und ähnliche Kunststücke zu leisten, den Torheiten, von denen die Feministen-Bewegung lebt, argen Vorschub geleistet haben. Eine besondere Anschauung tritt mir in einem Briefe entgegen. Meiner Schilderung entspreche zwar das natürliche Weib, es sei aber die von Gott gestellte Aufgabe, daß dieses durch Selbsterziehung zum veredelten Kulturweibe werde. Niemand kann mehr wünschen als ich, daß es recht viele edle und kluge Weiber gebe; ich sehe nur nicht, daß ihre Zahl durch die Feministen vermehrt werde. Das natürliche Weib ist doch gewiß auch ein gottgewolltes Weib, und alle Veredelung kann nur in Weiterentwickelung der natürlichen Anlagen bestehen. Ist es die natürliche Bestimmung des Weibes, eine rechte Mutter zu sein, so kann die Veredelung nur darin bestehen, daß das Weib immer tiefer in die Mütterlichkeit eingehe, daß sie all ihr Wissen und Vermögen in den Dienst ihres edlen Berufes stelle. Die natürlichen Anlagen sind etwas Heiliges, und es kann nicht im Sinne der ewigen Weisheit liegen, wenn wir in die Natur hineinstören, weil überspannte Menschen sich übernatürliche Ideale zurechtgemacht haben. Der Satz: ein Weib, das nicht Mutter ist, hat seinen Beruf verfehlt, bleibt wahr, so hart er denen klingen mag, die ohne Schuld sich ausgeschlossen sehen. Aber man muß hinzufügen, daß auch das Weib, das keine Kinder hat, durch seine mütterlichen Eigenschaften segensreich sein kann. Inwieweit Kenntnisse und Fertigkeiten von dem Hauptberufe gefordert werden, oder sich mit ihm vertragen, das hängt von den Umständen ab, der Kulturhöhe überhaupt und dem Stande. Eine Frau des kleinen Bürgerstandes wird wenig Nutzen davon haben, wenn sie mehrere Sprachen spricht, malt und Kunstgeschichte treibt oder sonst etwas, ja die Erwerbung und der Besitz solcher Fertigkeiten würden manchen Nachteil mit sich führen. Die Frau eines Fürsten dagegen, deren Verhältnisse sie von der eigentlichen Arbeit ausschließen, bedarf zur Erfüllung ihrer Stellung vieler Kenntnisse und Fertigkeiten, die in den unteren Ständen überflüssig oder schädlicher Luxus sein würden. Ich dächte, über diese Dinge könnte man sich einigen. Sehen wir von solchen Standesunterschieden ab, so kann man für die mittleren Stände sagen, bei einer (wirklichen) Frau sind Kenntnisse und Fertigkeiten ein schöner Schmuck, soweit wie sie die der Familie gewidmete Tätigkeit fördern, oder doch nicht stören. Auch an einem Manne schätzt man es, wenn er nicht nur die zu seinem Berufe unbedingt nötigen Fähigkeiten hat, man tadelt ihn aber, sobald wie er durch Allotria seine Berufstätigkeit stört. Das sei in Gedanken an die liebenswürdige Briefschreiberin gesagt, obwohl es sich eigentlich von selbst versteht.
Bin ich einmal so weit, so klingt es mir in den Ohren: Preise den Mutterberuf soviel, wie du willst, aber es können nicht alle Mädchen Mutter werden, und deshalb müssen wir unsere Mädchen so erziehen, daß sie allein stehen können. Obwohl diese Dinge nicht zu meinem Thema gehören, will ich doch noch ein paar Worte sagen. Ich habe schon einmal angedeutet, daß wir mehr Mütter und mehr Menschenglück haben könnten, wenn wir nicht bloß in der Ehe erzeugte Kinder gelten ließen. Man könnte doch weitherziger sein. Ich wenigstens würde Respekt haben, wenn ein Mädchen sagte: das ist mein Kind, für das ich sorge, von wem ich es habe, geht euch nichts an. »Halt ein, Unseliger, du tastest die Grundlage des christlichen Staates an!« Hört auf mit der Lüge vom christlichen Staate, er ist so unchristlich wie möglich. Triefte nicht unser Leben von Lieblosigkeit und Heuchelei, so wäre auch eine vernünftige Versorgung der Mädchen leichter. Spricht man jetzt mit Eltern, die den sogen. besseren Ständen angehören, so heißt es: ja, unsere Tochter soll das Lehrerinnenexamen machen, es fällt ihr zwar recht schwer, aber man muß doch für alle Fälle sorgen. Nun ist das Lehrerinnenexamen, gelinde gesagt, eine Quälerei, und Die, die mit Aufopferung eines Teiles ihrer Gesundheit es bestanden haben, gelangen auch nicht gerade zu goldenen Bergen. Aber alles andere ist nicht »standesgemäß«. Was tun die Weiber bei allen Völkern? Sie haben außer der Sorge für die Kinder die für die Küche und den Haushalt überhaupt, sie beschaffen die Kleidung, wenigstens zum Teile, kaufen und verkaufen, je nachdem. Warum soll das, dessen sich unsere Hausfrauen nicht schämen, zu schlecht für die auf Erwerb angewiesenen Mädchen sein? Warum ehrt man nicht jede redliche Arbeit? Es kommt nur auf das Abtun alter Vorurteile an. Wenn ein Mädchen sagte, ich will Köchin sein, ich verlange aber ein anständiges Zimmer und eine meiner Persönlichkeit entsprechende Behandlung, so täte sie sich und anderen Gutes. Eigentlich gibt es doch eine Menge verständiger Leute, und die würden, wenn sie sich vielleicht mit den bisherigen Dienstboten halb krank geärgert haben, schließlich gern Köchinnen, Stubenmädchen usw. aus gebildeter Familie bei sich aufnehmen, unter der Bedingung, sie wie Ihresgleichen zu behandeln. Damit wäre auch der Dienstbotennot abgeholfen, an der Hochmut und Gleichgültigkeit der Herrschaften ebenso Schuld haben, wie Mangelhaftigkeit der nicht erzogenen und gewöhnlich von Kindheit an sich selbst und schlechten Beispielen überlassenen Dienenden. Außer der Häuslichkeit böte zur Not das kaufmännische Wesen noch vielen weiblichen Personen Unterkunft, wenn einerseits die Arbeit respektiert, andererseits die Kaufleute gezwungen würden, die Gesundheit ihrer Arbeiter zu respektieren. Auf jeden Fall wird, wenn die Arbeitzeit nicht zu lang und der Lohn genügend ist, der Dienst im Kaufhause oder Kaufladen besser sein als die gräßliche Trockenheit des Telephon-, Telegraphen-, Postdienstes usw. Auch bietet die kaufmännische Tätigkeit die Möglichkeit des Selbstständigwerdens. Not bleibt die Erwerbstätigkeit des Weibes immer, aber sie ist bei unseren Verhältnissen nicht zu vermeiden. Ob es später besser werden wird, weiß man nicht. Ein wirklicher Fortschritt zum Besseren wäre das Zurückgreifen auf den Klostergedanken. Die radikale Bekämpfung des Kloster-Wesens war und ist eine der größten Torheiten der Reformation und des Liberalismus. Neuerdings hat man unbewußterweise Kloster-Nachahmungen hervorgerufen, so die Diakonissen-Häuser, die Schwestern-Häuser überhaupt. Man sollte aber die Sache viel grundsätzlicher angreifen. Zu einem Kloster im humanen Sinne gehört folgendes: 1. Ein uneigennütziger Zweck. D. h. es muß sich eine Anzahl von Menschen gleichen Geschlechts zusammentun, um dasselbe Ziel zu verfolgen. Der Zweck kann darin bestehen, Hilfebedürftigen zu helfen, es kann aber auch ein wissenschaftlicher oder irgend ein anderer Zweck sein, nur die Erstrebung persönlicher Vorteile ist ausgeschlossen, und der Zweck muß die Würde einer Lebensaufgabe haben. 2. Das gemeinsame Leben der durch den Zweck Verbundenen in dem Sinne, daß bei dem Teilnehmer die Sorge um die eigene Person aufhört. Das Mitglied macht den Zweck der Gemeinschaft zu dem seinen, und dafür übernimmt die Gemeinschaft die Versorgung des Einzelnen. Die Gelübde für Lebenszeit widerstreben unserer Denkweise, aber in gewissem Sinne würden die alten Gelübde ihr Recht behalten, denn Gehorsam ist unentbehrlich, Keuschheit ergibt sich ganz von selbst (der Austritt steht ja frei), und Armut heißt eben nichts eigenes haben. Es versteht sich von selbst, das viele Modifikationen möglich sind, jedoch das kann man im allgemeinen sagen, daß das Glück des einzelnen um so größer sein wird, je edler der Zweck und je vollständiger die Hingebung ist. Auch das ist sicher, daß gerade für die weibliche Natur das Klosterleben in dem hier gemeinten Sinne am ehesten einen Ersatz für das natürliche Glück gewähren wird. Vielleicht muß die Not noch wachsen, ehe die Vernunft durchdringt, aber durchdringen wird sie schon.
Kehren wir von den Zukunfthoffnungen zur Vorbildung der Mädchen zurück, so ergibt es sich eigentlich von selbst, da doch auch jetzt die Mehrzahl der Mädchen später heiratet, daß alles darauf angelegt sein sollte, sie auf die Ehe vorzubereiten. Die gegenwärtige Erziehung ist, aus diesem Gesichtspunkte betrachtet, nicht viel wert. Der Einzelne kann das zunächst nicht ändern, aber den Eltern muß man ans Herz legen, daß sie nicht alle Verantwortung auf die öffentlichen Einrichtungen werfen dürfen. Ihre heiligste Aufgabe sollte sein, die Mädchen gesund zu erhalten, dann mag später kommen, was will: ein krankes Mädchen taugt zu gar nichts. Dem Standeshochmute und der Überschätzung der sogenannten Geistesbildung fallen »Menschenopfer unerhört«. Einer der wichtigsten Einwände gegen das Studium und die Hochbildung weiblicher Wesen, ist der, daß, wenn etwas bei der Sache herauskommen sollte, das Mädchen gerade wie der Knabe vom 11. Jahre an zu dem Berufe vorgebildet werden müßte, also zu einer Zeit, zu der ein Urteil über die spätere Entwickelung der Dinge noch gar nicht möglich ist. Abgesehen von den ganz seltenen Fällen, in denen ein Mädchen früh hervorstechende Talente zeigt, ist der Beschluß, das Kind solle für einen anderen als den natürlichen Beruf des Weibes erzogen werden, eigentlich eine Vermessenheit. Man hört oft sagen, das, was das Mädchen als Frau braucht, könne ja auch nachgelernt werden. So erbärmlich denke ich denn doch nicht von den Fähigkeiten einer tüchtigen Hausfrau. Wenn ein Mädchen zur rechten Zeit, d. h. etwa vom 18. bis zum 23. Jahre, heiratet, so reicht die Zeit eben aus, um sie bei Schonung der Gesundheit zum Praktischen tüchtig zu machen. Wenigstens vom sogenannten Mittelstande gilt das Gesagte. Mögen die neuen Weiber sein, wie sie wollen, hexen können sie doch nicht, und auf einer Seite würde es immer fehlen, auch wenn sie noch ein wenig mehr als männliche Geisteskräfte hätten.
Werfen wir zum Schlusse noch einen Blick in die Zukunft, so sind für Den, der auf eine bessere Zeit nach den Wirrnissen der Gegenwart hofft, zwei Wege denkbar. Entweder kann man denken, es sei die individualistische Verirrung ein Durchgang für den weiblichen Geist. Nahm früher das Weib sein Schicksal gedankenlos auf sich, diente sie in unbewußter Frömmigkeit dem Zwecke der Gattung, so kann sie in Zukunft, nachdem sie den Irrtum der Freiheitbestrebungen eingesehen hat, dasselbe bewußt tun, wissend sich hingeben und nicht das Wohl des Ich, sondern das des Mannes und der Kinder erstreben. Oder man kann der Meinung sein, eine solche Entwickelung aus Unschuld durch Schuld zur Tugend widerstrebe dem Wesen des Weibes, das rechte Weib müsse auch in Zukunft instinktiv das Rechte tun. Im Sinne der ersten Meinung sollte man eigentlich den Unfug fördern, denn je größer die Übelstände werden, um so eher ist die Umkehr zu erwarten. Schließt man sich der zweiten Auffassung an, dann muß, soweit wie menschliche Hilfe in Frage kommt, das Heil von der Einsicht des Mannes erwartet werden, d. h. davon, daß der Mann dem Weibe klar macht, er wolle von der unbedingten Freiheit des Weibes nichts wissen. Macht der Mann damit Ernst, dann ist es aus mit der »Frauenbewegung«.
Früher Vorwort zur vierten Auflage.
Freundliche und unfreundliche Teilnahme hat auch die dritte Auflage gefunden. Es hat sich herausgestellt, daß man diese Schrift sehr gut als Reagens für weibliche Urteilskraft verwenden kann. Ist man über die Befähigung einer Frau nicht im Klaren, so läßt man sie den »Schwachsinn« lesen. Wenn sie dann meint, eigentlich habe der Verfasser so unrecht nicht, so schließe man sie in die Arme, denn sie ist eine ausgezeichnete Frau. Die Probe hat sich schon recht oft bewährt.
Zum Troste der kritischen Damen will ich bemerken, daß diesmal die schwächste Kritik von einem Manne herrührt; sie steht in der »Jugend«. Ich bedaure es und das Verhalten vieler Männer überhaupt, denn es kommt mir gerade darauf an, den Männern klar zu machen, wie töricht der Feminismus ist. Aber mit welchen Vorurteilen hat man da zu kämpfen! Neulich besuchte mich ein psychologischer Freund. »Sie haben Unrecht mit Ihrer Behauptung, daß das Weib weniger wert sei als der Mann.« Das behaupte ich gar nicht; ich sage nur, ihre Gehirnleistungen seien geringer. »Auch das können Sie nicht beweisen, oder wie?« Nun, einfach dadurch, daß man im Einzelnen die wichtigsten Gehirnleistungen vergleicht, ihre Maxima und den Durchschnitt. »Da werden Sie sicher Eigenschaften finden, die bei dem Weibe höher entwickelt sind«. Welche denn? Er dachte eine Weile nach und sagte dann: »oh, die Aufopferungsfähigkeit.« Da mußte ich lachen und antwortete: »oh, Ihr Psychologen, wenn man auf Euch schlägt, kommen Motten heraus. Ist denn die Fähigkeit, sich zu opfern, eine Grundkraft? Ist nicht Wert und Bedeutung des Opfers ganz verschieden nach dem, was und für was geopfert wird? Freilich läßt sich das Lamm zur Schlachtbank führen, aber ist das eine Leistung? Fragt man nach der Tat, so kann gar kein Zweifel darüber sein, daß zu allen Zeiten der Mann mehr Opfer gebracht hat als das Weib Mit der Aufopferung muß man die Sucht, sich aufzuopfern, nicht verwechseln. Diese ist bei nervösen weiblichen Personen sehr häufig und kann sehr unangenehm werden..
Mit der Opferfrage hängt die nach der Moralität überhaupt zusammen. Allzuoft muß ich hören: ja intellektuell steht das Weib unter dem Manne, aber moralisch nicht. Gern bemächtigt sich die Schönrednerei der Sache: der Mann sei der Kopf, das Weib das Herz; oder ähnliches sagt man, als ob blumige Reden zur Klarheit führten. Es ist peinlich, wenn man einfache Verhältnisse erläutern muß, aber für Die, deren eigenes Nachdenken nicht ausreicht, oder die die Wirklichkeit nicht ruhig sehen können, will ich noch ein paar Worte sagen. Jeder Mensch weiß, wenn er zu handeln hat, was »das Rechte« ist. Es ist gleichgültig, welcher Moral er anhängt, ob er sich auf eine Offenbarung oder die Vernunft bezieht, eine Stimme, die freilich bald laut und deutlich, bald leise und undeutlich zu sein scheint, sagt ihm, was im gegebenen Falle für ihn moralisch ist, und wir nennen diese Stimme das Gewissen. Mag man über das Gewissen und seine Entstehung denken, wie man will, es ist da, und nur dann, wenn der Fall sehr verwickelt, oder der Mensch krank ist, weiß man nicht, was man möchte und was man soll. Verachtet der Mensch die Aussage des Gewissens, so handelt er böse, gibt er ihr Recht und tut er doch das Andere, so handelt er schwach, folgt er ihr, so handelt er gut. Der Böse und der Schwache ziehen ihren Vorteil dem »Rechten« vor, mag es sich um Gewinnsucht, um Eitelkeit, um Liebe oder um sonst was handeln. Wenn der Gute diesen eigensüchtigen Trieben nicht folgt, die er doch auch hat, so muß ihm eine besondere Kraft eigen sein, die man (mit Vorbehalt weiterer Erörterungen) die moralische Fähigkeit nennen kann. Die moralische Fähigkeit kann siegen, entweder weil sie besonders stark ist, oder weil die entgegenwirkenden Triebe schwach sind. Im Allgemeinen wird sie, wenn moralisches Handeln eintreten soll, um so stärker sein müssen, je stärker die anderen Triebe sind. Es ist daher ersichtlich, daß, wenn überhaupt die männlichen Triebe stärker sind als die weiblichen, der Mann ohne stärkere moralische Kraft nicht einmal die gleiche Moralität erreichen könnte wie das Weib. Ich denke, in diesem Gedankengange versteht man am leichtesten, wie das Weib da und dort ein Plus von Moralität zu haben scheint wegen der Schwäche der störenden Triebe, wie andererseits dem Manne das rechte Handeln erschwert wird. Man muß aber noch ein weiteres bedenken. Das Endziel oder das höchste Gut (man kann auch sagen: der Wille Gottes) besteht darin, daß im ganzen des Raumes und der Zeit die Lust wachse (sich ausbreite und veredele), die Unlust abnehme. Je mehr und je erfolgreicher sich ein Mensch dem höchsten Gute zuwendet, d. h. je mehr er den Willen Gottes tut, um so mehr ist er in einem höheren Sinne moralisch. Ich würde wohl meine Leser beleidigen, wenn ich aus Geschichte und Leben nachweisen wollte, daß diese aktive Moralität, die das Rechte aufsucht, mehr männlichen, als weiblichen Charakter hat. Der Irrtum, daß das Weib an Moralität dem Manne gleiche oder ihn übertreffe, ist offenbar nicht nur dadurch entstanden, daß die moralische Fähigkeit im Weibe durchschnittlich geringere Widerstände findet, als beim Manne, sondern auch dadurch, daß das Weib vermöge seiner natürlichen Aufgabe geistig anders zusammengesetzt ist, daß in ihm das Verhältnis der Triebe zu einander anders ist. Weil der Bau der weiblichen Seele einfacher ist als der der männlichen, gibt es in ihr weniger Kampf. Die Gattenliebe und die Mutterliebe sind so viel stärker als die anderen Triebe, daß sie unter normalen Verhältnissen ohne Mühe den Sieg erlangen. Man rühmt die weibliche Geduld. Da, wo sie des Rühmens wert ist, in der Kinderstube, am Krankenbette u. s. w., wird sie von dem weiblichen Liebesgefühle getragen. Aber vielfach sonst, bei einförmiger Arbeit, im Erdulden von allerhand Widerwärtigkeiten, ist doch eine Art von Stumpfheit dabei, ein Mangel an Kraft und Lebhaftigkeit des Geistes. Der Mann würde sich empören oder davonlaufen, er hebt seine Geduld für die Gelegenheiten auf, wo es sich lohnt, und in der ihm angemessenen Tätigkeit ist seine Geduld groß genug. So ist es auch mit den übrigen »weiblichen Tugenden«. Steckt die Liebe dahinter, so wird es etwas Gutes. Sonst aber kommen kleine verneinende Tugenden heraus oder gar schlechtweg Verneinungen. Alle Eltern wissen, daß Töchter leichter zu erziehen sind als Söhne, aber sie halten jene darum nicht für moralischer als diese. Im Leben ist die Sache klar, aber in der Literatur hört der gesunde Menschenverstand auf. Man hat ein Recht, die weiblichen Vorzüge zu preisen (und die Männer haben das jederzeit redlich getan), aber man rede vom Nützlichen, Anmutigen, Rührenden, spiele sich nicht immer auf das Moralische hinaus.
Nun will ich noch ein paar Worte sagen über einige Bücher, die ich neuerdings kennen gelernt habe. Ein wackerer Kämpfer ist F. Bettex Mann und Weib. Bielefeld und Leipzig 1900. 2. Aufl. 8°. 219 S., ein Schweizer, der in Stuttgart lehrt. Er setzt die Unterschiede der Geschlechter sehr gut auseinander und leuchtet den Faselhänsen, den Feministen, kräftig heim. Freilich ist sein Ausgehen von Bibelworten nicht nach jedermanns Geschmack, und ich kann ihm auch sachlich nicht in allem folgen.
Die wichtigste Frage, inwieweit die Mutterschaft sich mit geistiger Arbeit des Weibes vertrage, haben Adele Gerhard und Helene Simon Mutterschaft und geistige Arbeit. Berlin 1901. G. Reimer. gr. 8°. IX und 333 S. in anerkennenswerter Weise untersucht. Sie haben einerseits die Biographieen studiert, andererseits eine größere Zahl von weiblichen Personen, die in einem der sogen. höheren Berufe arbeiten, um schriftliche Äußerung gebeten. Im einzelnen haben sie die Mutter als Schauspielerin, als Musikerin, als Malerin, als Dichterin, als Gelehrte, als Agitatorin und Journalistin betrachtet. Von 420 »Experten«, die genaue Angaben gemacht haben, waren 156 unverheiratet, 264 verheiratet. Kinderlos waren 213 (das sind die Unverheirateten, die Frauen ohne Kinder und die, die nur tote Kinder geboren hatten). Mutter waren 207. Mehr als ein lebensfähiges Kind hatten 147 geboren. (Diese Angabe ist ungenügend; man müßte wissen, wie viele Kinder auf die Ehe kommen, denn es besteht die Vermutung, Zweikinderehen möchten hier allzu häufig sein). Als Gesamtergebnis ihrer Untersuchungen stellt sich den Verff. Folgendes dar. Für die meisten Gebiete »muß unumwunden anerkannt werden: da die Hinausschiebung geistiger Arbeit in ein späteres Lebensalter zuweilen Schädigung, oft direktes Verkümmern des Könnens bedeutete, so ist in der Mehrzahl der Berufe zwischen geistigem und künstlerischem Schaffen und dem erfüllten Frauenleben ein Konflikt unvermeidlich. Eine Lösung dieses Konflikts scheint uns ausgeschlossen, weil sowohl die Unterdrückung der Frau als Geschlechtswesen, als auch die Unterdrückung des Schaffenstriebes Gefahren für den Einzelnen wie die Allgemeinheit in sich birgt.« Wenn, wie Vff. anerkennen, ein Widerspruch besteht zwischen dem natürlichen Berufe des Weibes und dem künstlerischen oder gelehrten Berufe, so versteht es sich von selbst, daß dieser wider die weibliche Natur ist, und daß die Weiber, die ihre Anlagen doch dazu treiben, von der weiblichen Natur abgewichen oder entartet sind. Die Vff. wollen von meinem Ausspruche, daß »gelehrte und künstlerische Frauen Ergebnisse der Entartung seien«, nichts wissen, aber ihr ganzes Buch ist nichts als ein Beweis für diesen Satz. Nur muß man das Wort Entartung nicht im populären Sinne verstehen und dabei nicht an etwas denken, das in jeder Hinsicht schlecht wäre. Auch die gefüllten Blumen sind entartet, obwohl sie uns sehr gut gefallen. In praktischer Hinsicht ist den Vff. darin beizustimmen, daß der Widerspruch nicht zu lösen ist. Die ungewöhnlich begabten Mädchen werden geboren, wir mögen wollen oder nicht, und es wäre eine unnütze Grausamkeit, wenn man dem wirklichen weiblichen Talente Schwierigkeiten machen wollte. Die weiblichen Talent-Träger sind Opfer, sei es, daß sie um ihres Talentes willen auf den natürlichen Beruf verzichten, sei es, daß sie als Mütter versuchen müssen, zweien Herren zu dienen. Das ist nun nicht weiter schlimm, denn Opfer müssen gebracht werden, aber frevelhafter Leichtsinn wäre es, wenn man trotz der Erkenntnis des Widerspruches die Mädchen ohne Not, d. h. ohne drängende Anlagen, in den Widerspruch hineintreiben wollte. Die Emanzipation des Weibes ist gerechtfertigt, wenn entweder die materielle oder die geistige Not dazu treibt, aber sie ist selbst Not, weil sie aus Not entsteht. Die dagegen, die »um der Freiheit willen« oder sonst aus Prinzip das weibliche Gehirn überreizen, treiben ein schändliches Spiel. Daß die Vff. dies, wenn auch mit schwerem Herzen, anerkennen, das gereicht ihnen zur hohen Ehre. Es mag ihnen deshalb nicht verübelt werden, wenn sie durch den »unersetzlichen Kulturwert« der weiblichen Arbeit das Bedenkliche gerechtfertigt sehen. Es ist begreiflich, daß sie von den Leistungen ihrer Schwestern so gut wie möglich denken, wie sie denn auch mit dem Worte »genial« äußerst freigebig sind, aber in Wahrheit ist es mit dem unersetzlichen Kulturwerte so so. Wirklich unersetzlich sind nur die Schauspielerinnen und die Sängerinnen. Daß die weiblichen Maler, Bildhauer, Gelehrten unersetzlich wären, wird kein Verständiger behaupten wollen. Bleibt also nur die Poesie, und zwar, da die eigentlichen Dichterinnen rarissimae aves sind, die Romanschreiberei. In der Tat hört man immer wieder, daß die Gefühle und Gedanken des schreibenden Weibes etwas ganz eigenartiges (»geheimnisvolle Welten«) seien. Jedoch, so anmutig viele Frauen-Bücher auch sind, etwas neues, unentbehrliches wird man bei ihnen vergebens suchen. Die Vff. scheinen z. B. G. Sand für unersetzlich zu halten, aber es wäre wirklich kein Schade, wenn diese, von Grund aus ungesunden Bücher nicht existierten.
Möge die gewissenhafte Arbeit der Vff. gute Früchte bringen. Möge der Nachweis, wie schwer es auch den geistig am besten ausgestatteten Mädchen und Frauen, dieser unendlich kleinen Minorität, geworden ist, Mannesarbeit zu tun und doch Mutter zu sein, möge er der Masse der Mittelmäßigen als Warnung dienen.
Ganz neuerdings ist ein dickes Buch über die »Frauenfrage« von Lily Braun erschienen Die Frauenfrage, ihre geschichtliche Entwickelung und ihre wirtschaftliche Seite. Leipzig. S. Hirzel 1901. Gr. 8°. XII. und 557 SS.. Es ist mit großem Fleiße und viel Besonnenheit geschrieben. Die Verfasserin beweist im einzelnen ein klares Urteil und weist viele der unsinnigen Feministen-Behauptungen als lächerlich oder übertrieben zurück. Alle ihre Angaben über Tatsachen Gegen die Verwertung der Zahlen sind Bedenken geäußert worden, aber das geht mich nicht an. stimmen mit meiner Auffassung sehr gut überein. Aber Gutes ist mit Schlimmem gemischt, weil zwei Grundanschauungen die Verfasserin beherrschen. Einmal hängt sie der allgemeinen Frauenbewegung an, die sich das Ziel gesetzt habe, »alle Frauen durch selbständige Arbeit aus ihrer wirtschaftlichen Versklavung zu befreien«, d. h. von dem bösen Manne unabhängig zu machen, zum anderen ist sie eine eifrige Sozialdemokratin und möchte nichts, als der Not des arbeitenden Volkes ein Ende machen. Sie sieht in der »Frauenbewegung« ein Erzeugnis der Not und will sie doch begeistert fördern, sie beurteilt das Wirtschaftliche gut und kann sich doch von der Feministentorheit nicht losmachen. Soweit wie die Verfasserin als Feministin spricht und dem Weibe dieselben Fähigkeiten wie dem Manne zuschreibt, kommt wenig Lobenswertes zum Vorscheine, ja zuweilen der reine Unsinn (auf S. 191 steht, die Schwachsinnigen hätten das größte Stirngehirn!). Sie stimmt das alte Torenlied an, man wisse noch gar nicht, was alles in dem kleinen Weiberkopfe stecke u. s. f. Kurios ist, daß die Verfasserin zugibt, daß bisher das weibliche Genie gefehlt habe, zugleich aber erklärt, in der Sozialwissenschaft werde es erscheinen (wobei die Bescheidenheit verbietet, auf das eigene Buch hinzuweisen). Würde die Verfasserin den Feministenhochmut aufgeben und die physiologische Wahrheit anerkennen, so würde ihr Buch gewinnen, und das, was darin die Hauptsache ist, bliebe unangetastet. Die Feministen werden von der Sucht nach Emanzipation geführt, sie wollen Freiheit um jeden Preis und gelangen zuletzt zum Anarchismus. Dieser aber hat mit dem Sozialismus, der Abhilfe gegen die wirtschaftliche Not durch das Gesetz, Gerechtigkeit, nicht bloße Freiheit will, nichts zu schaffen. Wenn die Sozialdemokraten sich mit der feministischen Unwahrheit einlassen, so schaden sie ihrer Sache nur. Gleichberechtigung im vernünftigen Sinne kann nur bedeuten, daß Keinem Unrecht geschehe, daß Leistung und Gegenleistung einander entsprechen. Fordert man aber Gleichberechtigung, weil alle Menschen gleich seien, wie es die alten Revolutionäre taten, so fordert man Unsinn, denn die Menschen sind nicht gleich, und am allerwenigsten sind die Geschlechter gleich. Frau Braun wird schon ihre Erfahrungen machen: die Feministen de pur sang werden sie zurückweisen, jemand aber, der auf meinem Standpunkte steht, kann ruhig ihre Ansichten über die Arbeiterinnen teilen. Tatsächlich kommt bei der »proletarischen Frauenbewegung« jene unsinnige Gleichheit gar nicht in Betracht; hier handelt es sich einfach um Beseitigung des Elendes, das unsere unglücklichen Lebensverhältnisse erzeugen, um Gerechtigkeit gegen die Frauen und Mädchen, die ihr Brot erwerben müssen. Die Verfasserin zeigt uns allen Jammer, der an der Frauenarbeit hängt. Man kann sagen, sie male Grau in Grau, weil es doch nicht überall so schlecht steht, aber das ändert nicht viel, die Wirklichkeit ist greulich genug. Wahrscheinlich hat die Verfasserin auch darin Recht, daß nur der energische Kampf der unter einander und zugleich mit den männlichen Arbeitern verbündeten Arbeiterinnen gegen die Unternehmer eine gründliche Besserung herbeiführen könne. Ich mag darauf nicht eingehen, denn die Beurteilung wirtschaftlicher Theorien ist nicht meine Sache. Nur über das Endziel noch ein paar Worte. Nach der Verfasserin soll die Arbeiterin auch in der zukünftigen Gesellschaft Arbeiterin bleiben, nur soll dadurch, daß die häuslichen Arbeiten größtenteils wegfallen, ihr Leben erleichtert werden. Wir wollen uns gern gefallen lassen, daß in Zentralanstalten gekocht, gewaschen usw. wird, wir sind auch damit einverstanden, daß das so erleichterte Weib sich anderweit nützlich mache, aber wir hoffen, daß auch in der besseren Zukunft die Geschlechter so unterschieden seien, daß der Beruf für den Mann Hauptsache und für das Weib Nebensache ist. Die wahre Mutterschaft und die Berufserfüllung im Sinne des Mannes werden immer unverträglich sein, und auch in der fernsten Zukunft soll die Mutterschaft des Weibes Hauptberuf, sein etwaiger »Beruf« Nebenamt sein.
Eine der gegen mich gerichteten Gegenschriften möchte ich der Beachtung empfehlen, weil sie in besonderem Sinne Wasser für meine Mühle liefert, nämlich das Buch von Oda Olberg (Das Weib und der Intellektualismus. Berlin-Bern 1902). Sie hat sehr viel gelehrte Sachen gelesen, hat eifrig darüber nachgedacht und spricht, im Gegensatze zu den anderen kämpfenden Damen, durchweg in einem anständigen Tone von mir. Sie hat meinen Gedankengang ganz richtig erfaßt und begreift seine Stärke bis zu einem Punkte, wo die moderne Verwirrtheit sich ihrer bemächtigt, und das Verständnis erlischt. Es lohnt sich schon, der kenntnisreichen und geschickten Verfasserin etwas genauer zu antworten. Sie ist eine begeisterte Anhängerin nicht nur des Intellektualismus überhaupt, sondern gerade des »modernen Intellektualismus«, und »die modernen Ideen« gelten ihr als unantastbare Dogmen. Das Kennzeichen jedes Intellektualismus ist Überschätzung des Wissens einerseits, der menschlichen Willkür, und besonders der Erziehung andrerseits. Der moderne Intellektualismus aber bekommt seine eigene unangenehme Färbung dadurch, daß er auf der »mechanischen Weltansicht« und der »Entwicklung« im darwinistischen Sinne fußt. Die Modernen, und mit ihnen Oda, sehen in der mechanischen Weltansicht nicht irgend eine Hypothese, sondern die Grundlage ihres Denkens, und es ist daher begreiflich, daß sie die einzige Absicht, die es nach ihrer Meinung gibt, die des Menschen nämlich, für sehr wichtig halten. Ich aber glaube an eine Vorsehung, d. h. daran, daß eine geistige Macht alle Dinge bestimmten Zielen zuführe, und ich halte das für richtig, weil es mir nicht nur förderlicher, sondern vor allem besser begründet zu sein scheint. Für unser Thema ist der Darwinismus noch wichtiger. Die Intellektualistischen glauben einmal an eine unbegrenzte Entwicklung, zum andern an die Möglichkeit, die Art durch die von Darwin genannten Einwirkungen zu ändern. Es ist ja richtig, daß es in diesen allgemeinen Fragen nur Wahrscheinlichkeiten gibt, aber ihr Grad ist doch verschieden. Mir scheint die Annahme einer jetzt ebenso wie früher fortlaufenden Entwicklung des irdischen Reiches recht gering zu sein, und ich halte es für viel richtiger, anzunehmen, daß das ganze irdische Reich einem fertigen Menschen darin gleiche, daß es geboren und gewachsen, jetzt aber erwachsen ist. So schließe ich aus der »Ontogenese« auf die »Phylogenese«. Auch der erwachsene Mensch bleibt nicht unverändert, er nimmt in manchen Hinsichten noch zu, hält sich aber in der Hauptsache bis zum Beginne des Alters ungefähr auf der gleichen Stufe. Ist es mit der Art auch so, so sind jetzt noch kleine Veränderungen möglich, wesentliche aber nicht, und so wenig, wie wir die Entwicklung des Menschen zu einem Übermenschen zu erwarten haben, ebensowenig ist eine Änderung der einmal festgelegten Geschlechtscharaktere wahrscheinlich. Weiter ist die Veränderung der Nachkommen durch erworbene Eigenschaften der Erzeuger, ohne die unsere Verfasserin gar nicht auskommen kann, wahrscheinlich nur in sehr engen Grenzen möglich, wenn man von der Verderbnis der Keime absieht. Wäre sie in der vorausgesetzten Weise möglich, so müßte zur Weiterentwicklung des weiblichen Gehirns eine intellektuelle Ausbildung des männlichen Gehirns ausreichen. Denn wenn alle Männer kenntnisreich wären, so würden sie ihr entwickeltes Gehirn auch auf ihre Töchter vererben, und da diese nur kenntnisreiche Ehemänner fänden, so würde bald die ganze Rasse aus Intellektuellen bestehen. Leider stimmt es nicht, obwohl tatsächlich gescheite Männer gewöhnlich gescheite Töchter haben, denn die männlichen Eigenschaften kehren bei den Töchtern nicht wieder, diese behalten ihren kleinen Weiberkopf, und auch ihre Leistungen erlangen nicht die männliche Größe. Nicht nur die Art ist fest, sondern auch der Geschlechtsunterschied in der Art ist fest: Trotz kleiner Schwankungen stellte sich immer wieder dasselbe Niveau her. Wo große Schwankungen auftreten, da ist nach meiner Meinung nicht Entwicklung der Art, sondern Entartung da.
Ich sage, einseitige Gehirnentwicklung ist Entartung; nein, sagt Oda, sie ist eine segensreiche Anpassung und fördert die Art. Ich habe gesagt, die Bildung töte, Oda hält mich deshalb für einen Kulturfeind und Reaktionär. Ganz so schlimm bin ich nicht. Ich meine, man könne die sogenannte Kulturarbeit der Eroberung eines Landes vergleichen, denn beide fordern Opfer, und wie die Soldaten fallen, so gehen die Kulturförderer der Art verloren. Der Reichtum des Geschlechtes wächst auf Kosten derer, die ihn erwerben. Opfer soll man nur bringen, wo es sich lohnt. Wollte man eine Armee aus den Schwachen bilden, so würde man sehr viel Verluste und wenig Gewinn haben. Wollte man die Kulturarbeit von den Weibern verrichten lassen, so wäre auch der Schade groß, der Nutzen klein. Was für den Männerkopf mäßige Anstrengung ist, das ist für den Weiberkopf Überanstrengung, und trotz aller Anstrengungen werden die weiblichen Leistungen, wie auch Oda zugibt, den männlichen nie gleich werden. Ein großer Mann kann Unglaubliches leisten, und wenn seine Nachkommenschaft nichts taugt, so ist der Schade verhältnismäßig gering. Alle intellektuellen Weiber, die bisher gelebt haben, haben nicht so viel geleistet, wie ein einziger großer Mann, und doch sind sie fast alle geschädigt worden, und ihre Nachkommenschaft ist es auch. Der schlimmste Schade ist natürlich die Unfruchtbarkeit, wenn sie große Dimensionen annimmt. Darauf komme ich gleich, aber vorher muß ich die Ungerechtigkeit, die Oda gegen mich begeht, hervorheben. Sie stellt die Sache immer so dar, als wünschte ich stumpfsinnige Weiber, und sie gebraucht das Wort Schwachsinn im landläufigen Sinne, ohne meine Definition des physiologischen Schwachsinnes zu berücksichtigen. Ich wäre ja ein Esel, wenn ich dumme Weiber verständigen und tatkräftigen vorzöge. Daß ich das Scherzwort von »gesund und dumm« zitiert habe, wo dumm soviel heißt wie ungelehrt, das sollte doch eine so kluge Frau wie Oda Olberg nicht veranlassen, mir den greulichsten Unsinn zuzutrauen. Daß Bildung am unrechten Orte dumm macht, und daß die modernen Forderungen dazu geeignet sind, aus klaren und tüchtigen Naturkindern überspannte Gänse zu machen, das ist meine Meinung. Einen guten Unterricht (d. h. nicht den der sogenannten höheren Schulen), Belehrung über das, was dem Weibe zu wissen frommt, und Erweiterung des Gesichtskreises in vernünftiger Weise, das wünsche ich allen Mädchen von Herzen, denn das alles läßt sich erreichen, ohne daß Verstand und Gesundheit leiden. Aber bei alledem würde der physiologische Schwachsinn bestehen bleiben, d. h. der natürliche Unterschied zwischen dem männlichen und dem weiblichen Geiste. Wären die Weiber so klug, wie ich es wünsche, so könnten sie das ganz gut verstehen. Auf den Einwurf, daß, wenn der physiologische Schwachsinn existierte, alles Reden unnütz wäre, weil der Mangel an Erfolg die »Frauenbewegung« widerlegen würde, will ich noch einmal folgendes erwidern. Ich glaube in der Tat, daß im ganzen der Erfolg Null sein werde, sofern wie die weiblichen Leistungen den männlichen gleich gemacht werden sollen, aber dieser negative Erfolg ist nur durch großes Elend zu erzielen. Unter den »Strebenden« sind zwei Klassen zu unterscheiden. Die Führenden sind Entartete, sie haben (wenigstens im geistigen) einen Teil der sekundären männlichen Geschlechtsmerkmale, d. h. bestimmte Talente und Drang nach Freiheit. Ihnen sollte man ihren Weg erleichtern, sie sind einmal da, und ändern kann man sie nicht, also würde dann die gewaltsame Zurückhaltung grausam sein. Sie werden nichts Besonderes leisten, aber in ihrer mannähnlichen Tätigkeit doch die eigene Befriedigung finden. Die Mehrzahl aber besteht aus Mädchen, die die Mode mitmachen, oder denen die Entarteten ihre Suggestionen eingepflanzt haben. Sie sollte man retten, denn sie richten nicht nur Schaden an, sondern erleiden selbst den größten Schaden, und leiden um so mehr, je weiter sie von ihrem natürlichen Wege abkommen.
Also die Fruchtbarkeit! Ich habe gesagt, durch den Intellektualismus sinke die Geburtenziffer. Ja, sagt Oda, das ist wahr, aber es ist gut. Das ist ihr eigentlicher Fehltritt. Je weniger die Nachkommenschaft eines Tieres bedroht sei, um so geringer sei die Fruchtbarkeit. Da bei hoher Kultur das Menschenleben mehr geschont werde als bei geringer, sei also die Fruchtbarkeit um so weniger von nöten, je weiter die Kultur fortschreite. Die darwinistische und die soziale Entwicklung werden durcheinander gemengt, auch ein recht modernes Verfahren. Tatsächlich nehme die Kinderzahl mit dem Wachsen von Reichtum und Bildung ab, und zwar in der Hauptsache durch bewußte Absicht. Das ist vollkommen richtig und ein Beweis dafür, daß die sogenannte Kultur ein Mörder ist. Oda aber empfiehlt die nach Malthus benannte Art zu handeln. Denn wenn weniger Kinder geboren werden, so werden sie, meint Oda, besser aufgezogen und erzogen. Die durch den Intellektualismus erleuchteten Frauen, die vom Kindersegen nichts mehr wissen wollen, verstehen sich auf hygienische Maßregeln, so daß die wenigen Kinder schön gedeihen, und sie sind reich an Geistesschätzen, so daß sie ihre Kinder nicht nur großziehen, sondern auch auf die Höhen des Intellektualismus führen können. Solches Zeug schreibt die studierte »Soziologin« zusammen, weil sie meiner Folgerung nicht entrinnen kann und doch auf die feministischen Bestrebungen nicht verzichten will. Sie schlägt einen Haken, und weist darauf hin, wie viele Kinder in Arbeiterfamilien zu Grunde gehen. Wäre es da nicht besser, wenn die Eltern nur ein paar Kinder erzeugten, sie aber recht sorgfältig aufpäppelten? Freilich, für arme Familien in der Stadt ist die Beschränkung der Kinderzahl zu empfehlen, aber das hat mit unserem Problem gar nichts zu schaffen. Nicht Mangel an Intellektualismus, sondern Mangel an den einfachsten Lebensbedürfnissen, an Milch, an Luft, kurz die soziale Not bringt die Kinder der Armen in der Stadt um. Man bessere die abscheulichen Lebensbedingungen, man beseitige vor allem den Alkoholismus, dann werden die Arbeiterkinder gerade so gesund und fröhlich aufwachsen wie die Kinder auf dem Lande. Die Behauptung aber, daß die »gebildete« Frau ihre Kinder besser aufziehe als die natürliche Frau, ist einfach Unsinn. Wo gedeihen denn die Kinder am besten? In einfachen Verhältnissen und bei braven Eltern mit gesundem Verstande. Man lese die Biographien derer, die einer Kinderschar armer Eltern angehört haben. Neuerdings hat H. Ellis für englische Verhältnisse nachgewiesen, daß geniale Menschen in der Regel kinderreichen Familien angehören, daß aus kinderarmen Familien durchschnittlich nicht viel Ausgezeichnetes kommt. Ich hatte schon früher für Mathematiker und für Künstler das Gleiche gefunden. Man gehe hinaus aufs Land, in Gemeinden, wo das Geld knapp ist, und die Bildung knapp ist, wo aber Elend und Trunksucht fehlen, da wird man sehen, worauf es ankommt, und die intellektualistischen Phrasen werden einem zum Ekel werden. Alle diese Dinge sind so einfach, daß ich sie am liebsten gar nicht bespräche, wenn ich nicht hier auf »die schwächeren Schwestern« Rücksicht nehmen müßte. Noch viel weniger als bei der körperlichen Pflege kann bei der Erziehung des Geistes der Intellektualismus die Natur ersetzen. Was braucht ein Kind zur Erziehung? Das Beispiel sittlich guter Menschen, besonders guter Eltern, und die Gemeinschaft mit Seinesgleichen. Es ist eine alte Geschichte, daß die Kinder einander erziehen, und daß es um so leichter geht, je mehr Kinder da sind. Später kommt dann die Schule dazu. Oda stellt sich vor, die Frau ohne »höhere« Bildung stehe hilflos den sie geistig überwachsenden Kindern gegenüber, wie eine Henne, die Enteneier ausgebrütet hat, am Ufer steht, wenn die Entchen ins Wasser gehen. Goethes Mutter und viele andere Beispiele widerlegen am besten solche Behauptungen. In gewissem Sinne muß der Sohn die Mutter überwachsen, aber das Herz hält sie zusammen. Fehlt es am Herzen, so hilft die höhere Bildung gar nichts (vergleiche Schopenhauer).
Was es mit der Beschränkung der Fruchtbarkeit auf sich hat, das erkennt man jetzt in Frankreich. Es ist ja richtig, daß Zola in seinem Lobliede auf die Fruchtbarkeit etwas übertrieben hat, aber er war eben ein Mensch, den seine Natur zum Übertreiben trieb, und im Grunde hat er doch recht. Denn, durch das sogenannte Zweikindersystem wird nicht nur die Bevölkerung fortschreitend vermindert, sie wird auch verschlechtert. An diesem Beispiele kann man die Torheit, die in Oda Olbergs Behauptungen steckt, am besten erkennen. Wollen die Damen mir nicht glauben, so mögen sie auf eine ihrer Schwestern hören. Käthe Schirmacher hat in einem Aufsatze über »Frankreichs Bevölkerungssorgen« Westermanns Monatshefte XLVI, 5. Februar 1902. recht gute Bemerkungen gemacht. Ich will ein Stück davon abdrucken lassen; vielleicht kann das Odas Seele retten und andere vor der Verführung bewahren.
»Die soziale Qualität dieser fils oder filles uniques ist keine bessere als die zahlreicher Brüder und Schwestern. Weit davon. Die einzigen oder wenig zahlreichen französischen Kinder sind Angstkinder, um deren Dasein und Wohlsein sich in der Familie alles dreht, deren Krankheiten eine Kalamität, deren Laune Gesetze sind. Sie bilden der Eltern Verzug. Papas Einziger, Mamas Abgott; Erstgeborener und Benjamin zugleich sein, das verträgt kein Kind. Vom Tage ihrer Geburt an konzentriert sich auf ihre kleine Person ein ganz ungebührliches, ein unverhältnismäßig großes Stück Aufmerksamkeit, macht sie zu Alleinherrschern, Selbstherrschern, zu Herren ihrer Eltern, die sich ihnen mit einer oft sehr kurzsichtigen Liebe hingeben: ›Bei einem Kinde ist man sein Sklave, bei sechsen ihr Herr‹. Ihr Grundsatz ist, daß man dem Liebling allen Willen tun muß. Die Bequemlichkeit der Eltern kommt bei diesem Verwöhnungssystem ebenso auf ihre Kosten wie die Affenliebe.
In einer zahlreichen Familie hingegen liegt das Ananderedenken in der Luft, Rücksichtnahme und Solidarität werden dort praktisch gelehrt. Die Charaktere stählen und schleifen sich gegenseitig ab. Die Anteile des einzelnen sind kleiner, seine Ansprüche naturgemäß geringer, die Schätzung der eigenen Person wird durch Vergleich auf das richtige Maß herabgesetzt. Eine große Familie ist eine kleine Republik, die auf das praktische Leben vorbereitet.
Der einzige Sohn, die einzige Tochter hingegen wachsen als anspruchsvolle Autokraten in einer unnatürlichen Umgebung auf, und nur am Tischlein-deck-dich können sie noch ihr Genügen finden. Sie sind vollendete Individualisten, Egoisten, die nur auf sich bedacht, geringen sozialen Wert und schwachen nationalen Nutzen haben.
Für den Sohn läßt diese Erziehungsweise sich dahin zusammenfassen: ›Mein Kind, Du kannst auf deine Eltern rechnen. Sieh, wie wir für deine Zukunft sparen! Zähle auch auf unsere Verwandtschaft, unsere Freunde, die Dich empfehlen, protegieren, vorwärts bringen werden! Rechne auch auf die Regierung, die zahlreiche Stellen vergibt. Es müßte seltsam zugehen, wenn Du nicht eine erlangen solltest. Da diese Stellen aber nicht immer genügend tragen und es gut ist, zum Brod auch Butter zu haben, sollst Du eine reiche Frau heiraten. Das ist unsere Sache, überlaß uns diese Mühe, wir finden Dir die Erbin.‹«
Von medizinischer Seite her bin ich getadelt worden, weil ich mich gegen die weiblichen Ärzte tolerant gezeigt habe. Ich bleibe aber bei meiner Meinung: Man soll die Sache nicht begünstigen, den einzelnen Mädchen aber, die Medizin studieren wollen, nichts in den Weg legen. Wie ich früher gesagt habe, wird im Gegensatze zu mechanischen Bewegungen diese Bewegung um so eher aufhören, je geringer die Reibung ist. Einen Beleg für meine Auffassung finde ich in der New Yorker medizinischen Monatsschrift vom Januar 1902. Dort (p. 42) wird berichtet, daß die Verwaltung der Northwestern University Womans Medical School in Chicago beschlossen habe, das Institut nach 32jährigem Bestande zu schließen, weil mit einem jährlichen Defizit von 25 000 Dollars gearbeitet worden ist. Die New Yorker Staatszeitung vom 3. Januar 1902 meint, das bedeute einen sehr schweren Schlag für die sogen. Frauenbewegung, denn der Antragsteller habe auseinandergesetzt, daß die Frauen im chemischen Laboratorium so wenig wie im Seziersaale den Aufgaben gewachsen gewesen seien. In den 32 Jahren des Experimentes habe man es zuerst mit der coeducation versucht, aber vor 15 Jahren habe man diese Einrichtung für einen Fehlschlag erklärt und habe eine besondere Anstalt für weibliche Studenten eingerichtet. »Nach weiblichen Ärzten ist keine Nachfrage, die Frau als Doktor der Medizin hat den Erwartungen, die darauf gesetzt wurden, in keiner Weise entsprochen«. Das gelte natürlich mit Ausnahmen, aber sogar in der Frauen- und Kinderpraxis hätten die weiblichen Ärzte den männlichen keine ernstliche Konkurrenz gemacht. Teils hätten die Kräfte der Damen nicht ausgereicht, teils hätten die weiblichen Ärzte Anforderungen gestellt, die mit der Ausübung eines Berufes nicht vereinbar sind. Man denkt an das alte Sprichwort, es sei dafür gesorgt, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen, sagt sich aber zugleich, daß das 32 Jahre dauernde Experiment etwas kostspielig und schmerzhaft gewesen sei.
In meinem Aufsatze habe ich gesagt, vernünftigerweise sollte das Gesetz bei der geistigen Verschiedenheit der Geschlechter das Weib anders behandeln als den Mann. Von juristischer Seite habe ich verschiedene Zustimmungen erhalten, und ich hoffe, daß in der Zukunft meine Forderung erfüllt werden werde. Gleiches Recht für alle, ist die größte Ungerechtigkeit. Wird der 17jährige Jüngling milder behandelt als der Mann, so muß auch dem Weibe Schonung gewährt werden. Ich komme deshalb auf diese Gedanken zurück, weil ein französisches Buch mich angeregt hat.
Dr. Paul Dubuisson, Oberarzt an der Pariser Irrenanstalt Sainte-Anne und Gerichtsarzt, hat ein äußerst interessantes Buch über die Warenhaus-Diebinnen geschrieben »Les Voleuses de Grands Magasins.« Paris, A. Storck et Comp., dessen leitender Gedankengang etwa folgender ist.
Es vergeht kein Tag, an dem die Pariser Strafkammern nicht über ein Weib zu urteilen hätten, das beschuldigt ist, im Bon-Marché, im Louvre oder im Printemps gestohlen zu haben. Bedenkt man, daß nur ein kleiner Teil dieser Diebstähle entdeckt wird, so begreift man, daß hier eine bedeutungsvolle Erscheinung vorliegt. Das Erstaunen wächst noch, wenn man erfährt, daß fast alle Warenhaus-Diebinnen weder aus Not stehlen noch zu den Gewohnheitsverbrechern gehören, daß sie vielmehr in der Hauptsache den wohlhabenden und ehrenwerten Bürgerklassen angehören.
Die Warenhaus-Diebinnen sind in folgender Weise gekennzeichnet: sie stehlen nur in den Warenhäusern; die meisten von ihnen sind bemittelt, manche sogar reich, sie könnten sich also die Sachen sehr wohl kaufen; die gestohlenen Gegenstände sind ihnen meist gar nicht nötig, da sie die Dinge oft schon, ja im Überflusse, besitzen. Bei der Arretierung gestehen sie den Diebstahl gewöhnlich ohne weiteres ein, nicht selten mit einer Art von Aufatmen, als ob ihnen eine Last abgenommen würde. Viele von ihnen erzählen, ohne danach gefragt zu sein, von frühern ähnlichen Diebstählen und geben an, man werde in ihrer Wohnung die und die gestohlenen Dinge finden. In der Tat ergibt die Haussuchung solche Vorräte, die geschickt versteckt, unbenutzt, oft noch mit der Etikette des Warenhauses versehen in Schränken, in dunkeln Winkeln, unter dem Überzuge von Polstermöbeln aufbewahrt worden sind und erst mit Hilfe der Diebin aufgefunden werden. Alle erklären übereinstimmend: Ich konnte nicht widerstehen – ich habe den Kopf verloren – es schien mir alles zu gehören – ich bekam immer mehr Lust – hätte man mich nicht arretiert, ich hätte immer mehr genommen ... usw.
Wie soll man sich alle diese Wunderlichkeiten erklären? Offenbar muß man zweierlei in Betracht ziehen, einmal die Beschaffenheit des Warenhauses, zum andern die darin Verführten. Das Warenhaus von heute ist ein Meisterwerk, denn seine Besitzer haben mit wunderbarer Geschicklichkeit alles so eingerichtet, daß die Verführung zum Kaufen gar nicht größer sein könnte. Sie führen die Besucherinnen mit geradezu genialer Kunst in Versuchung. Kaum je kommt eine Frau, die mit dem festen Entschlusse, nichts zu kaufen, hineingegangen war, ohne eine Anzahl von Paketchen wieder heraus. Zuerst wird die Lust durch Prospekte und Preisverzeichnisse erweckt, die verschwenderisch in die Häuser geschickt werden, und aus denen die Leserinnen die Überzeugung gewinnen, daß der Kauf unter den angegebenen Bedingungen der reine Gewinn sein müsse. Bald kommt ihnen die Idee: einmal hingehen kann ja nichts schaden, man kann es sich doch ansehen, der Eintritt ist frei, man braucht ja nicht gleich zu kaufen. Ist die Unglückliche einmal in der Höhle des Löwen, so wird sie verzaubert. Bei dem Anblicke dieser Überfülle von schönen und guten Sachen erwachen alle Wünsche nach Wohlleben, Eleganz, Besitz, und die weibliche Gefallsucht wird aufs tiefste erregt. Die Besucherin darf alle Herrlichkeiten nach Belieben anfassen und hin und her wenden, was an sich schon ein Genuß ist, denn niemand fragt oder scheint sich darum zu kümmern, sie kann sich sogar den Gegenstand ihres Begehrens für ein paar Tage zur Ansicht ins Haus schicken lassen. Der Versucher hat noch mehr getan, denn den Damen, die doch nicht ermüdet werden sollen, stehen Säle mit Ruhebänken, in denen ihnen Journale, ja Speisen und Getränke unentgeltlich angeboten werden, zur Verfügung. Die Besucherin soll sich im Warenhaus wie in ihrem Heim fühlen, nur daß alles unendlich größer, schöner, reicher ist, daß keine Mühe ihrer wartet, daß alles Höflichkeit, Liebenswürdigkeit ist. Das Warenhaus stellt die angenehmsten und liebenswürdigsten jungen Männer an, die es bekommen kann.
All diesen Versuchungen können nur wenige widerstehen. Die Meisten werden zu Einkäufen verführt, denen nicht selten kein Bedürfnis entspricht, und die über die vorhandenen Mittel hinausgehen. Viele Frauen zieht das Warenhaus an wie andre die Kirche, denn hier wie dort finden sie süße Erregungen, mag auch die Art verschieden sein. Manche verlieben sich geradezu in irgend eine dieser Karawansereien und können nicht mehr leben, ohne täglich oder wenigstens einmal in der Woche ihren Besuch im Louvre, im Bon-Marché oder im Printemps gemacht zu haben. Eine junge Frau, die eben von einer schweren Krankheit aufgestanden war, verlangte stürmisch nach dem Warenhause, ging hin und starb nach einigen Tagen. Sie wollte nichts kaufen, aber sie sehnte sich nach der Atmosphäre ihres Tempels und nach dem Anblicke der schönen Sachen. Endlich kommt in Betracht, daß in den der Versuchung ausgesetzten Damen absichtlich die Meinung hervorgerufen wird, sie wären ganz ohne Aufsicht. Wenn die Besucherin ihre Ware gefunden hat, ruft sie einen der Angestellten herbei, der sie zur Kasse zu führen hat, der aber keine Überwachung ausübt. Nur verborgenerweise beobachtet eine Anzahl von Angestellten, die kein Zeichen an sich tragen, die Käuferinnen; nichts warnt diese, erst nach dem Diebstahle greift der Aufpasser zu.
Trotz alledem wird keine ehrenhafte Frau stehlen. Aber die Erfahrung zeigt leider, daß eine Menge von Frauen, die für ehrenhaft und unantastbar gegolten haben, zu Falle kommt. Man könnte denken, daß nur nach einem heftigen Kampfe zwischen den guten und den bösen Gedanken dies Unterliegen möglich sei, und gewiß findet manchmal ein solcher Kampf statt, aber recht oft ist nach den Bekenntnissen der Diebinnen die Sache anders zugegangen. Das Begehren tritt mit einem Male so heftig auf, daß die Hand zugreift, ehe der Kopf nachgedacht hat. Hinterher mögen wohl Gewissensbisse kommen, aber auch diese scheinen nicht immer arg zu sein.
Abgesehen von den Diebinnen vom Fach, die gelegentlich im Warenhause gerade so stehlen, wie sie sonst stehlen, und die nicht eben häufig sind, zerfallen die Warenhaus-Diebinnen in zwei Gruppen, nämlich in solche, die, obwohl sie für ehrenhaft gelten, doch moralisch schwach sind, ohne im engern Sinne des Wortes krank zu sein, und in solche, bei denen bestimmte krankhafte Zustände nachzuweisen sind.
Obwohl das psychologische Interesse vorwiegend an der ersten Gruppe haftet, kann doch der Arzt nur über Die berichten, die wegen zweifelhaften Geisteszustandes ihm zugewiesen worden sind. Dubuisson berichtet aus persönlicher Erfahrung über 120 Fälle. Darunter waren acht Frauen mit der sogen. Gehirnerweichung (der progressiven Paralyse) und drei mit andern groben Gehirnerkrankungen. Bei neun konnte der Arzt nichts Krankhaftes finden. Von den übrigen hundert Diebinnen waren neun im engeren Sinne des Wortes Geisteskranke (krankhaft Schwachsinnige, Verrückte usw.). Alle andern waren das, was man gewöhnlich nervenkrank nennt; sie litten an Nervenschwäche, an Hysterie, und ein Teil dieser Nervösen war zur Zeit der strafbaren Handlung in einer der kritischen Zeiten des weiblichen Lebens (Monatregel, Schwangerschaft). Natürlich treibt die Nervenkrankheit nicht direkt zum Diebstahle, aber sie setzt die Willenskraft herab, sie macht geneigt zu rauschartigen Zuständen, und es wird in der Regel bei gleichen moralischen Anlagen die Kranke der Versuchung leichter unterliegen als die Gesunde.
Bei alledem ist nicht zu verkennen, daß zwischen den sogenannten Gesunden und denen, deren Krankheit ihre Zurechnungsfähigkeit vermindern sollte, keine Kluft aufgetan ist. Unmerkliche Übergänge führen von der einfachen moralischen Schwäche bis zur krankhaften Widerstandsunfähigkeit. Es gibt wahrscheinlich Grade der Versuchung, denen niemand gewachsen ist, und auf jeden Fall entspricht der Größe der Versuchung die Zahl der Opfer. Das moderne Warenhaus ist für einen Teil der weiblichen Bevölkerung einfach eine zu große Versuchung, weil seine Einrichtungen zum Diebstahle verlocken. Man soll aber das Böse zu verhüten suchen, und das wäre in unserm Falle nicht einmal schwer. Es braucht nur durch sichtbare, an bestimmten Zeichen erkennbare Aufseher eine fortwährende Warnung vor dem Stehlen ausgedrückt zu werden. Dann würden viele weibliche Personen, deren Geisteszustand sie im gewöhnlichen Leben vor dem Straucheln schützt, die aber den übermäßigen Lockungen des Warenhauses nicht gewachsen sind, gerettet werden, und mit ihnen würden ihren Familien Kummer und Schande erspart werden.
Denn die Ertappten, bei denen geistige Störungen nicht nachgewiesen werden konnten, sind einfach als Diebinnen eingesperrt worden. Hätten die Behörden Verständnis für die weibliche Geistesbeschaffenheit, so dürften sie entweder die sich als Weiberfallen darstellenden Warenhäuser nicht dulden, oder sie müßten die Verführten nicht der Strenge des Gesetzes überliefern.
Mir scheint, daß diese Geschichte mit den Warenhäusern ein ganz gutes Beispiel ist und daß man dabei sieht, wie der physiologische Schwachsinn ernsthaft zu nehmen ist. Gleichmacherei ist überall vom Übel, aber die Geschlechtsgleichmacherei ist ein besonders großes Übel.
Gern lasse ich mich belehren, und ein Buch, aus dem ich etwas lernen könnte, mag ich wohl. Deshalb habe ich in den letzten Jahren viele Feministenbücher gelesen. Freilich habe ich viel Enttäuschungen dabei erlebt und, wenn der Raum es erlaubte, könnte ich viel Schmerzliches erzählen. Nur ein Beispiel will ich geben. Da hat Marie Stritt ein Buch der Frau Charlotte Perkins-Stetson (Women and Economics) übersetzt, das sie ein Standard-work nennt und mit Mills Buch: »der Bibel der Frauenbewegung«, zusammenstellt. Das Original scheint 1899 erschienen zu sein, die Übersetzung trägt den Titel »Mann und Frau« (Dresden und Leipzig, H. Minden). Ei, dachte ich, das wird etwas Gutes sein, und fand ein geradezu schauerliches Machwerk. Der kurze Sinn der langen Ausführung geht dahin, daß, wenn das Weib selbst Geld verdient, die uns drückenden Übel verschwinden werden. Im Grunde ist das Ziel nicht mehr schwer zu erreichen, denn, wenn man nicht mehr zu Hause kocht und die (man sollte meinen, eigentlich überflüssigen) Kinder in ein Säuglingsheim bringt, kann die Frau ebensogut ins Geschäft gehen wie der Mann. Vor dieser amerikanischen Weisheit steht man bewundernd still. Es möchte noch gehen, wenn die Verfasserin ihren Unsinn mit schlichten Worten vortrüge, aber nein, sie verfährt »wissenschaftlich«, wirtschaftet mit der »Soziologie«, wie ein Wilder seine Keule schwingt, und trägt die tollsten Erfindungen als gesicherte Erkenntnis vor. Sie geht davon aus, daß bei den Tieren jedes Weibchen sein Futter selbst suche, bei den Menschen aber der Mann das Weib ernähre. Der Satz ist gar nicht schlechtweg richtig, denn Bauer und Bäuerin z. B. arbeiten und erwerben beide. Soweit aber wie der Satz richtig ist, erklärt sich die Sache sehr einfach durch die lange Pflegebedürftigkeit der Menschenkinder einerseits, durch die mit den weitaus größeren Geistesfähigkeiten oder dem weitaus größeren Gehirn des Menschen gegebene Steigerung der Aufgabe über das Futtersuchen hinaus und die so herbeigeführte Nötigung zur Teilung der Arbeit andererseits. Das klingt freilich sehr prosaisch gegen die Märchen der Verfasserin, die einem tollgewordenen Darwinismus zu huldigen scheint. Nach ihr war das Weib ursprünglich alles, der Mann nur ein Anhängsel, nur der Fortpflanzung wegen da. Dabei denkt sie an das kleine Männchen bei den Spinnen, das gelegentlich vom Weibchen gefressen wird, und scheint zu vermuten, daß die Menschen von den Spinnen abstammen. Erst allmählich entwickelt sich der Mann, und »das letzte Stadium dieses Entwicklungsprozesses war die Erhebung des Mannes des genus homus zu voller Gleichstellung mit dem Weibe, welche dann sogar dessen zeitweilige Unterordnung zur Folge hatte« (S. 115). Auf jeden Fall war das menschliche Weib ursprünglich ebenso geschickt und stark wie der Mann. Einmal aber fiel es dem schlechten Kerl, dem Manne, ein, das Weib zu knechten und auf die geschlechtliche Tätigkeit zu beschränken, und das Unglück wollte, daß ihm die Schandtat gelang. Nun war es gefehlt, das Weib war »ökonomisch abhängig« geworden, und das führte zur Entartung des Menschengeschlechtes, besonders aber des Weibergeschlechtes. Das Weib verlor einen Teil seiner Eigenschaften und wurde »ohne allen Zweifel viel zu sehr und gerade krankhaft geschlechtlich belastet.« Da das Weib nicht produziert, sondern nur konsumiert, so wird sie leichtsinnig, habgierig, verschwenderisch, überschätzt das Äußerliche und das Körperliche, und verführt auch den Mann dazu. Überhaupt kam der Mann auch allmählich herunter, denn er hatte im Weibe ein reines Geschlechtswesen gezüchtet und wurde nun dadurch so erregt, daß er ein Opfer seines übertriebenen Geschlechtstriebes wurde. Im Gegensatze zu den Tieren ist das Übermaß des sexuellen Triebes ein Eigentum des Menschen (die Verfasserin hat die sittsamen Affen ganz vergessen). Dann fällt der Verfasserin die Vererbung ein, daß die Mädchen doch auch vom Vater erben usf.; und nun beginnt eine ganz greuliche Konfusion, auf deren Darstellung ich mich nicht einlassen kann. Immer aber kehrt in den schrecklich weitschweifigen Erörterungen das Leitmotiv wieder: alle sozialen Übel sind Folge der ökonomischen Ehe. »Jede einzelne Frau, als Mensch geboren, mit dem vom Vater ererbten Drang nach Betätigung ihrer menschlichen Fähigkeiten in den Adern, und zugleich als Weib geboren, unter der drückenden Last ihrer traditionellen Stellung, muß in ihrer eigenen Person den gleichen Prozeß der Unterwerfung, Unterdrückung, des Abschwörens ihrer allgemein menschlichen Natur durchmachen, für jede einzelne erklang das schmerzliche »Nein«, welches alle ihre Triebe, zu lernen, zu schaffen, zu entdecken, sich auszusprechen, vorwärts zu kommen, ersticken sollte« (S. 65). »In den fernen Prärien oder in unzusammenhängenden Häusern, wo die Frauen heute noch vollständig in den drückenden Fesseln des Geschlechts eingeengt sind, da werden sie zu Dutzenden und Hunderten darüber wahnsinnig« (S. 228). Oh! Die wirtschaftliche Abhängigkeit des Weibes ist die Ursache des Zurückgehens der Geburtenziffer (S. 147). Oh! Oh! Aber all diesen Scheußlichkeiten soll durch die amerikanischen Damen gründlich abgeholfen werden. Die größte und bedeutsamste Umwandlung, welche die Welt jemals erlebte, das allmähliche Emporsteigen des zu Boden gedrückten Weibes zu voller menschlicher Gleichberechtigung, vollzieht sich eben jetzt (S. 126). Es folgt Lob und Preis der amerikanischen Herrlichkeit; dadurch, daß das Weib in das Erwerbsleben eintritt, wird alles neu, wird alles gut. Die menschliche Seele wird geläutert, und das weibliche Gehirn wird umgestaltet. Sogar die armen kleinen Kinder kommen besser weg, denn das neue Weib hat »in der Hervorbringung(!), Pflege und Erziehung des Nachwuchses viel bessere, feinere und wirksamere Methoden« (S. 138), als die früheren Weiber, die eigentlich nur »zärtliche Meerschweinchen« waren. – Das Bisherige wird genügend zeigen, wie es um die feministische Wissenschaftlichkeit steht. Wie heißt es im Faust?
Das ist noch lange nicht vorüber,
Ich kenn' es wohl, so klingt das ganze Buch;
Ich habe manche Zeit damit verloren.
Recht viele Kritiken, die ich zu lesen bekomme, sind unter dem Maße, das man verlangen kann. Da fragen sich die Leute, ob ich unhöflich, ungalant, ein Weiberfeind sei, ob man nicht manches milder ausdrücken könnte, ob nicht einzelne Weiber meiner Schilderung nicht ganz entsprechen, ob ich nicht ungerechtfertigte Teleologie treibe, und was des unnützen Geredes mehr ist. Aber auf meinen Gedankengang gehen sie nicht ein. Das Weib ist kärglicher mit geistigen Fähigkeiten versehen als der Mann und büßt sie eher wieder ein. Dieser Zustand ist von vornherein vorhanden und unabänderlich. Die Gleichmacherei führt zum Schaden der Gesellschaft, denn sie beeinträchtigt nicht nur die Gesundheit des Weibes, sondern auch Beschaffenheit und Zahl der Kinder. Es ist ersichtlich, daß der eigentliche Streit sich um das »von vornherein und unabänderlich« dreht. Denn daß meine Schilderung für den Durchschnitt des jetzt lebenden Geschlechtes zutrifft, das geben die Verständigen ohnehin zu. Nun bestreite auch ich nicht, daß Veränderungen durch Willkür oder im natürlichen Laufe der Dinge möglich sind. Die Frage ist nur, wie groß die Veränderungen sein können, ob die vorhandenen geistigen Geschlechtsunterschiede durch Erziehung oder sonstwie nur in Nebensachen, oder auch wesentlich verändert werden können. Weist man auf die Vergangenheit, d. h. auf die menschliche Geschichte, hin, so heißt es, ja da waren die äußeren Umstände ungünstig. Erst die Zukunft werde zeigen, was das Weib alles leisten könne, aber Geduld müsse man haben. So geht die Verhandlung hin und her. Man sollte, um Leben hineinzubringen, nach neuen Wegen suchen. Einer scheint mir noch wenig begangen zu sein; ich meine die Beobachtung der geistigen Geschlechtsunterschiede bei den höheren Tieren, bei Säugetieren und Vögeln, nicht bei Bienen und Spinnen. Stellt es sich heraus, daß Verschiedenheiten, die wir heute bei den Menschen finden, auch bei den oberen Tieren vorhanden sind, so kann man annehmen, daß es sich um ein kaum zu beseitigendes Übel handle, denn was sich durch ungezählte Jahrtausende erhalten hat, das wird wohl auch der modernen Erziehung Stand halten. Freilich dürfte es recht schwer sein, genügendes Material zusammenzubringen. Ich habe mich darum bemüht, habe aber bisher noch wenig Brauchbares gefunden, denn es ist erstaunlich, wie wenig sich bisher die Beobachter um die geistigen Geschlechtsunterschiede bei Tieren gekümmert haben (natürlich abgesehen vom Liebesleben). Gute Beobachtungen findet man vereinzelt da und dort, aber ohne größere Reihen wird es nicht gehen. Vielleicht könnte man auch besondere Versuche machen, wie es neuerdings ein Amerikaner mit einem Pärchen Rhesus-Affen versucht hat Vgl. meine inzwischen erschienenen Arbeiten über »Die Geschlechter der Tiere« (9.-12. Heft der »Beiträge zur Lehre v. d. Geschlechtsunterschieden«, 1905-06)..
Nun noch etwas Heiteres. Ich mache auf die dem Anhange beigefügte französische Kritik und auf die Schwedenbriefe ebenda aufmerksam. Der französische Phrasenheld sieht in mir armem Manne den Typus der neudeutschen Brutalität; das ist ein Beispiel dafür, zu welchen Albernheiten der politische Haß einen führen kann. Noch spaßhafter sind die Schwedenbriefe. Seit einem halben Jahre erhalte ich etwa alle vier Wochen einen Brief von Damenhand aus Schweden; bis jetzt sind es sechs Seitdem sind noch einige gekommen.. Bei jedem ist die Handschrift etwas anders, bei jedem sind die Sprachfehler etwas anders, aber immer kehren dieselben Gedanken (mit Respekt zu sagen) wieder, und überall herrscht eine urwüchsige Grobheit. Es muß nette Damen in Schweden geben, und ich glaube, diese Mänaden haben ein Kränzchen gegründet, um mich mit Schimpfreden zu bombardieren. Sollte die große Evolution unserer Damen zu einer ähnlichen Höhe führen, wie die Schweden sie erreicht haben, so kann ich mich verkriechen. Und doch kann ich mir nichts vorwerfen, als daß ich zu sanft geredet habe!