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Heil, hehres Licht, des Himmels Erstgeborner!
Ja, darf ich ungestraft dich mit dem Ew'gen
Gleich ew'gen Strahl dich nennen? da Gott Licht ist
Und anders nie, denn in unnahbar'm Licht
Von Ewigkeit gewohnt, also in dir,
Glanzausstrom unerschaffnen Glanzurwesens!
Vernimmst du lieber: Reiner Aetherstrom? –
Wer kann deß Quell uns sagen? Vor der Sonne,
Ja vor den Himmeln warst du, und beim Ruf
Der Gottheit hülltest du gleich einem Mantel
Die Welt ein, die aus dunklen Wassern stieg,
Entstanden aus dem Leeren ohne Form.
Entschlüpft dem styg'schen Pfuhl, nach langer Haft
An jenem finstern Ort, such' ich dich wieder
Mit kühnern Schwingen auf, nachdem ich fliehend,
Durch höchst' und mindre Finsterniß getragen,
Mit andern Weisen, als zu Orpheus' Leier,
Vom Chaos sang und der urew'gen Nacht;
Da mich die Himmelsmuse lehrte, nieder,
Und dann empor den dunklen Pfad zu steigen,
Wie mühvoll auch. Dich such' ich wieder auf
Und fühle dein belebend Licht; doch du
Besuchst die Augen nicht, die fruchtlos rollen
Nach deinem Strahl und selbst nicht Dämmer finden:
So sehr hat ihre Kreis' ein dicker Tropfen,
Ein trüber Guß umhüllt. Trotzdem doch hör' ich
Nicht auf zu wandeln, wo die Musen weilen,
Am Quell der sonn'gen Höh; ihr schatt'ger Hain
Erglüht von heiligem Gesang. Vornehmlich
Dich, Zion, und die Blüthenbäch' im Thale,
Die murmelnd deinen heil'gen Fuß umspülen,
Besuch' ich nächtlich; und nicht selten denk' ich
Der andern Beiden, die mir gleich an Schicksal –
War' ihnen ich nur gleich an Ruf! – des blinden
Thamyris und des blinden Mäoniden,
Tiresias' auch und Phineus', einst Propheten.
Gedanken heg' ich dann, die sich harmonisch
Von selber fügen, wie der wache Vogel
Im Dunkel singt, und in dem tiefsten Schatten
Sein nächtlich Lied erhebt. So mit dem Jahre
Kehrt auch die Jahrszeit, doch der Tag mir nie;
Nie süßes Nahn von Abend oder Morgen,
Der Lenzesblüthen Zier, der Sommerrose,
Nicht Heerden, noch des Menschen göttlich Antlitz.
Statt deß nur Wolken, ewigwährend Dunkel
Umgeben mich, getrennt vom heitern Pfade
Der Menschen; statt des Buchs der schönen Kenntniß,
Ward mir von Werken der Natur, für mich
Verlöscht, getilgt, ein leeres Blatt zu Theil,
Und ein Zugang zur Weisheit mir verschlossen.
Um so viel mehr schein' innen, himmlisch Licht!
Durchstrahl mir alle Kräfte meines Geistes.
Dort pflanz' mir Augen; allen Nebel treibe
Von dort hinweg, daß ich mag sehn und sagen,
Was unsichtbar dem sterblichen Gesicht.
Nun hatte der allmächt'ge Vater droben,
Vom reinen Empyreum, wo er thront,
Hoch thront ob aller Höh', hinabgeblickt,
Mit Eins sein Werk zu schaun, und ihre Werke.
Um ihn stand all der Himmelsheil'gen Schaar,
Wie Sterne dicht, und schöpft' unsagbare
Glückseligkeit aus seinem Blick. Zur Rechten
Saß seiner Glorie strahlend Ebenbild,
Sein ein'ger Sohn. Auf Erden sah zuerst
Er unsre Eltern, noch das einz'ge Paar
Der Menschen dort, in Edens sel'gem Garten,
Unsterblich sich an Lust und Lieb' erfreuend,
Ununterbrochner Lust, neidloser Liebe
In sel'ger Einsamkeit. Dann überschaut er
Die Höll' und Zwischenkluft, und sah dort Satan,
Der an des Himmels Wall, diesseit der Nacht
Hoch in der trüben Luft, bereit war, sich
Mit matter Schwing' und will'gem Fuß zu senken
Am öden Rande dieser Welt, die schien
Festland, voll Buchten, ohne Firmament,
In Zweifel lassend, ob es Meer, ob Luft.
Als ihn nun Gott vom hohen Sitz gewahrte,
Von wo er Einst'ges, Jetz'ges, Künft'ges sieht,
Sprach er vorschauend so zu seinem Sohn:
»O eingeborner Sohn, sieh, welche Wuth
Hinreißt den Gegner, welchen nicht Verbannung,
Der Hölle Schranken nicht, noch alle Fesseln,
Auf ihn gehäuft dort, noch die Zwischenkluft
So tief und weit, kann halten: so verzweifelt
Sinnt er auf Rache stets, die auf sein eignes
Rebell'sches Haupt zurück soll fallen. Jetzt,
Da alle Band' er brach, nimmt er den Weg,
Nicht weit vom Himmel, zum Bereich des Lichtes,
Gerade nach der neugeschaffnen Welt
Zum Menschen dort, in Absicht, zu versuchen,
Ob er ihn kann vernichten, oder schlimmer,
Verführen durch Betrug; und dies gelingt ihm,
Da seinen Schmeichellügen horcht der Mensch
Und leicht das einzige Verbot verletzt,
Die einz'ge Bürgschaft des Gehorsams. Fallen
Wird er und sein Geschlecht. Weß ist die Schuld?
Die eigne nur. Der Undankbare, Alles
Ward ihm zu Theil: ich schuf ihn gut und redlich,
Kräftig zu widerstehn, doch frei, zu fallen.
So schuf ich auch all die äther'schen Mächte
Und Geister, sie, die standen, sie, die fielen;
Mit Freiheit standen sie und fielen sie.
Wenn nicht, welch echtes Zeugniß konnten sie
Von Pflichterfüllung, Treu und Liebe geben,
Wenn nur das Unerläßlichste sie thaten,
Nicht was sie wollten? Ziemte sich da Lob?
Wie könnt ein solch Gehorchen mich erfreun,
Wenn Willen und Vernunft (auch
sie ist Wahl)
Nutzlos und schaal, der Freiheit beid' entbehrend,
Nur leidend der Nothwendigkeit gehorcht,
Nicht mir? Drum wurden sie nach Recht geschaffen,
So daß sie nicht anklagen können
Den Schöpfer, ihr Erschaffen, noch das Schicksal,
Als ob beherrscht sei von Vorherbestimmung
Ihr Will' und unbedingt voraus beschlossen
Durch höhres Vorschaun: selbst beschlossen sie
Den Abfall, ich nicht; wußt' ich's auch im voraus,
Blieb dies ohn' Einfluß doch auf ihre Schuld,
Die sicher stattfand, unvorher gewußt.
Ohn' allen Antrieb oder jeden Schatten
Von Schicksal, oder unveränderlich
Vorhergesehnes, sünd'gen sie – in Allem,
Im Urtheil, in der Wahl nur selber schuldig.
Ich schuf sie frei; so müssen frei sie bleiben.
Bis sie's verscherzen. Aendern müßt' ich sonst
Ihr Wesen, widerrufen den Beschluß,
Den festen, ew'gen, welcher ihre Freiheit
Beschloß; sie
selbst beschlossen ihren Fall.
Die Geister, selbstverleitet, selbstverderbt,
Fielen durch eignen Trieb; verlockt durch jene
Erst fällt der Mensch: drum soll er Gnade finden;
Doch jene nicht. Gnad' und Gerechtigkeit
Erhöhe meinen Ruhm in Erd' und Himmel,
Allein die Gnade soll vor Allem strahlen.«
Als Gott so sprach, erfüllt' ambrosisch Duften
Den Himmel ganz und goß in sel'ger Geister
Verklärte Sinn' unsäglich neue Wonne.
Ganz über allen Ausdruck zeigt sich hehr
Der Sohn; in ihm scheint wesentlich des Vaters
Bild gänzlich abgeprägt; aus seinem Antlitz
Strömt göttliches Erbarmen sichtbarlich,
Lieb' ohne End' und Gnade sonder Maß,
Die äußernd also er zum Vater sprach:
»O Vater, gnädig war das Wort, das schloß
Den hohen Spruch: der Mensch soll Gnade finden.
Drob müssen Erd' und Himmel hoch dein Lob
Erheben; von den unzählbaren Klängen
Heil'ger Gesang' und Hymnen wird dein Thron
Umtönt, dich, ewig Sel'ger, wiederhallen.
Verloren wär' zuletzt der Mensch? dein jüngst
Noch so geliebt Geschöpf, dein jüngster Sohn,
Er fiele, durch Betrug verführt, trüg' auch
Die eigne Thorheit bei? Fern sei's von dir,
Fern sei's von dir, o Vater, der du richtest
Ob Allem, was du schufst und recht nur richtest.
Wie, oder soll der Gegner seinen Zweck
Erreichen denn, vereiteln deinen? soll er
Das Bös' ausführen und dein Gutes hindern?
Stolz soll er heimgehn, zwar zur schweren Strafe,
Doch mit vollführter Rach', und nach sich ziehn
Zum Höllenpfuhl der Menschen ganz Geschlecht,
Das er verderbte? Oder willst du selbst
Vernichten deine Schöpfung, seinethalb
Zerstören, was zu deinem Ruhm du schufst?
So sollte, sonder Widerspruch, bezweifelt,
Verlästert werden deine Güt' und Größe?«
Hierauf versetzte dies der große Schöpfer:
»O Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe,
Sohn meines Busens, Sohn, der du allein
Mein Wort und meine Weisheit bist und Macht:
Gesprochen hast du recht aus meinem Innern,
Ganz wie mein ew'ger Rathschluß es bestimmt.
Verloren nicht, gerettet sei, wer's will;
Doch nicht durch eigne Kraft, durch meine Gnade,
Ihm frei gewährt. Erneu'n noch einmal will ich
Die schwache Kraft ihm, zwar verwirkt, geknechtet
Durch Sünd' in arg ausschweifenden Begierden.
Gestützt von mir, soll er noch einmal stehen
Auf gleichem Boden wider seinen Todfeind,
Gestützt von mir; er wisse, wie gebrechlich
Sein Fall ihn macht', und er verdanke mir
Seine Befreiung; Keinem außer mir.
Gewählt hab' aus besondrer Gnad' ich Ein'ge
Vor allen Uebrigen: so ist's mein Wille;
Die Andern soll mein Ruf ob ihres sünd'gen
Zustands oft mahnen, die erzürnte Gottheit
Noch zeitig zu versöhnen, weil die Gnade
Sie noch einladet; gnugsam will ich klären
Die dunklen Sinn' und die versteinten Herzen
Erweichen zum Gebet, zu Buß und Pflicht.
Denn dem Gebet, der Reu' und Pflichterfüllung,
Bemühn sie sich nur lauteren Bestrebens,
Soll schnell mein Ohr, mein Auge offen sein.
Beachten den Schiedsrichter sie, Gewissen,
Den ihrem Innern ich zum Führer gebe:
Wird's, wohlgebraucht, von Licht zu Licht sie sicher
Zum Ziele leiten, harren treu sie aus.
Doch die der Langmuth spotten und versäumen
Den Tag der Gnade, sollen nie sie kosten;
Verhärtet werden Harte, Blinde blinder,
Daß fort sie straucheln und noch tiefer fallen,
Und sie allein schließ' von der Gnad' ich aus.
Doch Alles ist noch nicht gethan: der Mensch
Bricht ungesetzlich seine Treu und gegen
Des Himmels Oberhoheit sündigt er;
Nach Gottheit gierend, büßt er Alles ein;
Nichts bleibt ihm übrig, den Verrath zu sühnen.
Vielmehr muß er, dem Untergang geweiht,
Mit seinen sämmtlichen Nachkommen sterben;
Er oder die Gerechtigkeit, wenn nicht
Für ihn ein Andrer zahlen kann und will,
Dem strengen Recht zu gnügen, Tod für Tod.
Sagt, wo giebt's solche Lieb', ihr Himmelsmächte?
Wer von euch büßt durch Tod des Menschen Schuld,
Den Ungerechten, selbst gerecht, zu retten?
Hegt aller Himmel denn so theure Liebe?«
Er fragt's, allein der Himmelschor stand stumm,
Und Schweigen herrscht umher; Fürsprecher nicht,
Noch Mittler zeigt als Beistand sich des Menschen;
Viel wen'ger Jemand, der die Todesschuld
Und Lösung durfte ziehn aufs eigne Haupt.
Und nun blieb ohn' Erlösung alle Menschheit
Verloren, zuerkannt dem Tod, der Hölle,
Durch strenges Urtheil, wenn nicht Gottes Sohn,
In dem die Fülle wohnt göttlicher Liebe,
Die theuerste Vermittlung so eröffnet:
»Der Mensch soll Gnade finden, sprachst du, Vater;
Und fänd' sie Mittel nicht, die ihren Weg
Am eiligsten durch deine Flügelboten
Zu allen Wesen findet, und zu allen
Kommt ungesucht und sonder Flehn und Rufen?
Dem Menschen Heil, daß so sie kommt, die Hülf' er
Nie suchen kann, in Sünden todt, verloren;
Er für sich Sühne nicht, noch dienlich Opfer,
Verschuldet und vernichtet, bringen kann.
Schau mich an; Leben biet' ich denn für Leben!
Nimm mich für ihn; es fall' auf mich dein Zorn!
Nimm mich als Menschen; deinen Schooß verlaß ich
Um ihn; freiwillig leg' ich diese Glorie
Beiseit und sterbe dann für ihn mit Freuden.
All seine Wuth verüb' an mir der Tod.
Nicht lange soll mich seine düstre Macht
Besiegen: legtest du den Schatz des Lebens
Für ewig doch in mich! Durch dich ja leb' ich,
Weich' ich dem Tod auch jetzt und geb' ihm Alles,
Was sterblich an mir ist. Zahl' ich die Schuld,
Wirst du mich nicht im eklen Grabe lassen,
Als seinen Raub, die unbefleckte Seele
Nicht ewig der Verwesung überlassen.
Nein, siegreich steh' ich auf und unterjoche
Den Sieger, raub' ihm den gerühmten Raub.
Der Tod soll Todeswunden dann empfangen
Und ruhmlos, seines Stachels baar, sich krümmen.
Die Hölle führ' ich siegreich, trotz der Hölle,
Gefangen durch die weite Luft und zeige
Des Dunkels Macht' in Fesseln. Du, erfreut
Ob dieser Schau, blickst lächelnd von dem Himmel,
Indeß durch dich all deine Feind' ich stürze,
Den Tod zuletzt, deß Leichnam schließt das Grab.
Dann kehr' ich mit den Schaaren der Erlösten,
Tret' in den Himmel, lang abwesend, ein,
Zu schaun dein Antlitz, Vater; keine Wolke
Des Zornes blieb darin, nur sichrer Frieden
Und Huld der Sühne. Zorn wird nicht mehr sein;
In deiner Nähe nur vollkommne Wonne.«
Hier schloß er, doch die milden Blicke sprechen
Im Schweigen noch und athmen ew'ge Liebe
Für's sterbliche Geschlecht, nur übertroffen
Von kindlichem Gehorsam; als ein Opfer,
Froh es zu sein, erwartet er den Willen
Des großen Vaters. Alle Himmel faßt
Erstaunen, was dies sei, wohin es ziele.
Doch bald versetzte der Allmächt'ge so:
»O du, hier und auf Erden einz'ger Friede
Den Menschenkindern unter meinem Zorn!
Mein Wohlgefallen! Wohl weißt du, wie theuer
Mir meine Werke sind, zumeist der Mensch,
Den ich zuletzt schuf, da von meiner Brust
Und Rechten kurze Zeit ich dich will missen,
Sein ganz Geschlecht zu retten, das verloren.
So nimm, der du allein sie kannst erlösen,
Zu deinem Wesen auch ihr Wesen an;
Sei selbst Mensch unter Menschen auf der Erde;
Fleisch, wenn die Zeit erfüllt; der Jungfrau Sohn,
Empfangen wunderbar. An Adams Statt
Sei du der Menschen Haupt, ob Adams Kind auch.
Wie All' in ihm verloren gehn, so sollst du,
Gleich wie aus einer zweiten Wurzel, retten,
So viel gerettet sind, doch ohne dich
Niemand. Sein Fehl macht alle Menschen schuldig;
Doch dein Verdienst erlöst die, so entsagen
Den eignen bösen oder guten Thaten,
Verpflanzt in dich nur leben, und von dir
Ein neues Leben haben. So gnügt der Mensch,
Wie's höchst gerecht, für Menschen; wird gerichtet,
Stirbt und ersteht im Sterben, und die Brüder
Hebt er mit sich, erkauft durch's eigne Leben.
So tödtet Himmelsliebe Haß der Hölle
Dem Tod sich gebend, sterbend zu erlösen,
Theu'r zu erlösen, was der Hölle Haß
So leicht zerstört, noch jetzt zerstört in jenen,
Die, wenn sie's können, nicht die Gnad' ergreifen.
Nimmst du des Menschen Wesen an, so sollst du
Dies eigne mindern nicht, noch auch erniedern.
Weil du, ob thronend gleich in Seligkeit,
Der höchsten, gottgleich und dich gleich erfreuend
An göttlichem Genuß, verlassen Alles,
Zu retten eine Welt, und bist erfunden
Als Gottes Sohn, mehr durch Verdienst als Ursprung;
Höchst würdig, da du also gütig bist;
Weit mehr als groß und herrlich, weil in dir
Die Liebe größer ist, als deine Hoheit:
Deshalb soll deine Demuth auch die Menschheit
Mit dir empor zu diesem Throne heben;
Hier sollst im Fleisch du sitzen, hier regieren
Als Gott und Mensch, Sohn Gottes und des Menschen,
Gesalbter Weltenkönig; alle Macht,
Ewig zu herrschen sei dir; dein Verdienst
Nimm an; als höchstem Haupt sei'n unter dir
Gewalten, Thronen, Mächte, Fürstenthümer;
Dir sollen alle Knie sich beugen derer
Im Himmel, auf der Erd' und in der Hölle.
Wenn du vom Himmel wirst mit Herrlichkeit
Erscheinen in den Wolken und Erzengel
Aussenden mit der Mahnung, zu verkünden
Dein hehr Gericht: von allen Winden eilen
Die Lebenden und vorgeladnen Todten
Der ganzen Vorzeit vor den Richterstuhl –
Ein solcher Schall weckt sie aus ihrem Schlafe.
Dann richtest du, im Beisein aller Heil'gen,
Die Engel und die Sünder; die du anklagst,
Verfallen deinem Spruch; ist voll die Hölle,
Schließt sie sofort für immer sich. Inzwischen
Faßt Brand die Welt, aus ihrer Asch' erneuen
Sich Erd' und Himmel, drin die Frommen wohnen,
Die dann, nach allen schweren Mühen, sehn
Die goldnen Tage, reich an goldnen Thaten,
In Freud' und Lieb' und Wahrheit triumphirend.
Dann legst den Herrscherscepter du beiseit,
Denn dann bedarf's nicht mehr des Herrscherscepters:
Alles in Allem ist dann Gott. Ihr Götter,
Verehrt ihn, der dies zu vollbringen stirbt;
Betet ihn an und ehrt ihn, wie mich selbst.«
Sobald nun der Allmächtige geendigt,
Frohlockt mit Jubelruf die ganze Schaar
Der Engel, eine Menge sonder Zahl,
Süß, mit der Sel'gen Stimmen. Durch den Himmel
Tönt Jubel laut und Hosianna's füllen
Die ew'gen Wohnungen. Voll Demuth neigen
Sie sich vor beiden Thronen, legen nieder
Mit feierlicher Anbetung zu Boden
Mit Amaranth und Gold durchwobne Kränze;
Mit ew'gem Amaranth, sonst eine Blume
Im Paradies, die noch am Baum des Lebens
Zu blühn begann; doch bald, durch Schuld des Menschen,
Entrückt zum Himmel, wo zuerst sie wuchs,
Hier wächst und blüht, des Lebens Quell beschattend,
Und wo der Stern des Heiles durch den Himmel
Die Ambraflut rollt ob Elysiums Blüthen.
Mit ihr, die nimmer welkt, krönen die Locken,
Umringt von Strahlenschein, die sel'gen Geister.
Von solchen Kränzen dicht besä't nun, lächelt
Des Estrichs Glanz, gleich einem See von Jaspis,
Von Himmelsrosen gänzlich eingepurpurt.
Wieder bekränzt, ergriffen sie die goldnen,
Stets rein gestimmten Harfen, die an ihnen
Gleich Köchern hingen, und mit süßem Vorspiel
Reizvoller Symphonie begannen sie
Den heil'gen Sang und weckten Hochentzücken.
Nicht Eine Stimm' im Harmonienchore
Vergißt ihr Theil, so eins ist man im Himmel.
Dich, Vater, unveränderlich, allmächtig,
Unendlich, ew'gen König, dich, den Schöpfer
Von allen Wesen, sangen sie zuerst,
Dich, Lichtesquelle, selbst zwar unsichtbar
In deinem Strahlenglanz, worin du thronest
Unnahbar; aber wenn den vollen Schein
Der Strahlen du verschattest, eine Wolke
Rund um dich ziehst, gleich einem Strahlenschrein:
Scheint schwarz dein Saum vor übermäß'gem Glanze;
Doch blendet er den Himmel, daß die Engel
Nicht nahn, den Blick mit beiden Flügeln deckend.
Dann sangen sie dich, aller Schöpfung Ersten,
Erzeugten Sohn, der Gottheit Ebenbild
In dessen klarem Antlitz, ohne Wolke
Sichtbar erscheint des Vaters hohe Allmacht,
Den kein Geschöpf sonst schauen kann; auf dir
Ruht ausgedrückt der Abglanz seiner Glorie,
Auf dir die Hoheit seines Geists ergossen.
Der Himmel Himmel, sammt den Kräften allen,
Schuf er durch dich; durch dich warf die empörten
Mächt' er hinab. An jenem Tage spartest
Du nicht des Vaters fürchterliche Donner,
Noch hieltst du ein des Feuerwagens Räder;
Des Himmels Bau kracht', als du ob den Nacken
Der wildzerstreuten Aufruhrengel triebst.
Zurückgekehrt, erhob dein Heer dich laut,
Dich einzig, Sohn von deines Vaters Macht,
Zu üben strenge Rach' an seinen Feinden;
Am Menschen nicht. Ihm, der durch ihre Bosheit
Gefallen, richtest du, der Gnade Vater,
So streng nicht, sondern neigst dich mehr zum Mitleid.
Und kaum gewahrt dein theurer, einz'ger Sohn,
Daß du so streng nicht richten willst den Menschen,
Den schwachen, sondern dich zum Mitleid neigst,
Als er zu sänft'gen deinen Zorn, zu enden
Den Kampf von Gnad' und Recht, den ihm dein Antlitz
Wahrnehmen läßt, der Seligkeit nicht achtet,
Bei dir zu sein, nein, für des Menschen Schuld
Dem Tod sich bietet. Liebe sonder Gleichen!
Ein Gott allein ist solcher Liebe fähig!
Heil, Gottes Sohn, Erlöser du der Menschen!
Dein Name sei hinfort der reiche Stoff
Des Lieds; von deinem Lob soll meine Harfe
Sich nie, noch dies von dem des Vaters trennen.
So ward im Himmel, ob der Sternensphäre,
Die sel'ge Zeit mit Lust und Sang verbracht. –
Indeß schritt auf der festen, dunklen Kugel
Des Erdenballs, deß äußre Hüll' einschließt
Die hellern kleinern Stern', und jenen trennt
Vom Chaos und Angriff der alten Nacht,
Satan am Land. Von fern schien's eine Kugel,
Nun scheint's ein grenzenloses festes Land,
Das finster, öd' und wild im Graun der Nacht
Sternlos daliegt und das stets drohnde Stürme
Des Chaos und ein rauh Gewölk umtoben;
Die Seite nur, die von des Himmels Zinnen,
Ob fern auch, etwas Wiederschein empfängt,
Wird weniger geplagt von heft'gem Sturme;
Hier schritt der Feind bequem im weiten Felde.
Wie wenn ein Geier auf dem Imaus,
Deß Schneegebiet Tartarenvolk umschwärmt,
Flieht aus der Gegend, der an Beute kargen,
Und, sich an Lamm- und Ziegenfleisch zu sätt'gen
Auf Bergen, wo sich ihre Heerden nähren,
Zum Quell des Ganges eilt und des Hydaspes;
Doch auf dem Zug in Sericana's Steppen
Sich aufhält, wo Chinesen leichte Wagen,
In Kahngestalt, mit Wind und Segeln treiben:
So schritt auf dieser wind'gen See von Land
Einsam der Feind, raubsüchtig hin und her;
Einsam, denn kein Geschöpf sonst ließ sich dort,
Lebend'ges oder nur lebloses, blicken.
Noch keins; doch später fand sich von der Erde
Bevölkrung von Vergänglichem und Nichtigem
Hier ein, gleich luft'gen Dünsten, als die Sünde
Mit Eitelkeit der Menschen Werk erfüllte;
So eitle Ding', als die auf eitle Dinge
Die leere Hoffnung ew'gen Ruhmes setzen,
So wie ihr Glück im Leben hier und jenseits.
All die, so ihren Lohn auf Erden haben,
Die Frucht mühvollen Wahns und blinden Eifers,
Nichts suchend, als das Lob der Menschen, finden
Hier richt'gen Lohn, so leer wie ihre Thaten.
Die unvollkommnen Werke der Natur,
Unreifes, Ungeheures, falsch Gemischtes,
Auf Erden Loses, flieht hierher, und nutzlos
Zu endlicher Auflösung irrt es nun,
Nicht in den nahen Mond, wie Ein'ge träumten;
Deß Silberflur hegt würdigere Wesen,
Entrückte Heil'ge oder Geister, zwischen
Der Menschen und der Engel Art sich haltend.
Hierher, als mißerzeugte Söhn' und Töchter,
Flohn jene Riesen aus der alten Welt
Mit mancher leeren That, wenn auch berühmt einst:
Erst die Erbauer Babels auf der Ebne
Von Sennaar; die bauten wohl – noch eitel –
Gern neue Babel, wüßten sie wovon.
Es kamen Einzle: er, der Gott sich schätzte
Und thöricht in des Aetna Flammen sprang,
Empedocles; auch er, der zu genießen
Platons Elysium, ins Meer sich stürzte,
Cleombrotus; und Viel' in langer Reihe,
Unfertige, Betrogne, Klausner, Mönche,
Weiß, schwarz und grau, mit ihrem leeren Wust.
Hier schweifen Pilger,
den so fern zu suchen
Als todt auf Golgatha, der lebt im Himmel;
Auch wer das Paradies sich sichern wollte
Und sterbend trug Dominicus' Gewand,
Und Einlaß hofft' in des Franciscus Kutte.
Durch Wandelsterne schweben sie, durch feste,
Und die krystallne Sphäre, deren Umschwung
Das Gleichgewicht giebt, wie durch's Erstbewegte.
Schon an dem Himmelspförtchen scheint Sankt Peter
Zu warten ihrer mit den Schlüsseln; nah
Dem Eintritt heben sie den Fuß, als, siehe!
Ein heft'ger Windstoß sie von jeder Seite
Erfaßt und sie querhin zehntausend Meilen
Irr in die Luft wegführt; dann könnt ihr Kutten,
Kapuzen, sammt den Trägern, sehn in Lumpen
Zerflattern, Rosenkränz' und Ablaßzettel,
Reliquien, Vergebungsbrief und Bullen,
Der Winde Spiel: all dies empor gewirbelt,
Fliegt auf der Welt Rückseite weit dahin
In einen Limbus, tief und breit, genannt
Das Narrenparadies, nachmals nur Wen'gen
Bekannt, jetzt unbevölkert, unbesucht.
Den dunklen Ball fand auf dem Weg der Feind,
Und lange schritt er, bis zuletzt ein Strahl
Von Dämmerlicht dahin die müden Schritte
Zur Eile nöthigte. Denn ferne sah er
Empor auf prächt'gen Stufen zu dem Wall
Des Himmels einen hohen Bau sich heben.
Auf dessen Höh' erschien, nur so viel reicher,
Das Werk, dem Thor gleich eines Königsschlosses,
Deß Giebel, mit Demant und Gold verziert,
Deß Pforte von des Orients Gesteinen
Erfunkelt', unnachahmbar auf der Erde
Durch Abbild, oder durch des Pinsels Farben.
Die Treppen waren so, wie die, drauf Jacob
Die Engel auf- und niedersteigen sah,
Die lichten Hüter, als er floh vor Esau
Nach Padan Aram, in dem Feld von Lus
Bei Nachtzeit unter offnem Himmel träumte
Und wach dann rief: Dies ist des Himmels Thor!
Mystisch war jede Stuf' und blieb nicht liegen,
Nein, hob sich unvermerkt oft auf zum Himmel,
Und drunter zeigt ein heller See von Jaspis
Sich, oder flüß'gen Perlen, über welchen
Die nachmals Erdentrückten segelten,
Gewiegt von Engeln, oder über'n See
Aufflogen im Gefährt mit feur'gen Rossen.
Zu Boden stand die Trepp' itzt, sei's zu reizen
Den Feind durch leichten Aufstieg, sei's, daß mehr ihn
Der Ausschluß von des Glückes Thoren kränke.
Grad gegenüber diesen that von unten
Sich über'm sel'gen Sitz des Paradieses
Ein Durchgang auf zur Erd', ein weiter Durchgang,
Viel weiter noch als der ob Zions Höh'
In spätrer Zeit, und der, wie groß er auch,
Ob dem gelobten Land, das Gott so werth;
Den, zu besuchen jene sel'gen Stämme
Auf sein Geheiß die Engel oft durchflogen,
Worauf sein Blick oftmals mit Liebe ruhte,
Von Paneas aus, dem Quell zu Jordans Flut,
Bis Beerseba, woselbst das heil'ge Land
Grenzt an Aegypten und Arabiens Ufer;
So weit schien jener, wo dem Dunkel Schranken
Gesetzt sind, wie des Oceanes Wogen.
Von hier schaut Satan, an der untern Stiege,
Die, goldgestuft, aufragt zum Himmelsthor,
Hinab und staunt ob dieser ganzen Welt,
Die er auf einmal sieht. Wie wenn ein Späher
Auf dunklem, wüstem Pfad die Nacht hindurch
Ging mit Gefahr, und froh im Morgendämmer
Erreicht den Gipfel eines hohen Berges,
Der unerwartet seinem Aug' enthüllt
Den prächt'gen Anblick niegesehnen Landes,
Auch einer großen weitberühmten Stadt
Mit glänzenden Thurmspitzen oder Zinnen,
Die nun der frühe Sonnenstrahl vergoldet:
Solch Staunen faßt den bösen Geist, der doch
Den Himmel sah; mehr noch erfaßt ihn Neid
Beim Anblick dieser ganzen, schönen Welt.
Er sieht ringsum (wohl könnt' er's, wo er stand,
Hoch überm rundgewölbten Baldachin
Des Schattens weiter Nacht) vom Morgenpunkt
Der Wage bis zum Widder, welcher trägt
Andromeda weit vom atlant'schen Meer
Jenseit des Horizonts; dann in die Breite
Von Pol zu Pol; und ohne längres Säumen
Stürzt er zur ersten Region der Welt
Lothrecht in schnellem Flug und windet leicht
In reiner Marmorluft den Schlangengang
Durch unzählbare Sterne, die von weitem
Als Stern' erschienen, Welten in der Nähe;
Theils andre Welten, theils glücksel'ge Inseln,
Gleich den hesper'schen Gärten, so berühmt einst,
Glücksel'ge Fluren, Hain' und blum'ge Thäler,
Dreifach beglückte Inseln! doch wer glücklich
Dort wohnte, fragt er nicht; denn mehr als jene
Lockt dort die goldne Sonn', an Glanz dem Himmel
Am ähnlichsten, sein Auge; dahin lenkt' er
Durch's stille Firmament (ob nördlich, südlich,
Nach oder
von dem Centrum, westlich, östlich –
Wer sagt es?) dahin, wo die große Leuchte,
Fern von der Menge kleinrer Sternenschaaren,
Die ihrem Herrscherblicke fern sich halten,
Von weitem Licht ertheilt. Indem sie tanzen
Den Sternenreih'n im Takt, der Tag' und Monden
Und Jahr' abtheilt, ziehn die verschiednen Kreise
Sie nach dem allerfreu'nden Licht hin, oder
Sie werden vom magnet'schen Strahl gelenkt,
Der sanft das Weltall wärmt, und allerwärts
Nach innen leis eindringt, ob ungesehn auch.
Und unbemerkbar Leben schickt zur Tiefe:
Solch Wunder ist ihr strahlender Beruf.
Dort steigt ans Land der Feind, ein Fleck, dem gleich
Vielleicht ein Astronom im feur'gen Kreise
Der Sonne durch sein Rohr noch keinen sah.
Hell fand den Ort er über allen Ausdruck,
Ird'schem verglichen, sei's Metall, sei's Stein.
Nicht alle Theile gleich, doch all' erfüllt
Von Licht, wie glühend Eisen voll von Feuer.
War es Metall, so schien's theils Gold, theils Silber;
Wenn Stein, Karfunkel meist und Chrysolith,
Rubin, Topas auch, gleich den zwölf, die glänzten
Im Brustschild Aarons; außerdem ein Stein,
Den öfter man geträumt, als je gesehn:
Der Stein ist's, oder dem gleich, den hienieden
So lange Zeit umsonst die Weisen suchten;
Umsonst, obgleich durch mächt'ge Kunst sie binden
Den flücht'gen Hermes, und des Meeres Proteus,
Den ungebundnen, vielgestalt'gen, rufen,
Durch Kolben zu der Urgestalt ihn zwingend.
Was Wunder nun, wenn Felder hier und Fluren
Rein Elixir aushauchen, Ströme fließen
Als flüssig Gold, wenn, wie mit Einem Schlag,
Die Sonne, der Erzchemicus, so fern
Erzeugt, mit Erdenfeuchtigkeit verbunden,
Im Dunkeln hier soviel kostbare Dinge
Von prächt'ger Farb' und wunderbarer Wirkung?
Hier fand der Teufel Neues zu beschauen;
Doch blendet nichts ihn. Fern blickt er, weit um;
Hier findet sich kein Hinderniß, kein Schatten,
Nur Sonnenschein, wie wenn die Mittagsstrahlen
Im Hochpunkt stehn am Gleicher, während sie
Gradaufwärts schießen hier, wo nirgend rings
Von dunklen Körpern Schatten fallen kann.
Die Luft so klar, wie nirgend, schärft den Blick
Für Fernstes ihm. Drum bald er einen Engel
Glorreich am Horizont erkennt, denselben.
Den auch Johannes in der Sonn' erblickte;
Zwar abgewandt, doch macht sein Glanz ihn kenntlich.
Von sonn'gen Strahlen eine goldne Binde
Umgiebt sein Haupt und seine Locken wehen
Hell um die Schultern, die versehen sind
Mit Schwingen; irgend eine wicht'ge Botschaft
Bedenkt er, oder steht tief in Betrachtung.
Froh war der böse Geist, da jetzt er hoffte
Zu finden, der den irren Flug ihm lenke
Zum Paradies, dem sel'gen Sitz des Menschen,
Ihm Ziel der Reis' und uns des Weh's Beginn.
Doch denkt er erst sich die Gestalt zu wandeln,
Die ihm Gefahr und Aufschub bringen möchte.
Nun zeigt er sich als jugendlichen Cherub;
Nicht von den Höchsten, doch sein Antlitz lächelt
Von Himmelsjugend, und jedwedem Gliede
Flößt Reiz er ein, so gut verstellt er sich.
Sein fliegend Haar spielt unter einem Kranz
In Locken um die Wangen; Fitt'ge trug er
Vielfarb'ger Federn, eingesprengt mit Gold;
Sein Kleid hat er zur Eil' geschürzt und hält
Den Silberstab vor den bescheidnen Schritten.
Nicht naht' er ungehört; der lichte Engel
Wendet sein strahlend Antlitz eh' er naht.
Gewarnt durch das Gehör, und als Erzengel
Uriël erwies er sich, der Sieben Einer,
Die, als die nächsten an dem Thron, vor Gott
Bereit stehn dem Befehl, als dessen Augen;
Die durch die Himmel gehn und auf die Erde
Schnell Botschaft tragen über Feucht' und Trocknes,
So über Meer als Land. Zu ihm tritt Satan:
»Uriël, du bist der sieben Geister, welche
In hehrem Glanz vor Gottes Throne stehn,
Der Erste, der den großen, echten Willen
Dolmetschend durch die höchsten Himmel trägt,
Wo seine Söhn' all deiner Botschaft harren,
Und bist wahrscheinlich hier, auf sein Gebot
Bestimmt zu gleicher Ehr', und als sein Auge,
Oft diese neue Schöpfung zu besuchen.
Unsägliche Begier, zu sehn, zu kennen
All diese Wunder, doch zumeist den Menschen,
Ihn, seinen Liebling, sein Ergehen, ihn,
Für den er alles dies so herrlich schuf,
Treibt mich, getrennt vom Chor der Cherubim,
So einsam um. O hellster Seraph, sage.
Wo in den lichten Kugeln hat der Mensch
Den festen Wohnort – oder hat er keinen?
Stehn all die Kugeln ihm zu freier Wahl? –
Daß ich ihn find' und mit geheimem Staunen
Ihn anschau, oder offen ihn bewundre,
Ihn, dem der große Schöpfer Welten gab,
Auf den er alle diese Gnad' ausströmte,
Daß wir in ihm und Allem, wie sich's ziemt,
Den allgemeinen Schöpfer Preisen mögen,
Der, vollen Rechts, die feindlichen Empörer
Zur Hölle stieß und, den Verlust zu heben,
Dies glückliche Geschlecht der Menschen schuf,
Ihm besser dienend: – weis' ist all sein Thun.«
So sprach der Gleißner, unerkannt, weil nimmer
So Mensch als Engel zu durchschaun vermögen
Die Heuchelei, das einzige der Uebel,
Das nicht gesehn, als nur von Gott allein,
Der's nur zuläßt, durch Erd' und Himmel schleicht.
Und oft, wacht auch die Weisheit, schläft der Argwohn
Am Thor der Weisheit ein und überläßt
Sein Amt der Einfalt, weil Unschuld nichts Arges
Denkt, wo's nicht scheint. So täuscht sie jetzt auch Uriël,
Den Herrn der Sonn' und als scharfsichtigster
Der Geister anerkannt im ganzen Himmel,
Der nun, in seines Sinns Aufrichtigkeit,
Dem schnöden Erz-Betrüger so erwiedert:
»O schöner Engel, dein Begehr, zu kennen
Die Werke Gottes, um dadurch zu feiern
Den großen Meister, ist nicht Ueberschreitung,
Die tadelnswerth; vielmehr verdient es Lob,
Je kühner scheint, was dich allein hieher
Geführt aus deiner empyre'schen Wohnung,
Zu schaun mit eignen Augen, was im Himmel
Wohl manchen als Bericht nur schon befriedigt.
Denn wahrlich, wunderbar sind seine Werke,
Reizvoll im Anschaun und vollkommen werth,
Mit Wonne ihrer ewig zu gedenken.
Doch welch geschaffner Geist kann ihre Zahl
Begreifen, oder auch die ew'ge Weisheit,
Die sie erschuf, doch tief die Gründe barg?
Ich sah, wie auf sein Wort das Formenlose,
Der Stoff zu dieser Welt, zum Balle wurde.
Verwirrung hört' ihn, wilder Aufruhr ward
Geregelt und begrenzt das Grenzenlose,
Bis auf sein zweit Geheiß das Dunkel floh,
Licht ward und Ordnung aus Unordnung kam.
Jach eilten die verworrnen Elemente
An ihren Ort, Luft, Wasser, Erd und Feuer;
Und diese Aether-Quintessenz des Himmels
Floh in die Höh', beseelt zu Rundgebilden
Von mancher Art, die dann zahllos als Sterne
Hinrollten, wie du siehst, daß noch sie gehn.
Jedem ward sein bestimmter Platz und Lauf;
Der Ueberrest umschließt das Ganz' als Mauer.
Sieh jene Kugel, deren Seit' auf uns zu
Mit Licht von hier im Wiederscheine strahlt,
Des Menschen Sitz, die Erd' ist's; jenes Licht
Sein Tag, den sonst die Nacht, wie jetzt die andre
Erdhälft', einnähme; doch der nahe Mond
(Wie dies Gestirn man gegenüber heißt)
Hilft ihr zu Zeiten, und die Monatsscheibe
Stets schwindend, stets erneut im Lauf am Himmel,
Fällt mit geborgtem Licht von hier und leert
Das dreigestalte Haupt als Erdenleuchte
Und scheucht die Nacht fort in ihr blasses Reich.
Der Fleck, auf den ich deut', ist Adams Wohnsitz,
Das Paradies; sein Obdach diese Schatten.
Den Weg verfehlst du nicht, mich ruft der meine.«
Er sprach's und schied; und Satan tief sich neigend,
Wie's gegen höh're Geister Sitt' im Himmel,
Wo man die schuld'ge Ehrfurcht nie versäumt,
Nahm Abschied; und zum Erdenrand hinab
Von der Ekliptik, angespornt von Hoffnung,
Geht rasch sein Flug in manchem luft'gen Rade,
Bis er ankommt auf des Niphates Gipfel.