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Zweiter Akt.

Dasselbe Zimmer wie vorhin.

 

Erste Szene.

Wilhelmine.

Wilhelmine. (sitzt in der Stube und näht an ihrem weißen Ballkleide. Sie trägt eine elegante Sonntagsgarderobe). So!     Mein Ballkleid wäre in Ordnung!   Aber wo nur die Schwester bleibt?   Das Konzert muß doch längst vorbei sein.   Sie wollte den Festzug aus dem Fenster ihrer Freundin mit anseh'n und nach dem Programm sollte er gleich nach dem Konzert beginnen.   Dann nur noch die Bierprobe und dann     für mich erst das Allerbeste, aber leider auch schon das Letzte,   der Ball!   Und morgen   ach, morgen schon alles wieder vorbei und gewesen!

 

Zweite Szene.

Jette. Wilhelmine.

Jette. (aus der Küche kommend). Soll ick helfen, Fräulein?

Wilhelmine. Danke!   Ich tat soeben den letzten Stich.

Jette. Et ist eijentlich schade!   Nun hat Fräulein det letzte Konzert jar nich mit jehört.

Wilhelmine. Ich war doch gestern da im ersten   und gestern abend mit im Tivoli.

Jette. Aber den Festzug hätt' ick mir doch nich entjehen lassen, wo unsre beiden Jäste mit in sind.

Wilhelmine. Im Augenblick geht's ja schon wieder zu Ball,   die paar Stunden Ruhe tun mir gut. Ich bin noch recht müde von gestern abend.

Jette. Et wurde ooch spät.   Ick hab' ooch noch 'n bischen davon jesehn.   Ach, Fräulein, wat muß det schön jewesen sind! Als et neun war, stand ick 'n Aujenblick zwischen die Zuschauers vor die Pforte. Wat war det en Jewühl in'n Jarten! Und wat für'n Pracht mit all die bunten Lampen! Und denn die hübsche Musik und det jroße Feuerwerk!     So'n italienische Nacht ist doch wat Schönes!

Wilhelmine. Das ist es auch!   Dieser Abend bleibt mir unvergeßlich!

Jette. Ick jlobe, der Herr hatt' 'n kleenen Spitz. Na, der hat et ooch sauer mit die Rosette! (Wichtig.) Fräulein, et machte sich mal nett, als ick Sie einließ, Sie und den Doktor!   Ick hatte so meine eijenen Jedanken dabei.

Wilhelmine. Er führte mich. Sein Freund führte meine Schwester.

Jette. Na, na,   warum führte er denn jerade Sie? Sein Freund hett et ja ooch duhn können.   Der Herr war der erste, welcher ankloppte,   dann kamen die Madam und der Apotheker. Und et dauerte wohl noch drei Minuten, eh' Fräulein mit'n Doktor kam.

Wilhelmine. (beiseite). Er küßte mir die Hand, ob sie's gesehn? (Zu Jette.) Wir waren zufällig nur ein wenig zurückgeblieben.

Jette. Na, na!   man sieht doch, wat man sieht!   Übrigens is sein Freund, der Apotheker, ooch nich so!   Jott bewahr uns! Wat hat der für'n paar Ojen in'n Kopp!   Aber wo Madam wohl bleibt?

Wilhelmine. Sie müßte längst hier sein.   Da ist mein Kleid!   Bring' es nach der Stube.

Jette. Die Uhr jeht ooch schon uf sieben. (Ab mit dem Kleide in Mehlmeiers Stube.)

Wilhelmine. Auf sieben?   und meine Schwester noch immer nicht da? Es wird ja schon Zeit, an die Balltoilette zu denken.   (Karoline tritt durch die Mitteltür ein.)

 

Dritte Szene.

Karoline. Die Vorigen.

Karoline. (andere Garderobe als wie im ersten Akt. Erregt und mit Pathos). Mine!   Mine!   War das ein Konzert!   Wie tat es mir leid, daß du zu Hause geblieben!

Wilhelmine. Ich war fleißig während der Zeit. Es war noch etwas an meinem Kleide zu ändern.

Karoline. (erregt und mit Pathos). Eine jede Nummer,   ich sage dir,   klassisch!   (Jette kommt zurück.) Und die eine noch schöner, ergreifender, mächtiger als die andere!   Und dann zuletzt,   die Krone von allem, der große Hymnus!   Denke dir, ein Chor von drei bis vierhundert Männerstimmen!   Ach es geht doch nichts über den Männergesang!

Jette. (schnell). Det sag' ick ooch, Madam!  

Karoline. (erregt und mit Pathos). Dieses Meer von brausenden Akkorden!   Es war wie eine Sturmflut von Tönen, die alles überschwemmte und mit sich fortriß!

Jette. Hat Madam ooch wat von unsere Jäste jesehn? Die waren da ja mit zwischen.  

Karoline. Gesehen nicht, aber gehört hab' ich wenigstens den Doktor. Sein schöner Tenor ließ sich deutlich erkennen. (Plötzlich im andern Ton.) Aber wo ist Bollmann?   Jette, geh' schnell hinaus und sag ihm, daß er mir rasch eine Handvoll Blumen schneide,   hörst du?   Ich will sie bei meiner Freundin aus dem Fenster werfen!  

Jette. Ja, Madam! (Ab durch die Mitteltür.)

Karoline. Als ich fortging, wurde schon wieder zum Festzug angetreten.   Da hab' ich sie denn auch noch im Vorbeigehen gesehen und gesprochen.   Die Polyhymnia hat eine grüne Fahne mit goldner Leier.   Brenneisen geht dicht hinter Mehlmeier,   der Doktor ein bißchen weiter nach hinten. (Im andern Ton.) Du Mine,   ich soll dir auch einen herzlichen Gruß von ihm überbringen!

Wilhelmine. (rasch, interessiert). Von ihm? Ah, ich danke!   Aber Schwester, du mußt dich sputen!

Karoline. Ich warte ja nur auf die Blumen.   (Im andern Ton.) Sag' mal, Mine,     gestern abend im Tivoli kam mir die Sache doch schon recht verdächtig vor.    

Wilhelmine. (etwas verlegen). Aber Karoline.      

Karoline. Er führte dich doch mehrere Male durch den Garten, und einmal hatten wir euch schon ganz verloren.   Und als wir nach Hause gingen,    

Wilhelmine. (etwas verlegen). Laß das!   Ich bitte dich!

Karoline. Na, na, siehst du wohl?   Wir Frauen achten auf alles.

Wilhelmine. Er war recht freundlich gegen mich, wie das von einem so gebildeten jungen Mann ja auch nicht anders zu erwarten war.

Karoline. Du, Mine,   hat er sich denn noch gar nichts merken lassen?    

Wilhelmine. (etwas verlegen). Aber Line, wie kannst du nur so fragen?!

 

Vierte Szene.

Bollmann. Die Vorigen.

Bollmann. (mit Blumen durch die Mitteltür). Hier sind die Blumen, Madam!   Jette sagte, Sie wollen sie auf die Sängers werfen,   da hab' ich denn auch noch gleich 'n paar Bauerrosen mit abgeschnitten.  

Karoline und Wilhelmine. Bauerrosen?!  

Bollmann. Na, es muß doch auch zu merken sein! Mit die kleinen Blumen,   da werden sie ja garnicht um gewahr! Aber Madam muß machen, daß sie hinkommt. Sie sind schon ans Maschieren. Im Garten kann man es deutlich hören mit die große Trommel,   Bumm! Bumm!

Wilhelmine. Karoline, dann geh' doch!

Karoline. Ja, die Blumen! (zu Bollmann.) Gib sie her! (Bollmann gibt ihr die Blumen. Zu Wilhelmine.) Na, adieu, Mine! (Im Abgehen zu Bollmann.) Bauerrosen!   Bollmann, Sie sind und bleiben doch ein Bauer. (Ab durch die Mitteltür.)

Bollmann. Na, und ich wollte es recht gut machen! Das war doch undankbar von die Madam!

 

Fünfte Szene.

Jette. Wilhelmine. Bollmann.

Jette. (durch die Mitteltür kommend). Nu müssen sie all ufn Marktplatz sind! Ick hab' et eben in'n Jarten jehört. Man jut, dat die Madam schon weg is!   Ick rief ihr noch nach: »Durch die Zingelstraße, Madam!     Det is näher!«

Bollmann. Ja, durch die Zingelstraße,   das ist 'n Vorsprung von zehn Minuten.   Denn kommt sie auch noch früh genug! (Im andern Ton.) Fräulein, dürft' ich auch mal eben en bischen hin?

Wilhelmine. Meinetwegen gern!   Geh'n Sie nur!   Jette und ich sind ja hier.

Bollmann. Dann lauf ich auch längst die Zingelstraße. (Ab durch die Mitteltür.)

Jette. Will Fräulein den Zug nich ooch mal sehn?   Ach, det sollte ick sind!  

Wilhelmine. Möchtest du es gern?

Jette. Ob ick möchte?!   Na!     Aber ick hab' ja man det Haus zu hüten!    

Wilhelmine. Ich bin ja hier! Der Augenblick Ruhe ist mir lieber.   Dann geh' nur!   Schnell!   Aber bleib' nicht zu lange weg!

Jette. Ach Fräulein! Wie is Fräulein nett!   Nur 'n Aujenblick!     Ich weiß noch en nähern Weg,   durch Herr Pingel seinen Jarten,      

Wilhelmine. (wie erschrocken, beiseite). Herr Pingel!  

Jette. Ick bin in'n Viertelstunde wieder hier!   (Ab durch die Mitteltür.)

Wilhelmine. Endlich mal wieder mit meinen Gedanken allein!   Ach, es ist doch so süß zu träumen!   Herr Pingel!   Wie erschrak ich bei dem Namen! Heute ist der letzte Tag.   Er wird es gewiß versuchen!       Ach, wenn er es wäre, dessen liebes Bild sich schon wieder in meine Seele drängt!     Ich würde wohl recht glücklich mit ihm werden, und heiraten möcht' ich auch schon,   aber doch niemals einen andern, als den ich so recht von Herzen lieben könnte!   (Man hört in der Ferne einen Marsch, welcher die folgende ganze Szene hindurch gespielt wird.) Die Musik des Festzuges, in welchem auch er mitgeht!   Und ich bin hier   und werf' ihm nicht einmal eine Blume!  

 

Sechste Szene.

Schaum. Wilhelmine. Nachher Brenneisen.

Schaum. (das große Trinkhorn um. Eine Rose im Knopfloch und bekränzt, Wilhelmine erschrickt). Um Verzeihung mein Fräulein, wenn ich störe!

Wilhelmine. (bewegt). Herr Doktor Schaum, wie erschrak ich!     Sind Sie nicht mit im Zuge?  

Schaum. Ja,   das wohl!   Ich ging auch mit,     aber es war sonderbar, es zog mich immer wieder nach diesem gastlichen Hause!   Was sollt' ich in dem Gewühl?!   Ich schlich mich heimlich fort.

Wilhelmine. Sie hofften, meine Schwester noch hier zu finden.    

Schaum. (sentimental). Ihre Frau Schwester,   und da fand ich Sie!   Und preise die Fügung, welche meine Schritte lenkte!   O, teuerstes Fräulein,   (ihr die Rose hinhaltend) möge diese Rose, erst soeben auf dem Wege hierher frisch vom Strauch' gepflückt, Ihnen   zuflüstern, wie freudig mein Herz geschlagen,   als ich   Sie erblickte!  

Wilhelmine. (herzlich). Ich danke Ihnen!   die Rose ist die schönste Blume;   ich liebe sie mehr als alle andern.  

Schaum. (sentimental). Ich auch!   Aber nicht Sie,   nur ich, mein Fräulein, habe zu danken! (Er erfaßt ihre Hand und küßt sie.) Mein Stern hätte mir nicht holdseliger leuchten können!

Wilhelmine. (bewegt). Sie machen mich um eine Antwort verlegen, Herr Doktor.  

Schaum. (sentimental). Verzeihen Sie mir, wenn ich es tat!   Es war nicht meine Absicht!   Nun habe ich Sie auch noch zu bitten!

Wilhelmine. (bewegt). Zu bitten?

Schaum. (sentimental). Um Ihre gütige Verzeihung! (Küßt ihr die Hand.)   O, Fräulein Wilhelmine!

Wilhelmine. (bewegt). Ich weiß nicht mehr, Herr Doktor, was ich Ihnen erwidern soll.     Aber es ist nicht recht von Ihnen, ein unerfahrenes Mädchen,    

Schaum. (sentimental). Verzeihung! Verzeihung, mein Fräulein!  

Wilhelmine. (bewegt). Sie verwirren mich!   Nicht mehr! Nicht mehr, Herr Doktor!    

Brenneisen. (durch die Tür). Sie haben mich nicht gehört.  

Wilhelmine. (bewegt). Mir pocht das Herz! Ich kann nicht,   kann nicht sprechen!

Brenneisen. (durch die Tür). Dann wird es Zeit, daß ich noch 'mal klingele! (Ab.)

Schaum. (sentimental, weich). Das Herz?!   Das Herz?!   Mir auch!   Fräulein Wilhelmine!   (Küßt ihr die Hand.)

Und willst Stille du im Sturme,
Soll dahin sein aller Schmerz,    

Wilhelmine. (bewegt, sich noch mehr sträubend). Um Gotteswillen!   Lassen Sie mich!   Lassen Sie mich, Herr Doktor!  

Schaum. (sentimental, weich).

Schaue durch zwei süße Augen
In ein liebes, gutes Herz!

(Küßt ihr die Hand. Man klingelt.)

Wilhelmine. (ängstlich). Die Haustür!   Es kommt jemand!   Wenn man uns hier sähe! (Will sich losreißen.)

Schaum. (sentimental, weich). In ein liebes, gutes Herz!   (Küßt der Sträubenden nochmals die Hand.)

Wilhelmine. (sich losreißend). Es kommt jemand!   Schnell! schnell!   (Eilig ab in Mehlmeiers Wohnzimmer.)

Schaum. (beiseite). Ja, schnell! schnell!   (Eilig ab in sein Schlafzimmer.)

 

Siebente Szene.

Brenneisen.

Brenneisen. (durch die Mitteltür). Sie sind alle geworden!   Sie haben mich gemorken!   Na, daß ich es war, konnten sie doch nicht wissen.   Ich bin ja noch mit im Zuge.   Sie meinten wohl, es sei Bollmann, das Faktotum.   Wo sie wohl geblieben sind?   Die Liebe schlüpft durchs Schlüsselloch!   Ich wollte ihm mal zuvorkommen. Er hat mir ja noch immer das Wort genommen.   Herr Mehlmeier marschierte mir voran,   da schlich ich mich weg,   und nun ist er mir doch wieder zuvorgekommen!   Na, es bleibt mir ja noch immer die andere,     und mit'm Hausknecht wird 'n Apotheker doch wohl fertig werden! (Ab in sein Schlafzimmer.)

 

Achte Szene.

Jette. Brenneisen. Nachher Schaum.

Jette. (durch die Mitteltür kommend). Ach wat für'n Zug! Wat für prächtige Fahnen und wat für hübsche Sängers!     Aber dat ick keinen von unsere Jäste sah, det bejreif' ick nich! In die Polyhymnia haben sie nich marschiert, det is sicher!       Wi jern hätt' ick noche'n bißchen jestanden!   Ach, det ick ooch man diene.    

Brenneisen. (schleicht aus seinem Schlafzimmer leise an Jette heran, beiseite). Nun komm ich ihm doch mal zuvor!

Jette. Wofür bin ick da?   Nur um mir zu plagen und zu entsagen!    

Brenneisen. (seinen Arm um ihre Taille legend, während Jette erschrocken aufschreit). Wofür?       Für mich!   Für mich!    

Jette. (sich etwas sträubend). Wat Sie mir erschrecken! Herr Apotheker, sind Sie et?  

Brenneisen. Ich bin es!   Aber schreien Sie doch nicht so!

Jette. Ick meinte, Sie waren mit in'n Zug! Et war nicht nett von Sie, mir so bange zu machen!

Brenneisen. (sentimental, während Schaum durch die Mitteltür guckt). Jette,   es trieb mich her!

Schaum. (durch die Tür). Nun hat es ihn auch schon getrieben!

Brenneisen. (weich, zärtlich). Jette!   Du schöne Blume!  

Schaum. (durch die Tür). Richtig! Es blüht schon!

Jette. (verschämt, sich etwas sträubend). Herr Apotheker,   lassen Sie mir los!

Brenneisen. Was Herr!   Was Apotheker!   Ich heiße Brenneisen!

Jette. (sich sträubend). Aber, Herr Brenneisen, ick diene ja man!   Ick bin ja man die Madam ihre Zofe!  

Brenneisen. (sentimental). Was dienen!   Was Zofe!   Vor der Liebe      

Jette. (weich). Vor der Liebe, sagten Sie    

(Schaum sieht durch die Tür.)

Brenneisen. (sentimental). Vor der Liebe fallen alle Schranken. (Weich.) Ach Jette!   (Er umarmt sie noch mehr.)

Jette. (schmachtend). Ach!   Wat kann ick dafür!   Et schwindelt mich!   (Legt ihren Kopf an seine Brust.)

Brenneisen. (sentimental, freudig). Ich habe dich!   Ich habe dich!   (Küßt sie.)

Schaum. (durch die Tür). Hat sie schon! (Man hört polternde Schritte. Jette und Brenneisen fahren auseinander.)

Jette. Et kommt wat!   Et kommt wat!

Brenneisen. Es kommt was!   (Jette eilt in die Küche. Brenneisen in sein Schlafzimmer.)

 

Neunte Szene.

Bollmann.

Bollmann. (durch die Mitteltür). Alles fort?   Auch kein Fräulein und keine Jette mehr?   (Schaum sieht durch die Tür.) Ach, Jette, an die ich immer denke!    

Schaum. (beiseite). Das Faktotum!   Na, wenn der wüßte, woran die jetzt denkt!   (Ab.)

Bollmann. Ich wollte mir dankbar beweisen for die Schleife und ihr gleich in das Zeichen meiner Dankbarkeit die Gefühle zeigen, welche ich für sie hege.   Ich hab' es schon einmal getan, als ich im Jahrmarkt mit sie zum Entreeball ging, durch eine Tüte mit Kuchen, die sie freundlich von mich annahm. Nun bin ich denn noch schnell die lange Straße hinuntergelaufen und hab' sie was vun'n Konditor geholt, (nimmt ein in Papier gewickeltes Kuchenherz aus der Tasche) wo es gleich aufsteht, was ich für sie fühle! (Liest):

Des fernen Freundes Liebesschmerz
Verkünde dir dies Kuchenherz!

Fern bin ich ihr zwar nicht;   aber sonst paßt es doch schön, auch mit das Bild.   Da kniet 'n Herr   das bin ich!   vor 'ne Dame,   das ist sie!     Und gibt ihr was,   das ist das Herz!     Es ist durch die Blume!     Ich kann es sie doch man sub rosas geben, als die Madam sagt, unter vier Augen, wenn ich mal mit sie allein bin! (Ab durch die Mitteltür.)

 

Zehnte Szene.

Schaum. Brenneisen.

(Schaum guckt durch die Tür, zu gleicher Zeit auch Brenneisen. Beide haben ihre Hüte auf.)

Schaum. (noch durch die Tür, Brenneisen zunickend). Guten Morgen!

Brenneisen. (im Hervortreten). Das fehlte auch noch!   Bist du mir doch wieder zuvorgekommen!

Schaum. (heraustretend). Na, was tut es!   Aber du hast einen Nebenbuhler, der heißt Bollmann!

Brenneisen. Den vergifte ich!   Wofür wär' ich sonst der Apotheker!

Schaum. Vergiften?!   Ha! Ha! Ha! Ha!   Das ist gut!

Brenneisen. Ich rühre ihm 'was an mit der Jette!

Schaum. Du rührst ihm 'was an!   Ah, so!   Ja!   Ha! Ha! Ha!   Das hab' ich schon gesehen!   Köstlich! Köstlich!   Das Faktotum wird vergiftet.   Und mein Freund Brenneisen brennt mit seiner Geliebten durch!  

Brenneisen. Und mein Freund Schaum mit dem Fräulein!

Schaum. Aber die Madam!   die Madam ist doch auch noch da!  

Brenneisen. Die hat ja ihren Mehlmeier!

Schaum. Mehlmeier?   Du, Brenneisen,   (er macht das Zeichen der Hörner.) Ha! Ha! Ha! Ha!

Brenneisen. Halt!   Verletze nicht das Gastrecht!

Schaum. Und das Recht der Frau des Hauses!   Nein!   Nein!   Aber komm, Kollege,   wir müssen fort,   unseres liebenswürdigen Wirtes wegen.  

Brenneisen. Er geht ja noch im Zuge.  

Schaum. Und wir auch!   Ha! Ha! Ha!

Brenneisen. Wenn er uns vermißt hätte!   Wenn er uns suchte!    

Schaum. Und wenn er uns hier fände, bei den Frauen!

Brenneisen. Darum schnell wieder in den Festzug! Und dann in den Keller!

Schaum. Und vom Keller zum Ball! Immer lustig bis morgen!  

Brenneisen. Und morgen?      

Schaum. (mit Pathos). Morgen?   Morgen adieu!   Und nach uns die Sündflut! (Beide ab durch die Mitteltür.)

 

Elfte Szene.

Wilhelmine. Gleich nachher Pingel.

Wilhelmine. (mit der Rose in der Hand). Welch ein Glück, daß es niemand sah!   Die Haustür klingelte,   es war wohl Jette oder Bollmann.   Wie eine Fügung, daß ich sie fortschicken mußte!     Wo er wohl geblieben ist?   Gewiß wieder im Zuge.       (Nach kurzer Pause und im andern Ton) Ja, nun,       wenn mich nun die Schwester fragte,       (Pingel erscheint, von ihr nicht bemerkt, in der Mitteltür. Anzug wie früher, das Bukett in der Hand.) Ich komme mir schon so bräutlich vor.    

Pingel. (für sich). Sie fühlt sich schon als Braut!

Wilhelmine. Ach, und diese Rose, wie ich sie liebe!   (Küßt die Rose und steckt sie an den Busen.)

Pingel. Was wird sie erst sagen, wenn ich ihr das ganze Bukett schenke!  

Wilhelmine. Daß mir noch solch ein Glück beschieden sein sollte!   Ach, welch ein schöner Mann!

Pingel. (in der Tür, erfreut). Wie mich das beglückt! Sie liebt mich!   (Er geht ein paar Schritt vor, schmachtend.) Fräulein Stahlhuber! (Wilhelmine erschrickt, stößt einen lauten Schrei aus.) Fräulein Wilhelmine!

Wilhelmine. Herr Pingel!   Um Gotteswillen! Ich wußte nicht!   Wie haben Sie mich erschreckt!  

Pingel. Erschreckt?   Habe ich Sie erschreckt?!   Aber freudig! Freudig!   Ja?

Wilhelmine. Freudig?   Ich zittere noch!

Pingel. Sie zittern noch?   Ich zittere auch!   In diesem feierlichen Augenblick'    

Wilhelmine. Wie mir das Herz pocht! (Beiseite.) Der erste Antrag!  

Pingel. Pocht Ihnen das Herz?   Mir auch! Mir auch!  

Wilhelmine. Herr Pingel, ich weiß bereits,    

Pingel. Sie wissen bereits?   Hat Herr Mehlmeier mit Ihnen gesprochen?  

Wilhelmine. Er hat es meiner Schwester gesagt.   (Beiseite.) Es wird mir doch recht schwer!

Pingel. Hat er es Ihrer Schwester gesagt?  

Wilhelmine. Vorgestern, als Sie hier waren.   (Beiseite.) Wenn er es nur erst wüßte!

Pingel. Vorgestern, als ich hier war?

Wilhelmine. Herr Pingel, es tut mir sehr leid,  

Pingel. Leid?   Tut es Ihnen leid, Fräulein Wilhelmine?   Ah, warum das?    

Wilhelmine. Sie haben mich nicht verstanden,  

Pingel. O, doch!   doch!   Fräulein Wilhelmine, nun komme ich selbst und bringe Ihnen diese Blumen! Sie sind noch viel lieblicher als diese Blumen!

Wilhelmine. (bewegt). Um Gotteswillen!   Halten Sie ein,   Herr Pingel!   Warum mußte Ihre Wahl auch auf mich fallen?!   Meine Hand ist nicht mehr frei.    

Pingel. (bestürzt). Nicht mehr!   nicht mehr frei?!

Wilhelmine. (bewegt). Vergessen Sie mich,   und schenken Sie die Blumen einer andern!

Pingel. (bestürzt). Einer andern!

Wilhelmine. (bewegt). Es tut mir leid! sehr leid, Herr Pingel!   Aber trösten Sie sich.   Ich würde Sie doch nicht glücklich machen!  

Pingel. (bestürzt). Nicht glücklich machen?   O, doch, doch!   Sie würden mich sehr glücklich machen!

Wilhelmine. Weil ich Sie nicht würde lieben können!

Pingel. (bestürzt). Nicht lieben können?   Fräulein Wilhelmine!   Nicht lieben können?!  

Wilhelmine. Und nun leben Sie wohl, Herr Pingel!   Der Augenblick ist für uns beide viel zu peinlich, als daß wir nicht beide wünschen sollten,   er wäre vorüber!   (Weich und gefühlvoll.) Leben Sie wohl, Herr Pingel!   (Beiseite, im Abgehen nach Mehlmeiers Zimmer.) Der arme Mensch!   Aber zwischen ihm und dem andern,   wer würde sich da noch lange besinnen?!

Pingel. Leben Sie wohl, Herr Pingel!     Das war ein Stich in mein Herz!   Ich soll sie vergessen und die Blumen einer andern schenken?   Die schönsten von meinen hochstämmigen Rosen   und die Nelken, welche ich selbst gezogen habe?     Einer andern?   Nein! Nein!   Lieber setze ich sie in ein Glas, bis sie verwelken, wie ich selber langsam verwelken werde!   Ach, was gibt es Schlimmeres als zu lieben und nicht geliebt zu werden!

Dies Sträußchen, das ich dir gepflückt
Im süßen Deingedenken,
Ich hab' es an mein Herz gedrückt.
Eh' ich es dir wollt' schenken!  
Und was darin zu lesen steht,
Ich wollt' dir alles sagen,  
Du aber hast es kalt verschmäht
Und lieblos ausgeschlagen!
Ach, das Schlimmste, was es gibt,
Das Schlimmste, was es gibt auf Erden,
Ist, wenn man liebt,
Ohn' je geliebt zu werden!

(Bollmann tritt ein durch die Mitteltür, bleibt, von Pingel unbemerkt, im Hintergrunde stehen.)

Ihr Blumen alle, groß und klein,
Ihr Rosen und ihr Nelken,
Ihr werdet nun verlassen sein
Und ohne Zweck verwelken!
Und zwecklos nun und liebeleer,
Seit sie mein Los gesprochen,
Irr' ich in dieser Welt umher,
Bis mir das Herz gebrochen!

(Bollmann nimmt sein Taschentuch aus der Tasche und wischt sich eine Träne ab.)

Ach, das Schlimmste, was es gibt,
Das Schlimmste, was es gibt auf Erden,
Ist, wenn man liebt,
Ohn' je geliebt zu werden!

 

Zwölfte Szene.

Bollmann. Pingel.

Bollmann. (tritt leise von hinten an ihn heran, klopft ihm auf die Schulter, in teilnehmendem Tone). Herr Pingel, Sie dauern mir, Herr Pingel!

Pingel. Bollmann, haben Sie jemals geliebt?

Bollmann. Na, was'n Frage?!   Sie wissen doch!

Pingel. Und sind nicht wieder geliebt worden?!

Bollmann. Wiedergeliebt?!   Hm!   Jette hat'n weiches Gemüt,   die ist nicht so!    

Pingel. O, Bollmann, wie sind Sie glücklich!

Bollmann. Aber, Herr Pingel, Sie müssen sich fassen!   Sie   Sie müssen sich trösten und stark sein!  

Pingel. Stark sein?!   Das können Sie wohl sagen!   Sie wissen nicht, wie verschmähte Liebe schmerzen tut!  

Bollmann. Nein, das freilich nicht!   In der Liebe bin ich glücklich;     sie mögen mich immer gleich!

Pingel. Und ich,   und ich!   O, Bollmann!

Bollmann. Hat sie denn reineweg »nein« gesagt?

Pingel. Sie hat es gesagt!   Ich soll sie vergessen   und die Blumen einer andern schenken.

Bollmann. Na, denn vergessen Sie sie man!   Es gibt noch Mädchens genug.   Wenn mich das mit Jette passierte,   ich ließe sie laufen und suchte mich 'n andere!  

Pingel. Eine, andere?   Die Liebe blüht nur einmal!  

Bollmann. Einmal?   Nein!   Nein, Herr Pingel!   das tut sie nicht!   Ich habe schon zwei gehabt, ehe das mit Jette kam.  

Pingel. Zwei gehabt?   Nein, nein!   Das könnte ich nicht!   Und vergessen kann ich sie nimmer!

Bollmann. Das ist schlimm!   Wissen Sie was, Herr Pingel? Soll ich mal mit das Fräulein sprechen?

Pingel. Sprechen?   Wollen Sie mit ihr sprechen?   Sie hat sich schon ausgesprochen!  

Bollmann. Was ich dabei tun kann      

Pingel. Dabei tun!   Sie können nichts mehr dabei tun!

Bollmann. Das ist schlimm!   Das tut mich leid!   Ich hätte Sie so gern mit in die Familie gehabt als den Herrn und die Madam ihren Schwager!  

Pingel. Bollmann, Sie sind gut!   Sie haben ein weiches Herz und halten viel von mir, das weiß ich!

Bollmann. Ja, das tu' ich auch, Herr Pingel!   Was Sie betrübt, betrübt mir auch!   Ich kann Sie garnicht sagen, wie leid es mich tut!

Pingel. Bollmann, kommen Sie her! (Gibt ihm die Hand.) Es ist doch ein Trost, wenn man noch einen Freund hat!   Und Sie sind mein Freund!

Bollmann. Ja, Herr Pingel, das bin ich!   Aber nun kommen Sie!   Ich geh' 'n bischen mit Sie rüber und bringe Sie wieder auf andere Gedanken.  

Pingel. Auf andere Gedanken!     (Beide ab durch die Mitteltür.)

 

Dreizehnte Szene.

Wilhelmine. Gleich nachher Jette.

Wilhelmine. (aus Mehlmeiers Stube kommend). Er hat mir die Hand geküßt, daß mir die Lippen davon brennen!   Und kaum hatte ich mich wieder gefunden, da mußte er kommen, der Unglückselige, und mich aufs neue erschüttern! (Sieht sich im Spiegel.) Fast ist es zu viel!   Ich glühe vor Erregung!   Aber lieben könnte ich ihn doch nicht!   Ich könnte ihn nur schätzen um seiner Liebe willen zu mir!   Vielleicht,   wäre er früher gekommen und hätt' ich jenen,   (steigernd) jenen   nie gesehen!   Armer Pingel,   nun ist es zu spät! In diesem Herzen lebt nur einer!   Und ihn oder keinen!  

Jette. (aus der Küche kommend). Fräulein!   Fräulein!   Ach!   Wie ist mich denn?!    

Wilhelmine. Jette!   Fast erdrückt es mich!

Jette. Seien Sie mich man nich böse!

Wilhelmine. Böse?   Warum?   Ich bin so glücklich!

Jette. Jlücklich?!   Ick ooch!   Aber ick bin so distree!   Ick hab'n Kopp verloren.

Wilhelmine. Du auch?!

Jette. Er liebt mir!   Er hat et mir jestanden!   O Fräulein!

Wilhelmine. (schnell). Er?!   Er?!   Wer?!    

Jette. Der Apotheker!

Wilhelmine. Sein Freund?     Warum sagtest du mir das nicht gleich? Du erschrecktest mich,   und ich trage so viel!  

Jette. Und Fräulein sagte doch, dat Sie so jlücklich sind!  

Wilhelmine. Ich bin es ja auch!   Er liebt mich ja!   Aber fast ist es zu viel!  

Jette. (schnell). Er?   Er?     Wat for'n Er?  

Wilhelmine. Der Doktor!    

Jette. Jott Lob, dat et man der Dokter is!   Aber warum is det zu viel?    

Wilhelmine. Kaum hatte er mir's gestanden,   da kam Herr Pingel,    

Jette. Herr Pingel?!   Der ooch noch? Det is jut!

Wilhelmine. Ein neuer Sturm, eh' noch der erste vorüber war,    

Jette. Na, zwischen ihm und den Dokter wollt' ick mir doch nich lange besinnen!

Wilhelmine. Ich sagte »nein«;   aber es tat mir leid.   Ich bin ja so glücklich und mußte nun einem andern wehe tun!  

Jette. Det dut nischt!   Det macht nischt!   Det is nu mal so!   Er darf Ihr Jlück doch nich stören!

Wilhelmine. Es erregte doch einen neuen Sturm in mir!   Es war mein erster Antrag.    

Jette. Der erste?   Ick meinte der Dokter    

Wilhelmine. Ja, siehst du, Jette,   erklärt hat er sich just noch nicht.   Er hätte es gewiß getan,   aber es kam jemand.  

Jette. Det is schade!  

Wilhelmine. Aber er liebt mich!   Er liebt mich!   O, Jette!

Jette. Ick weiß, wat et für'n Jefühl is!   O Fräulein!   (Im andern Ton.) Haben Sie die Madam et schon jesagt?

Wilhelmine. Noch nicht!   Es war mir nicht möglich!   Zu viel mit einem Male!   O, Jette, wie ist es doch so schön, wenn man liebt und wieder geliebt wird!

Jette. Ach ja, Fräulein! Ja!   Wie is et doch so schön! Ick fühl' et ooch erst heute eigentlich so recht zum ersten Male!

Wilhelmine. Jette, du weißt nun alles!  

Jette. Sie ooch, Fräulein,   Ick habe Ihnen alles jestanden.    

Wilhelmine. Du warst die Erste!   Und die Liebe macht alles gleich.   O Jette, wie ist mir doch so wunderbar im Herzen! (Sie lehnt ihren Kopf an Jettens Schulter, beide halten sich während des Singens halb umschlungen.)

Ein Blumengarten ist mein Herz,
Und offen steht die Tür,  
Nun grünt und blüht es allerwärts,
Ach, ich kann nichts dafür!
Es kam wie Lenzgekose
Und schuf ein Paradies,  
Das alles tat der Lose,
Als ich mich küssen ließ,
Er weckte all' die Triebe!  
Ach Liebe, holde Liebe,
Du Rose, rote Rose,
Wie bist du doch so süß!

Beide.

Nun grünt und blüht es allerwärts,
Ach, ich kann nichts dafür!

Wilhelmine.

Wie das nun pocht, wie das nun schlägt,  
Als ob es brechen wollt'!
Ein einz'ger Lieber, Loser trägt
Doch nur daran die Schuld!
Nun ist's wie Sturmgetose
In meinem Paradies,  
Das alles tat der Lose,
Als ich mich küssen ließ!  
Er ward zum Herzensdiebe,
Ach, Liebe, holde Liebe,
Du Rose, rote Rose,
Wie bist du doch so süß!

Beide.

Ein einz'ger Lieber, Loser trägt
Doch nur daran die Schuld!

Wilhelmine.

Das ist die Freud', das ist das Leid,
Der Liebe Lust und Qual!
Ich hab' des Lebens Seligkeit!
Ich hab' sie allzumal.
Das schönste aller Lose,
So Gott mir werden ließ,
Ist nun mein Glück, das große,
Mein Liebesparadies!  
Ach, daß es allzeit bliebe!  
O Liebe, holde Liebe,
Du Rose, rote Rose,
Wie bist du doch so süß!

Beide.

Ich hab' des Lebens Seligkeit!
Ich hab' sie allzumal!

(Beide ab. Wilhelmine in Mehlmeiers Zimmer, Jette in die Küche.)

 

(Der Vorhang fällt.)

 

(Ende des zweiten Aktes.)


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