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Die beiden Helden, die als die letzten an der Verschwörung gegen die Herzogin teilgenommen hatten, waren verschwunden. Beau Beamish gewann eine hohe Meinung von den Diensten, die Caseldy ihm erweisen konnte. Jene zwei blieben verschwunden, auch sprechen hörte man nicht von ihnen. Statt jeder Reflexion über diesen Gegenstand bemerkte Caseldy, daß er das beste Mittel angewandt habe, solche Sorte Herren zu expedieren. Hatte auch Ihr Geist den Ort verlassen, wie Ihr Leibliches? Man wußte nichts darüber.
Was die Herzogin betraf, so beschäftigte sie sich damit, unter dem Schutze Caseldys Promenaden zu machen, während der Beau die Tage bis zu ihrer Abreise zählte mit der Ungeduld eines Mannes, der Gründe hat, auf die Uhr zu schauen.
Die Herzogin Susanne war jetzt in der Tat nicht mehr trätabel. Sie hatte Anfälle von Revolte und erklärte geradezu, sie habe für die kurze Zeit, die ihr noch für Wells bleibe, die Absicht, ganz nach ihrem eigenen Kopfe zu leben, hinzugehen wo es ihr singe, zu spielen, wenn es ihr gefiele und überhaupt wie eine unabhängige Frau zu leben, bevor sie wieder in ein Schloß gesperrt werde, das nichts weiter sei als eine Sänfte von großer Ausdehnung.
Caseldy erklärte sich ebenso unfähig wie der Beau. Er beschrieb auf sehr belustigende Weise die undankbare Aufgabe, beständig hinter Ihro Durchlaucht Absätzen herzulaufen in allen Windrichtungen; er äußerte den Gedanken, daß sie das Land wohl deshalb ablaufe, um ihren »unbekannten Kavalier« zu finden. Sie habe, sagte er, einige Anspielungen auf so einen Kavalier gemacht, der ihrem Reisewagen einen halben Tag lang gefolgt sei. Er klagte, daß er nie eine Stunde allein mit seiner Chloe verbringen könne. »Und ich, der ich mit ihr zu konferieren gewohnt bin, ich sehe sie wieder zu wenig,« sagte Beamish. »Bald werde Ich sie überhaupt nicht mehr sehen und schon merke ich, daß ich sie verliere.«
Er trug seinen Fall der Herzogin Susanne vor, machte sie darauf aufmerksam, daß sie immer gerade fortgefahren wäre, wenn er käme, daß sie ihm Chloe entführe, wenn er, von seinen Beschäftigungen zurückgehalten, sie nicht begleiten könne, und daß er außerordentlich die allzuhäufige Abwesenheit jener empfinde, die er bald völlig verlieren würde.
Die Herzogin gab ihm darauf rätselhafte Antworten.
»Sie können das alles sehr gut einrichten, Herr Beamish, wenn Sie wollen, und Sie wissen das genau. Natürlich können Sie alles einrichten. Aber Sie lieben es, herumzuflirten. Ganz glücklich sind Sie, wenn Sie die Damen ihre schönen Farben verlieren machen, und haben es gern, sie um Ihre Person festzuhalten und zu sehen, wie sie für Sie verblühen. Ich danke schön. Ich bin zu stolz dafür. Ich hab, wenn es sein muß, meinen Kummer, aber nie würde ich mich so erniedrigen, grünlich und melancholisch zu werden aus Liebe zu einem Mann.«
Und sie reckte sich, schaute sich im Spiegel, der ihr nicht eine Linie bleicher Farbe zurückwarf.
Nach einigem Überlegen hielt es Herr Beamish für geraten, offen mit Caseldy von der Herzogin zu sprechen, aus Angst, sie könnte aus Laune den Sinn dieses Liebhabers verwirren.
»Seien Sie, was mich betrifft, außer Sorge, lieber Beamish,« sagte Caseldy, »ich glaube die Insinuationen Ihrer zärtlichen Durchlaucht etwas anders und ebenso richtig auslegen zu können. Was mich betrifft, ziehe ich blassen Teint dem lebhaften vor, und ich verbürge die Treue Chloes auf das, was ich kostbarstes besitze. Was Schlimmes immer ich die wahnsinnige Grausamkeit, oder besser gesagt das Mißgeschick hatte, dieser Frau mit dem himmlischen Herzen zuzufügen im Verlaufe unseres Daseins, kein Mensch wird je sagen können, daß ich auch nur für einen Augenblick die Gemeinheit beging, ihre Reinheit und Beständigkeit zu bezweifeln. Ich füge bei, daß es mir genügte, mich Ihrer Ehre zu überantworten.«
Der Beau verbeugte sich.
»Sie lassen mir damit nur Gerechtigkeit widerfahren. Und Ihre Deutung?«
»Ihre Durchlaucht hat damit angefangen. Angst vor Ihnen zu haben.«
Beamish riß die Augen auf bei diesen Worten.
»Sie bildet sich nun ein, daß Sie sie vernachlässigen. Und vielleicht unterhält sie diesen echt weiblichen Verdacht, daß Sie mit dieser Vernachlässigung die Absicht haben, sie auf die Probe zu stellen.«
Der Beau zählte mit Feuer seine vielfachen Beschäftigungen auf.
»Wie soll ichs denn anstellen, ihr in jedem Augenblick den Hof zu machen? Und abscheulich wäre das!« Er streichelte zärtlich seine Ärmelspitzen. »Und doch, käme es zum Kampf, so könnte ich, im Interesse meines alten Freundes, ihres Herrn, den zu schätzen ich Gründe habe, könnte ich, sage ich, einen Einfluß dazwischenstellen, der die Ausübung meiner Autorität sehr angenehm machte. Sie hat ein, zweimal den Oberst Poltermore so gewiß angesehn und umgekehrt. Diese Frau ist eine Junirose, mein Herr Caseldy, und ich verzeihe es der ganzen Welt, sie anzusehen, ja sogar anzuseufzen. Aber ich habe nichts Ernsthaftes gesehen.«
»Der Oberst ist morgen beim Ausflug zum Signal dabei,« sagte Caseldy. »Sie selber hat darauf bestanden, und ich gewinne dabei eine Stunde Urlaub.«
»Tun Sie mir den Gefallen, gehen Sie mit und erzählen Sie mir dann, was los war,« sagte der Beau.
Auf solche Weise drängte er Caseldy dazu, ihm Märchen zu erzählen und brachte sich selber instand, diese gläubig zu schlucken. Da war der Oberst da, der Oberst dort, und Poltermore und nochmals Poltermore. – derart, daß Herr Beamish damit endete, den ermüdenden Bourdon Camwells nicht mehr hören zu können mit seinem einzigen Thema: Caseldys Doppelspiel. Er trat mit seiner Meinung über den jungen Mann auf Chloes Seite und bezeigte ihm von da ab fast dieselbe Kälte wie sie. Nach kurzer Zeit war er soweit, höchst verschlagen zu schließen, daß jener fremde Kavalier niemand anderes gewesen sein konnte als eben der Oberst Poltermore. Caseldy hatte ihm das mit Andeutungen suggeriert, und dem sagte er nun: »Ich habe ihn schon entdeckt,« woran er diese Betrachtung schloß, die völlige Zufriedenheit mit sich selber verriet:
»Mit all dem, was Sie im Ausland gelernt haben, lieber Freund, erlauben Sie mir Ihnen zu sagen, daß wir andern Engländer nicht so arg weit hinter Ihnen zurück sind in der Kunst, im Dunklen den Knoten einer Intrige zu lösen.«
Worauf Caseldy antwortete, Herr Beamish hätte wirklich wenig von der Gesellschaft auf dem Kontinent zu lernen.
Der arme Oberst Poltermore, wie man ihn bald nannte, war sichtlich das Opfer von der Herzogin plötzlichen Gunstbezeugungen. Die Umwandlung eines steifen und korrekten Offiziers in einen graziösen kleinen Puck, eifrigen Boten und fröhlichen Pagen konnte nicht unbemerkt bleiben. Die Nachgiebigkeit der Herzogin, ihn auszuzeichnen, zögerte nicht, auf diesen Unglücklichen eine erste Wirkung hervorzurufen. Er versicherte überall, daß, was das Savoir-vivre betreffe, die Herzogin die gerechtfertigsten Ansprüche erheben könne. Und dieses Savoir-vivre besäße sie instinktiv und sie sei, wollte man dem Oberst glauben, große Dame von Natur aus. Solches müsse die Gesellschaft, in der er verkehre, doch erkennen, nämlich den großen Unterschied, der zu machen sei zwischen dieser Herzogin und irgendeiner in den Hochadel geheirateten Bürgersfrau, die immer vulgär bleibe, was jene niemals sei. Aber die Gesellschaft setzte doch einige Zweifel in die vollendete Einfachheit einer jungen Frau, welche die Männer in einer Weise verwandle, daß einer der berühmten Eroberer des Tages ihr demutsvoller und unsicherer Diener werde. Denn auf dieses Niveau war der Oberst durch einen rapiden Sturz gefallen. War er nicht an ihrer Seite, so durchlief er entschlossenen Schrittes suchend und eilig Säle, Alleen, Boskets, bis er sie gefunden und sich an ihre Kleiderfalten geheftet hatte. Merkwürdigerweise war Gegenstand seiner Eifersucht der treue Alonzo! Der Beau hatte was zu lachen, als er das erfuhr.
Inzwischen bewiesen die Erregtheit der Herzogin und ihre leichtsinnigen Gesten nur zu gut Poltermores Erfolg. Da mußte ohne Verzug vorgegangen werden.
Man sprach von dem lebhaft ausgedrückten Wunsch der Herzogin, einen berühmten Wahrsager zu besuchen, der landeinwärts in einer Einsiedelei hauste. Der Beau legte sein Veto dagegen ein. Sie hatte sich seit einiger Zeit darin folgsam gezeigt, daß sie nicht mehr spielte, so erwartete er als bestimmt, daß sie sein Verbot respektierte. Jener Wahrsager war übrigens ein Schwindler, eine Art Astrolog, und gut bekannt durch gewisse Prophezeihungen, die er gewissen Frauen mit sensiblem Herzen machte. Diese verlangten nichts lebhafter, als daß der Lauf der Planeten durch den Zodiakus ihnen ungewöhnliche Aufschlüsse gebe und sie sündigen lasse nach dem Beispiele der himmlischen Konjunktionen. Solches fand der Beau so gottlos wie ungeregelt, und er trug seine solide fundierten Gründe vor, diesen Wahrsager nicht zu besuchen. Trotzdem gab die Herzogin ihrem Verlangen nach. Zu früher Stunde begab sie sich im Wagen dahin, begleitet von Chloe, dem Oberst und Caseldy. Nachher frühstückten sie in einer Schenke, wo man, gabs Gelegenheit, den seinen Herrschaften Fuhrmannsessen vorsetzte, was man apart fand. Man war in Wells zurück, als die Stadt erwachte.
Zu ihrer großen Überraschung kam Herr Beamish inmitten einer Menge Bekannter auf sie zu und fragte sie, ob sie Grund hätten, mit ihrem Schicksal zufrieden zu sein, und zeigte sich außerdem wohlvertraut mit eines jeden privatem Orakel.
»Ihnen, Oberst Poltermore, folgt das Glück bis zur zehnten Etappe, dann wirft Ihr Wagen um und Sie bleiben gelähmt Ihr Leben lang.«
Der Wahrsager hatte dem Oberst viel besseres prophezeit, der lustig sagte: »Ich bin nicht so schlecht wie Sie im Hause sagen.«
»Und Sie, Graf Caseldy, das Glück wird zu Ihrem Befehl sein, nachdem Sie einen Mord begangen haben. Und Ihre einzige Strafe dafür wird sein, daß Sie jeden Abend den Besuch des Kadavers zu erdulden haben.«
»Als Gespenst,« sagte Caseldy mit einem Lächeln auf den Lippen.
Was Chloe betreffe, so hätte sie nicht gewollt, daß man ihr die Zukunft sage, da sie sie bereits kenne.
Der Beau gab ihr einen väterlichen Blick und wandte seine Augen auf die Herzogin:
»Sie, Madame, Sie haben das Urteil bekommen, daß die Devise Liebe, Alles um Liebe Sie zu Fall bringt, so wie sie Sie erhöht hat, und dem Raben ausliefert, was Rechtens dem königlichen Adler zukommt. Ists so?«
»Niemals! Ich glaube nicht an solche Geschichten!« rief die Herzogin, das Gesicht ganz im Feuer.
»Sie leugnen, Madame?«
»Ja, ich leugne. Ich schwöre, es war nicht von Adler noch Rabe die Rede.«
»Sie leugnen, daß von ›Alles um Liebe‹ die Rede war, Madame?«
»Albernheiten solcher Zauberer,« tat sie wegwerfend. »Als ob ich achtgegeben hätte auf den Unsinn!«
»Wagt es die Herzogin von Ochsenschlepp, mir ein Dementi zu geben?«
»Ich heiße nicht so, wie Sie gut wissen,« begehrte sie auf.
»Was ist das?« pfiff der Beau und seine Rede wurde anmaßend. »Was tragen Sie denn da für ein Gewebe?« Und er legte die Hand auf ein Spitzentuch, das sie über ihrem Morgenkleid geschlagen trug, riß es in Fetzen und schwenkte ein Stück davon: und während die Herzogin den Atem verlor und bebte über diese Beleidigung, die ihr die Sympathien aller Damen ebenso eintrug wie sie aus jedem der Herren einen Schützer machte, warf der Beau die Spitze auf den Boden, stellte den Fuß darauf und ließ seine starke Stimme über den allgemeinen Tumult tönen:
»Hören Sie mich an! Es ist ein Verbrechen! Sie trägt das vom Steifen vergilbte Zeug der Betty Worcester als antike Spitze! Alle, die es tragen, mögen derlei von ihren Kleidern entfernen, bevor die Stadt proklamiert, das wir entehrt sind. Ich erkläre Ihnen, daß Betty Worcester gestern in Tyburn wegen Mordes gehenkt worden ist.«
Einige Damen schrien auf.
Die Ansammlung um den Beau zerschmolz alsbald, und er stand allein mitten im Saal, einem Fahnenschafte gleich, um den sich Banner entfalteten. Es war ein Pêle-Mêle von Roben, die sich beeilten, bewegten, rauschten: man konnte an Blätter im Herbst denken, die ein Novemberwind aufwirbelt.
Die Damen waren verschwunden, um sich von den imitierten Spitzen zu befreien, die sie in irgendeiner Weise verbunden zeigten mit dieser blutdürstigen Elisabeth Worcester, gestern ihre Wohltäterin, heute gehenkt und am Galgen baumelnd. Und die keine solchen Spitzen trugen diesen Morgen, nahmen es dem Beau übel, daß er nur auf die andern die allgemeine Aufmerksamkeit gezogen hatte.
Die Herren waren etwas verblüfft über des Beau kühne Machtschau. Zwei von ihnen empfanden die Brutalität gegen die Herzogin besonders stark. Sie begleiteten sie, ebenso wie Chloe.
»Das ist eine Frau, die nichts verliert, wenn sie mich fürchtet,« sagte der Beau zu sich.