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Capitel XII.

Ein Blick auf Papeetee. Wir werden an Bord einer Fregatte geschickt. Unser Empfang bei den Franzosen.

Das kleine Städtchen Papeetee machte einen ungemein freundlichen Eindruck auf uns; es liegt in einem Halbzirkel um die Bai herum und die geschmackvollen Gebäude der Häuptlinge und Europäer verleihen ihm eine tropische Eleganz, die noch besonders durch die wehenden Palmbäume und die tiefdunkeln Gruppen der Brodfruchtbäume, die den Hintergrund bilden, vermehrt wird. Die niederen Hütten der ärmern Bewohner werden von den andern bedeckt, und vermindern also in keiner Weise den freundlichen Anblick.

Dicht um das Wasser herum erstreckt sich der breite, glatte Strand, der aus Korallenstücken und Kieseln gemischt ist. Dieser bildet die Hauptstraße des Städtchens und die schönsten Häuser umgeben ihn, wobei auch die geringe Fluth Die Newton'sche Theorie, die Fluth betreffend, findet auf Tahiti keine Anwendung, wo das ganze Jahr hindurch die Wasser gleichmäßig am Mittag und Mitternacht anfangen zu ebben, während mit Sonnenauf- und Niedergang die Fluth eintritt. Der Ausdruck Tooerar-Po bedeutet deshalb auch zugleich Hochwasser und Mitternacht. diesem Ort nur wenig hinderlich wird.

Die Pritchard-Residenz, ein schönes stattliches Gebäude, nimmt die eine Seite der Bai ein; ein grüner Wiesenplan senkt sich von ihr aus zur See hinab und vor ihr weht die englische Flagge. Ueber dem Wasser drüben verkünden die dreifarbige Fahne und die Streifen und Sterne die Wohnungen der andern Consuln.

Das Pittoreske der Scene zu erhöhen, trug besonders der Rumpf eines alten Schiffes bei, das zu dieser Zeit auf dem Strand des Hafens hoch und trocken lag. Von dort aus wo wir ankerten, kam es uns gerade so vor, als ob die Bäume ihre Zweige dicht über sein Bugspriet zusammenschlängen, das ebenfalls starr und gerade emporstieg. Es war ein amerikanischer Wallfischfänger, ein sehr altes Fahrzeug, das in der Nähe des Landes einen Leck gesprungen und sich nun nach Tahiti begeben, um dort ausgebessert zu werden. Dort erkannte man es aber als total seeuntüchtig, nahm das Oel heraus, sandte es auf andern Fahrzeugen heimwärts und verkaufte nachher den Rumpf für ein Spottgeld.

Ehe ich Tahiti verließ, trieb mich die Neugierde, dies arme alte Schiff, das auf einen fremden Strand hinaufgeschleudert lag, einmal zu besuchen. Was waren meine Gefühle, als ich auf ihrem Stern den Namen eines kleinen Städtchens am Hudson erkannte; sie stammte von dem edeln Strom, an dessen Ufern ich geboren war, und in einem Augenblick mischten sich Palmen und Ulmen, Canoes und Kähne, Kirchthürme und Bambus, die ganze Vergangenheit und Gegenwart in ein wild verworrenes Bild zusammen.

Doch wir dürfen die kleine Jule nicht so lange allein lassen.

Endlich waren die Wünsche so Vieler erfüllt und wie das Wurfeisen eines Luftschiffers, so faßte unser kleiner rostiger Anker in die Korallenarme ein, die den Grund der Papeetee-Bai bilden. Es mußten mehr als vierzig Tage verflossen sein, seit wir die Marquesas-Inseln verlassen hatten.

Die Segel waren übrigens noch nicht beschlagen als ein Boot heranschoß, das keine geringere Person an unsern Bord führte, als den von der Mannschaft so sehr geachteten Consul Wilson.

– Wie ist das, wie ist das, Mr. Jermin? rief er, und sah äußerst wild aus, als er das Deck betrat. Was bringt Sie ohne Befehle hier herein?

– Sie kamen nicht zu uns, wie Sie es versprochen, Sir, lautete die derbe Antwort, und mit Niemandem das Schiff zu regieren, wäre es doch Wahnsinn gewesen, länger in See zu bleiben.

– Also diese niederträchtigen Hallunken hielten aus. Wirklich, – sehr gut, – dafür sollen sie schwitzen! und er überblickte die ihn grimmig anschauenden Seeleute mit ganz ungewohnter Keckheit. In der That fühlte er sich aber hier sicherer, als draußen vor den Riffen.

– Mustert die Meuterer auf dem Quarterdeck, fuhr er endlich fort. – Treibt sie alle aft hier, Sir, die Kranken und Gesunden, ich habe ein Wort mit ihnen zu reden.

– Nun, Leute, sagte er, nun denkt Ihr wohl, es ist Alles gut mit Euch, nicht wahr? Ihr wolltet das Schiff hier herein haben, und hier herein ist's auch wirklich gekommen. Capitän Guy ist am Ufer hier, und Ihr glaubt, Ihr werdet auch dahin gehen, darin sollt Ihr Euch aber ganz elendiglich getäuscht haben. (Dies letzte waren seine wirklichen Worte). Mr. Jermin lest die Namen derer ab, die den Gehorsam nicht verweigert haben und laßt sie herüber auf die Starbordseite treten.

Hiernach wurde eine Liste von den Meuterern gemacht, wie er so freundlich war die Uebrigen zu nennen, und der Doktor und ich befanden uns auch darunter, obgleich Jener vortrat und sich auf seine Stellung berief, die er von Sidney aus bekleidet habe. Auch machte ihn jetzt der Steuermann – der sich stets freundlich bewiesen, mit dem Dienst, den ich vor zwei Nächten geleistet, bekannt; ebenso mit meinem Betragen, als er erklärt hatte in den Hafen einlaufen zu wollen. Ich selbst blieb fest bei der Behauptung, daß nach meinem mit Capitän Guy abgeschlossenen Vertrag, meine Dienstzeit an Bord der Julia abgelaufen sei, da die Fahrt – wie? blieb sich gleich – wirklich und in der That zu Ende gebracht wäre, ich verlangte deshalb meine Entlassung.

Wilson wollte aber von alle dem nichts hören; in meinem Benehmen mochte er jedoch etwas finden, das ihm auffiel, er frug mich auch nach Namen und Vaterland und sagte dann mit einem maliciösen Blick:

– Aha, Ihr seid der Bursche, der den runden Robin geschrieben hat; auf Euch werde ich besonders Acht haben, mein guter Freund. Tretet zurück, Sir.

Was den armen Doktor Lattengeist betraf, so nannte er ihn einen »Sidney-Flaschenwürger«, obgleich ich nicht errathen konnte, was er mit diesem hochtrabenden Titel meinte. Der Doktor dagegen sagte ihm nun aber auch so ungenirt was er seinerseits von ihm, dem Konsul, dachte, daß dieser ihm wüthend zurief, still zu sein oder er würde ihn in die Rigging nehmen und Peitschen lassen. Es gab für uns keine Hülfe, wir wurden nach der Gesellschaft beurtheilt, in der man uns gefunden hatte.

Wir wurden nun Alle nach vorn geschickt; keiner aber sagte uns, was mit uns geschehen würde.

Nach einem kurzen Gespräch mit dem Steuermann zog sich der Konsul wieder zurück und ging an Bord der französischen Fregatte, die etwa in Cabelslänge von uns lag. Wir erriethen nun seine Absicht und freuten uns, da die Sachen nun einmal so standen, darüber. In einem oder zwei Tagen sollte der Franzose nach Valparaiso absegeln, was das gewöhnliche Rendezvous der englischen Schwadronen im stillen Meere ist, und Wilson gedachte wahrscheinlich uns an Bord derselben zu geben, um dort ausgeliefert zu werden. War dem wirklich so, so hatten wir, wie unsre erfahrensten Kameraden behaupteten, weiter nichts zu fürchten, als eine kurze Fahrt auf einen von Ihrer Majestät Schiffen und unsre Entlassung über kurz oder lang in Portsmouth.

Wir zogen jetzt alle Kleider an die wir hatten, Jacke über Jacke, Hose über Hose, um augenblicklich bereit zu sein, da bewaffnete Schiffe kein übermäßiges Gepäck erlauben, wodurch die Decks beengt würden. Sobald wir also an Bord der Fregatte gefordert wurden, mußten unsre Kisten zurückbleiben.

In dem Verlauf einer Stunde etwa kam der erste Kutter der Reine blanche an unsre Seite, und zwar durch achtzehn oder zwanzig mit Cutlassen und Enterpistolen versehene Matrosen bemannt; auch trugen die Offiziere natürlich ihre Seitengewehre und der Consul stolzirte in einem offiziellen Dreimaster, den er sich für diese Gelegenheit geborgt hatte. Das Boot führte eine schwarze Piratenfarbe und die ganze Mannschaft bestand aus einer grimmigen, finster aussehenden Bande, die uns sicherlich nach des Consuls Plan gleich von Anfang an einschüchtern sollte.

Nach aft beordert, wurde jedes Mannes Name einzeln aufgerufen, und Jeder dann noch einmal feierlich ermahnt, daß dies der letzte Augenblick sei, wo er hoffen dürfe ungestraft zu entkommen, und wo Jeder dann zuletzt die Frage beantworten mußte, ob er noch immer die Erfüllung seiner Pflicht verweigere. Die einstimmige Antwort blieb: – Ja Sir, das thu ich, denn sobald Einer oder der Andere noch ein paar erklärende Worte hinzufügen wollte, so wurde er augenblicklich von Wilson unterbrochen und in den Kutter hinab beordert. Diesem Befehl gehorchten Alle mit größter Bereitwilligkeit und Manche sogar, um zu beweisen, wie gern sie Allen willfahrten, was vernünftiger Weise von ihnen verlangt werden konnte, tanzten und sprangen hinab.

Selbst die Invaliden, nachdem sie erklärt hatten, kein Tau mehr anzuziehen und wenn sie auch ganz gesund wieder würden, mußten uns in den Kutter begleiten und schienen besonders guter Laune, so daß sich schon einige Zweifel erhoben, ob sie überhaupt so krank gewesen, als sie vorgegeben.

Der Böttcher wurde zuletzt aufgerufen und wir hörten nicht, was er antwortete, aber er blieb zurück. Nichts geschah mit dem Mowree.

Als wir von der Julia abstießen, gab die Mannschaft drei laute Hurrahs, wofür Flash-Jack und Andere einen scharfen Verweis vom Consul erhielten.

Good bye kleine Jule, rief Navy Bob, als wir unter dem Bug dahinschossen.

– Fall nicht über Bord, Ropey, sagte ein Anderer zu dem armen Landlubber, der mit Wymontoo, dem Dänen und den übrigen Zurückgelassenen uns über das Vorcastle nachschaute.

– Gebt ihr noch drei! schrie Salem, sprang in die Höhe und schwang seinen Hut um den Kopf.

Ihr sacre verdamm Schurken! schrie der Lieutenant der Abtheilung und schlug Salem mit dem flachen Säbel über die Schultern – Ihr jetzt seid still!

Der Doktor und ich, vorsichtiger als die Uebrigen, saßen ruhig im Vordertheil des Kutters und obgleich ich keineswegs das Gethane bereute, so waren doch meine Gedanken nichts weniger als beneidenswerth.

Wenige Minuten später paradirten wir in der Fregatte Gangweg und der erste Lieutenant, ein ältlicher, gelbsüchtiger Offizier in einem gräulich zugeschnittenen Uniformsrock mit verschossener Goldborte, kam auf uns zu und blickte uns grimmig an. Der Kopf dieses Gentleman war ein einziger grauer Fleck; seine Beine glichen Stöcken, und seine ganze physische Kraft schien sich einzig und allein in einem fürchterlichen Schnurrbart erschöpft zu haben. Der alte Gamboge, wie wir ihn augenblicklich tauften, erhielt jetzt von dem Consul ein Papier, das er aufschlug und die überlieferten Waaren mit der Liste verglich.

Als er uns Alle für vollzählig befunden, überantwortete er uns einem kleinen schüchternen Seekadeten und bald sahen wir uns unter der Obhut von einem halben Dutzend Matrosen-Soldaten, Burschen mit Theerhüten und Musketen. Ein anderes Individuum, das wir für den Schiffscorporal hielten, als welchen ihn auch die Goldtressen auf dem Arm und sein Stock verkündeten, führte uns nun die Leitern hinab unter Deck.

Hier wurden wir höchst artiger und gewiß unerwarteter Weise mit Handschellen versehen und der Mann, der mit seinem Korb und einem ganzen Assortiment derselben herumging, suchte uns, mit wirklich liebenswürdiger Gefälligkeit, die passendsten aus. Einige, dadurch nicht wenig überrascht, wollten sich allerdings widersetzen, jede Sprödigkeit wurde aber bald besiegt und auch unsere Füße staken gleich darauf in schweren eisernen Ringen. Somit waren wir in unsere neue Wohnung förmlich eingezogen. – Der Henker hole Ihr kaltes Eisen, rief der Doktor, – wenn ich das gewußt hätte, wäre ich zurückgeblieben.

– Haha! lachte Flash-Jack, Ihr seid mit in die Patsche gekommen, Doktor Lattengeist.

– Meine Hände und Füße wenigstens, lautete die Antwort.

Man gab uns eine Schildwache, eine wahre Stange von einem Burschen, der mit einem fürchterlich alten und langen Cavalleriesäbel vor uns auf- und abstiefelte. Der Länge dieser Waffe nach zu urtheilen, mußte sie wirklich ursprünglich dazu bestimmt sein, eine ganze Schaar in Ordnung zu halten, damit der nämlich, der sie trug, über die Köpfe der Vornstehenden hinweg den sechsten oder siebenten Mann damit todtstechen konnte.

– Großer Gott! sagte der Doktor schaudernd, was muß das für ein gräßliches Gefühl sein, eine solche Säge in den Leib gestoßen zu bekommen.

Wir fasteten bis Abend, wo denn Einer der Leute mit ein paar Schüsseln kam, die eine dünne, safranfarbige Flüssigkeit enthielten, auf der einige Fettaugen herumschwammen. Der junge Schäker sagte uns allerdings, das sei Suppe, es erwies sich aber als nichts weiter, wie warm Wasser mit Fett. Was es jedoch auch sein mochte, wir verschlangen es, und unsre Schildwache war gefällig genug die Armbänder indessen an sich zu nehmen. Die Schüsseln gingen von Mund zu Mund und wurden bald geleert.

Am nächsten Morgen, als sich die Schildwache einmal von uns abwandte, warf uns Jemand, den wir für einen englischen Matrosen hielten, ein paar Orangen zu, deren Schalen wir später zu Bechern benutzten.

Am zweiten Tag fiel nichts merkwürdiges vor; am dritten ergötzte uns folgender Auftritt.

Ein Matrose, den wir für einen Bootsmann hielten, denn er hatte eine silberne Pfeife anhängen, kam, ein paar schluchzende Jungen vor sich her treibend und von einer ganzen Bande anderer in Thränen gefolgt, herunter. Die beiden ersten schienen hierher gesandt zu sein, um für irgend ein Vergehen ihre Strafe zu erhalten, die Uebrigen waren wohl nur aus Mitleiden gefolgt. Der Bootsmann ging aber hier augenblicklich an die Arbeit; er ergriff die armen kleinen Verbrecher an ihren lockern Jacken und gerbte sie mit einem spanischen Rohr tüchtig durch.

Die andern Knaben weinten und schrieen, rangen die Hände und fielen auf die Kniee nieder; doch alles umsonst. Wenn sie ihm zu nahe kamen, hieb der Bootsmann einmal nach ihnen aus und trieb sie, noch lauter als die Andern schreiend, zurück.

Inmitten dieses Tumultes kam ein junges Seekadetchen, beorderte den Mann an Deck und trieb die Kleinen nach allen Richtungen hinaus.

Navy Bob betrachtete diesen ganzen Vorgang mit unbeschreiblicher Verachtung; er war vor mehreren Jahren Capitän des Vor Top's auf einem Linienschiff gewesen, und seiner Meinung nach, konnte das eben Geschehene nur eine lubberhaftige Geschichte genannt werden. In der englischen Marine wurde so etwas anders betrieben.


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