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Wir beginnen hiermit die Veröffentlichung des Nachlasses von Guy de Maupassant. Er enthält Erzählungen, Novellen, litterarische Chroniken und Aufsätze, an deren geordneter Herausgabe der Verfasser durch einen frühen und jähen Tod verhindert worden ist.
Dieser erste Band enthält eine Reihe von Geschichten, deren Grundidee Maupassant in einigen seiner Bücher wieder aufgenommen und ausgestaltet hat. Sie finden hier ihren natürlichen Platz, denn sie lassen uns – ganz abgesehen von dem Interesse, das sie an sich zu beanspruchen haben, – die Entwickelung des Maupassant'schen Denkens und Schaffens bis in ihre Anfänge zurück verfolgen.
Wir sind uns bewußt, daß die Veröffentlichung dieser in seinen Papieren vorgefundenen und von ihm selbst noch geordneten Arbeiten dazu beitragen wird, das Interesse für den großen Schriftsteller und seinen Ruhm zu mehren.
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Mit dieser etwas knappen Vorrede beginnt der am heutigen Tage zugleich mit dieser Übersetzung erscheinende posthume Novellenband Guy de Maupassants »Le Père Milon«. Die Kürze der mir gesteckten Frist erlaubte nicht, den oben angedeuteten Gedanken, daß es sich in diesem Bande um mehrere Urbilder später ausgestalteter Werke handelt, des längeren auseinander zu setzen, und muß ich mir diese Aufgabe bis auf weiteres vorbehalten. Ein paar einleitende Worte mögen dennoch am Platze sein.
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Maupassant erscheint auch in diesem posthumen Bande als der Seelenkünstler und Meister des Styls, als der er geschätzt wird. Jedes der nachfolgenden Genrebildchen ist mit epigrammatischer Kürze wie mit unnachahmlicher Klarheit und Einfachheit hingezeichnet und erschließt in dieser meisterlichen Beschränkung eine ganze reiche Welt. Natürlich hat der große Seelenkenner und Pessimist, der eben, weil er Seelenkenner war, zum Pessimisten wurde, auch in dieser Sammlung mehr die Schattenseiten der menschlichen Natur als ihre Lichtseiten – in freilich virtuoser Weise – herausgearbeitet. Wenn trotzdem kaum eine dieser Novellen einen durchaus unbefriedigenden, quälenden Eindruck hinterläßt, so liegt das wohl daran, daß die bittere Wahrheit stets in die himmelblaue Schönheit feinster Stylkunst getaucht ist, und daß Maupassant neben den Dissonanzen des Menschenlebens auch die wundervollen Akkorde der Natur erklingen läßt, die er wie kein zweiter zu schildern weiß. Impressionistische Naturbilder, wie sie in der Novelle »Ein korsikanischer Bandit« entrollt werden, oder die Schilderung des regungslosen Teiches in der Herbstnacht, oder der Zauber eines Mondaufganges am feuchten Frühlingsabend gehören zu den Perlen Maupassant'scher Kunst und stehen den berühmten Schilderungen der Afrikanischen Reise nicht nach.
Natürlich stehen auch in dieser Sammlung die Weiber im Brennpunkt des Interesses. Wir sehen sie alle, von der Abenteuerin, deren Tochter aus Gram über den leichtfertigen Wandel der Mutter in den Tod geht, und der kleinen Pariser Beamtenfrau, die einen Minister des zweiten Kaiserreiches nasführt, von der jungen Frau, die der ungeliebte Gatte aus blinder sinnloser Eifersucht fast umbringt und sie gerade dadurch zu Mißtrauen und Untreue erzieht – bis zu der liebebedürftigen schönen Seele, die an einen langweiligen korrekten Pedanten gekettet ist und in einer zauberischen Mondnacht am Genfer See ihr Herz verliert, bis zu der alternden Frau, die in dem wehmütigen Gedanken: »Wie kurz ist doch ein Menschenleben!« an die fröhlichen und sorglosen Tage ihrer glücklichen Jugend zurückdenkt und unter altem Gerümpel von den Bildern der Vergangenheit wehmütig befallen wird, und bis zu der rührenden Gestalt der alten Jungfer, die in der Frühlingsnacht weint, als sie, das arme, nie geliebte Mädchen, das liebende, schäkernde Brautpaar bewachen soll . . .
Ich möchte an dieser Stelle eine technische Schlußbemerkung nicht unterdrücken. Es versteht sich von selbst, daß dieses Buch nicht nach beliebter Manier »frei nach Maupassant« erfunden ist, sondern sich eng an das Original anschließt. Wenn ich trotzdem an gewissen Stellen nicht bis zur Grenze des Erlaubten gegangen bin, so glaube ich mich trotzdem nicht am Urtext versündigt zu haben, der mir heilig ist. Die französische Sprache hat – ganz abgesehen davon, daß es französische Art ist, alles viel freier, naiver und ungeschminkter herauszusagen, als es bei uns anständig wäre – eine Fülle von Worten, die alles mögliche bedeuten können, während die Äquivalente bei uns – sehr eindeutig sind. Man lese z. B. einen Roman von Zola auf Französisch, und man wird verhältnismäßig wenig direkt Anstößiges darin finden; man lese ihn in »realistischer« Übersetzung, und man wird vorziehen, ihn nicht zu Ende zu lesen. Es heißt darum nicht, einen Autor fälschen, wenn man ihn in einer solchen Abtönung wiedergiebt, daß die Wirkung, die er hervorruft, in beiden Sprachen dieselbe bleibt.
Berlin, im Juli 1899.
Friedrich von Oppeln-Bronikowski.