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Eigentlich ist Guy de Maupassants Name zu groß, als daß es nötig wäre, eine Uebertragung seiner Schriften ins Deutsche erst noch zu rechtfertigen. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, daß sich einzelne Leute in dem Irrtum befinden, als sei der französische Dichter »obscön«. Dieses Urteil kann nach meiner Auffassung nur auf Zweierlei Weise hervorgerufen sein: Entweder stammt es von solchen, die nur ganz einzelnes von ihm gelesen haben, oder von solchen, deren Auge, statt auf die, auch für einen Franzosen unerhörte Schönheit des Stils und der Sprache, statt auf die unerreichte künstlerische Abrundung, statt auf seine abgründige Menschenkenntnis gerichtet zu sein, sich dem Geschlechtlichen in seiner Darstellung zuwandte. Gewiß bevorzugt der Dichter diese Seite, aber man möge nie vergessen, daß in französischer Art, Ausdrucksweise, Lebensführung und Auffassung die Beziehungen zwischen Mann und Frau viel freier sind, als bei uns. Dazu darf man im Französischen Dinge sagen, die wir nicht sagen können, eine Erscheinung die bei allen Romanischen Völkern im Gegensatz zu den Germanischen wiederkehrt. Ich möchte Maupassant, den ein Ästhetiker »einen der größten Künstler, die Frankreich je hervorgebracht« nannte, als das angesehen wissen, wofür ihn die Kunstkenner halten, als ein novellistisches Genie, wie es kaum dagewesen und wohl so leicht nicht wiederkehren wird.
Eine Geschichte fällt mir ein: vor einer Bildsäule stehen ein Künstler und ein Entrüstungsmensch, der die Figur mit entsetzten Augen betrachtet und sagt: »Sie ist ja nackt!« Worauf der Künstler, der nur das Kunstwerk bewundert, erstaunt antwortet. »Ach, darauf habe ich nicht geachtet!« Die Art zu sehen, trennte die beiden durch Welten.
Möchte Maupassant von so hohem Standpunkt aus betrachtet werden, wie er selbst als Künstler sah und stand.
Innichen in Tirol, im September 1897
Georg Freiherr von Ompteda