Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

III.

Wichtig war es, mit den in Flandern stehenden katholischen Emigranten in beständiger Fühlung zu bleiben und durch diese wieder mit dem spanischen Besatzungsheer, hier hatten auch, vom Madrider Hof gestützt, ja geradezu abgeordnet, die Jesuiten entscheidenden Einfluß.

Catesby kam daher mit dem Superior Garnet überein, daß man für den bevorstehenden großen Schlag – in welcher Gestalt er niedersausen würde, wollte Garnet von Catesby noch immer nicht hören – Guy Fawkes hinüberschickte. Im März trat Fawkes die Reise an. Unter dem Koller eingenäht trug er Briefe von Garnet und dem Jesuiten Baldwin an die Emigrantenhäupter Sir William Stanley und Hugh Owen, des Inhalts, daß Truppen bereitgehalten und am Meeresstrande gesammelt würden, um alsbald, wenn der Streich erfolgt sei, nach England eingeschifft zu werden. Fawkes erhielt Vollmacht, beiden Führern nach abgenommenem Eid den Plan auseinanderzusetzen.

Stanley und Owen nahmen den Abgesandten der Gesellschaft Jesu und ihrer rechtgläubigen Standesgenossen mit Auszeichnung auf. Der Plan fand ihre vollste Billigung. Der alte Fuchs Stanley zumal, berüchtigt durch den zur Ehre der Kirche vollzogenen Verrat, mit dem er vor zwanzig Jahren als Bundesgenosse der protestantischen Niederländer deren Festung Deventer den Spaniern ausgeliefert hatte, leckte sich gewissermaßen schon die Lippen nach dem fetten Ketzerbraten. Er stellte Fawkes dem spanischen General vor und wies ihm mit dessen Erlaubnis Standort und Vertrauenswürdigkeit der in Betracht kommenden Cadres nach. Freilich mußte Fawkes ziemlich tief in den Beutel greifen – einen Beutel, den Catesby ihm gefüllt –, um den frommen Eifer der Offiziere und Mannschaften gehörig anzuspornen.

Der Beutel war leer, als Fawkes nach London zurückkehrte. Catesby lachte gutmütig darüber, er hatte es nicht anders erwartet, aber seine Ausgaben für das Unternehmen hatten nun doch eine schwindelnde Höhe erreicht. Auch in England selbst mußten unter den Soldaten und Landleuten Parteigänger mit schnödem Mammon geworben werden. Einige Arme vom Adel, die man nicht übergehen mochte, lebten geradezu aus Catesbys Tasche. Der konnte es allein nicht länger schaffen. Er ging Percy um finanzielle Unterstützung an. Percy unterschlug unbedenklich Renten und Pachtgelder von seines Vetters Gütern. Aber auch diese konnten auf die Dauer nicht genügen. So zogen sie denn notgedrungen noch zwei katholische Herren von Rang und Reichtum ins Vertrauen, Sir Francis Tresham und Sir Everard Digby. Beide hatten sich in früheren Verschwörungen bewährt, waren aber im allgemeinen wenig beliebt. Digby galt für einen gutmütigen Schwächling, der jetzt ganz in seiner Familie aufging, Tresham für einen unsteten Wirrkopf und hinterhältigen Schleicher, der neuerdings jeden Widerstand gegen die Regierung als nutzlos bespöttelte. Catesbys Plan imponierte ihm durchaus nicht. »Daß Ihr dabei nur nicht selber in die Luft fliegt!« meinte er trocken, sagte aber seine Mitwirkung »ehrenhalber« zu und leistete, ebenso wie Digby, regelmäßig die versprochenen Zuschüsse.

Selten und nur vorübergehend hielt sich Robert Catesby während dieses Frühjahrs und Sommers in Lengworth bei den Seinen auf. Die Beratungen drängten sich; vielerlei Leute, nicht immer von der anständigsten Sorte, mußte er bei sich sehen. Da störten ihn die ängstlich fragenden Blicke seiner ahnungslosen Frau, das kindliche Geschwätz seines Söhnchens. Lieber hielt er sein Haus rein von all den verstohlenen Schritten staubiger Reiterstiefeln, von dem zweideutigen Geflüster, dem erpresserischen Gebettel unvermeidlicher Helfershelfer, traf sich mit ihnen statt dessen in den Spelunken abgelegener Dörfer oder in den Schlupfwinkeln der Jesuiten.

Im Mai flackerten als Folge schreiender Ungerechtigkeiten und Quälereien unter den Katholischen in Wales hier und dort bewaffnete Unruhen auf – Catesby und seinen Gefährten höchst unwillkommen, da die Angriffslust und Kraft der Glaubensgenossen dadurch zu leicht zersplittert und schärfere Maßnahmen des Kabinetts herbeigeführt werden konnten.

Catesby begab sich in das Aufstandsgebiet und nahm Rücksprache mit dem Anführer Ambrosius Rockwood. Auch dieser wurde nun in den engeren Kreis der Pulververschwörer aufgenommen und ihm bedeutet, daß er seine Meute sofort zurückpfeifen möge. Nur jetzt sich nicht in Revolten verzetteln, sondern alle Kraft und Erbitterung der Massen aufsparen für den Augenblick, wo man im ganzen Lande gemeinsam losschlagen würde!

Rockwood, ein handfester Willensmensch und Draufgänger, seiner Bildungsstufe nach aber mehr Bauer als Edelmann, bekam vor Sir Catesbys Verstand und weltmännischem Auftreten einen gewaltigen Respekt. Ja, solch feine Herren lernten auch feine Ränke spinnen! Das ganze Parlament in die Luft? Goddam, das war allerdings etwas anderes als seine gälischen Bauernputsche, mit denen man ja doch nie von der Stelle kam! Da war er selbstverständlich dabei; nur wollte er wissen, wieviel Jahre Ablaß man wohl für die Teilnahme an diesem verdienstlichen Werk gewänne. Catesby meinte, über die Maßen viel; wegen der genauen Zahl verwies er ihn an den Jesuitenpater Gerrard.

Noch bevor Rockwood seine Gegenmaßregeln getroffen hatte, waren die Unruhen in Wales bereits von den Polizeitruppen niedergeschlagen. Die Regierung hatte sie überhaupt nicht ernst genommen. Es hieß, der Kanzler Salisbury halte die katholische Gefahr auf lange hinaus für beseitigt, ernstlicher, geschlossener Widerstand werde von keinem Papisten mehr gewagt, ängstlich sei allein noch König Jacobs Allerhöchste Person.

*

In einem abgelegenen Fischerdorfs, nahe bei Hythe am Kanal von Dover, brachte Pater Garnet idyllische Frühlingswochen zu. Der Schankwirt, bei dem er Unterkunft gefunden hatte, vermutete in ihm einen erholungsbedürftigen Kaufmann aus London. Erholungsbedürftig war Garnet in der Tat. Er überarbeitete sich leicht im Studium der Moraltheologie, die neben der Politik sein Lieblingsfach war, litt an Kopfweh und Schlaflosigkeit, die er mit Seebädern zu kurieren pflegte.

Als Naturfreund schätzte er auch lange Spaziergänge den einsamen Strand entlang, wobei er seltene oder schön geformte Muscheln sammelte, die mannigfachen Färbungen des Meeres bewunderte und die Möwen mit Brosamen fütterte. Der grimmige Kampf, den er für seine Kirche führte, beschäftigte hier seine Gedanken nur im Hintergrund. Ernsthaft und dringlich würde seine Mitarbeit erst wieder im Herbste werden, wenn die Herren der Gentry zu ihrem geheimnisvollen großen Schlage ausholten, vorderhand war er noch gar nicht neugierig, was sie da ausgeheckt hatten. Hauptsache blieb, daß es ihnen gelang und den weitergreifenden Ideen der Gesellschaft Jesu die Wege ebnete.

Mit Englands Katholiken allein war nicht viel anzufangen. Garnet hatte all seine Hoffnungen immer nur auf eine spanische Invasion gesetzt; die zu betreiben, hielt er für seine eigentliche Aufgabe. So hatte er erst kürzlich wieder einige Brüder nach Madrid gesandt, bei den dortigen Oberen anzufragen, unter welchen Voraussetzungen der König zu einer Erneuerung des Krieges bereit sei. von den Unruhen in Wales hielt er gar nichts. Das war nur ein »wilder« Aufstand; die Jesuiten hatten dabei die Hand nicht im Spiel gehabt.

An einem milden Abend Ende Mai tauchte Sir Catesby im Dörfchen auf, kam wie ein harmloser Pächter in Geschäften von Norden her angeritten und stieg beim Schankwirt ab.

Garnet sah die aufrechte, einnehmende Erscheinung gern und ließ sich, wenn er frei von Arbeit war, von des Offiziers allzeit guter Laune mit fortreißen. Er empfand sogar etwas wie herzliche Freundschaft für den übermütigen, großen Jungen, sorgte sich, er möchte sich mit seinem Tatendrang einmal recht in die Nesseln setzen.

Diesmal aber kam Robert Catesby mit einem wahrhaft diplomatischen verlangen zu ihm. Er bat Garnet, seinen Einfluß geltend zu machen, daß weitere Aufstände der Katholiken im Lande unterblieben. Der Superior erwiderte ihm, das stehe nicht in seiner Macht, die Bauern hätten ihren eigenen Kopf.

»So ruft den heiligen Vater selbst zu Hilfe,« schlug Catesby vor, »dem werden sie den Gehorsam wohl nicht weigern. Ich sage Euch nur soviel: wenn unsere Leute nicht lernen, sich zu mäßigen und abzuwarten, kommen sie uns höllisch in die Quere. Schließlich liefern sie mich und meine Kameraden noch an den Galgen.«

»Ei, ei! Also der Galgen steht darauf?« Garnet drohte lächelnd mit dem Finger. »Nun, so werde ich wohl das Meinige tun müssen, meinen guten Freund der guten Sache zu erhalten.«

Er setzte also ein Schreiben an den Jesuitengeneral Aquaviva auf, zur Weiterbeförderung an Seine Heiligkeit, in dem er mitteilte, daß der katholische Adel von England ein sehr aussichtsreiches Kampfprojekt ausgearbeitet habe, das durch vorherige planwidrige Revolten keineswegs gestört werden dürfe. Rom möge daher an die Gläubigen von England strengen Befehl erteilen, daß alle Unruhen unterblieben und die ketzerische Regierung um so tiefer in Sicherheit gewiegt werde. Garner las das Schreiben dem Sir Catesby vor; der war befriedigt davon, ersuchte nur, den Schlußsatz zu streichen, worin Garnet empfahl, daß auf den Fall des Ungehorsams kirchliche Strafen gesetzt würden. Das gehe nun wiederum zu weit und möchte am Ende gewissenhafte Gemüter wie Digby und die Brüder Winter von der Teilnahme am Komplott selbst abschrecken.

Robert Catesby ließ es sich nicht nehmen, auf einem Segler, den er sich mietete, den Brief persönlich zu den Jesuiten in Calais hinüberzubringen, von wo er dann mit der regelmäßigen Kollegialpost nach Rom weiterbefördert wurde.

Zurückgekehrt, sprach er Pater Garnet nur noch eine halbe Stunde. Er drang in ihn, sich doch endlich über das Komplott genau unterrichten zu lassen; man wolle auch darin auf seinen praktischen Rat nicht verzichten.

»Gut, wenn Ihr es denn durchaus wollt,« willigte Garnet ein, »so gibt es dafür nur eine Form, die der Beichte.« Catesby war auf der Stelle dazu bereit und legte seine Miene schon in gottselige Falten.

»Oh nein, mein Herr Leichtfuß,« klärte der Pater belustigt das Mißverständnis auf, »nicht von Euch will ich es wissen. Damit würdet Ihr uns beide nur in Ungelegenheiten bringen. Auch verbietet mir meine Pflicht als Beichtvater, Euch bei einer Sünde, die Ihr erst begehen wollt, Vorschub zu leisten. Mit Eurer Beichte wartet lieber, bis Ihr die Tat begangen und bereut habt und bereit zur Buße seid! Wir können es nur so ordnen, daß Ihr dem Pater Greenwell außerhalb der Beichte alles auseinandersetzt und dieser mir beichtend das Wissenswerte wiederholt.« Auf solcherlei Schleichwegen des moralistisch eingezwängten Geistes fand sich Catesbys simpler Sinn nicht zurecht. Doch glaubte er dem frommen Pater aufs Wort, daß jede andre Form der Kenntnisnahme mit zeitlichen und ewigen Strafen bedroht sei.

Bereits nach wenigen Tagen traf Pater Tesmond-Greenwell in dem Fischerdorfe ein. Den Bericht, den er über die innere Bereitschaft der katholischen Adeligen und Bauern von Cornwall, Devonshire und Somerset erstattete, lautete günstig. Die Gläubigen standen dort gleichsam Gewehr bei Fuß. Sie gehorchten der Parole, schweigend noch eine Weile zu dulden, bis sie das Zeichen zum allgemeinen Losschlagen erhalten würden. Die Gentry ahnte, daß irgend etwas Wichtiges im Werke war, erblickte auch schon in Catesby den kommenden Führer.

Thomas Percy hatte rückhaltlos Beichte abgelegt; über deren Inhalt sagte Greenwell natürlich nichts aus, ließ nur durchblicken, daß zwischen Percy und Catesby volles Einvernehmen bestehe. Dieser hatte ihm in geschäftlicher Aussprache die Einzelheiten des Komplotts enthüllt und ihn selbst gleich als Teilnehmer geworben. Hierüber nun sollte Garnet seines Ordensbruders Beichte hören.

Die beiden Jesuiten schlenderten im Abendsonnenschein den Strand entlang, zuweilen unterbrachen sie ihr Gespräch, um die Blicke sinnend und nicht ganz sorgenfrei über die rosig schimmernde, leicht bewegte See gleiten zu lassen, wo Schiffer ihre Netze in die Boote zogen und nacktfüßige Kinder sich zwischen den Klippen tummelten.

»Möchtest du deine Beichte wohl in meiner Stube über dem Schankraum, vor meinem dreibeinigen Sessel ablegen?« meinte der Superior. »Das wäre keine rechte Andachtsstätte. Traue ich mich doch nicht einmal, ein Betpult und ein Muttergottesbild mit Weihwasserbecken dort aufzustellen. Ich schlage vor, stattdessen, weiterwandelnd in Gottes herrlicher Natur und geschützt vor Wänden, die Ohren haben, zu vernehmen, was du mir zu bekennen hast.«

Greenwell erklärte sich im Tone militärischen Gehorsams, den er seinen Oberen gegenüber jederzeit, selbst wenn sie scherzten, beibehielt, dazu bereit. Das asketisch hagere Antlitz des jungen Mannes, in dem die Spuren von Kampf und Leiden unter harter Zucht vorzeitig versteinert waren, verriet mit keinem Wimperzucken, was in seiner Seele vorging. Mit frostiger, tonloser Stimme sprach er die vorgeschriebene Formel » Confiteor Deo omnipotenti«, beugte das Knie, bekreuzigte sich wie vor einem unsichtbaren Altar und enthüllte dann unter der Form einer Selbstanklage, die sich auf Schuld des sündigen Vorsatzes gründete, die Phasen und Aussichten des Komplotts, soweit es bis jetzt gediehen war. Den ritualen Schluß sprach er wieder in Latein: »So flehe ich denn Maria, die selige Jungfrau, den Erzengel Michael, Johannes den Täufer, die heiligen Apostel Petrus und Paulus, alle Heiligen und dich, Vater, an, für mich zu bitten beim Herrn, unserm Gott.«

Der Superior hatte die lange, von grauenhaften Vorstellungen strotzende Beichte mit keinem Worte unterbrochen. Jetzt erst nach einer Pause, in der seine Gedanken weit über die Grenzen kirchlicher Pflichten hinauszuschweifen schienen, sprach er zerstreut, wie nebenbei, das » Non absolvo« und fügte gleich hinzu:

»Gott mag wissen, wer dir und euch allen in dieser fürchterlichen Sache dereinst Absolution erteilen wird. Wahrlich, so grausam blutig hatte ich sie mir nicht vorgestellt.« Er schien aufrichtig erschüttert. Seine Hand faßte die des Ordensbruders, hielt sie beschwörend fest und legte sich dann vertraulich um dessen Schulter:

»Mein lieber Bruder Tesmond, in was für ein entsetzliches Abenteuer sind wir da verstrickt! Ja, ich nehme mich und unsern Orden selbstverständlich nicht davon aus. Wir werden diese Tollköpfe gewähren lassen müssen; denn es kann ja sein – Gott gebe es! – daß alles noch gut ausgeht und wir vielleicht auch ohne jene abscheuliche Tat zum Ziele gelangen. Wir möchten Robert Catesby nun wohl nochmals davor warnen; doch würde es sicher vergebens sein. Was bleibt uns übrig, als zu sorgen, daß ihm und unseren Bundesgenossen kein Nachteil widerfährt! Als dein Beichtiger kann ich dir nur raten: versuche du es, ihm abzureden und hüte dich, daß du nicht schuldiger wirst, als du schon bist.«

»Ich werde mein Bestes tun,« erwiderte Greenwell kurz, wissend, daß sich der Superior in seiner Eigenschaft als Beichtvater mit diesem Vorsatz zufrieden geben konnte, als Streiter der Kirche aber gewiß keinen Rückzug wünschte.

Auf rein politischem, nicht auf religiösem Gebiete bewegten sich die Fragen, die Garnet nun weiter an ihn richtete: welche Vorsichtsmaßregeln getroffen seien gegen einen möglichen Verrat, wieweit die Emigranten in Flandern und die spanischen Kommandostellen von der Art des Anschlags unterrichtet seien, wen man als Protektor ausersehen habe, heftig bewegte ihn und bedrückte sein Gewissen, daß auch der zweite Sohn des Königs, der kleine Herzog von York, der im Londoner Palaste wohnte, umgebracht werden sollte. Er grübelte über einen Ausweg, wie dies ohne Gefahr für die neugeregelte Thronfolge zu vermeiden sei.

Aber je länger er sich mit Greenwell über die Verschwörung besprach, desto heftiger entflammte er sich an deren Kühnheit und vernichtungsschwangeren Gewalt, desto mehr nahmen seine Warnungen die Form gewiegter Ratschläge an, bis er sich schließlich zu dem Stoßgebet verstieg:

»Heilige Gnadenmutter, schütze uns, daß wir heil und siegreich daraus hervorgehen!«

*

Ein hübsches, behagliches Landhaus unweit Ashby in der Grafschaft Leicester war Lady Leonora Catesbys Witwensitz. Hier hatte sich die rüstige, lebensfrohe Dame mit einer Schar anhänglicher Haustiere, als da sind Pferde und Esel, Hunde und Rassekater und prächtig gefiederte Kakadus, umgeben. Hier spann und gärtnerte sie, sang und schlug die Laute oder ergötzte sich mit Freundinnen, die lachend und schwatzend ihre Gastzimmer bevölkerten, am Ballspiel.

Die Politik ihres Landes verfolgte sie mit Interesse, doch nur, weil sich ihr Sohn Robert so leidenschaftlich darin verstrickt hatte. Selten fand er Zeit, sich einmal nach seiner Mutter umzusehen. Um so größer die Freude, als im Juli Botschaft von ihm eintraf: »Erwarte mich! Zwei Herren von Stande möchte ich gern zu geschäftlicher Rücksprache ungestört unter Deinem Dach empfangen dürfen.« Im Nu war das Haus von der munteren Damenwelt geräumt; selbst die Gesellschafterin wurde beurlaubt. Lady Leonora hatte längst erraten, daß Robert wieder einmal gefährlich konspirierte.

Sie sagte es ihm auf den Kopf zu, ohne Empfindelei oder Vorwürfe, ja mit einem gewissen Stolz auf seine Bedeutung für Land und Kirche, ob ihr auch die Pulse rascher schlugen. Zu oft schon hatte sie in den letzten Jahren um sein Leben bangen müssen.

Er bestritt es auch nicht und räumte ihr kaltblütig ein, daß er ein beispielloses Unternehmen in die Wege geleitet habe. Es müsse ausgeführt werden zum Besten der Kirche und zum höheren Ruhme der Familie.

»Oh, die Familie ...!« Die war Lady Leonoras Idol, und Robert war der Familie vollkommenster Vertreter. Aus der Kirche machte sie sich weniger; da genügte ihr die Erfüllung der vorgeschriebenen religiösen Pflichten. »Ich bin sicher, Robby, du wirst den Namen unsrer Familie in der Welt unsterblich machen. Aber deshalb mußt du auch darauf bedacht sein, dich ihr so lange wie möglich zu erhalten.«

»Genau so lange, wie die Sache es verlangt,« erwiderte er keck. Als er bemerkte, daß sich ihre hohe, weiße Stirn unter dem Schopf von braunrotem Keltenhaar nun doch umwölkte, küßte er ihr begütigend die Hand: »Nicht zweifeln, Mutter! Eh' daß sie mich gefallen auf dem Schilde zu dir bringen, fliegt erst das ganze Königreich in die Luft.«

Sir Tresham und Pater Garnet waren es, die Catesby hier erwartete. Er stellte sie seiner Mutter vor und warnte diese, gegen niemand die neue Bekanntschaft zu erwähnen.

»Well,« sagte sie mit Schelmerei, »ich werde suchen, die Gentlemen zu vergessen – bis dir und ihnen das Werk geglückt ist. Dann aber hoffe ich bestimmt, sie wiederzusehen.«

Einen Tag lang hockten die drei Männer über Foliobogen zusammen, die mit Namen und Ziffern bedeckt waren, stritten über Pferde- und Mannschaftsbestände, summierten, strichen aus, so lange bis sie sich über Zahl und Vertrauenswert der Katholiken Englands, die unter Waffen treten sollten, einig waren. Die endgültige Liste sollte Garnet dem Papst übersenden, weil Seine Heiligkeit nur dann die Zustimmung zu einer Insurrektion geben würde, wenn er die Gewißheit habe, daß es sich lohne, sie zu unterstützen.

Zum Schluß verlangte Tresham – weniger aus Mitgefühl als aus Furcht vor peinlichen Folgen –, daß die der Parlamentseröffnung beiwohnenden katholischen Lords unter der Hand gewarnt würden. Garnet stimmte ihm bei. Doch Catesby wollte davon nichts wissen. Diese Herren vom Oberhaus waren zu eng mit der Regierung verbunden, als daß man ihrer Verschwiegenheit sicher sein durfte. Es blieb dabei: ausnahmslos sollten sie mit den Ketzern zusammen untergehen. –

Als Lady Leonora am nächsten Morgen in aller Frühe die Ställe und Zwinger öffnete, war ihr rastloser Sohn mit seinen Begleitern schon wieder unterwegs.

Henry Garnet eilte an seinen Strand zurück, einen Sir Baynham dem Papst als Boten zu senden. Nicht als Vater der Christenheit, sondern als weltlicher Fürst ward Paul der Fünfte, der eben erst die Tiara erhalten hatte, von der Verschwörung unterrichtet. Ihn, wie seine beiden Vorgänger, beschwor der Superior, alle Aufstände der Katholischen zu verhindern, unter Hinweis auf die zentrale Leitung, die mit Zustimmung der Jesuiten in Sir Catesbys Händen liege. Des weiteren schrieb er seinem Ordensbruder Baldwin nach Flandern, er möge Hugh Owen veranlassen, den kommandierenden spanischen General anzugehen, daß er Catesby ein Reiterregiment übergebe – nicht in Wahrheit, sondern als einen Deckmantel, um Catesbys Werbungen unter dem englischen Landvolk im Notfall damit erklären zu können.

Tresham kehrte nach seinem Schlosse in Northamptonshire zurück, sandte pünktlich die versprochenen Werbegelder an Catesby, wies aber andere Verschwörer, die mit allerhand Anliegen zu ihm kamen, finster und mürrisch ab, man solle ihn nun endlich mit dem verrückten Zeug in Ruhe lassen. Nicht einmal seinen Pater Greenwell ließ er vor: er sei krank und werde den Beichtvater schon rufen, wenn es ans Sterben ginge. In der Tat fesselte ihn ein schmerzhaftes Blasenleiden ans Bett; Todesgedanken entfremdeten ihn den Händeln einer Welt, die ihn zeitlebens geärgert und verbittert hatte.

Catesby begab sich an die Westküste, wo er sich bald in diesem, bald in jenem Seebad Genossen hinzugewann. Nicht in das eigentliche Pulverkomplott, das auf die dreizehn bisherigen Verschwörer beschränkt blieb, weihte er sie ein, sondern nur in die Vorbereitung der allgemein erwünschten Revolution gegen die ketzerische Tyrannei.

In St.-Winfrieds-Wall, wo sich der Adel der Umgegend ohnehin alljährlich zu Wettschwimmen und Pharospiel zusammenfand, sah Catesby seine Getreuen fast vollzählig um sich. Hier entwarf er mit ihnen einen förmlichen Kriegsplan, verteilte die Offiziersstellen, zum Teil auch schon die späteren Ämter und bezeichnete die Häfen, in denen man die flandrischen Truppen zu empfangen habe. Allgemein herrschte frohe Zuversicht auf glattes Gelingen. Beim Baden, Rudern und Segeln, hinter den Karten und Humpen schwelgten die hitzköpfigen Landjunker bereits im Vorgefühl befriedigter Rache, bauten Luftschlösser des Ehrgeizes, berechneten den Zuwachs ihrer Güter.

Noch einmal wurde die Eröffnung des Parlaments vom König verschoben, und zwar auf den 5. November. Das steigerte Catesbys Ungeduld zu einem wahren Fieber. Er kam sich vor wie der huntsman, dem die kaum noch zu zügelnde Meute blaffend an den Riemen zerrt.

Inzwischen waren Thomas Percy und Guy Fawkes in London nicht untätig geblieben. Die sechsunddreißig Pulverfässer hatten sie zur Nachtzeit in den Keller des Parlamentsgebäudes geschafft. Ohne Aufsehen zu erregen, war es vonstatten gegangen. Etwa Vorübergehende mochten angenommen haben, daß Weinfässer abgeladen würden. Der gesamte Vorrat Pulver war mit Kohlen und Reisig bedeckt worden. Fawkes quartierte sich im Nebenhaus ein und suchte den Keller jeden Morgen und jeden Abend gewissenhaft ab, ob alles in Ordnung sei. Seine Aufgabe war es auch, das Pulver mit der Lunte zur Explosion zu bringen. Unmittelbar darnach sollte er ein auf der Themse bereitliegendes Boot besteigen und nach Flandern flüchten, wo die Emigranten unter Stanleys und Owens Führung ihn erwarteten. Dann würden die spanischen Truppen nicht länger zögern und die anderen katholischen Mächte der vollzogenen Tatsache ihren Beistand leihen.


 << zurück weiter >>