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Neuntes Kapitel.

Der Mantuanische Erbfolgestreit war noch immer nicht beendet, noch immer ging der Krieg um die Nachfolge in den Staaten des Herzogs Vincenzo Gonzaga des Zweiten. Nach dem Tode jenes Herzogs hatte der nächstverwandte Erbe, Carlo Gonzaga, das Haupt eines jüngeren, nach Frankreich übergesiedelten Zweiges, wo derselbe die Herzogtümer Nevers und Retel besaß, die Herrschaft von Mantua und auch von Monferrato übernommen. Die spanische Regierung, welche unter allen Umständen den neuen Fürsten von beiden Lehen ausschließen wollte und deshalb eines Beweggrundes bedurfte – denn ohne diesen wäre ein Krieg eine entsetzlich ungerechte Sache – hatte sich wegen Mantua für Ferrante, Herzog von Guastalla, einen andern Gonzagen, wegen Monferrato für Karl Emanuel I., Herzog von Savoyen, und Margaretha Gonzaga, verwitwete Herzogin von Lothringen, erklärt. Don Gonzalo, der spanische Statthalter in Mailand, war schon in Flandern als Befehlshaber im Kriege aufgetreten, wünschte über alle Maßen dieselbe Rolle auch in Italien zu spielen und mochte wohl derjenige sein, welcher die Flammen am eifrigsten dabei schürte; während er also die Absichten der Regierung sich erklärte und ihren Befehlen vorauslief, hatte er mit dem Herzog von Savoyen ein Angriffs- und Teilungsbündnis wegen Monferrato geschlossen; vom Grafen Herzog erhielt er bald die Bestätigung, denn er spiegelte ihm den Erwerb von Casale, welches in der dem Könige von Spanien bestimmten Hälfte der festeste Punkt war, als eine leichte Sache vor. Doch erklärte er im Namen desselben, das Land nur als ein anvertrautes Gut zu besetzen und den Ausspruch des Kaisers abzuwarten, welcher teils auf Verwendung anderer, teils aus eigenen Beweggründen dem neuen Herzog die Belehnung versagt und ihm geboten hatte, die strittigen Lande seiner eigenen Zwischenverwaltung zu überlassen; er würde die Parteien vernehmen und den Besitz demjenigen zusprechen, auf dessen Seite das Recht wäre. Dazu wollte sich Carlo Gonzaga nicht bequemen.

Indessen hatte auch er gewichtige Freunde, den Kardinal Richelieu, den Senat von Venedig und den Papst. Der Kardinal aber, damals in die Belagerung von Rochelle und in einen Krieg mit England verwickelt, dabei von der Partei der Königin Mutter, Maria von Medici, welche aus gewissen Ursachen dem Hause Nevers entgegen war, gehemmt, konnte nur mit Hoffnungen beipflichten.

So konnten die beiden zum Angriff Verbündeten desto sicherer die verabredete Unternehmung beginnen. Karl Emanuel war in Monferrato eingedrungen, Don Gonzalo hatte kriegslustig die Belagerung von Casale angefangen. Doch fand er dabei nicht ganz die Befriedigung, die er sich versprochen hatte. Niemand schreitet im Kriege immer auf Rosen. Mit der Belagerung ging es kläglich; sie zog sich in die Länge und kam bisweilen zurück; die Besatzung war stark, benahm sich klug und entschlossen, während er nur wenig Leute hatte und manchen verkehrten Schritt tat.

Nun hatte Kardinal Richelieu nach der Einnahme von Rochelle mit dem König von England, so gut es ging, Frieden geschlossen und durch sein gewichtiges Wort im französischen Staatsrat bewirkt, daß man tätig zur Unterstützung des Herzogs von Nevers eilte; den König hatte er beredet, den Feldzug in eigener Person zu tun. Während man die Zurüstungen traf, bedeutete der Graf von Nassau als Beauftragter des Kaisers dem neuen Herzoge in Mantua, er möchte seine Staaten in Ferdinands Hände geben, wo nicht, so würde dieser durch ein Heer sie besetzen lassen. Der Herzog, welcher in weit verzweifelteren Umständen sich gegen eine so harte und schlechtbegründete Zumutung gewehrt hatte, sträubte sich jetzt, da Frankreichs Unterstützung so nahe war, um so lebhafter; aber die Weigerung lag in umständliche Ausdrücke gehüllt, und seine Gegenvorschläge klangen nach Unterwürfigkeit. Der Graf reiste ab und versicherte gewaltsame Maßregeln. Im März aber rückte der Kardinal Richelieu mit dem Könige an der Spitze eines Heeres wirklich herbei; er verlangte vom Herzog von Savoyen den Durchweg; man unterhandelte, kam aber nicht zum Schluß; nach einem Gefechte jedoch, bei welchem der Vorteil auf seiten der Franzosen war, näherte man sich von neuem und kam überein: Don Gonzalo solle die Belagerung von Casale aufheben; weigerte sich derselbe, so wollte der Herzog, mit den Franzosen vereint, einen Angriff auf Mailand machen. Don Gonzalo erhaschte die Gelegenheit, wohlfeil davonzukommen, brach sein Lager ab, und augenblicklich rückte zur Verstärkung der Garnison ein französischer Heereshaufe in Casale ein. Dringendere Angelegenheiten forderten indessen den König von Frankreich und Kardinal Richelieu in Frankreich; sie kehrten daher mit dem Hauptheer zurück.

Während dieses Heer hinwegzog, näherte sich von der andern Seite das kaiserliche unter Anführung des Grafen Colalto; es war in das Grigionigebiet und die Valtellina eingerückt und machte sich bereit, ins Mailändische herabzusteigen. Außer all den Schrecken, welche die Kunde dieses Durchzugs erweckte, lief auch das traurige Gerücht, ja, man hatte bestimmte Nachrichten, daß in diesem Heer die Pest schleiche, von welcher damals in den deutschen Kriegeshaufen immer einige Funken zu glimmen pflegten. Alessandro Tadino, ein Arzt vom Gesundheitsausschuß, erhielt vom Gerichtshofe den Auftrag, dem Statthalter die grauenvolle Gefahr für das Land vorzustellen, wenn diesem Kriegsvolke der Durchzug nach Mantua gestattet würde. Aus Don Gonzales ganzem Benehmen ergibt sich das sehnsüchtige Streben, sich in der Geschichte einen Namen zu machen, und dieser ließ sich durch seine Handlungen allerdings erlangen; aber er kannte, wie es oft der Fall, oder er beachtete seine denkwürdigste Handlung nicht, die Antwort nämlich, welche er bei dieser Gelegenheit dem Arzte gegeben. Er wisse nicht, sagte er, was zu tun sei; Vorteil und Ehre hätten das Heer in Bewegung gesetzt und seien zwei Gründe, die schwerer als die vorgestellte Gefahr ins Gewicht fielen; dennoch sollte aufs beste dagegen gewirkt und auf den Schirm der Vorsehung gehofft werden.

Um also aufs beste dagegen zu wirken, machten zwei Ärzte im Gerichtshofe den Vorschlag, man solle bei den härtesten Strafen verbieten, irgend etwas von den durchkommenden Soldaten zu kaufen; die Zweckmäßigkeit einer solchen Verordnung aber wollte dem Vorsitzer nicht einleuchten; »es war ein herzensguter Mann;« sagt Tadino, »welcher indessen nicht einsehen wollte, wie der Verkehr mit jenen Leuten und ihren Sachen so vielen Tausenden von Menschen Gefahr bringen könnte.« Wir führen diese Stelle an, weil sie gleichsam jener Zeit eigentümlich angehört; seit es Gesundheitsausschüsse gibt, hat wahrscheinlich kein anderer Vorsitzer eine solche Folgerung, wenn es eine ist, zum besten gegeben.

Was Don Gonzalo betrifft, so war jene Antwort eine seiner letzten Handlungen; denn die unrühmlichen Erfolge des Krieges, der größtenteils von ihm erregt und geführt worden, trachten ihn diesen Sommer noch um seine Stelle.

An seinen Platz trat der Markgraf Ambrogio Spinola, dessen Name bereits in den flandrischen Kriegen die Herrlichkeit erlangt hatte, die ihn noch heutigestags umschimmert.

Währenddessen hatte das deutsche Heer entscheidenden Befehl erhalten, sich zum Feldzug gegen Mantua auf den Weg zu machen; im September betrat es die Grenzen des mailändischen Herzogtums.

Die Kriegsheere bestanden damals noch großenteils aus Abenteurern, welche im Auftrag dieses oder jenes Fürsten von gemieteten Hauptleuten, die ein Handwerk daraus machten, sich anwerben ließen; bisweilen taten es diese auch auf eigene Rechnung und verkauften sich sodann samt ihren Soldaten. Mehr als vom Solde ließen sich diese Menschen von der Hoffnung zu plündern und vom Reiz der Zügellosigkeit zu solch einem Handwerk verlocken. Feste, allgemeine Manneszucht gab es in keinem Heere; auch hätte sie neben dem unabhängigen Ansehen der verschiedenen Mietshauptleute nicht wohl zu bestehen vermocht. Auch sahen die Fürsten, indem sie solche Scharen in Sold nahmen, mehr auf die Menge der Krieger, um sich ihrer Unternehmungen zu versichern, als auf ein Verhältnis der Soldatenmasse zu ihrer Zahlfähigkeit, die freilich meist nur geringe war; daher traf die Berichtigung des Soldes größtenteils spät in kleinen Posten oder mit Abzügen ein, und die Plünderung der Ortschaften, wo Truppen standen oder durchzogen, ward ein Beitrag, über welchen man stillschweigend sich verständigt hatte. Wenig unbekannter als Wallensteins Name wurde sein Ausspruch: Es ist leichter, ein Heer von hunderttausend, als eins von zehntausend Mann zu unterhalten. Das Heer aber, von welchem wir sprechen, bestand größtenteils aus Leuten, die unter Wallenstein im berühmten Dreißigjährigen Kriege, dessen elftes Jahr soeben ablief, Deutschland verwüsteten. Auch befand sich dabei, von einem seiner Unterfeldherrn angeführt, sein eigenes Regiment; die übrigen Hauptleute hätten meist unter ihm befehligt, und mehr als einer war zu finden, der vier Jahre später sein bekanntes trauriges Ende herbeiführen half.

Es waren zwanzigtausend Mann Fußvolk und siebentausend Reiter. Aus der Valtellina herabsteigend, mußten sie, um nach Mantua zu gelangen, ziemlich dem Laufe der Adda folgen, bis sie mit dem Po sich vereinigt, und hatten dann noch eine ganze Strecke diesen zu begleiten. Acht Tagemärsche kamen auf das Herzogtum Mailand.

Ein großer Teil der Einwohner zog sich nach dem Gebirge zurück, brachte sein kostbarstes Besitztum dorthin und verbarg sich daselbst mit seinen Herden; andere blieben, um Kranke zu bewachen, um das Haus vor Feuersbrunst zu bewahren oder kostbare vergrabene Kleinode im Auge zu behalten; einige, weil sie nichts zu verlieren hatten; endlich auch Schurken, die Beute zu machen suchten. Sobald der Vortrab am Orte des Nachtlagers ankam, verbreitete er sich sogleich umher und nahm geradeswegs eine Plünderung vor; was sich erhaschen und fortschleppen ließ, verschwand; wieviel aber wurde überdies zerstört, wie viele Landgüter verwüstet, Häuser verbrannt, Schläge ausgeteilt, Wunden beigebracht und Mädchen entehrt! Alle Erfindungen, alle Schutzmittel, um sein Eigentum zu retten, wurden oft unnütz und gereichten bisweilen zum Verderben. Die Soldaten, auch in diesem Kriege sich auf die schlauesten Kunstgriffe verstehend, stöberten alle Löcher der Häuser durch, brachen Wände ab und hoben Decken auf; gar leicht entdeckten sie die frisch umgegrabene Erde in den Gärten; sie erstiegen die Gipfel der Berge, um die Herden zu entführen, und drangen, wo ein Schurke sich zum Wegweiser erbot, in die Klüfte der Höhlen, um einen Reichen, welcher daselbst sich verkrochen, aufzusuchen; sodann plünderten sie ihn, schleppten ihn nach seinem Hause und zwangen ihn mit Drohungen und Schlägen, den verborgenen Schatz anzuzeigen.

Endlich zogen sie ab, man hörte den Klang der Trommeln und Trompeten in weiter Ferne verhallen; es stellten sich einige Stunden ängstlicher Ruhe ein. Dann wirbelten die Trommeln von neuem, von neuem dröhnte die verwünschte Glocke, die eine andere Schar anmeldete. Diese fand keine Beute mehr zu machen; mit desto größerer Wut zersplitterte und zertrümmerte sie, was sich noch antreffen ließ; Geräte, Türen, Balken, Fässer, Weinkufen, auch wohl Häuser wurden in Brand gesteckt; ergrimmter noch mißhandelten sie die Menschen und schleppten sie im Übermute ganze Strecken mit sich fort. So ging es zwanzig Tage hindurch, mit jedem Tage schlimmer; denn in zwanzig Haufen war das Heer geteilt.

Colico war das erste Gebiet des Herzogtums, welches diese Unholde überfielen; dann warfen sie sich auf Bellano, ergossen sich nachher in die Valsassina und betraten endlich die Gegend von Lecco.


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