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Dem Glück fehlt es nie an Mitteln, den Freunden zu helfen und den Feinden zu schaden.
Es ist mir nicht unbekannt, daß viele der Ansicht waren und heute noch sind, die Welt werde von Gott und Fortuna so regiert, daß die Menschen durch ihre Klugheit den Gang der Ereignisse nicht leiten könnten, ja überhaupt gar nichts dagegen vermöchten. Hieraus wäre zu folgern, daß man sich gar nicht anzustrengen brauche, sondern sich vom Schicksal lenken lassen solle. Dieser Glaube findet in unserer Zeit täglich mehr Verbreitung, weil wir Ereignisse, die der allgemeinen Erwartung widersprechen, sich in rascher Folge ablösen sehen. Immer wenn ich über diese Dinge nachdenke, fühle ich mich geneigt, jener Ansicht beizupflichten. Um uns jedoch den freien Willen nicht abzusprechen, glaube ich, daß das Wahre an der Sache darin hegt, daß das Schicksal die Hälfte unserer Handlungen bestimmt, die andere Hälfte aber oder etwas weniger uns zur freien Entscheidung überlassen bleibt.
Oft habe ich über die Ursachen des Glückes und Unglückes der Menschen nachgedacht, und ich glaube, sie darin gefunden zu haben, daß ihre Handlungsweise in ihre Zeit paßt oder nicht paßt. Die Menschen gehen bei ihren Handlungen, die einen mit Ungestüm, die anderen mit Zögern und Vorsicht zu Werke. Nun wird zwar von beiden die gehörige Grenze überschritten und so von beiden gefehlt. Allein der fehlt weniger und hat günstige Erfolge, dessen Art zu handeln in seine Zeit paßt. Immer und immer jedoch tut der Mensch nur das, wozu ihn seine Natur zwingt ... Zwei Dinge sind die Ursache, daß wir uns nicht ändern können. Erstens können wir uns dem nicht widersetzen, wozu sich unsere Natur hinneigt. Zweitens ist es unmöglich, einen Mann, dem durch eine Art zu verfahren viel geglückt ist, zu überzeugen, er könnte gut daran tun, anders zu verfahren. Daher kommt es, daß das Glück eines Mannes wechselt; denn die Zeiten wechseln, er aber ändert nicht sein Verfahren.
Ich ziehe daher folgenden Schluß: Da das Glück wechselt und der Mensch hartnäckig bei seiner Handlungsweise bleibt, so ist er glücklich, solange beide miteinander übereinstimmen ; sobald sie aber einander widerstreiten, wird er unglücklich. Endlich bin ich der Ansicht, daß es vorteilhafter ist, ungestüm als vorsichtig zu sein, denn Fortuna ist ein Weib, und wer sie sich gefügig machen will, muß sie züchtigen und drängen. Die Erfahrung zeigt, daß sie sich eher von solchen ungestüm verfahrenden Menschen bezwingen läßt als von denen, die mit berechnender Vorsicht zu Werke gehen. Als Weib ist Fortuna den jungen Menschen immer mehr geneigt, weil sie nicht vorsichtig, sondern kühn und feurig sind.
Das Schicksal macht die Menschen blind, wenn es nicht will, daß sie sich seinen Plänen widersetzen
Wenn man den Lauf der menschlichen Dinge genau betrachtet, so sieht man oft Umstände eintreten und Ereignisse kommen, denen der Himmel durchaus nicht vorgebeugt haben wollte. Wenn aber dies Rom widerfuhr, wo so viel Tapferkeit, Religion und Ordnung herrschte, so ist es kein Wunder, daß es in einer Stadt oder in einem Lande viel häufiger vorkommt, die dieser Vorzüge entbehren. Die Gewalt des Himmels über die menschlichen Dinge hat Livius an dem Beispiel Roms ausführlich und mit treffenden Worten bewiesen. Da der Himmel, sagt er, zu irgendeinem Zwecke wollte, daß die Römer seine Macht erkennen sollten, ließ er zuerst jene Fabier, die als Gesandte zu den Galliern gingen, einen Fehler begehen und dadurch dieses Volk zum Kriege mit Rom anreizen. Dann fügte er es so, daß zur Abwendung der Folgen dieses Krieges nichts geschah, was des römischen Volkes würdig war. Vorher war nach seinem Willen Camillus, der einzige Helfer in so großer Not, nach Ardea ins Exil geschickt worden. Als dann die Gallier gegen die Stadt anrückten, durften dieselben Römer, die gegen den Angriff der Volsker und anderer angrenzender Feinde oft einen Diktator ernannt hatten, gegen die nahenden Gallier keinen Diktator ernennen. Die Auswahl der Soldaten wurde in geringer Zahl und ohne besondere Sorgfalt vorgenommen; im Ergreifen der Waffen waren sie so lässig, daß sie den Galliern kaum bis an den Fluß Allia, zehn Meilen von Rom, entgegenrücken konnten. Hier schlugen die Tribunen das Lager ohne irgendeine herkömmliche Vorsichtsmaßregel auf; sie wählten den Ort nicht aus, umgaben sich weder mit Gräben noch Palisaden und bedienten sich weder menschlicher noch göttlicher Sicherheitsmittel. In der Schlachtordnung stellten sie die Scharen dünn und schwach auf, so daß weder Soldaten noch Feldherren sich der römischen Kriegszucht im geringsten würdig zeigten. Hierauf wurde ohne Blutvergießen gefochten, denn alles floh, ohne den Angriff abzuwarten; der größere Teil lief nach Veji, die übrigen zogen sich nach Rom zurück, wo sie, ohne ihre Häuser auch nur zu betreten, auf das Kapitol rannten. Der Senat dachte nicht an die Verteidigung Roms, schloß nicht einmal die Tore und floh zum Teil, zum Teil schloß er sich mit den anderen ins Kapitol ein. Nur bei der Verteidigung dieser Burg verstanden sie es, einige nicht sinnlose Maßregeln zu ergreifen; denn sie überfüllten sie nicht mit unnützen Leuten, brachten so viel Getreide wie möglich hinein, um die Belagerung aushalten zu können, und der unnütze Schwarm von Greisen, Weibern und Kindern floh zum größeren Teile in die benachbarten Städte, der Rest blieb in Rom den Galliern zur Beute. Wer die Berichte von den früheren Taten dieses Volkes während so vieler Jahre gelesen hat und dann die eben geschilderten Begebenheiten erfährt, wird kaum glauben können, daß es sich um ein und dasselbe Volk handele. Livius schließt seine Darstellung mit den Worten: Adeo obcoecat animos fortuna, cum vim suam ingruentem refringi non vult. So verblendet das Schicksal die Geister, wenn es nicht will, daß seine einbrechende Gewalt gehemmt werden soll.
Nichts Wahreres gibt es als diesen Schluß. Deswegen verdienen auch die Menschen, die in großem Unglück oder Glück leben, weniger Tadel oder Lob. Größtenteils wird man sie zu ihrem Sturze oder ihrer Größe auf einer Bahn geführt sehen, die ihnen der Himmel vorgezeichnet hat, indem er ihnen die Gelegenheit zu ausgezeichneter Tat schenkte oder entzog. Will indessen das Schicksal große Dinge ausführen, so wählt es einen Mann von so viel Geist und Verdienst aus, daß er die Gelegenheiten, die es ihm darbietet, erkennt. Ebenso wenn es große Umwälzungen hervorbringen will, schiebt es Männer vor, die den Zusammenbruch des Bestehenden beschleunigen. Wäre ein Mann da, der sich seinen Beschlüssen in den Weg stellen könnte, so würde es ihn töten oder jeder Möglichkeit, etwas Heilsames zu tun, berauben ... Zur Bestätigung des Gesagten wäre manches neuere Beispiel anzuführen, allein ich halte es für überflüssig, da das gegebene jeden befriedigen kann. Wohl aber behaupte ich von neuem, daß es eine unumstößliche, von der ganzen Geschichte bezeugte Wahrheit ist, daß die Menschen das Schicksal unterstützen, nicht aber sich ihm widersetzen können. Sie können seine Fäden zusammenweben, nicht sie zerreißen. Sie dürfen sich indes nie selbst aufgeben. Da sie die Zwecke der Göttin nicht kennen und Fortuna auf krummen und unbekannten Pfaden wandelt, so sollen sie immer hoffen und hoffend in keiner Lage, in keiner Not noch Mühsal sich selbst verlieren.
Gelangt ein Mann aus dem Volke, durch bloßes Glück begünstigt, zur Herrschaft, so erreicht er dies zwar mit wenig Mühe, aber desto schwerer ist es für ihn, sich als Herrscher zu behaupten. Anfänglich steht ihm kein Hindernis im Wege; wie im leichten Fluge gelangt er auf den Thron. Erst wenn er ihn bestiegen hat, erheben sich die Schwierigkeiten ... Die über Nacht entstandenen Herrschaften scheinen den gleichen Gesetzen unterworfen zu sein wie alles in der Natur, was schnell entsteht und wächst: sie können unmöglich so starke Wurzeln schlagen und sich so gut anpassen, daß sie nicht beim ersten Sturm umstürzen müßten. Nur ganz ausgezeichnete Männer vermögen diesem Schicksal zu entgehen, indem sie sich rasch zur Erhaltung der Macht rüsten, die ihnen das Glück in die Hände spielte, und die Grundfesten ihrer Herrschaft nachträglich ausbauen, die bei legitimen Herrschern schon vor der Thronbesteigung bestanden hatten ...
Wenn man das Wachsen der Macht des Herzogs von Valentinois [Cesare Borgia] verfolgt, so sieht man, daß er den Grund zu seiner künftigen Herrschaft schon gelegt hatte. Es wäre angebracht, dies ausführlich darzulegen, denn einem neuen Herrscher weiß ich kein besseres Vorbild zu geben als das Beispiel seiner Taten. Und wenn seine Bestrebungen nicht zum letzten Ziel führten, so lag das nicht an ihm, sondern an dem widrigen Schicksal, das sich gegen ihn ungewöhnlich tückisch zeigte.
Was beim Siegenden gelobt wurde, wird beim Verlierenden getadelt, und manchmal, wenn man nach langem Glücke verliert, sucht man die Schuld nicht bei sich selbst, sondern klagt den Himmel und die Fügung des Schicksals an. Aber woher es kommt, daß die verschiedenen Handlungen manchmal gleich nützen oder gleich schaden, weiß ich nicht, aber wünschte es wohl zu wissen. Indes um Eure Meinung zu hören, will ich so anmaßend sein, Euch die meinige zu sagen. Ich glaube, daß die Natur dem Menschen, wie sie ihm verschiedene Gesichter gab, so auch verschiedenen Geist und verschiedene Ideen gegeben hat. So kommt es, daß ein jeder seinem Geist und seiner Idee gemäß verfährt. Weil nun auf der anderen Seite die Zeiten verschieden sind und die Ordnung der Dinge mannigfaltig, so erreicht der seine Wünsche vollständig und der ist glücklich, dessen Art zu verfahren mit der Zeit übereinstimmt; der hingegen ist unglücklich, der durch seine Handlungen gegen die Zeit und die Ordnung der Dinge verstößt. Es kann daher wohl sein, daß zwei verschieden Handelnde einen und denselben Erfolg haben: beide können sich dem anpassen, was sie finden, da es so viele Arten der Ordnung der Dinge gibt wie Länder und Staaten. Aber weil die Zeiten und die Dinge im allgemeinen und einzelnen sich häufig ändern, während die Menschen weder ihre Ansichten noch ihre Art zu verfahren ändern, so ereignet es sich, daß ein Mann eine Zeit lang Glück hat und eine Zeit lang Unglück. In der Tat, wer so weise wäre, daß er die Zeiten und die Ordnung der Dinge erkennte und sich danach richtete, würde immer Glück haben, oder er würde sich immer vor dem Unglück bewahren. Es wäre dann wahr, daß der Weise den Sternen und dem Schicksal geböte. Aber es gibt keine solchen Weisen, denn die Menschen leiden erstens an Kurzsichtigkeit, und zweitens können sie ihrer Natur nicht gebieten. Daraus folgt, daß das Glück wechselt, den Menschen gebietet und sie unter sein Joch zwingt.