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Über das Sakrament des Brotes

Ich will also sagen, wie ich beim Nachdenken über die Verwaltung dieses Sakraments weitergekommen bin. Denn zu der Zeit, als ich den Sermon von dem Abendmahl herausgab, hielt ich mich noch an den allgemeinen Brauch, kümmerte mich auch nicht um des Papstes Recht oder Unrecht Aber jetzt, wo man mich herausgefordert hat und mir keine Ruhe läßt, ja mich vielmehr mit Gewalt in diesen Streit zerrt, will ich frei heraus sagen, was ich davon halte, mögen nun die Papisten alle zusammen lachen oder weinen.

Es gibt zwei Stellen, welche hiervon ganz klar handeln: die Evangelien beim Bericht über das letzte Mahl des Herrn und Paulus 1. Kor. Kapitel 11. Die wollen wir besehen. Denn Matthäus, Markus und Lukas stimmen darin überein, daß Christus allen Jüngern das ganze Sakrament gegeben. Und daß Paulus (den Genuß des Abendmahls in) beiderlei Gestalt überliefert hat, ist sicher. Es ist also keiner jemals so unverschämt gewesen, daß er etwas anderes gesagt hätte. Nimm noch hinzu, was Matthäus berichtet: nicht vom Brot habe Christus gesagt: ›Esset alle davon‹, sondern vom Kelch: ›Trinket alle daraus‹ (Matth. 26, 27). Und ebenso sagt Markus nicht: ›sie aßen alle davon‹, sondern: ›sie tranken alle daraus‹ (Mark. 14, 23). Sie setzen also beide den Hinweis auf die Allgemeinheit zum Kelch und nicht zum Brot, so als ob der heilige Geist dieses künftige Schisma vorhergesehen hätte, das den Genuß des Kelches einigen verbietet, von dem doch Christus wollte, daß er allen gemeinsam sein sollte. Mit was für einer Leidenschaft, meinst du, würden sie gegen uns wüten, wenn sie das Wörtlein ›alle‹ beim Brot und nicht beim Kelch gefunden hätten! Gar keine Ausflucht würden sie uns gönnen, sie würden schreien, uns zu Ketzern machen und als Schismatiker verdammen. Aber weil es unsere Auffassung stützt und nicht die ihre, lassen sie sich durch keinen logischen Schluß bewegen, die als Menschen mit ganz freiem Willen auch in den Dingen, die Gott angehen, ändern und wieder ändern und alles in Unordnung bringen.

Ich bekenne, daß ich durch diesen Grund, der mir unüberwindlich ist, überwunden bin und weder gelesen noch gehört oder gefunden habe, was ich dagegen sagen könnte. Denn hier steht das Wort und Beispiel Christi absolut fest, und er sagt es nicht, als ob ers nur zuließe, sondern gebietend: ›Trinket alle daraus.‹ Denn wenn alle trinken sollen, dann kann das nicht allein als zu den Priestern gesagt verstanden werden. So ist es ganz gewiß gottlos, die Laien, die es begehren, davon auszuschließen, und wenn es schon ein Engel vom Himmel täte (Gal. 1, 8). Denn wenn sie sagen, es sei dem Willen der Kirche anheimgestellt, in welcher Gestalt sie (das Abendmahl) austeilen wolle, so wird das ohne Grund gesagt und ohne Schriftbeleg vorgewendet und wird ebenso leicht widerlegt, wie es behauptet wurde. Wenn man aber den Laien eine Gestalt verweigern kann, dann kann man ihnen auch einen Teil der Taufe und der Buße nach dem gleichen Willen der Kirche entziehen, weil überall der gleiche Grundsatz und die gleiche Macht gilt. Darum, wie die ganze Taufe und die ganze Absolution erteilt wird, so soll auch das ganze Sakrament des Brotes allen Laien gegeben werden, wenn sie es begehren.

Was mich aber am meisten bedrängt und mich ganz gefangenhält, ist, daß Christus sagt (Matth. 26, 28): ›Das ist mein Blut, das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden.‹ Hier siehst du ganz klar, daß das Blut allen gegeben wird, für deren Sünde es vergossen ist. Wer darf aber sagen, daß es nicht für die Laien vergossen ist? Oder siehst du nicht, zu wem er redet, als er den Kelch gibt? Gibt er ihn nicht allen? Sagt er nicht, es sei für alle vergossen? Er sagt: ›Für euch!‹

Ich beschwöre dich aber, was besteht für ein Zwang, was für religiöse Bedenken können wir haben und wozu dient es, den Laien (den Genuß des Abendmahls in) beiderlei Gestalt, d. h. das sichtbare Zeichen, zu verwehren? Dabei gestehen ihnen doch alle das Sakrament als solches zu – allerdings ohne das Zeichen. Gestehen sie ihnen nun das Sakrament als solches zu, was ja das Wesentliche ist, warum nicht auch das Zeichen, das von geringerer Bedeutung ist? Denn in jedem Sakrament ist das Zeichen, soweit es nur ein Zeichen ist, von unvergleichlich geringerer Bedeutung als das Sakrament selbst. Was hindert es also, so frage ich, das Unwesentlichere zu geben, wo man doch das Wesentliche gibt? Mir scheint, das hat der zürnende Gott geschehen lassen, um damit eine Ursache für die Trennung in der Kirche zu geben. Das soll ein Hinweis darauf sein, daß wir das wahre Sakrament längst verloren haben und um des äußeren Zeichens willen, dessen, was ganz unwesentlich ist, gegen die einzig wichtige Sache ankämpfen, so wie einige für die äußerlichen Kirchenbräuche und gegen die Liebe streiten. Ja, dieses Ungeheuerliche scheint zu einer Zeit entstanden zu sein, als wir gegen die christliche Liebe anfingen, auf den Reichtum dieser Welt ganz versessen zu sein, damit uns Gott durch dieses schreckliche Zeichen zu verstehen gäbe, daß wir die äußerlichen Zeichen höher achten als die Dinge selbst. Was für eine Torheit wäre es, wenn du zwar zugäbest, daß dem Täufling der Glaube der Taufe gegeben wird, wolltest ihm aber verwehren, daß ihm auch das Zeichen dieses Glaubens, nämlich das Wasser, gegeben würde.

Zuletzt bleibt Paulus unüberwunden, der aller Mund verstopft, wenn er 1. Kor. 11, 23 sagt: ›Ich habe es vom Herrn empfangen, was ich euch gegeben habe.‹ Nicht sagt er, wie es der Bruder (Alfeld) in seiner Phantasie zusammenlügt: was ich euch erlaubt habe. Es ist auch nicht wahr, daß er ihnen um ihres Streites willen beiderlei Gestalt zugelassen habe. Erstens zeigt es der Text selbst, daß um die beiderlei Gestalt gar kein Streit gewesen ist, sondern wegen der Gleichgültigkeit der Reichen und des Neides der Armen, wie der Text klar zeigt, wenn er sagt (V. 21 f.): ›Einer ist hungrig, der andere ist trunken, und ihr beschämt die, die da nichts haben.‹ Dann redet er nicht von seiner erstmaligen Lehrüberlieferung, denn er sagt nicht: Ich empfange es vom Herrn und gebe es euch, sondern: ›Ich habe empfangen und habe gegeben‹, nämlich am Anfang meiner Verkündigung, lange vor diesem Streit. Damit bringt er deutlich zum Ausdruck, daß er ihnen beiderlei Gestalt gegeben habe.

Vorwärts, ihr Papstschmeichler! Erhebt euch wie ein Mann, gebt euch Mühe, verteidigt euch gegen den Vorwurf der Gottlosigkeit, der Tyrannei, der Beleidigung des Evangeliums, der ungerechten Schmähung der Brüder, die ihr als Ketzer ausschreit – sie, die sich an die so offenbare und mächtige Schrift halten, im Gegensatz zu euren törichten Hirngespinsten. Ist überhaupt einer von beiden als Ketzer und Rottengeist zu bezeichnen, so sind es nicht die Böhmen, nicht die Griechen (weil die sich ja auf das Evangelium verlassen), sondern ihr Römer seid Ketzer und gottlose Rottengeister, weil ihr euch einzig eurer Einbildungen rühmt – gegen die klare Schrift Gottes! Wascht euch von diesem Vorwurf rein, ihr Herren!

Was ist aber lächerlicher und dem Kopf dieses Bruders gemäßer, als daß er sagt, Paulus habe einer einzelnen Kirche, nämlich den Korinthern, solches geschrieben und zugelassen, nicht aber der ganzen Kirche. Woher beweist er das? Aus seinem üblichen Schatzkämmerlein, nämlich aus seinem eigenen gottlosen Kopf. Wenn die ganze Kirche diesen Brief als für sie geschrieben auffaßt, liest und ihm in allem folgt, warum dann nicht auch in diesem Stück? Denn wenn wir zugeben, daß ein Brief des Paulus oder eine einzige Stelle daraus sich nicht an die Gesamtkirche wendet, so ist die ganze Vollmacht des Paulus erledigt. Denn die Korinther werden sagen: was Paulus (im Brief an) die Römer vom Glauben lehrt, gehe sie nichts an. Was kann wohl Gotteslästerlicheres oder Unsinnigeres erdacht werden als dieser Unsinn? Das sei ferne, das sei ferne, daß es auch nur einen einzigen Buchstaben im ganzen Paulus gibt, den nicht die ganze allgemeine Kirche befolgen und bewahren sollte! Diese Meinung haben auch unsere Vorfahren nicht gehabt bis auf diese gefährlichen Zeiten, von denen Paulus geweissagt hat, daß Gotteslästerer, Blinde und ganz Unverständige aufstehen würden. Einer von denen und deren vornehmster ist dieser Bruder.

So komme ich zu dem Schluß: es ist gottlos und tyrannisch, den Laien das Abendmahl in beiderlei Gestalt zu verwehren. Es steht auch nicht in der Macht eines Engels, geschweige denn des Papstes oder eines Konzils. Ich lasse mich dabei durch das Konzil zu Konstanz nicht beirren. Wenn dessen Autorität so viel bedeutet, warum gilt nicht das Konzil zu Basel genau so viel, welches das Gegenteil festsetzt? Die Böhmen dürfen beiderlei Gestalt empfangen, was mit vielem Disputieren dort erreicht wurde, wie die vorhandenen Konzilsakten ausweisen. Das führt nun dieser Schmeichler in seiner Unkenntnis an, um seine Hirngespinste zu beweisen. So weise verfährt er in allen Dingen!

Das ist die erste Gefangenschaft dieses Sakraments. Sie erstreckt sich auf dessen Substanz und Ganzheit, die uns die römische Tyrannei genommen hat. Nicht, daß die gegen Christus sündigen, die (das Abendmahl in) einer Gestalt gebrauchen. Denn Christus hat nicht geboten, (das Abendmahl in) einer Gestalt zu gebrauchen, sondern hat das dem Willen jedes einzelnen anheimgestellt und gesagt: ›So oft ihrs tut, so tut das zu meinem Gedächtnis.‹ Aber die sündigen, die verbieten, daß (das Abendmahl in) beiderlei Gestalt denen gegeben werde, die es freiwillig so nehmen wollen. Die Schuld liegt nicht bei den Laien, sondern bei den Priestern. Das Sakrament gehört nicht zu den Priestern, sondern allen. So sind auch die Priester nicht Herren darüber, sondern Diener, die beiderlei Gestalt denen geben sollen, die und so oft sie es begehren. Wenn sie den Laien dieses Recht entziehen und mit Gewalt abschlagen, so sind sie Tyrannen, und die Laien sind ohne Schuld, sei es daß sie (das Abendmahl) in einer oder in beiderlei Gestalt verlieren. Sie müssen einstweilen im Glauben und dem Verlangen nach dem ganzen Sakrament bewahrt bleiben. Ebenso sind sie als Diener schuldig, dem die Taufe und Absolution zu geben, der sie begehrt, als einem, der ein Recht darauf hat. Wenn sie es aber nicht geben, so hat sie dann der sie Begehrende im Glauben vollkommen, erlangt, und sie werden vor Christus als unnütze Knechte angeklagt werden. (Das ist dann) so wie die heiligen Väter vor Zeiten in der Wüste in all den Jahren das Sakrament unter keinerlei Gestalt empfangen haben.

Deshalb gehe ich nicht so weit, daß (das Abendmahl) mit Gewalt in beiderlei Gestalt genommen werden müßte, als ob wir nach der Notwendigkeit des Gebots zu dieser Form des Abendmahls gezwungen wären. Sondern ich unterweise das Gewissen, daß ein jeder die römische Tyrannei leide und wisse, daß ihm wegen seiner Sünde sein volles Recht im Sakrament mit Gewalt genommen ist. Allein das will ich, daß niemand die römische Tyrannei rechtfertige, als ob sie recht getan hätte, wenn sie den Laien eine Gestalt verbietet, sondern daß wir sie verfluchen und ihr nicht zustimmen. Trotzdem sollen wir sie ertragen, nicht anders, als wären wir beim Türken gefangen, bei dem wir gar keine Gestalt gebrauchen dürften. Das ist es, was ich gesagt habe: ich fände es schön, wenn durch den Beschluß eines allgemeinen Konzils solche Gefangenschaft aufgehoben und uns die christliche Freiheit aus den Händen des römischen Tyrannen wiedergegeben und einem jeden sein Wille, es zu begehren und zu gebrauchen, gelassen würde, wie es bei der Taufe und Buße geschieht Aber jetzt zwingt er uns Jahr für Jahr mit gleicher Tyrannei, eine Gestalt zu empfangen. So ganz ist die Freiheit erloschen, die uns von Christus gegeben ist, so hat er unsere abgrundtiefe Verachtung verdient.

Die zweite Gefangenschaft dieses Sakramentes ist nicht (ganz) so schlimm, soweit es das Gewissen betrifft. Aber es ist überaus gefährlich, daran zu rühren, geschweige sie zu verdammen. Hier werde ich ein Wiklifit und unter unzähligen Bezeichnungen zum Ketzer werden. Was denn? Nachdem der römische Bischof aufgehört hat, ein Bischof zu sein, und ein Tyrann geworden ist, fürchte ich mich gar nicht vor seinen sämtlichen Dekreten. Denn ich weiß, daß es nicht in seiner Gewalt steht, auch nicht in der eines allgemeinen Konzils, neue Glaubensartikel aufzustellen. Als ich die scholastische Theologie in mich aufnahm, gab mir Pierre d'Ailly Anlaß zum Nachdenken. Beim vierten Buch der ›Sentenzen‹ disputiert er überaus scharfsinnig, es sei viel glaubwürdiger und man brauchte viel weniger dieser überflüssigen Wunder vorauszusetzen, wenn man glaubte, auf dem Altar wären wahres Brot und wahrer Wein und nicht allein die bloßen Akzidenzien – wenn nicht die Kirche das Gegenteil festgesetzt hätte. Als ich danach sah, was für eine Kirche das ist, die solches bestimmt, nämlich die thomistische, das heißt die des Aristoteles, da bin ich beherzter geworden. Wenn ich zuerst auch im Zweifel war, so habe ich schließlich mein Gewissen doch in der ersten Auffassung befestigt: es ist wahres Brot und wahrer Wein, in welchen das wahre Fleisch und das wahre Blut Christi nicht anders und nicht weniger ist, als jene es ihren Akzidenzien zuschreiben. Das habe ich getan, weil ich sah, daß die Meinungen der Thomisten, ob sie nun vom Papst oder einem Konzil bestätigt sind, dennoch eben nur Meinungen bleiben und nicht zu Glaubensartikeln werden würden, auch wenn ein Engel vom Himmel etwas anderes verordnete. Denn was ohne Schriftgrundlage oder ohne erwiesene Offenbarung gesagt wird, mag wohl als eine Meinung hingehen, muß aber nicht notwendig geglaubt werden. Diese Meinung des Thomas aber ist ohne Schriftgrundlage wie ohne Vernunftbegründung und so ungesichert, daß ich meine, er habe weder seine Philosophie noch seine Dialektik verstanden. Denn Aristoteles redet weit anders von den Akzidenzien und von ihrem Subjekt, als der heilige Thomas, so daß es mir für einen so gelehrten Mann bedauerlich erscheint, daß er seine Ansichten in Glaubenssachen nicht allein aus Aristoteles überliefert, sondern versucht hat, auf dem, den er nicht verstanden hat, etwas aufzubauen. Ein unglückseliger Bau auf einem unglückseligen Fundament!

Ich habe also nichts dagegen: Wer will, mag beiderlei Ansichten beibehalten. Darauf allein kommt es mir jetzt an, daß ich die Gewissenszweifel aus dem Wege räume. Niemand soll sich fürchten, der Ketzerei schuldig zu sein, wenn er glaubt, daß auf dem Altar wahres Brot und wahrer Wein sind. Sondern er soll wissen, daß es ihm ohne Gefahr für seine Seligkeit freisteht, sich eins von beiden vorzustellen, zu meinen und zu glauben, weil hier eben keine Glaubensnotwendigkeit vorliegt. Jedoch will ich jetzt meine Auffassung weiter verfolgen. Erstens will ich die nicht hören, auch nicht im geringsten achten, die da schreien werden, das sei wiklifitisch, hussitisch, ketzerisch und gegen den Beschluß der Kirche. Denn das tun ja nur die, die ich im Ablaßstreit, in der Auseinandersetzung über den freien Willen und die Gnade Gottes, die guten Werke und die Sünde usw. auf mancherlei Weise als Ketzer überführt habe. Wenn nämlich Wiklif einmal Ketzer gewesen ist, dann sind sie zehnmal Ketzer und es wäre fein, von den Ketzern und törichten Sophisten getadelt und gescholten zu werden; ihnen aber zu gefallen, ist die größte Gottlosigkeit Außerdem können sie ihre Ansichten nicht anders beweisen und die ihnen entgegengesetzten Auffassungen können sie nicht anders zurückweisen, als daß sie sagen: das ist wiklifitisch, hussitisch, ketzerisch. Denn diese faule Rede haben sie stets im Maule und anderes nicht. Verlangt man von ihnen einen Schriftbeweis, so sagen sie: Wir sind dieser Meinung, und die Kirche (d. h. wir selbst) hat es so beschlossen. So wagt es diese in bezug auf den Glauben verworfene und unglaubwürdige Gesellschaft, uns unter Berufung auf die Kirche ihre Phantasien als Glaubensartikel vorzusetzen!

Ich habe aber für meine Auffassung eine starke Begründung, vor allem diese: den göttlichen Worten darf keine Gewalt angetan werden, weder durch einen Menschen noch durch einen Engel, sondern sie sollen – soweit wie nur möglich – in der allereinfachsten Bedeutung genommen werden. Und wo uns nicht ein eindeutiger Umstand zwingt, sollen sie in ihrer wörtlichen und eigentlichen Bedeutung aufgefaßt werden, damit man den Gegnern keine Gelegenheit bietet, mit der ganzen Schrift ihr Spiel zu treiben. So auch hier: weil die Evangelisten klar schreiben, daß Christus das Brot genommen und gesegnet habe, und weil die Apostelgeschichte und der Apostel Paulus es auch nachher Brot nennen, so muß man das vom wahren Brot verstehen und vom wahren Wein und vom wahren Kelch. Denn auch sie behaupten nicht, daß sich der Kelch verwandle. Eine Transsubstantiation also, die durch eine göttliche Macht geschähe, vorauszusetzen, ist nicht nötig; man muß sie vielmehr für ein erdichtetes Menschengebilde ansehen, weil sie sich weder auf die Schrift, noch auf einen vernünftigen Grund stützt, wie wir sehen werden.

Die Kirche hat mehr als zwölfhundert Jahre recht geglaubt, nie und nirgends haben die heiligen Väter die Transsubstantiation (was schon ein recht ungeheuerliches Wort ist und erträumt) erwähnt, bis die sogenannte Philosophie des Aristoteles in diesen letzten dreihundert Jahren in der Kirche überhandgenommen hat,

Warum kann Christus seinen Leib nicht in der Substanz des Brotes erhalten, ebenso wie er ihn (nach der Kirchenlehre) in den Akzidenzien erhält? Siehe, das Eisen und Feuer, zwei Substanzen, werden in einem glühenden Eisen so vermischt, daß jeder Teil Eisen und Feuer (zugleich) ist. Warum kann nicht der verklärte Leib Christi viel eher ebenso in allen Teilen der Substanz des Brotes sein?

Was sollen wir hierzu sagen, wenn wir den Aristoteles und menschliche Lehren zu Richtern über so hohe und göttliche Dinge machen? Warum verwerfen wir nicht solchen Vorwitz und bleiben schlicht bei den Worten Christi und sind bereit, nicht zu wissen, was da geschehe, und sind zufrieden damit, daß kraft der Worte der Leib Christi da ist? Ist es denn nötig, daß wir die Art und Weise des göttlichen Handelns gänzlich begreifen?

Daß wir aber nicht zu sehr ins Philosophieren kommen: scheint nicht Christus diesem Vorwitz fein entgegenzutreten, wenn er vom Wein nicht gesagt hat: ›Das ist mein Blut‹, sondern › Dieser ist mein Blut‹ (Matth. 26, 28)? Und noch viel klarer (wird es dadurch), daß er das Wort ›Kelch‹ mit hinzunimmt und sagt: ›Dies ist der Kelch des neuen Testaments in meinem Blut‹ (1. Kor. 11, 25). Sieht man denn nicht, daß er uns im schlichten Glauben behalten wollte, und daß wir lediglich glaubten, sein Blut sei in dem Kelch? Fürwahr, wenn ich nicht begreifen kann, auf welche Weise das Brot der Leib Christi sein kann, will ich doch meinen Verstand gefangennehmen unter den Gehorsam Christi und schlicht bei seinen Worten bleiben, und glaube fest nicht allein, daß der Leib Christi in dem Brot ist, sondern das Brot der Leib Christi ist. Denn zu dieser Auffassung bringen mich die Worte, wo er sagt: ›Er nahm das Brot, dankte, brachs und sprach: Nehmet, esset, das (das heißt: das Brot, das er genommen und gebrochen) ist mein Leib‹ (V. 23 f.). Und Paulus spricht: ›Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi?‹ (1. Kor. 10, 16) Er sagt nicht: in dem Brot ist, sondern: das Brot selbst ist die Gemeinschaft des Leibes Christi. Was liegt daran, ob die Philosophie das nicht versteht? Der heilige Geist ist mehr als Aristoteles. Versteht sie denn überhaupt etwas von der Transsubstantiation dieser Dinge, da sie doch selber zugesteht, daß hier die ganze Philosophie zusammenstürzt?

Und wie es sich mit Christus verhält, so verhält es sich auch mit dem Sakrament. Denn es ist nicht nötig, daß die menschliche Natur verwandelt werden muß, wenn die Gottheit in der Menschheit leiblich wohnen soll – als ob die Gottheit an die Akzidenzien der menschlichen Natur gebunden wäre. Sondern beide Naturen bleiben zugleich unversehrt bestehen, und so wird mit Recht gesagt: Dieser Mensch ist Gott, dieser Gott ist Mensch. Und wenn die Philosophie das schon nicht versteht, so versteht es doch der Glaube. Gottes Wort hat eine größere Vollmacht, als unser Verstand es fassen kann! In dem Sakrament ist also der wahre Leib und das wahre Blut. Es ist nicht nötig, daß sich das Brot oder der Wein in eine andere Substanz verwandele, so daß Christus unter den Akzidenzien eingeschlossen sei. Sondern beides bleibt zugleich bestehen, wie es in Wahrheit heißt: ›Dieses Brot ist mein Leib; dieser Wein ist mein Blut‹ und umgekehrt. So will ich es einstweilen zur Ehre der heiligen Worte Gottes verstehen. Ich will nicht dulden, daß ihnen durch menschliche Spitzfindigkeiten Gewalt geschieht und sie umgedeutet werden. Jedoch lasse ich es anderen zu, eine abweichende Meinung zu haben. Sie sollen uns nur nicht zwingen, daß wir ihre Meinung (wie oben gesagt) wie Glaubensartikel annehmen.

Die dritte Gefangenschaft dieses Sakramentes ist der überaus gottlose Mißbrauch, durch den es gekommen ist, daß heute in der Kirche fast nichts verbreiteter ist, fester geglaubt wird, als daß die Messe ein gutes Werk und ein Opfer ist. Dieser Mißbrauch hat andere unzählige Mißbräuche nach sich gezogen, bis der Glaube an das Sakrament ganz erloschen ist und sie aus dem göttlichen Sakrament lauter Jahrmärkte, Krämerei und gewinnsüchtige Verträge gemacht haben. Daher werden die Teilhaberschaften, die Bruderschaften, die Fürbitten, die Verdienste, die Jahresfeiern, die Gedenktage und dergleichen Händel mehr in der Kirche verkauft, durch Verträge erhandelt und verglichen, und an diesen hängt die ganze Nahrung der Priester und Mönche.

Ich rühre da ein heißes Eisen an, eine Sache, die vielleicht nicht zu erschüttern ist, weil sie durch jahrhundertelangen Gebrauch festgewurzelt und unter der Zustimmung aller angenommen, so eingenistet ist, daß es nötig wäre, den größten Teil der Bücher, die heute maßgebend sind, und schier die ganze äußere Gestalt der Kirche abzutun und zu verändern. Man müßte eine gänzlich andere Art der Zeremonien einführen oder vielmehr, man müßte sie auf ein geringes Maß zurückführen. Aber mein Christus lebt, und man muß mit größerer Sorgfalt das Wort Gottes befolgen als aller Menschen und Engel Gedanken. Ich will meines Amtes walten und die Sache ans Licht bringen. Wie ich die Wahrheit umsonst empfangen habe, so will ich sie ohne Mißgunst weitergeben. Im übrigen soll jeder für seine Seligkeit Sorge tragen. Ich will allen Fleiß darauf verwenden, daß keiner vor dem Gericht Christi die Schuld seines Unglaubens, und daß er die Wahrheit nicht gewußt hätte, auf mich abwälzen kann.

Zuerst, um sicher und erfolgreich zu der wahren und freien Erkenntnis dieses Sakraments zu gelangen, müssen wir uns vor allen Dingen darum bemühen, alles das abzutun, was zu der ersten und schlichten Stiftung dieses Sakraments aus menschlicher Andacht und Eifer hinzugetan worden ist; als da sind die Meßgewänder, Zierate, Gesänge, Gebete, Orgeln, Lichter und die ganze Pracht der sichtbaren Dinge. Laßt uns unsere Augen und Gemüt allein auf die reine Stiftung Christi richten und auf nichts anderes sehen als auf das Wort Christi, durch das er das Sakrament eingesetzt, vollbracht und uns anbefohlen hat. Denn in diesem Wort und sonst in gar keinem anderen liegt die Kraft, Natur und das ganze Wesen der Messe. Alles andere ist menschlicher Eifer, zum Worte Christi hinzugekommen, ohne den die Messe sehr gut gehalten werden und bestehen kann. Die Worte, mit denen Christus dieses Sakrament eingesetzt hat, sind folgende (Matth, 26, 26ff.):

›Da sie aber aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brachs und gab es seinen Jüngern und sprach: Nehmet, esset; das ist mein Leib, der für euch gegeben wird. Und er nahm den Kelch, dankte und gab ihnen den und sprach: Trinket alle daraus; das ist der Kelch, das neue Testament in meinem Blut, das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden, Solches tut zu meinem Gedächtnis. ‹

Diese Worte überliefert auch der Apostel 1. Kor. 11, 23 ff., und erklärt sie weitläufiger. Auf diese müssen wir uns stützen, auf sie müssen wir uns wie auf einen festen Felsen gründen, wenn wir nicht durch jeden Hauch einer (neuen) Lehre (vgl. Eph. 4, 14) umgeworfen werden wollen, wie es bisher durch gottlose Lehren von Leuten, die der Wahrheit feind sind (vgl. Tit. 1, 14), geschehen ist. Denn in diesen Worten fehlt nichts, was für die Vollkommenheit, den Gebrauch und Nutzen dieses Sakraments nötig ist. Es gibt auch nichts, was überflüssig und uns nicht nötig zu wissen wäre. Denn wer diese Worte streicht und dennoch von der Messe redet oder lehrt, der lehrt ungeheure Gottlosigkeiten, wie es durch die geschehen ist, die ein opus operatum und Opfer daraus gemacht haben.

So bleibts demnach zuerst und unfehlbar dabei, daß die Messe oder das Sakrament des Altars ein Testament Christi ist, das er bei seinem Tode zur Austeilung an seine Gläubigen hinterlassen hat. Denn so lauten seine Worte: ›Dieser Kelch ist das neue Testament in meinem Blut.‹ Es bleibe, sage ich, diese Wahrheit das unerschütterliche Fundament, auf das wir alles bauen wollen, was noch gesagt werden muß. Denn das wirst du sehen, wie wir alle Gottlosigkeiten der Menschen zunichte machen werden, die diesem überaus teuren Sakrament angetan worden sind. So sagt nun der wahrhaftige Christus mit Wahrheit: dies sei das neue Testament in seinem Blut, für uns vergossen. Ich wiederhole das nicht ohne Grund: es handelt sich um keine geringe Sache, sondern sie will tief eingeprägt sein.

Wir wollen also (zunächst) danach fragen, was ein Testament ist! Dann werden wir auch zugleich wissen, was die Messe ist, wie sie zu gebrauchen, was ihr Nutzen, was ihr Mißbrauch ist. Ein Testament ist ohne Zweifel das Versprechen eines Sterbenden, in dem er seine Erbschaft vermacht und Erben einsetzt. Ein Testament setzt also erstens den Tod des Erblassers voraus, danach das Versprechen der Erbschaft und die Benennung eines Erben. Denn in diesem Sinne behandelt Paulus weitläufig, Rom. 4, Gal. 3 und 4 und Hebr. 9, das Testament. Das sehen wir auch klar an diesen Worten Christi. Von seinem Tode spricht er, wenn er sagt: ›Das ist mein Leib, der gegeben wird; das ist mein Blut, das vergossen wird.‹ Die Erbschaft benennt er und bezeichnet sie, wenn er sagt: ›Zur Vergebung der Sünden.‹ Die Erben aber setzt er ein, wenn er sagt: ›Für euch und für viele‹, das heißt: für die, die das Versprechen des Erblassers annehmen und ihm glauben. Denn der Glaube macht hier zu Erben, wie wir sehen werden.

Du siehst also, daß die Messe (wie wir sie nennen) eine von Gott gegebene Verheißung der Vergebung der Sünden ist. Es ist eine solche Verheißung, die durch den Tod des Sohnes Gottes bekräftigt wird. Denn eine Verheißung und ein Testament unterscheiden sich durch nichts anderes, als daß ein Testament zugleich den Tod dessen voraussetzt, der das Versprechen gegeben hat. Und der Erblasser ist dasselbe wie einer, der bei seinem Tode ein Versprechen gibt; wer aber ein Versprechen gibt, ist (um es einmal so zu sagen) ein Erblasser, der am Leben bleibt. Dieses Testament Christi ist in allen Verheißungen Gottes von Anfang der Welt an vorgebildet. Ja, alle alten Verheißungen haben in dieser neuen zukünftigen Verheißung in Christus ihre Kraft. Was sie auch immer vermocht haben, das hing an ihr. Daher sind diese Worte in der Schrift sehr gebräuchlich: Vertrag, Bund und Testament des Herrn. Dadurch wurde angedeutet, daß Gott dermaleinst sterben würde. ›Denn wo ein Testament ist, da muß noch der Tod eintreten des, der das Testament gemacht hat‹, Hebr. 9, 16: Gott aber hat ein Testament gemacht, deswegen hat er sterben müssen. Er konnte aber nicht sterben, wenn er nicht ein Mensch war. So ist eben in dem Wort ›Testament‹ ganz kurz beides zusammengefaßt: die Menschwerdung wie auch der Tod Christi.

Daraus ist an und für sich schon klar, was der rechte Brauch und was der Mißbrauch, was eine würdige und was eine unwürdige Vorbereitung zur Messe ist. Denn ist sie, wie gesagt, eine Verheißung, so darf man nicht mit eigenen Werken, Kräften und Verdiensten hinzutreten, sondern allein mit dem Glauben. Denn wo das Wort des verheißenden Gottes ist, da ist der Glaube des Menschen nötig, der diese Verheißung ergreift. Es ist also klar, daß der Glaube der Anfang unserer Seligkeit ist. Der Glaube aber hängt am Wort des verheißenden Gottes, der ohne all unser Zutun uns umsonst und mit unverdienter Barmherzigkeit zuvorkommt und uns das Wort seiner Verheißung anbietet. ›Er sandte sein Wort und machte sie so gesund‹ (Ps. 107, 20). Nicht aber hat er unsere Werke angenommen und uns so erlöst. Das Wort Gottes ist das allererste; dem folgt der Glaube, dem Glauben die Liebe. Die Liebe endlich tut jedes gute Werk, denn ›sie tut nichts Böses, ja sie ist des Gesetzes Erfüllung‹ (Rom. 13, 10). Aber der Mensch kann auf keine andere Weise mit Gott übereinkommen oder handeln als durch den Glauben. Das bedeutet, daß nicht der Mensch durch irgendwelche seiner Werke, sondern Gott durch seine Verheißung das Heil schafft. Alles hängt, wird getragen und erhalten ›durch sein kräftiges Wort‹ (Hebr. 1, 3), durch das er uns geschaffen hat, ›damit wir wären die Erstlinge seiner Kreatur‹ (Jak. 1, 18),

So hat er dem Adam, der nach dem Falle wieder aufgerichtet werden sollte, diese Verheißung gegeben und zur Schlange gesagt: ›Ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe, und zwischen deinem Samen und ihrem Samen. Derselbe soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen‹ (1. Mose 3, 15). In diesem Worte der Verheißung ist Adam mit den Seinen wie in Gottes Schoß getragen und durch den Glauben an diese Verheißung erhalten worden und wartete mit Geduld auf das Weib, das der Schlange den Kopf zertreten sollte, wie Gott verheißen hat. In diesem Glauben und in dieser Hoffnung ist er auch gestorben und wußte nicht, wann und welcher Art die Verheißung sein würde, aber er zweifelte nicht daran, daß sie sich erfüllen würde. Denn eine solche Verheißung errettet, weil es die Wahrheit Gottes ist, auch in der Hölle die Gläubigen, die auf sie warten. Darauf folgte die andere Verheißung, dem Noah gegeben, bis Abraham. Ihm wurde zum Zeichen des Bundes der Regenbogen gegeben. Durch den Glauben an diese Verheißung erlangten er und seine Nachkommen einen gnädigen Gott. Danach hat er Abraham versprochen, daß ›alle Geschlechter auf Erden in seinem Samen sollten gesegnet sein‹ (1. Mose 12, 3). Und das ist der Schoß Abrahams (vgl Luk. 16, 22), in welchen seine Nachkommen aufgenommen sind. Danach hat er Mose und den Kindern Israel, besonders dem David, eine ganz deutliche Verheißung von Christus gegeben. Durch sie hat er endlich geoffenbart, was für eine Verheißung den Alten geschehen war.

So ist es schließlich zu der allervollkommensten Verheißung, zu der des neuen Testaments, gekommen, in welcher mit klaren Worten das Leben und Seligkeit umsonst verheißen und denen geschenkt werden, die der Verheißung glauben. Er unterscheidet auch mit einem deutlichen Zeichen zwischen diesem Testament und dem alten, wenn er sagt: das neue Testament Denn das alte Testament, durch Mose gegeben, war nicht eine Verheißung der Vergebung der Sünden oder der ewigen Güter, sondern der zeitlichen, nämlich des Landes Kanaan, wodurch niemand geistlich erneuert wurde, die himmlische Erbschaft anzutreten. Daher mußte auch ein unvernünftiges Tier (in Anspielung auf den Kreuzestod Christi) geschlachtet werden, durch dessen Blut das Testament bekräftigt wurde. Also: wie das Blut, so auch das Testament, wie das Opfertier, so auch die Verheißung! Aber hier sagt er: ›Das neue Testament in meinem Blut‹, nicht in einem fremden, sondern in seinem eigenen Blut, womit durch den Geist die Gnade verheißen wird, Vergebung der Sünden zu erhalten und die Erbschaft zu empfangen.

Die Messe ist demnach ihrem Wesen nach eigentlich nichts anderes als die oben genannten Worte Christi: ›Nehmet hin und esset‹ usw., so als ob er sagte: Siehe, du sündiger und verdammter Mensch, aus lauter und unverdienter Liebe, mit der ich dich liebe – der Vater aller Barmherzigkeit will es so haben – verheiße ich dir mit diesen Worten, ehe du irgend etwas verdient und verlangt hast, Vergebung aller deiner Sünden und das ewige Leben. Und auf daß du dieser meiner unwiderruflichen Verheißung ganz gewiß seiest, will ich meinen Leib dahingeben und mein Blut vergießen und diese Verheißung mit dem Tode selbst bekräftigen und beides (den Leib und das Blut) zum Zeichen und Gedächtnis dieser Verheißung hinterlassen. Sooft du davon Gebrauch machst, sollst du mein gedenken und diese meine Liebe und Güte gegen dich preisen, loben und danksagen.

Daraus siehst du, daß für eine würdige Messe nichts anderes gefordert wird als der Glaube, der sich fest auf die Verheißung verläßt, der daran glaubt, daß Christus in diesen seinen Worten die Wahrheit redet, und nicht zweifelt, ihm seien diese unermeßlichen Güter geschenkt. Auf diesen Glauben folgt bald von selbst die angenehmste Bewegung des Herzens, durch die der Geist des Menschen weit und kräftig gemacht wird (das ist die Liebe, durch den heiligen Geist im Glauben an Christus geschenkt), daß er zu Christus, einem so milden und gütigen Erblasser, hingerissen und gänzlich ein anderer und neuer Mensch wird. Denn wer würde nicht innig weinen, ja vor Freude an Christus fast sterben, wenn er ganz ohne Zweifel glauben kann, daß diese unschätzbare Verheißung Christi ihm zusteht? Wie sollte man einen solchen Wohltäter nicht liebhaben, der dem Unwürdigen, der weit anderes verdient hätte, solchen Reichtum und diese ewige Erbschaft anbietet, verheißt und schenkt, ehe man darum bittet?

Darum ist das unser ganzes großes Elend, daß wir viele Messen in der Welt haben und niemand oder nur wenige diese Verheißungen und diesen angebotenen Reichtum erkennen, betrachten und annehmen. Dabei sollte in der Messe fürwahr nichts anderes mit größerem, ja mit ausschließlichem Eifer betrieben werden, als daß wir diese Worte, diese Verheißungen Christi, die wahrhaftig die Messe selbst sind, uns vor Augen hielten, sie bedächten und wiederholten, um durch diese tägliche Gedächtnisfeier den Glauben daran zu üben, zu nähren, zu vermehren und zu stärken. Denn das ist es, was er gebietet, wenn er sagt: ›Das tut zu meinem Gedächtnis.‹ Das sollte auch der Prediger tun, daß er diese Verheißung dem Volk treulich einprägte und anempfehle, um ihren Glauben daran zu erwecken.

Denn Gott (wie gesagt) hat mit den Menschen niemals anders gehandelt, handelt auch (jetzt) nicht anders mit ihnen als durch das Wort der Verheißung. Wir hingegen können mit Gott niemals anders handeln als durch den Glauben an das Wort seiner Verheißung. Unserer Werke achtet er nicht, bedarf ihrer auch nicht; mit denen handeln wir vielmehr gegen die Menschen und mit den Menschen und uns selbst Aber dessen bedarf er, daß er von uns in seinen Verheißungen als getreu angesehen, mit Geduld erwartet und in Glaube, Hoffnung und Liebe verehrt wird. So kommt es, daß er seine Ehre in uns behauptet: nicht durch unser Laufen, sondern durch sein Erbarmen, Verheißen und Schenken empfangen und haben wir alles Gute (Röm. 9, 16). Siehe, das ist wahrhaft der Gottesdienst und die Anbetung, die wir in der Messe vollbringen sollen. Aber wenn die Worte der Verheißung nicht weitergegeben werden, was für eine Übung des Glaubens kann man dann haben? Wer hofft doch ohne Glauben? Wer hat (Gott) lieb? Was für einen Gottesdienst gibt es ohne Glauben, ohne Hoffnung, ohne Liebe? Deshalb ist kein Zweifel, daß heutzutage alle Priester und Mönche samt den Bischöfen und allen ihren Oberen Götzendiener sind und wegen ihrer Unkenntnis, Mißbrauch und Verspottung der Messe, d. h. des Sakraments, d. h. der Verheißung Gottes in einem hochgefährlichen Stande leben.

Jeder sieht leicht ein, daß diese zwei Dinge zugleich nötig sind, die Verheißung und der Glaube. Denn ohne Verheißung kann nichts geglaubt werden. Ohne Glauben aber ist die Verheißung nutzlos, weil sie durch den Glauben aufrechterhalten und erfüllt wird. Aus diesem allen wird ein jeder leicht folgern können, daß man zur Messe allein mit diesem Glauben gehen und hinzutreten kann, weil sie ja nichts anderes ist als eine Verheißung. Was ohne den Glauben an Gebetlein, Vorbereitungen, Werken, Zeichen und Gebärden mitgebracht wird, das ist alles mehr ein Reizmittel zur Gottlosigkeit als ein frommer Dienst. Denn gewöhnlich ist es so, daß man – so vorbereitet – meint, man ginge würdig zum Altar; dabei ist man doch wegen seines Unglaubens, den man mit sich bringt, zu keiner Zeit oder zu keinem Werk ungeschickter. Wieviel Meßpriester kannst du täglich und allenthalben sehen, die sich elendiglich eines großen Verbrechens schuldig fühlen, wenn sie nicht recht gekleidet waren oder die Hände nicht gewaschen oder beim Gebet gestockt und dadurch ein wenig gefehlt hatten. Aber daß sie die Messe selbst, d. h. die göttliche Verheißung nicht hochachten noch an sie glauben, deswegen haben sie nicht im geringsten ein schlechtes Gewissen. O dieser schmachvolle Aberglaube unserer absolut gottlosen und undankbaren Zeit!

Es gibt demnach keine würdige Vorbereitung und keinen rechten Gebrauch als allein den Glauben, mit dem der Messe, d. h. der göttlichen Verheißung, geglaubt wird. Wer daher zum Altar gehen oder das Sakrament empfangen will, der hüte sich, daß er nicht leer vor dem Angesicht seines Herrgotts erscheint. Der wird aber leer sein, wenn er nicht den Glauben an die Messe, d. h. dieses neue Testament, besitzt. Mit was für einer Gottlosigkeit könnte er sich wohl schwerer an der Wahrheit Gottes versündigen? Denn durch diesen seinen Unglauben macht er ihn, soviel an ihm ist, zu einem Lügner und einem, der leere Verheißungen gibt. Es ist demnach am allersichersten, mit keiner anderen Absicht zur Messe zu gehen, als ob du hingehen wolltest, sonst eine andere Verheißung Gottes zu hören. Das heißt du sollst bereit sein, nicht viel zu tun und mitzubringen, sondern alles zu glauben und anzunehmen, was dir dort verheißen oder als Verheißung durch den Dienst des Priesters verkündigt wird. Wenn du nicht mit dieser Absicht kommst, so bleibe lieber weg, denn du gingest ohne Zweifel zum Gericht dahin.

Mit Recht habe ich also behauptet, daß die ganze Kraft der Messe in den Worten Christi liegt, mit denen er verspricht, daß die Vergebung der Sünden allen denen geschenkt werde, die da glauben, sein Leib sei für sie dahin-gegeben und sein Blut sei für sie vergossen. Und deswegen ist für die, die die Messe hören wollen, nichts nötiger, als daß sie diese Worte fleißig und voll Glauben betrachten; tun sie das nicht, so ist alles andere umsonst. Das ist allerdings wahr, daß Gott in der Regel zu jeder Verheißung ein Zeichen als ein Andenken oder Denkmal seiner Verheißung dazuzusetzen pflegt, damit sie um so treuer behalten würde und um so wirkungsvoller (an seine Verheißung) erinnerte. So hat Gott auch in der Messe, der wichtigsten aller Verheißungen, ein Zeichen als ein Denkmal der so großen Verheißung hinzugesetzt: seinen eigenen Leib und sein eigenes Blut in dem Brot und Wein, wie er sagt: ›Das tut zu meinem Gedächtnis.‹ Ebenso fügt er auch in der Taufe zu den Worten der Verheißung als Zeichen das Untertauchen in das Wasser hinzu. Daraus erkennen wir, daß uns bei jeder Verheißung Gottes zweierlei angeboten wird: das Wort und das Zeichen, so daß wir daraus ersehen, das Wort ist das Testament, das Zeichen aber das Sakrament. So ist auch in der Messe das Wort Christi das Testament, Brot und Wein aber sind das Sakrament. Und wie mehr Kraft in dem Wort als in dem Zeichen liegt, so auch mehr im Testament als im Sakrament. Denn der Mensch kann das Wort oder das Testament haben und gebrauchen ohne das Zeichen oder ohne das Sakrament ›Glaube‹, sagt Augustin, ›so hast du gegessen.‹ Aber wem wird geglaubt, als dem Worte des, der es verheißt? So kann ich täglich, ja zu jeder Stunde die Messe haben, indem ich sooft ich will, mir die Worte Christi vorhalten und durch sie meinen Glauben speisen und stärken kann. Das ist recht geistlich essen und trinken.

Nun ist es zweierlei, was uns anzufechten pflegt, daß wir die Früchte der Messe nicht empfangen. Das eine ist, daß wir Sünder und solcher großen Dinge wegen unserer absoluten Nichtigkeit unwürdig sind. Das andere: wenn wir schon würdig wären, so sind doch die Dinge so erhaben, daß unsere kleinmütige Natur sie nicht zu begehren oder zu hoffen wagt. Denn wer würde nicht mehr vor der Sündenvergebung und dem ewigen Leben zurückschrecken, als sie zu begehren, sobald er die Größe der Dinge, die durch sie kommen, recht erwägt: nämlich Gott zum Vater zu haben, sein Kind und Erbe aller Güter Gottes zu sein? Gegen diese zweifache Kleinmütigkeit mußt du das Wort Christi ergreifen und es viel stärker im Auge behalten als diese Gedanken deiner Schwachheit. Denn ›groß sind die Werke des Herrn; wer ihrer achtet, der hat viel eitel Lust daran‹ (Ps. 111, 2); der da ›mächtig ist zu geben mehr, als wir begehren oder verstehen‹ (Eph. 3, 20). Denn wenn sie nicht unsere Würdigkeit und unsere Fassungskraft und all unsere Gedanken überträfen, dann wären sie nicht göttlich. Christus macht uns deshalb Mut, wenn er sagt: ›Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Denn es ist eures Vaters Wohlgefallen, euch das Reich zu geben!‹ (Luk. 12, 32). Denn dieser unbegreifliche Überfluß Gottes, der über uns durch Christus ausgegossen ist, bewirkt, daß wir ihn wiederum über alle Dinge inbrünstig lieben, mit dem höchsten Vertrauen zu ihm treten, alles geringachten und bereit sind, alles für ihn zu leiden. Daher wird auch dieses Sakrament mit Recht ein Brunnen der Liebe genannt.

Nimm dir dafür ein Beispiel an den Menschen: wenn ein reicher Herr nämlich einem armen Bettler oder einem unwürdigen und bösen Knechte tausend Goldstücke vermachte, würde dieser sie bestimmt mit Freudigkeit fordern und annehmen und weder seiner Unwürdigkeit noch der Größe des Vermächtnisses achten. Wenn ihm auch jemand entgegenträte und ihm seine Unwürdigkeit oder die Größe des Vermächtnisses vor Augen hielte, was meinst du, was er dazu sagen würde? Er würde sagen: ›Was geht das dich an? Was ich bekomme, das bekomme ich nicht nach meinem Verdienst oder auf Grund eines besonderen Rechtes. Ich weiß, daß ich unwürdig bin und mehr empfange als ich verdient habe, ja ich habe das Gegenteil verdient. Auf Grund des Testaments und fremder Güte verlange ich, was ich verlange. Hat ers nicht für unrecht gehalten, so viel einem so Unwürdigen zu vermachen, warum soll ich denn meiner Unwürdigkeit wegen es anzunehmen verschmähen? Ja, vielmehr darum greife ich desto mehr nach solch unverdienter und fremder Gnade, je unwürdiger ich bin.‹ Mit solchen Gedanken muß eines jeden Gewissen gegen alle Zweifel und Gewissensbisse gewappnet sein, diese Verheißung Christi mit festem Glauben zu erlangen. Nach Kräften muß man sich hüten, nicht im Vertrauen auf die Beichte, das Gebet oder die Vorbereitung zum Sakrament zu gehen, sondern an diesem allen verzagen und im stolzen Vertrauen auf Christus hinzutreten, der es verheißen. Denn, wie genug gesagt, hier soll allein das Wort der Verheißung im reinen Glauben regieren, der einzig und allein eine ausreichende Vorbereitung ist.

Hieraus sehen wir, aus was für einem mächtigen Zorn Gottes es kam, daß gottlose Lehrer uns die Worte dieses Testaments verborgen und dadurch (soweit es an ihnen lag) den Glauben selbst ausgelöscht haben. Nun ist leicht zu sehen, was auf dem Erlöschen des Glaubens notwendig folgen mußte, nämlich der ganz und gar gottlose Aberglaube an die Werke. Denn wo der Glaube untergeht und das Wort vom Glauben verstummt, da entstehen alsbald an dessen Stelle menschliche Werke und Satzungen von Werken. Durch diese sind wir wie durch eine babylonische Gefangenschaft aus unserm Vaterland vertrieben worden, nachdem man uns all unseren wertvollen Besitz genommen hat. So ist es mit der Messe gegangen; durch die Lehre gottloser Menschen ist sie in ein ›gutes Werk‹, das sie selbst ein ›opus operatum‹ nennen, verwandelt worden, durch welches sie sich bei Gott alles zu vermögen anheischig machen. Von hier aus ist es weitergegangen bis zu diesem äußersten Wahnsinn: weil sie erlogen haben, die Messe wirke kraft ihres äußeren Vollzuges (als ›opus operatum‹), haben sie noch hinzugesetzt, sie wäre den anderen auf jeden Fall nützlich, selbst wenn sie dem schädlich sei, der sie ohne Glauben darbringe. Und auf diesen Sand haben sie ihre Zuwendungen, ihre Teilhaber- und Bruderschaften, Jahresgedächtnisse und dergleichen unendliche gewinn- und verdienstbringende Dinge gegründet.

Gegen diese Gespenster wirst du kaum bestehen – denn sie sind stark und viele, und sie sind ganz fest eingewurzelt – wenn du nicht ganz beharrlich im Auge behältst, was die Messe ist und dich energisch der vorangegangenen Ausführungen erinnerst. Du hast gehört, daß die Messe nichts anderes ist als eine göttliche Verheißung oder ein Vermächtnis Christi, durch das Sakrament seines Leibes und Blutes zugeeignet. Ist das wahr, dann siehst du auch ein, daß es unter gar keinen Umständen ein Werk sein kann und daß in ihm nichts geschehen noch durch das Bemühen eines anderen etwas erreicht werden kann, als allein durch den Glauben. Der Glaube aber ist kein Werk, sondern der Lehrmeister und das Leben der Werke. Denn wer ist irgendwie so unsinnig, daß er eine empfangene Verheißung oder ein geschenktes Vermächtnis ein gutes Werk nennt, das er seinem Erblasser antut, dadurch daß ers annimmt? Wo ist der Erbe, der sich einbildet, seinem Vater, der ihm etwas vermacht, etwas Gutes zu tun, dadurch daß er die Testamentsurkunde mit der Erbschaft annimmt? Wie können wir also so verwegen sein, daß wir um das göttliche Vermächtnis zu empfangen, so kommen, als wollten wir Gott damit ein gutes Werk tun? Ist diese Unkenntnis des Testaments und diese Gefangenschaft eines so hohen Sakraments nicht mehr als bitter zu beweinen? Wo wir wegen der empfangenen Gaben dankbar sein sollten, da kommen wir hoffärtig und wollen geben, was wir nehmen sollten, verspotten mit unerhörter Verkehrtheit die Barmherzigkeit des Gebers, indem wir das als ein Werk geben, was wir als eine Gabe empfangen, so daß der Erblasser nun nicht mehr seine Guttaten austeilt, sondern die unsrigen empfängt. Wehe dieser Gottlosigkeit!

Wer ist aber jemals so toll gewesen, daß er die Taufe für ein gutes Werk hielt. Oder welcher Täufling glaubte, daß er ein Werk verrichtete, das er für sich und andere Gott darbrächte und zuteil werden ließe? Ist nun in einem Sakrament und Testament kein gutes Werk, woran man andere teilhaben lassen kann, so wird auch in der Messe keins sein. Denn auch sie ist nichts anderes als ein Testament und Sakrament. Daher ist es ein ausgemachter und gottloser Irrtum, die Messe für Sünden, für Genugtuungen, für Verstorbene oder sonst für eigene oder fremde Bedürfnisse zu opfern oder zuzueignen. Daß dies absolut wahr ist, verstehst du ganz leicht, wenn du standhaft daran festhältst, daß die Messe eine göttliche Verheißung ist, die niemandem nutzen, keinem zugeeignet, niemandem zugewiesen noch mitgeteilt werden kann als allein dem, der mit eigenem Glauben glaubt. Denn wer kann Gottes Verheißung, die eines jeden Glauben im besonderen fordert, für einen andern empfangen oder ihm zueignen? Kann ich denn einem anderen Gottes Verheißung geben, auch wenn er nicht glaubt? Oder kann ich für einen anderen glauben? Oder kann ich machen, daß ein anderer glaubt? Das müßte aber geschehen, wenn ich die Messe einem anderen zueignen und mitteilen kann, weil in der Messe nichts ist als diese zwei Dinge: Gottes Verheißung und des Menschen Glaube, der da empfängt, was Gott verheißt. Ist das wahr, so kann ich auch für andere das Evangelium hören und glauben, kann ich für den einen getauft und kann ich für einen anderen von Sünden erlöst werden, kann ich auch für einen anderen das Sakrament des Altars empfangen. Ich kann auch – um ihre Sakramente durchzugehen – für einen anderen eine Ehefrau nehmen, für einen anderen Priester, für einen anderen gefirmelt werden, für einen anderen die letzte Ölung bekommen.

Kurz, warum hat denn Abraham nicht für alle Juden geglaubt? Warum wird von jedem einzelnen Juden der Glaube an dieselbe Verheißung gefordert, an die Abraham geglaubt hat? Es ist also unüberwindlich wahr: Wo Gottes Verheißung ist, da steht ein jeder für sich selbst und wird eines jeden eigener Glaube gefordert, es wird ein jeder für sich selber Rechenschaft geben und seine Last tragen, so wie in Markus 16, 16 gesagt ist: ›Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubet, der wird verdammt werden.‹ Also kann ein jeder die Messe nur sich selbst durch seinen eigenen Glauben zunutzemachen und kann sie auf keine Weise jemand anders mitteilen. Ebenso kann der Priester keinem für einen anderen das Sakrament reichen, sondern er reicht es einem jeden besonders. Denn die Priester sind beim Weihen und Verwalten (des Sakraments) unsere Diener, durch die wir nicht ein gutes Werk darbringen oder aktiv anderen zuteil werden lassen, sondern durch sie empfangen wir die Verheißungen und das Zeichen und das wird uns passiv zuteil, was bisher bei den Laien geblieben ist. Denn man sagt nicht, daß sie damit etwas Gutes tun, sondern daß sie es empfangen. Aber die Priester sind auf ihre gottlosen Wege abgeirrt und haben sich ein gutes Werk daraus gemacht, daß sie aus dem Sakrament und Testament Gottes mitteilen und darbringen, wo es doch ein empfangenes Gut sein sollte.

Du könntest aber einwenden: Was? Willst du denn aller Kirchen und Klöster Brauch und Ansicht umkehren, bei denen sie so viele Jahrhunderte in Geltung stand, sind auf die Messe doch die Jahresgedächtnisse, Fürbitten, die Zuwendungen, die Mitteilungen usw., d. h. die allerergiebigsten Renten und Einkünfte gegründet. Hierauf antworte ich: Das ist es eben, was mich angetrieben hat, über die Gefangenschaft der Kirche zu schreiben. Denn so ist das hochwürdige Testament Gottes durch die Ansichten und Lehren gottloser Leute, die uns unter Hintansetzung des Wortes Gottes ihres eigenen Herzens Gedanken vorgetragen und die Welt verführt haben, so ist also dieses Testament in die Knechtschaft ruchlosen Gewinns gezwungen worden. Was kümmert mich die große Zahl und die Macht der Irrenden? Die Wahrheit ist stärker als sie alle. Kannst du Christus verleugnen, der da lehrt, daß die Messe ein Testament und Sakrament sei, so will ich ihnen recht geben. Weiter, wenn du sagen kannst, daß der ein gutes Werk tut, der das im Testament Vermachte empfängt oder das Sakrament der Verheißung dazu gebraucht, so will ich meine Meinung gern verdammen. Weil du aber keins von beiden kannst, was zauderst du da noch, den großen Haufen, der ins Verderben läuft, zu verlassen, Gott die Ehre zu geben und seine Wahrheit zu bekennen, daß nämlich heute alle Priester eine verkehrte Auffassung haben, wenn sie die Messe für ein Werk halten, womit sie ihren eigenen Nöten oder denen anderer – Lebendiger oder Toter – zu Hilfe kommen können, Ich rede unerhörte und verblüffende Dinge. Betrachtest du aber, was die Messe ist, so wirst du erkennen, daß ich wahr geredet habe. Das hat alles unsere gar zu große Sicherheit bewirkt, durch die wir den gegen uns ausbrechenden Zorn Gottes nicht gemerkt haben.

Diesem allen muß man, weil es so hartnäckig Wurzel geschlagen hat, standhaft und beständig die Worte und das Beispiel Christi entgegenhalten. Denn wenn wir nicht daran festhalten, daß die Messe eine Verheißung und Testament Christi ist, wie die Worte klar lauten, so verlieren wir das ganze Evangelium und allen Trost. Wir sollen nichts höher als diese Worte gelten lassen, ›wenn schon ein Engel vom Himmel etwas anderes lehren würde‹ (Gal. 1, 8). Und in diesen Worten steht nichts vom Werk oder vom Opfer. Weiter steht auch das Beispiel Christi auf unserer Seite. Denn Christus hat beim letzten Mahl, als er dieses Sakrament stiftete und dieses Testament begründete, es nicht Gott seinem Vater dargebracht oder als ein gutes Werk für andere verrichtet, sondern er saß bei Tisch und legte einem jeden das gleiche Testament vor und reichte ihnen das Zeichen dar. Die Messe ist nun desto christlicher, je näher und gleichförmiger sie der allerersten Messe ist, die Christus beim Abendmahl hielt. Aber die Messe Christi war ganz einfach, ohne alle Pracht mit Kleidern, Gebärden, Gesängen und anderen Zeremonien. Christus hätte sie also nicht vollständig eingesetzt, wenn sie als ein Opfer hätte dargebracht werden sollen.

Nicht, daß jemand die ganze Kirche tadeln soll, welche die Messe mit vielen anderen Bräuchen geziert und erweitert hat; sondern das wollen wir, daß sich niemand durch solch äußerlichen Glanz der Zeremonien irreleiten und durch den vielfältigen Pomp den Zugang zu dieser ganz einfachen Messe verbauen läßt und in Wahrheit eine Art ›Transsubstantiation‹ treibt, wenn er die Messe in ihrer Einfachheit aus den Augen verliert und an den vielen äußerlichen Zutaten des Gepränges hängen bleibt. Denn was über das Wort und Beispiel Christi hinaus hinzukommt, ist eine äußerliche Zutat zur Messe, deren jede wir nicht höher achten sollen als jetzt die Monstranzen (wie sie sie nennen) und die Altartücher, in denen die Hostien aufbewahrt werden. Wie es darum im Widerspruch zueinander steht, ein Testament auszuteilen, eine Verheißung zu empfangen und ein Opfer zu opfern, so widerspricht es sich, daß die Messe ein Opfer sein soll, weil wir jene empfangen, dies aber geben. Nun kann aber etwas nicht zugleich empfangen und gegeben werden und auch nicht von demselben zugleich gegeben und empfangen werden, ebenso wenig, wie das Gebet und die erlangte Sache dasselbe sein können, oder beten und das Erbetene nehmen.

Von daher kann jeder leicht verstehen, was gar oft bei Gregor d. Gr. gesagt wird: die Messe eines schlechten Priesters ist nicht geringer zu achten als die eines guten. Die Messe des heiligen Petrus ist nicht besser gewesen als die des Verräters Judas (wenn sie beide Messen gehalten hätten). Denn mit diesem Deckmantel wollen viele ihre Unfrömmigkeit bemänteln und haben daher den Unterschied zwischen dem opus operatum und dem opus operantis erfunden, damit sie auf diese Weise selbst sicher ein schlimmes Leben führen, und dennoch anderen Gutes zu tun in Anspruch nehmen können. Gregor hat tatsächlich recht, nur verstehen sie ihn falsch. Denn es ist ganz wahr, daß durch gottlose Priester nicht weniger vom Testament und Sakrament gegeben und empfangen wird als selbst durch die allerheiligsten. Denn wer wollte daran zweifeln, daß das Evangelium auch durch Gottlose verkündigt wird? Nun ist aber die Messe ein Teil des Evangeliums, ja die Summe und eine Zusammenfassung des Evangeliums. Denn was ist das ganze Evangelium anders als die frohe Botschaft von der Vergebung der Sünden? Was lang und breit über die Sündenvergebung und die Barmherzigkeit Gottes gesagt werden kann, das ist kurz in dem Wort des Testaments zusammengefaßt. Daher sollten auch die Predigten vor dem Volk nichts anderes sein als Auslegungen über die Messe, d. h. Erklärungen der göttlichen Verheißungen dieses Testaments; denn das hieße den Glauben lehren und recht die Kirche erbauen. Aber die jetzt die Messe auslegen, die gaukeln und betrügen mit Allegorien über von Menschen erdachte Zeremonien.

Wie deshalb ein gottloser (Priester) taufen kann, d. h. das Wort der Verheißung und das Zeichen des Wassers an den Täufling heranbringen, so kann er auch die Verheißung dieses Sakraments den Teilnehmern darreichen und es mit ihnen nehmen, wie Judas der Verräter beim (letzten) Mahl des Herrn. Es bleibt trotzdem allezeit dasselbe Sakrament und Testament, das im Gläubigen sein Werk (d. h. die Seligkeit) und im Ungläubigen das fremde Werk (d. h. die Verdammung) wirkt. Aber mit dem Opfer verhält es sich ganz anders. Denn weil nicht die Messe, sondern die Gebete Gott geopfert werden, ist es klar, daß die Opfer eines gottlosen Priesters nichts gelten. Sondern (wie derselbe Gregor sagt) wenn ein Unwürdiger geschickt wird, um zu bitten, so wird der Richter zu größerer Strafe herausgefordert. Darum darf man dies beides nicht vermengen: die Messe und das Gebet, das Sakrament und das Werk, das Testament und das Opfer. Denn das eine kommt von Gott zu uns durch den Dienst des Priesters und fordert Glauben; das andere kommt von unserm Glauben zu Gott durch den Priester und bittet um Erhörung, jenes steigt herunter, dieses steigt hinauf. Darum erfordert jenes nicht notwendig einen würdigen und frommen Priester, aber dieses forderts; denn Gott erhöret die Sünder nicht; er kann durch Böse Gutes tun, aber er nimmt keines Bösen Werk an, wie er an Kain gezeigt hat (1. Mose 4, 5). Und in den Sprüchen 15, 8 heißt es: ›Der Gottlosen Opfer ist dem Herrn ein Greuel‹, und Röm. 14, 23: ›Was nicht aus dem Glauben geht, ist Sünde.‹

Damit wir aber mit diesem ersten Teil zu Ende kommen, denn auch das übrige – wo immer der Verderber sich erhoben hat – wollen wir ans Licht bringen, kommen wir aus diesen Gründen allen zu dem Schluß, wem zugute die Messe eingesetzt ist und wer würdig kommuniziert: Nämlich allein die, welche traurige, angefochtene, betrübte, verwirrte und irrige Gewissen haben. Denn weil das Wort der göttlichen Verheißung dieses Sakraments die Sündenvergebung anbietet, so tritt getrost der hinzu, der von seinen Sünden geängstigt wird, sei es durch die Reue über begangene, sei es durch die Versuchung zu künftigen. Denn dieses Testament Christi ist die einzige Arznei für vergangene und zukünftige Sünden. Nur mußt du mit ungezweifeltem Glauben daran festhalten und glauben, daß dir aus Gnade gegeben werde, was die Worte des Testaments sagen. Wenn du das nicht glaubst, kannst du dein Gewissen niemals, nirgends, mit keinen Werken und keinem noch so großem Eifer zur Ruhe bringen. Denn allein der Glaube ist des Gewissens Friede, der Unglaube aber ist allein des Gewissens Beunruhigung.


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