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Die Marquise wirft anfangs um sich und auf sich einen befremdenden Blick. Was verursacht ihr dieses Erstaunen? Endlich ist sie mit einem Mal wieder zur Besinnung gekommen, ein letzter, schneller, prüfender Blick überzeugt sie, dass hier von keinem Traum mehr die Rede sein kann, und dass sie wirklich in die Hände ihrer tödtlichsten Feindin gefallen war.
Übrigens war es weniger schwer, Frau von B... zu überrumpeln und anzugreifen, als sie einzuschüchtern und zu demüthigen.
Die Marquise begann den Kampf; Frau von Fonrose erhielt den ersten Streich.
Marquise: »Obgleich ich mich mehr nach Ruhe, als nach einem Besuche sehne, Frau Baronin, so bin ich doch entzückt. Sie zu sehen.«
Baronin: »Entzückt, das ist viel gesagt. Ich glaube, der Herr Vicomte übertreibt.«
Marquise: »Madame ist so bescheiden.«
Baronin: »Der Herr ist so höflich.«
Gräfin (zur Baronin): »Sie sind es nicht; warum haben Sie ihn aufgeweckt, ich hatte Sie doch darum gebeten, es nicht zu thun, Madame, ich sage Ihnen, dass es mir sehr missfallen würde, wenn Sie hier einen Auftritt mit ihm veranlassten.«
Indessen schien die Marquise, erstaunt über die Worte der Gräfin, durch ihre Blicke von mir eine Erklärung zu verlangen. Ich wollte sie ganz leise geben, die Baronin kam mir zuvor.
Die Baronin sich zwischen die Marquise und Faublas werfend:
»Nicht doch, nicht doch, wenn's beliebt. Ich zweifle nicht daran, dass Sie sich viele Dinge zu sagen haben; aber Sie müssen laut sprechen. Nun, das stört Sie, ich glaube wohl, dass es Ihnen sehr ungelegen kommt? aber Herr Vicomte, Sie sind doch so gewandt.«
Marquise: »Madame irrt sich. Niemand versteht sich besser darauf als Sie; Ihre Erfahrung –«
»Lang, man sollte meinen, ich wäre hundert Jahre alt.«
»Verzeihen Sie, ich habe Madame verletzt.«
»Durchaus nicht.«
»Ach, wie bedauere ich.«
»Sie haben keinen Grund dazu, denn das Übel ist nicht groß.«
Sie wendet sich zu Faublas:
»Schönes Fräulein, Sie sprechen nichts?«
»Ich höre, ich leide und warte.«
Die Gräfin lebhaft:
»Und ich auch, ich warte mit großer Ungeduld auf das Ende dieser Geschichte.«
Der Graf sagte ganz verlegen: »Ich für meine Person verstehe bis jetzt noch nicht viel von dem Handel; nur so viel sehe ich, dass Sie alle sehr aufgeregt sind.«
Die Baronin wendet sich zu Madame von Lignoll und zu Faublas:
»Dieser Streit ist Ihnen lästig. Fassen Sie Muth, er wird nicht lange dauern, ich bin überzeugt, dass der Herr Vicomte die Güte haben wird, ihn sogleich zu beendigen, indem er sich von uns verabschiedet.«
Der Graf lebhaft:
»Endlich bin ich auf der Spur. Sie haben auch meine Meinung. Dies ist eine Liebschaft des Fräuleins.«
Die Gräfin sieht mit blitzenden Augen die Baronin an und sagt mit erstickter Stimme:
»Madame, Sie wagen es, in meinem Hause jemand, gegen den ich die größten Verbindlichkeiten habe, so zu behandeln?«
Die Baronin lacht laut auf, indem sie sagt:
»Ich, Gräfin, will nur, Sie mögen sagen, was Sie wollen, Ansprüche auf Ihre Dankbarkeit erwerben; ich will Sie von diesem Herrn befreien.«
»Welcher Eigensinn!«
»Werden Sie nicht böse! Sehen Sie, ich berufe mich auf den Vicomte, er wird selbst zugeben, dass mein Vorschlag der beste ist.«
»Madame, Ihr Betragen ist sonderbar, es lässt keine Entschuldigung zu; und hätte der Herr Vicomte auch noch so viele Treulosigkeiten gegen Sie begangen.«
»Treulosigkeiten, er?«
»Ja, Madame, er! glauben Sie, ich wisse nicht, dass er Ihr Liebhaber gewesen ist?«
»Er, mein Liebhaber?«
Der Graf unterbricht die beiden Frauen:
»Bst! sprechen wir nicht hievon. Ich liebe solche Unterhaltungen durchaus nicht.«
Die Gräfin sieht ihren Gemahl streng an:
»Mein Herr, ich bewundere Sie! handelt es sich denn darum, ob Sie etwas lieben, oder nicht?«
Madame Fonrose, die noch nicht zu lachen aufhörte:
»Er, mein Liebhaber! das wäre eine lustige Geschichte! Gräfin, sagen Sie mir doch, wer Ihnen dies eingeredet hat?
»Die kleine Brumont, ohne Zweifel!« sieht Faublas lächelnd an, »wahrlich, ein sehr schlaues Mädchen! werden Sie wohl den Muth haben, diese spasshafte Anklage in meiner Gegenwart zu wiederholen?«
»Warum nicht, Madame, wenn Sie mich dazu nöthigen.«
»Gut geantwortet! . . . Und Sie, Herr Vicomte, werden Sie es ebenfalls vor mir behaupten wagen? Wahrhaftig, um das Abenteuer vollends ganz komisch zu machen, fehlt nichts mehr als dies.«
Die Marquise fasst sich gewaltsam:
»Madame, es gibt Eroberungen, die ein junger Mensch aus Eitelkeit bekannt macht, es gibt Glück in der Liebe, das er aus Rücksicht für die zweite Person nicht gesteht. Ich überlasse Ihnen zu entscheiden, ob ich indiskret sein kann.«
»Wahrhaftig, Herr Vicomte, ich begreife, dass Sie in peinlicher Verlegenheit sein würden, wenn Sie alle Ihre Eroberungen gestehen müssten, ohne Kompliment: ich glaube, dass deren ziemlich viele sind; Sie gehen in Versailles auf schönen Wegen, man weiß davon . . .«
Der Graf scheint sich zu besinnen. »Bei Gott! aber in Versailles war es, wo ich dies Gesicht sah, aber wie wird mir denn, ich bin ganz verwirrt,« er geht mit unruhigen Schritten auf und ab für sich gestikulierend.
Die Baronin steht rasch auf, sieht Faublas bedeutend an, zieht ihre Uhr und sagt:
»Ich habe Eile. Der Herr Vicomte wird wohl nicht zu Fuß gehen; ich bitte ihn, mich zu meinem Wagen zu begleiten, wo er die Güte haben wird, einen Platz anzunehmen.
»Ich verpflichte mich, ihn bis Fontainebleau zurückzuführen; ist das nicht anständig?«
»Ich bin sehr verbunden für die gütige Anerbietung der Frau Baronin, aber wenn die Frau Gräfin erlaubt, so bleibe ich hier!«
Die Gräfin ihm die Hand reichend, welche er küsst:
»Sie haben Recht, Herr Vicomte«
»Er hat Recht, ohne Zweifel, und Sie haben wohl Ursache, ihm beizustimmen,« sagte die Baronin ironisch.
»Und Sie, Herr Vicomte, hoffen, dass ich Sie hier lassen werde?«
»Ich sehe wenigstens nicht ein, Madame, wie Sie mich zwingen könnten, zu gehen?«
Die Baronin nähert sich sehr leidenschaftlich der Marquise:
»Welche Frechheit! bedenken Sie doch, dass ich nur ein Wort zu sagen brauchte.«
»Sie werden es nicht sagen.«
»Wer wird mich hindern?«
»Ein klein wenig Überlegung! Sie haben mein Geheimnis, ich weiß es wohl; aber sehen Sie um sich, und sagen Sie mir, welchen Vortheil diejenigen daraus zögen, denen Sie es anvertrauen könnten?«
Die Gräfin leise zu Faublas:
»Was bedeutet das, ich kann den Sinn dieses Wortwechsels nicht begreifen.«
»Theuere Freundin, das geht Deinen Gemahl an, ich werde es Dir nachher erklären.«
Die Marquise tritt zur Baronin und spricht halblaut in sehr freundschaftlichem Tone:
»Die Gräfin ist leidenschaftlich, sie würde sich in ihrer Aufregung verrathen, ich bitte um ihretwillen um Gnade.«
»Ich werde Mittel finden, Herrn von Lignoll zu entfernen, beruhigen Sie sich.«
»Herr Graf, zwei Worte!«
»Ich bin ganz zu Ihren Diensten, Frau Baronin.«
Die Marquise beobachtet aufmerksam alle Personen, und sagt zur Gräfin:
»Dulden Sie diese Vertraulichkeiten nicht.«
Mehr bedurfte es nicht, um diese reizbare Frau anzueifern, und sie rief leidenschaftlich: »Ich will nicht, Frau Baronin, dass Sie mit ihm reden!«
»In diesem Falle bitte ich Sie um Entschuldigung, ich wollte ja nur, dass Sie uns einen Augenblick gönnten.«
Die Marquise, welche Frau von Fonrose nicht aus den Augen verliert, leise zur Gräfin:
»Leiden Sie nicht, dass sie sich entfernt.«
»Ich will nicht, Frau Baronin, dass Sie sich entfernen, bleiben Sie, ich bitte, und Sie auch nicht, mein Gemahl!«
Der Graf halblaut:
»Gehen Sie, Sie brauchen es mir nicht zu sagen! kein Wort entgeht mir, ich sehe wohl, dass die Baronin, obzwar sie sich Gewalt anthut, eine affektierte Seele hat! Was aber diesen Jungen betrifft, da er Credit beim Minister hat, so fühle ich wohl, dass er sich nicht beklagen soll, bei uns schlecht behandelt worden zu sein. Ja, ich kenne die Welt; ein Mann, besonders aber der Gebieter des Hauses, weiß immer zu imponieren. Deshalb muss ich bleiben, damit es zu keinem Auftritt kommt.«
Alle riefen einstimmig:
»Bleiben Sie!«
Die Baronin stellt sich resigniert:
»Nun, da alle Welt es will, so bleiben Sie doch. Das wird sehr spasshaft, ich müsste einen sehr schlechten Humor haben, wenn ich mich nicht belustigte;« dabei lachte sie aus ganzen Kräften.
»Gräfin, reichen Sie mir die Hand! Sie hintergeht man, und mir spielt man recht böse mit.«
Alle riefen:
»Erklären Sie sich!«
Der Graf, der sich mit pfiffiger Miene die Hände rieb und selbstbewusst den Kopf neigte, sagte, sich an seine Gemahlin wendend:
»Ich ahnte es,« und sagte zu der Gräfin:
»Man hintergeht Sie. Doch möchte ich die ganze Geschichte gerne erfahren; erklären Sie sich doch, Baronin.«
»Wahrlich! man weiß recht gut, dass ich mich nicht erklären kann, deshalb muss ich Geduld und Muth haben.«
Sie nimmt einen Stuhl und setzt sich.
Die Marquise hat es gesehen und sagte:
»Madame hatte zu thun, wichtige Geschäfte, wie es scheint.«
»Diese Bemerkung ist unartig, mein Herr, indes verzeihe ich Ihre Unhöflichkeit aus Rücksicht auf Ihre Verlegenheit.
»Ich sah mich genöthigt. Sie in Eile von hier zu entführen und Sie mitzunehmen, da man sich jedoch nicht entschließen kann, Sie scheiden zu sehen, so verlange ich wenigstens, dass man mir erlaube, das Glück zu haben, bei Ihnen zu bleiben.«
Die Gräfin, in sehr üble Laune durch diesen Entschluss der hartnäckigen Baronin versetzt, erwiderte närrisch:
»Wie Ihnen beliebt!«
Da der Graf beständig eine beobachtende Stellung bewahrt, sagt die Marquise zu ihm:
»Der Herr Graf wird doch nicht immer stehen wollen?«
Sie beeilt sich, ihm einen Sitz anzubieten.
»Ich bin äußerst verbunden.«
Alle nehmen Platz um mein Bett. Das Betragen eines Jeden war wirklich eigenthümlich.
Die Gräfin theilt ihre liebevolle Sorgfalt zwischen der Marquise und mir; wenn sie sich zuweilen zu erinnern scheint, dass Frau von Fonrose da ist, dann lässt sie ihre Unzufriedenheit durch eine schmollende Miene oder ein unhöfliches Wort fühlen. Auch Herr von Lignoll vernachlässigt die Baronin gänzlich, seine ganze Aufmerksamkeit ist Herrn von Florville zugewendet, diesem jungen Manne, der so viel Credit beim Minister hat. Er bemächtigt sich seiner und verschwendet alle erdenkliche Liebenswürdigkeit an ihn. Der Vicomte nimmt die Danksagungen von Madame mit Bescheidenheit und die Schmeicheleien vom Grafen beinahe mit Würde auf.
Nach der vollkommenen Sicherheit, die er zur Schau trägt, würde man fast sagen, er vergesse seine Gefahren und seinen Gegner; aber je weniger er daran zu denken scheint, umso mehr glaube ich, dass er sich damit beschäftigt.
Von Zeit zu Zeit wirft Florville einen stolzen, gebieterischen, triumphierenden Blick auf die Baronin.
Es scheint, die Marquise thäte besser, ihre Vortheile über ihre Feindin, die das Schlachtfeld noch nicht geräumt, nicht zu überschätzen.
Die Baronin macht sich auf Kosten aller lustig.
Sie straft den Grafen, der sie unhöflich verlässt, nur damit, dass sie enthusiastisch alles lobt, was er sagt; sie rächt meine Treulosigkeiten gegen sie nur durch einen verstohlenen Blick. Sie setzt dem ungerechten Zorn der Gräfin nur ein langes Gelächter entgegen, und den majestätischen Blick ihrer stolzen Rivalin weist sie mit einem bitteren und drohenden Lächeln ab.
Ich sehe sie einen Augenblick sich sammeln und nachdenken; dann erhebt sie sich, geht auf den Korridor, ruft einen ihrer Leute, gibt ihm einige Befehle, und während sie zurückkommt, sagt sie ziemlich laut:
»Mein Kutscher soll sich bereit halten!«
Bei diesem Befehle schlug mein Herz überfreudig.
»O, mein guter Genius, der Du die Marquise beschützest, ich danke Dir, der Sieg ist unser.«
Herr von Lignoll fordert Florville auf, die Charaden nicht zu vernachlässigen.
Plötzlich hören wir einen Schuss im Hofe fallen. Herr von Lignoll stürzt hinaus, die Gräfin will ihn zurückhalten; Frau von Fonrose hindert sie daran mit den Worten:
»Es ist nichts! nichts als eine soeben erfundene List, Ihren Gemahl wider Ihren Willen zu entfernen und wider Ihren Willen Ihre Nebenbuhlerin zu vertreiben.«
»Meine Nebenbuhlerin?«
»Ja, unglückliches Kind, das Sie sind! sich so betrügen zu lassen! betrachten Sie doch diesen angeblichen Jüngling.
»Ist es möglich, an seinen Zügen, an seinem Wuchse das Weib zu verkennen, an dieser Gewandtheit, dieser Falschheit, namentlich an dieser unbegreiflichen Kühnheit, ist es möglich, dass Sie sie verkennen? . . .«
»Die Marquise von B... große Götter!«
»Mein Freund,« sagte die Marquise, sich zu Faublas wendend; »ich verlasse Sie wider Willen; aber ich werde Nachricht von Ihnen erhalten.«
Zu Frau von Fonrose mit drohendem Tone:
»Baronin, rechnen Sie auf meine Erkenntlichkeit, übrigens achten Sie mein Geheimnis! hüten Sie sich vor dem Versuch, mich durch Verbreitung dieses Abenteuers lächerlich zu machen und wie es sonst Ihre Art ist, mich bloßzustellen, und sich selbst dabei auf den Tugendspiegel herauszuspielen.
»Adieu, Frau Gräfin! wenn Sie billig genug sind, gegen den Vicomte von Florville keinen Groll zu hegen, so verspricht er Ihnen, Ihre Schwachheiten nicht aufzudecken!«
Sie ging hinaus, gefolgt von der Baronin.
Um sich eine richtige Vorstellung von dem Wuthausbruch der Gräfin zu machen, müsste man ebenso leidenschaftlich, ebenso jähzornig, wie sie sein.
Im Anfang that das Übermaß des Erstaunens dem Übermaß der Wuth Einhalt; allein die schreckliche Ruhe war kurz und der Ausbruch furchtbar.
Ich sah Frau von Lignoll schaudern und erbleichen; ihr ganzer Körper schien von krankhaften Bewegungen durchzuckt, ihre Lippen zitterten, das Auge flammte, das arme Kind wollte schreien und konnte nur dumpfe Seufzer vorbringen; sie riss sich die Haare aus, in ihr reizendes Gesichtchen grub sie die Nägel, dass Blut unter denselben hervorkam.
Ich versuche aus dem Bette zu gehen, ich stürze mich ihr zu Füßen.
»Leonore, meine theuere Leonore! höre mich doch!«
Sie stößt mich von sich und mit verzweiflungsvoller Stimme schreit sie vor Leidenschaft zitternd:
»Du willst Ihr folgen? nun gut, geh doch, geh, Treuloser, und lass Dich nie mehr vor mir sehen! . . . Wer kann Dich hier noch zurückhalten? sie erwartet Dich!
»Geh, erfreue Dich bei ihr meiner Schmach! und Deiner Undankbarkeit! Geh, aber bedenke, dass, wenn ich Euch beisammen finde, so werde ich Euch beide tödten.«
Sie hatte meinen Arm ergriffen, den sie aus Leibeskräften schüttelte, bis ich auf meine Kniee fiel. Ein Schrei entrang sich ihrer Brust; es war nicht mehr ein Schrei der Wuth.
Bereits war an die Stelle des Zornes Angst und Befürchtung um mein Leben getreten.
»Leonore, wie kannst Du glauben, dass ich ihr in diesem Zustande folgen wolle? Ich wollte Dich um Verzeihung bitten, Dich zu trösten suchen; Leonore, höre mich, beruhige Dich, ich bitte Dich dringend! aus Liebe zu mir, aus Liebe zu Dir selbst, schone so viele Reize, womit Dich die Liebesgötter geschmückt, hüte Dich, ihr herrliches Werk zu verderben, welches geschaffen ist, um tausend Liebkosungen und wonnige Freuden Deinen Geliebten zu verschaffen.«
Schon sah ich, wie ihr Gesichtchen sich durch einen milden und lieblichen Ausdruck verklärte.
Wenn man das Unglück gehabt hat, seine Geliebte zu erzürnen, so muss man sie sogleich wieder zu beruhigen suchen; und wer in einem solchen Falle nicht im Stande ist, zu handeln, muss wenigstens sprechen; man muss, wenn man nichts besseres thun kann, die lebhaften Liebkosungen durch leidenschaftliche Lobeserhebungen ergänzen, und den schmeichelnden Reden alle die Wärme geben, die man in die tröstenden Handlungen gelegt hätte.
Meine gefühlvolle Freundin vergaß, durch meine Worte gerührt, ebenso durch die Angst, in die sie meine Lage versetzte, das ihr angethane Unrecht.
Dem sei wie immer auch, wenn ich über die Ursache im Zweifel war, so konnte ich doch die Wirkungen nicht bezweifeln.
Frau von Lignoll hob mich auf, unterstützte mich und half mir wieder in's Bett zu steigen; dann setzte sie sich neben mich, neigte sich über mich und verbarg ihr Gesicht an meinen Busen, den sie mit ihren Thränen benetzte.
Bei dem Geräusch, das Frau von Fonrose, als sie wieder hereinkam, machte, änderte die Gräfin ihre Stellung.
»Guter Gott, wie finde ich Sie zugerichtet, was haben Sie mit Ihrem schönen Gesichte gethan, welche Grausamkeit konnte dasselbe so entstellen? Madame, ich habe Ihnen hundertmal gesagt, eine hübsche Frau kann in ihrer Verzweiflung weinen, mit ihrem Liebhaber Streit anfangen und ihren Mann quälen, aber sie muss immer sich selbst und ihre Person berücksichtigen, besonders ihr Gesicht schonen. Ich ahnte es übrigens, dass Sie in der ersten Aufwallung viel unüberlegtes und tolles Zeug machen würden. Ich konnte nicht bei Ihnen bleiben.«
»Diese Frau von B..., was ist aus ihr geworden?« fragte Frau von Lignoll.
»Sie hat vornehm meinen Wagen ausgeschlagen, dessen sie nicht bedurfte. Der bequeme Vicomte hatte sich bei Ihnen vollständig eingerichtet. Er hatte in Ihrer Domestikenstube einen Lakai, wohlverstanden ohne Livrée, zwei Pferde in Ihrem Stall.«
»Welch' eine Frau!« rief die Gräfin mit großer Lebhaftigkeit; »welche Kühnheit in ihrem Benehmen und in ihren Reden! Ich treffe sie in Compiègne, sie sagt mir, sie sei ein Verwandter des Marquis von B... und Sie auch, mein Herr, Sie haben es mich glauben gemacht, Sie haben mich unwürdig betrogen; was wollte sie in Compiègne thun? antworten Sie. Sie sprechen nichts, Sie sind ein Verräther! gehen Sie, entfernen Sie sich! Ich habe Ihnen geglaubt, in meiner Vertrauensseligkeit! sie verfolgt uns auf der Straße, sie trifft uns in Montargis, sie findet mich – in welchem Zustand, in Ihren Armen, Treuloser, große Götter! daher dieser Ausruf der Bestürzung und des Schmerzes; es lässt sich leicht denken, denn unmöglich ist es, dass ein Weib einen solchen Anblick ertragen kann, welches sich diesem treulosen Manne selbst zum Opfer hingegeben hat, glaubend, dass sie ihn beglückt. Doch schweigen wir darüber, denn unauslöschlich ist die Schmach, die ich selbst über mich brachte.
»Ich werde mein Leben lang Thränen der Reue darüber vergießen. Was mich aber am meisten zur Verzweiflung bringt, ist der Gedanke, dass, wenn ich einige Augenblicke später gekommen wäre, ich meine unwürdige Nebenbuhlerin in den Armen eines Treulosen überrascht hätte.«
Ich wollte die Gräfin beruhigen, sie aber fuhr fort:
»Ich glaube jetzt überzeugt zu sein, dass er Alle liebt, denen er begegnet, Marquise oder Gräfin, Grisette oder Kammerfrau, was liegt daran, wenn es nur eine Frau ist.«
Indem sie sich leidenschaftlich zu Faublas wendet, sagt sie:
»Wie viele Geliebten brauchen Sie denn? versuchen Sie nicht, sich zu rechtfertigen! Sie sind ein Mann ohne Zartgefühl, ohne Ehrgefühl, ohne Treue! Trachten Sie sich zu entfernen, so schnell als möglich, und lassen Sie sich nicht mehr vor mir blicken.«
Die Gräfin gerieth allmählich wieder in ihre ersten Wuthausbrüche; ich fürchtete nur, dass ihr Gemahl nicht zurückkäme. Die Baronin, der ich meine Befürchtung mittheilte, beruhigte mich.