Jack London
Südsee-Geschichten
Jack London

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Mauki

Er wog hundertundzehn Pfund. Sein Haar war kraus und negerartig, und er war schwarz. Eigenartig schwarz. Weder blauschwarz noch purpurschwarz, sondern pflaumenschwarz. Er hieß Mauki und war der Sohn eines Häuptlings. Er hatte drei Tambos. Tambo ist das melanesische Wort für Tabu und diesem polynesischen Worte am nächsten verwandt. Maukis drei Tambos waren folgende: Erstens durfte er nie einer Frau die Hand drücken, noch durfte die Hand einer Frau ihn oder etwas, was ihm gehörte, berühren; zweitens durfte er nie Muscheln oder eine Nahrung essen, die auf einem Feuer zubereitet war, über dem man Muscheln gekocht hatte; drittens durfte er nie ein Krokodil berühren oder in einem Kanu fahren, an dem sich irgendein Teil eines Krokodils befand, und wenn er auch nur so groß wie ein Zahn gewesen wäre.

Von einem andern Schwarz waren seine Zähne, nämlich tief schwarz oder eher rußschwarz. So hatte seine Mutter sie in einer einzigen Nacht gemacht, indem sie einen Umschlag von einem zerstoßenen Mineral darauf gelegt hatte, das in einer Grube hinter Port Adams gefunden wurde. Port Adams ist ein Fischerdorf auf Malaita, und Malaita ist die wildeste der Salomoninseln, so wild, daß weder Händler noch Pflanzer je festen Fuß auf ihr gefaßt haben, während seit der Zeit der ersten Trepangfischer und Sandelholzhändler bis zu den letzten, mit Maschinengewehren und Gasolinmotoren ausgerüsteten Arbeiterwerbern Scharen weißer Abenteurer mit Tomahawk und abgeplatteten Sniderkugeln ausgerottet worden sind. Auch heute noch, im zwanzigsten Jahrhundert, ist Malaita das Jagdgebiet der Arbeiterwerber, die seine Küsten absuchen, um Leute zur Arbeit auf den Plantagen der benachbarten zivilisierten Inseln gegen einen Arbeitslohn von dreißig Dollar jährlich zu dingen. Die Eingeborenen dieser zivilisierten Nachbarinseln sind selbst schon zu zivilisiert, um auf den Plantagen zu arbeiten.

Maukis Ohren waren durchbohrt, nicht an einer oder zwei, sondern an mindestens einem Dutzend Stellen. In einem der kleineren Löcher trug er eine Tonpfeife. Die größeren Löcher waren dafür zu groß, der Pfeifenkopf wäre hindurchgefallen. In den größten Löchern beider Ohren trug er runde Holzpflöcke von vier Zoll im Durchmesser. Der Umkreis besagter Löcher betrug rund zwölf und einen halben Zoll. Maukis Geschmack war außerordentlich umfassend. In den verschiedenen kleineren Löchern trug er Dinge, wie leere Patronenhülsen, Hufnägel, Kupferschrauben, Bandenden, geflochtenes Tauwerk, grüne Blattstücke und, wenn es kühl war, rote Malvenblüten. Woraus zu ersehen ist, daß Taschen zu seinem Wohlbefinden nicht nötig waren. Im übrigen waren sie unmöglich, denn sein einziges Kleidungsstück bestand aus einem einige Zoll breiten Stück Kaliko. Ein Taschenmesser trug er im Haar, die Klinge über einer krausen Locke zusammengeklappt. Sein wertvollster Besitz war der Henkel einer Porzellantasse, den er an einem Schildpattring aufhing, der seinerseits wieder durch den Nasenknorpel gezogen war. Aber trotz dieser Verschönerungen hatte Mauki ein nettes Gesicht. Es war wirklich, von jedem Standpunkt aus, ein hübsches Gesicht und für einen Melanesier sogar ein bemerkenswert gut aussehendes Gesicht. Der einzige Fehler dieses Gesichtes war sein Mangel an Strenge. Es war weiblich sanft, beinahe mädchenhaft. Die Züge waren klein, regelmäßig und fein. Kinn und Mund waren weich. Es lag weder Strenge noch Charakter in Kiefern, Stirn und Nase. Nur in den Augen konnte man eine Spur der unbekannten Eigenschaften entdecken, die einen großen Teil seiner Persönlichkeit ausmachten, die aber andre Menschen nicht verstehen konnten.

Maukis Vater war Häuptling über ein Dorf auf Port Adams, und so war Mauki ein Salzwassermensch von Geburt, ein halbes Amphibium. Er kannte das Leben der Fische und Austern, und das Riff war ein offenes Buch für ihn. Auch mit Kanus wußte er Bescheid. Er lernte schwimmen, als er ein Jahr alt war. Mit sieben Jahren konnte er eine volle Minute lang den Atem anhalten und durch dreißig Fuß Wasser bis auf den Grund tauchen. Und mit sieben Jahren wurde er von den Buschleuten gestohlen, die nicht schwimmen können und Furcht vor dem Salzwasser haben. Seitdem sah Mauki das Meer nur aus der Ferne durch Lichtungen im Buschdickicht und von freien Stellen in den hohen Bergen. Er wurde der Sklave des alten Fanfoa, des obersten Häuptlings einer Reihe verstreuter Buschdörfer am Rande der Bergkette von Malaita, deren Rauch an ruhigen Morgen für weiße Seefahrer ungefähr das einzige Zeichen von der zahlreichen Bevölkerung im Innern des Landes ist. Denn die Weißen dringen nicht in Malaita ein. Sie haben es einst versucht, als sie nach Gold forschten, immer aber wurden ihre Köpfe aufgespießt, um von den rauchigen Dachsparren der Buschleute herabzugrinsen.

Als Mauki ein junger Mann von siebzehn Jahren war, ging Fanfoa der Tabak aus. Es war kein Tabak mehr aufzutreiben. Es waren harte Zeiten für alle seine Dörfer. Er war das Opfer eines Irrtums geworden. Suo war ein Hafen, so klein, daß ein Schoner nicht in ihm ankern konnte. Er war von Mangrovebäumen umgeben, die ihre Zweige über das tiefe Wasser hängen ließen. Es war eine Falle, und in diese Falle fuhren zwei weiße Männer in einer kleinen Jacht. Sie suchten Arbeiter, und sie hatten viel Tabak und Tauschwaren, gar nicht zu reden von drei Flinten und einer Menge Munition. Nun wohnten bei Suo keine Salzwasserleute, und so konnten die Buschleute bis ans Wasser herunterkommen. Die Jacht machte glänzende Geschäfte. Sie warb am ersten Tage zwanzig Arbeiter. Selbst der alte Fanfoa ließ sich einschreiben. Und am selben Tage schnitt der neue Arbeitertrupp den beiden weißen Männern die Köpfe ab, tötete die Bootsmannschaft und verbrannte die Jacht. Nun gab es die nächsten drei Monate in allen Buschdörfern Tabak und Waren in Hülle und Fülle. Dann kam ein Kriegsschiff, das Granaten meilenweit ins Land schleuderte und die erschrockene Bevölkerung aus den Dörfern tief in den Busch hineintrieb. Darauf schickte das Kriegsschiff Landungsabteilungen. Alle Dörfer wurden verbrannt mit Tabak und Tauschwaren. Kokos- und Bananenbäume wurden gefällt, Tarogärten zerstört und Schweine und Hühner geschlachtet.

Fanfoa erhielt eine Lehre, aber inzwischen war ihm der Tabak ausgegangen. Und seine jungen Leute hatten zu große Furcht bekommen, sich auf Werbeschiffen einschreiben zu lassen. Deshalb befahl Fanfoa, seinen Sklaven Mauki hinunterzuschicken und einschreiben zu lassen. Er wollte eine halbe Kiste Tabak, außerdem Messer, Beile, Kaliko und Glasperlen haben, die Mauki mit seiner Arbeit auf den Plantagen bezahlen sollte. Mauki war sehr erschrocken, als man ihn an Bord des Schoners brachte. Er kam sich vor wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird. Weiße Männer waren wilde Geschöpfe. Sie mußten es sein, sonst konnten sie sich nicht die Küste von Malaita entlang wagen und in alle Häfen dringen, nur zwei Mann stark, mit zwanzig Schwarzen als Besatzung und siebzig schwarzen geworbenen Arbeitern an Bord. Zudem bestand immer die Gefahr, daß die Küstenbevölkerung den Schoner überfiel und die ganze Besatzung niedermachte. Wirklich, weiße Männer mußten furchtbar sein. Außerdem besaßen sie solche Teufelflinten, die sehr schnell und oft hintereinander schossen, Dinge aus Eisen und Messing, die die Schoner antrieben, auch wenn kein Wind war, und Kästen, die gerade so lachten und sprachen wie ein Mensch. Ja, er hatte von einem weißen Manne gehört, dessen besonderer Teufel so mächtig war, daß er nach Belieben die Zähne aus dem Munde nehmen und wieder einsetzen konnte. Mauki wurde in die Kajüte gebracht. Auf Deck hielt der eine Weiße mit zwei Revolvern im Gürtel Wache. Unten saß der andre weiße Mann mit einem Buch vor sich, in das er seltsame Zeichen und Linien schrieb. Er betrachtete Mauki, als sei dieser ein Schwein oder ein Vogel, guckte ihm unter die Achselhöhlen und schrieb in sein Buch. Dann hielt er ihm den Schreibstift hin, und kaum hatte Mauki ihn mit der Hand berührt, als er sich auch schon zu dreijähriger Arbeit auf den Plantagen der Mondschein-Seifen-Gesellschaft verpflichtet hatte. Es wurde ihm nicht erklärt, daß die wilden weißen Männer nötigenfalls seine Verpflichtung erzwingen konnten, und daß zu diesem Zwecke die ganze Macht und alle Kriegsschiffe Großbritanniens hinter ihnen standen.

Es waren noch andre Schwarze aus fernen Gegenden, von denen er nie gehört hatte, an Bord, und als der weiße Mann mit ihnen gesprochen hatte, rissen sie die lange Feder aus Maukis Haar, Schoren besagtes Haar kurz und banden ihm ein Lava-Lava aus dickem gelben Kaliko um den Leib.

Als er viele Tage auf dem Schoner zugebracht und mehr Länder und Inseln gesehen hatte, als er sich je hätte träumen lassen, wurde er auf Neugeorgien an Land gesetzt und damit beschäftigt, Buschwerk zu roden und Rohr zu schneiden. Zum ersten Male erfuhr er, was arbeiten heißt. Selbst als Sklave bei Fanfoa hatte er nicht so gearbeitet. Und er machte sich gar nichts aus der Arbeit. Es hieß in der Dämmerung aufstehen und im Dunkeln zu Bett gehen, mit zwei Mahlzeiten täglich. Und das Essen war schlecht. Wochenlang gab es nichts als süße Kartoffeln, und dann wieder wochenlang nichts als Reis. Tag für Tag schnitt er Kokosnüsse aus den Schalen, und lange Tage und Wochen unterhielt er das Feuer zum Rösten der Kopra, bis seine Augen krank wurden und er zum Baumfällen versetzt wurde. Er arbeitete gut mit der Axt und kam später in die Brückenbauabteilung. Einmal wurde er durch Versetzung in die Wegebauabteilung bestraft. Zuweilen tat er Dienst in der Besatzung eines Walfängers, wenn Kopra von fernen Gestaden eingebracht wurde, oder wenn die weißen Männer ausfuhren, um mit Dynamit zu fischen. Unter anderm lernte er Trepang-Englisch, so daß er sich mit den meisten Weißen und mit allen Arbeitern unterhalten konnte, die sonst in tausend verschiedenen Mundarten gesprochen hätten. Auch lernte er manches über die weißen Männer, vor allem, daß sie Wort hielten. Wenn sie einem Kerl sagten, er solle ein Stück Tabak haben, so bekam er es auch. Sagten sie, daß sie ihn, wenn er etwas Bestimmtes täte, prügeln würden, daß er die Glocken läuten hörte, so hörte er unweigerlich die Glocken läuten, wenn er es tat. Mauki wußte nicht, was Glocken waren, aber sie kamen im Trepang-Englisch vor, und so bildete er sich ein, daß es das Blut und die Zähne waren, die den Prozeß des Läutens begleiteten. Und noch etwas lernte er: Niemand wurde bestraft oder geschlagen, wenn er nicht etwas Unrechtes getan hatte. Selbst wenn die weißen Männer betrunken waren, was häufig vorkam, so schlugen sie nur, wenn ein Gebot übertreten war.

Mauki liebte die Plantage nicht. Er haßte die Arbeit, und er war der Sohn eines Häuptlings. Dazu waren es zehn Jahre her, seit er durch Fanfoa aus Port Adams gestohlen war, und er hatte Heimweh. Er hatte sogar Heimweh nach der Sklaverei unter Fanfoa. So lief er fort. Er schlug sich in die Büsche, in der Absicht, sich südwärts bis zur Küste durchzuarbeiten und dort ein Kanu zu stehlen, um darin nach Port Adams zu fahren. Aber er bekam Fieber, wurde ergriffen und mehr tot als lebendig zurückgebracht.

Ein zweites Mal lief er in Begleitung zweier Malaita-Leute weg. Sie kamen zwanzig Meilen die Küste hinab und versteckten sich in der Hütte eines freien Malaiten, der in dem Dorfe wohnte. Aber mitten in der Nacht kamen zwei weiße Männer, die keine Angst vor den Bewohnern des Dorfes hatten, läuteten den drei Flüchtlingen die Glocken, banden sie wie Schweine und stießen sie ins Walboot. Der Mann jedoch, in dessen Haus sie sich versteckt hatten, mußte, Haaren, Haut und Zähnen nach zu urteilen, die Glocken überlaut zu hören bekommen haben, und er war für den Rest seines Lebens davon kuriert, entlaufene Arbeiter zu beherbergen. Ein Jahr arbeitete Mauki tüchtig. Dann wurde er zum Hausdiener gemacht, hatte gutes Essen, angenehme Zeiten und leichte Arbeit, hielt das Haus rein und bediente die weißen Männer zu allen Tages- und den meisten Nachtstunden mit Whisky und Bier. Das gefiel ihm, aber Port Adams hatte er doch immer noch lieber. Er hatte noch zwei Jahre zu dienen, aber die zwei Jahre waren zuviel für sein Heimweh. Er war in dem einen Jahre klüger geworden, und als Diener boten sich ihm mehr Gelegenheiten. Er hatte die Flinten zu reinigen und wußte, wo der Schlüssel zur Vorratskammer hing. Er entwarf einen Fluchtplan, und eines Nachts machten sich zehn Malaita-Leute und einer von San Cristoval aus dem Staube und zogen eines der Walboote an den Strand. Mauki war es, der den Schlüssel zum Vorlegeschloß des Bootes besorgte, und Mauki war es, der das Boot mit einem Dutzend Winchesterflinten, einer ungeheuren Menge Munition, einer Kiste Dynamit mit Zündschnur und Zünder und zehn Kisten Tabak versorgte.

Der Nordwestmonsun wehte, und sie flohen zur Nachtzeit nach Süden, während sie sich bei Tage auf einsamen, unbewohnten Inseln versteckten oder ihr Boot in das Dickicht der großen Inseln zogen. So erreichten sie Guadalcanar, fuhren die halbe Küste entlang und kreuzten durch die Indispensable Straits nach der Floridainsel. Hier töteten sie den Mann aus San Cristoval, hoben den Kopf auf und kochten und fraßen das übrige. Die Küste von Malaita war nur zwanzig Meilen entfernt, aber in der letzten Nacht hinderten eine starke Strömung und widrige Winde sie daran, hinüberzugelangen. Der kommende Tag fand sie noch einige Meilen von ihrem Ziele. Der Tag brachte aber auch einen Kutter mit zwei weißen Männern, die keine Angst vor elf mit zwölf Gewehren bewaffneten Malaita-Leuten hatten. Mauki und seine Kameraden wurden nach Tulagi zurückgebracht, wo der große weiße Herr über alle weißen Männer wohnte, und der große weiße Herr hielt Gericht, worauf die Ausreißer einer nach dem andern angebunden wurden und zwanzig Peitschenhiebe erhielten; außerdem wurden sie zu einer Geldstrafe von fünfzehn Dollar verurteilt. Dann wurden sie nach Neugeorgien zurückgeschickt, wo die weißen Männer sie alle die Glocken läuten hören und dann wieder arbeiten ließen. Mauki wurde in die Wegebauabteilung versetzt. Die Geldstrafe von fünfzehn Dollar war von den weißen Männern bezahlt worden, denen er entlaufen war, und man sagte ihm, daß er sie abarbeiten müsse, was sechs Monate Zwangsarbeit bedeutete. Außerdem brachte ihm sein Anteil an dem gestohlenen Tabak ein weiteres Jahr Arbeit ein.

Port Adams war nun dreieinhalb Jahr entfernt, und so stahl er eines Nachts ein Kanu, verbarg sich auf den Inseln der Manning Straits, durchquerte die Straße und begann, die Ostküste von Ysabel entlang zu fahren, um nach zwei Dritteln des Weges bei der Meringe-Lagune von den weißen Männern gefaßt zu werden. Nach einer Woche entwischte er ihnen und floh in den Busch. Auf Ysabel waren keine Buschmänner, nur Salzwasserleute, die Christen waren. Die weißen Männer setzten eine Belohnung von fünfhundert Stück Tabak aus, und jedesmal, wenn Mauki sich ans Meer schlich, um ein Kanu zu stehlen, wurde er von den Salzwasserleuten verscheucht. So verstrichen vier Monate. Als dann die Belohnung auf tausend Stück erhöht wurde, faßten sie ihn und brachten ihn zum Wegebau nach Neugeorgien zurück. Nun sind tausend Stück Tabak fünfzig Dollar wert, und Mauki mußte die Belohnung selbst bezahlen, was ein Jahr und acht Monate Arbeit bedeutete. Port Adams war jetzt also fünf Jahre entfernt.

Sein Heimweh war größer als je, und es fiel ihm nicht ein, sich zu beruhigen, gutzutun, seine fünf Jahre abzuarbeiten und dann heimzukehren. Das nächstemal wurde er auf frischer Tat ertappt. Sein Fall wurde Mr. Haveby, dem Inselverwalter der Mondschein-Seifen-Gesellschaft, vorgelegt, der ihn für unverbesserlich erklärte. Die Gesellschaft besaß Plantagen auf den Vera-Cruz-Inseln, Hunderte von Meilen jenseits des Meeres, und dahin schickte sie ihre Unverbesserlichen von den Salomoninseln. Und dahin wurde Mauki geschickt, aber er kam niemals an. Der Schoner hielt bei Santa Anna, und in der Nacht schwamm Mauki an Land, stahl dem Händler dort zwei Flinten und eine Kiste Tabak und fuhr in einem Kanu nach San Cristoval. Malaita lag jetzt im Norden, fünfzig bis sechzig Meilen entfernt. Aber bei dem Versuch der Überfahrt wurde er von einem frischen Wind gefaßt und nach Santa Anna zurückgetrieben, wo ihn der Händler bis zur Rückkehr des Schoners von Santa Cruz in Eisen legte. Die zwei Flinten fand der Händler wieder, die Kiste Tabak wurde Mauki als weiteres Jahr auf die Rechnung gesetzt. Er schuldete der Gesellschaft jetzt im ganzen sechs Jahre.

Auf dem Rückwege nach Neugeorgien ging der Schoner in Marausund, an der äußersten Südostecke von Guadalcanar vor Anker. Mauki schwamm, mit Handschellen an den Gelenken, an Land und flüchtete in den Busch. Der Schoner fuhr ab, aber der Vertreter der Mondschein-Gesellschaft setzte eine Belohnung von tausend Stück aus, und so brachten die Buschmänner ihm Mauki mit einem weiteren Jahr und acht Monaten auf der Rechnung. Wieder floh er, diesmal, ehe der Schoner einlief, in einem Walboot in Begleitung einer Kiste Tabak des Händlers. Aber eine Nordwestströmung warf ihn bei Ugi an Land, wo die christlichen Eingeborenen seinen Tabak stahlen und Mauki zu dem dort residierenden Mondschein-Händler brachten. Der von den Eingeborenen gestohlene Tabak bedeutete ein weiteres Jahr für ihn, so daß die Rechnung sich jetzt auf acht und ein halbes Jahr belief. »Wir schicken ihn nach Lord Howe«, sagte Mr. Haveby. »Da ist Bunster, und die können sehen, wie sie miteinander fertig werden. Entweder, denke ich, wird Mauki mit Bunster fertig oder Bunster mit Mauki, und wir sind sie auf jeden Fall los.«

Wenn man die Meringe-Lagune bei Ysabel verläßt und den Kurs genau nach der Magnetnadel nordwärts nimmt, sichtet man nach hundertundfünfzig Meilen den sandigen Korallenstrand von Lord Howe. Lord Howe ist ein Landring von etwa hundertundfünfzig Meilen im Umkreis, an der breitesten Stelle einige hundert Ellen breit und erhebt sich stellenweise bis zu zehn Fuß über den Meeresspiegel. Innerhalb dieses Sandringes befindet sich eine mächtige, mit Koralleninselchen übersäte Lagune. Lord Howe gehört weder geographisch noch ethnologisch zu den Salomoninseln. Es ist ein Atoll, während die Salomoninseln hoch sind, und Bevölkerung und Sprache sind polynesisch, während die Bewohner der Salomoninseln Melanesier sind. Lord Howe wurde durch die polynesische Wanderung nach Westen bevölkert, die noch heute in den großen Auslegerkanus andauert, die der Südostpassat hier auf den Strand wirft. Daß auch eine geringe melanesische Einwanderung in der Periode des Nordwestmonsuns stattgefunden hat, ist einleuchtend.

Kein Mensch kommt je nach Lord Howe oder Ontong-Java, wie es auch, genannt wird. Thos. Cook & Sons verkaufen keine Fahrkarten dorthin, und kein Reisender träumt von seiner Existenz. Noch nicht einmal ein weißer Missionar ist an seiner Küste gelandet. Seine fünftausend Einwohner sind ebenso friedlich wie primitiv. Aber sie waren nicht immer friedlich. Doch die Verfasser der Seehandbücher haben nie etwas von dem Wandel im Herzen der Eingeborenen gehört, die vor noch nicht vielen Jahren einer großen Bark den Weg abschnitten und die ganze Besatzung mit Ausnahme des zweiten Steuermanns niedermachten. Dieser Überlebende brachte die Nachricht seinen weißen Brüdern. Die Kapitäne dreier Handelsschoner kehrten mit ihm nach Lord Howe zurück. Sie ließen ihre Schiffe direkt in die Lagune einfahren und predigten das Evangelium des weißen Mannes, daß nur weiße Männer das Recht haben, weiße Männer zu töten, und daß die geringeren Rassen die Finger davon lassen müssen. Die Schoner fuhren plündernd und vernichtend durch die Lagune. Es gab kein Entrinnen von dem engen Sandkreis, keinen Busch zum Flüchten. Wer sich sehen ließ, wurde niedergeschossen, und es war unmöglich, dem Gesehenwerden zu entgehen. Die Dörfer wurden niedergebrannt, die Kanus zerstört, Hühner und Schweine getötet und die kostbaren Kokosbäume gefällt. Das dauerte einen Monat, dann fuhren die Schoner weg; aber die Furcht vor dem weißen Manne war in die Seelen der Insulaner eingebrannt, und nie wieder waren sie so unbesonnen, jemanden zu schädigen.

McBunster war der einzige Weiße auf Lord Howe, als Händler der Allerwelts-Mondschein-Seifen-Gesellschaft. Und die Gesellschaft hatte ihn auf Lord Howe gesetzt, weil sie sich seiner nicht entledigen wollte und dies doch jedenfalls der entlegenste Ort war, den man ausfindig machen konnte. Daß man sich seiner nicht entledigen wollte, lag in der Schwierigkeit, Ersatz für ihn zu finden. Er war ein großer, stämmiger Holländer, bei dem eine Schraube los war. Halbverrückt wäre eine zarte Umschreibung seines Zustandes gewesen. Er war ein Raufbold und ein Feigling und dreimal so wild wie irgendein Wilder auf der Insel. Da er ein Feigling war, hatte seine Roheit die Art des Feiglings. Als er in den Dienst der Gesellschaft getreten war, hatte man ihn zuerst auf Savo stationiert. Als dann ein schwindsüchtiger Kolonist hingeschickt wurde, um seine Stelle einzunehmen, schlug er mit den Fäusten auf ihn los und schickte ihn als Wrack mit dem Schoner zurück, der ihn gebracht hatte. Darauf wählte Mr. Haveby einen jungen Riesen aus Yorkshire, um Bunster abzulösen. Der Mann aus Yorkshire hatte einen Ruf als Boxer und mochte lieber kämpfen als essen. Aber Bunster wollte nicht kämpfen. Er war ein richtiges Lämmlein – zehn Tage lang. Nach Ablauf dieser Zeit hatte der Yorkshiremann einen kombinierten Anfall von Dysenterie und Fieber. Da ging Bunster zu ihm, schlug ihn unter anderm nieder und trampelte etwa ein dutzendmal auf ihm herum. Aus Furcht, was beim Erwachen seines Opfers geschehen würde, floh Bunster in einem Kanu nach Guvutu, wo er sich durch Verprügeln eines jungen Engländers auszeichnete, der infolge einer Burenkugel durch beide Hüften Krüppel war.

Da schickte Mr. Haveby Bunster nach Lord Howe, um ihn loszuwerden. Er feierte seine Landung, indem er eine halbe Kiste Schnaps aussoff und den ältlichen asthmatischen Steuermann des Schoners, der ihn gebracht hatte, niederschlug. Als der Schoner weg war, rief er die Kanaken an den Strand und forderte sie zum Ringkampf heraus, indem er demjenigen, der ihn besiegen würde, eine Kiste Tabak versprach. Drei Kanaken warf er, wurde dann aber prompt von einem vierten geworfen, der statt des Tabaks eine Kugel durch die Lunge bekam.

Und so begann Bunsters Herrschaft über Lord Howe. Dreitausend Einwohner hatte das Hauptdorf; aber wenn er es durchquerte, war es selbst am hellen Tage verödet. Männer, Weiber und Kinder flohen vor ihm. Selbst Hunde und Schweine gingen ihm aus dem Wege, und der König verschmähte es nicht, sich unter der Matte zu verkriechen. Die beiden Premierminister lebten in Angst und Schrecken vor Bunster, denn er ließ sich nie auf die Erörterung einer Streitfrage ein, sondern entschied sie mit den Fäusten.

Und nach Lord Howe kam Mauki, um für Bunster achteinhalb lange Jahre zu arbeiten. Es gab kein Entrinnen von Lord Howe. Im Guten oder Bösen waren Bunster und er aneinander gefesselt. Bunster wog zweihundert Pfund, Mauki hundertundzehn. Bunster war ein entarteter Unmensch; aber Mauki war ein primitiver Wilder. Und jeder von ihnen hatte seinen eignen Willen, seine eignen Wege.

Mauki hatte keine Ahnung, für was für eine Art Herrn er arbeiten sollte. Man hatte ihn nicht gewarnt, und er hatte es für selbstverständlich gehalten, daß Bunster wie andre weiße Männer war: ein großer Whiskytrinker, ein Herrscher und Gesetzgeber, der stets sein Wort hielt und nie jemanden unverdient schlug. Bunster war im Vorteil. Er wußte von Mauki alles und freute sich hämisch, ihn in seinen Besitz zu bekommen. Sein letzter Koch hatte einen gebrochenen Arm und eine verrenkte Schulter, und so machte Bunster Mauki zum Koch und allgemeinen Hausdiener.

Bald lernte Mauki, daß es verschiedene Arten weißer Männer gab. Noch am Tage der Abfahrt des Schoners sollte er bei Samisee, dem eingeborenen Tonga-Missionar, ein Huhn kaufen. Aber Samisee war über die Lagune gefahren und kehrte erst nach drei Tagen zurück. Mauki brachte die Meldung. Er kletterte die steile Treppe hinauf (das Haus stand auf zwölf Fuß hohen Pfählen über dem Sande) und ging ins Wohnzimmer, um Bericht zu erstatten. Der Händler verlangte das Huhn. Mauki öffnete den Mund, um die Abwesenheit des Missionars zu erklären. Aber Bunster fragte nicht nach Erklärungen. Er langte mit der Faust aus. Der Schlag traf Mauki auf den Mund und schleuderte ihn hoch. Er flog direkt durch die Eingangstür, über die schmale Veranda, zerbrach das Geländer und fiel auf die Erde. Seine Lippen waren eine unförmliche Masse und sein Mund mit Blut und ausgebrochenen Zähnen gefüllt.

»Ich will dich Widerrede lehren!« schrie der Händler, rot vor Wut, von dem zerbrochenen Geländer aus zu ihm herunter.

Mauki hatte noch nie einen solchen weißen Mann getroffen, und er beschloß, vorsichtig zu sein und keinen Anstoß zu erregen. Er sah, wie die Bootsleute geschlagen und wie einer von ihnen drei Tage ohne Nahrung in Eisen gelegt wurde wegen des Verbrechens, eine Ruderdolle zerbrochen zu haben. Dann hörte er auch den Dorfklatsch und erfuhr, warum Bunster eine dritte Frau genommen hatte – mit Gewalt, wie man wohl wußte. Die erste und zweite lagen auf dem Friedhof unter dem weißen Korallensand, mit Korallenblöcken zu Kopf und Füßen. Sie waren, wie man sagte, an den Schlägen gestorben, die er ihnen gegeben hatte. Die dritte Frau wurde bestimmt mißhandelt, das konnte Mauki selbst sehen.

Aber es war unmöglich, den weißen Mann nicht zu beleidigen, der schon durch das bloße Vorhandensein eines andern beleidigt zu sein schien. War Mauki still, so wurde er geschlagen und ein trotziges Biest genannt. Sprach er, so wurde er geschlagen, weil er widersprach. War er ernst, so beschuldigte Bunster ihn eines Komplotts und verprügelte ihn im voraus; bemühte er sich, heiter zu sein und zu lächeln, so wurde ihm vorgeworfen, daß er seinen Herrn und Meister verspotte, und er kriegte den Stock zu schmecken. Bunster war ein Teufel. Das Dorf hätte ihn längst abgetan, wenn es sich nicht der Lehre von den drei Schonern erinnert haben würde. Trotzdem hätte man ihn abgetan, wenn man in einen Busch hätte fliehen können. So wie die Dinge lagen, mußte die Ermordung des weißen Mannes oder überhaupt irgendeines weißen Mannes ein Kriegsschiff bringen, das die Angreifer tötete und die kostbarsten Kokosbäume fällte. Das ganze Sinnen und Trachten der Bootsleute ging darauf aus, ihn zufällig ertrinken zu lassen, wenn der Kutter einmal das Unglück hatte zu kentern. Aber Bunster achtete darauf, daß der Kutter nicht kenterte.

Mauki gehörte einer andern Rasse an, und da ein Entweichen unmöglich war, solange Bunster lebte, war er entschlossen, den weißen Mann umzubringen. Aber das Dumme war, daß er nie eine Gelegenheit dazu finden konnte. Bunster war immer auf seiner Hut. Tag und Nacht waren ihm seine Revolver geladen zur Hand. Er erlaubte keinem, ihm in den Rücken zu kommen, was Mauki entdeckte, nachdem er mehrmals zu Boden geschlagen war. Bunster wußte, daß er von diesem gutmütigen Malaita-Burschen mit der sanften Miene mehr zu fürchten hatte als von der ganzen Bevölkerung von Lord Howe, und das erhöhte den Genuß an dem Folterprogramm, das er ausführte. Und Mauki war vorsichtig, fand sich in seine Strafen und wartete. Alle andern weißen Männer hatten seine Tambos geachtet. Nicht so Bunster. Maukis wöchentliche Tabakration betrug zwei Stück. Bunster gab sie seiner Frau und befahl Mauki, sie aus ihrer Hand entgegenzunehmen. Aber das ging nicht, und so blieb Mauki ohne Tabak. Auf die gleiche Weise mußte er auf manche Mahlzeit verzichten und manchen Tag hungrig bleiben. Er erhielt den Auftrag, ein Ragout aus den großen Muscheln zu kochen, die in der Lagune wuchsen. Das konnte er nicht, denn Muscheln waren Tambo. Sechsmal hintereinander weigerte er sich, die Muscheln zu berühren, und sechsmal wurde er fast zuschanden geschlagen. Bunster wußte, daß der Bursche eher sterben würde, er nannte seine Weigerung Meuterei und würde ihn getötet haben, hätte er einen andern Koch gehabt. Eine der liebsten Belustigungen des Händlers bestand darin, Mauki bei den krausen Locken zu packen und mit dem Kopf gegen die Wand zu stoßen. Eine andre war, daß er Mauki unerwartet ergriff und ihm das brennende Ende einer Zigarre ins Fleisch drückte. Das nannte Bunster impfen, und Mauki wurde viele Male in einer Woche geimpft. Einmal riß Bunster in der Wut den Tassenhenkel aus Maukis Nase, wobei er den Nasenknorpel glatt zerriß.

»Oh, was für eine Visage!« lauteten seine Worte, als er den angerichteten Schaden betrachtete.

Die Haut eines Hais ist wie Sandpapier, die Haut eines Rochens aber wie eine Feile. In der Südsee benutzen die Eingeborenen sie als Raspel, um Kanus und Ruder zu glätten. Bunster hatte einen aus Rochenhaut verfertigten Handschuh. Als er ihn das erstemal an Mauki probierte, riß er ihm mit einem Griff die ganze Haut vom Nacken bis zur Achselhöhle ab. Bunster freute sich. Er ließ seine Frau den Handschuh schmecken und probierte ihn gründlich an den Bootsleuten. Die Premierminister bekamen jeder einen Streich, und sie mußten dazu grinsen und es als Scherz auffassen.

»Lacht, zum Donnerwetter, lacht!« war die Anweisung, die er ihnen gab.

Mauki bekam den größten Anteil am Handschuh. Nicht ein Tag verging ohne Liebkosung. Manchmal hielt ihn der Verlust von soviel Haut die ganze Nacht wach, und oft wurde die kaum geheilte Oberfläche von dem scherzhaften Herrn Bunster frisch geharkt. Mauki behielt seine geduldige Ruhe in der sicheren Erkenntnis, daß seine Zeit früher oder später kommen mußte. Und er wußte genau, bis in die geringste Einzelheit, was er tun würde, wenn seine Zeit gekommen war.

Eines Morgens erwachte Bunster in der Stimmung, der ganzen Welt die Glocken zu läuten. Er begann mit Mauki und hörte mit Mauki auf, und in der Zwischenzeit verprügelte er seine Frau und schlug auf die Bootsleute ein. Beim Frühstück nannte er den Kaffee Spülwasser und goß Mauki den brühheißen Inhalt der Tasse ins Gesicht. Um zehn Uhr hatte Bunster Schüttelfrost, und eine halbe Stunde später brannte er vor Fieber. Die Tage vergingen, er wurde immer schwächer und verließ das Bett nicht mehr. Mauki wartete und wachte, während seine Haut wieder heilte. Er befahl den Leuten, den Kutter auf den Strand zu ziehen, den Boden zu scheuern und ihn gründlich zu überholen. Sie dachten, der Befehl ginge von Bunster aus, und gehorchten. Aber Bunster lag die ganze Zeit besinnungslos da und gab keine Befehle. Jetzt war die Gelegenheit für Mauki gekommen, aber er wartete noch.

Als das Schlimmste überstanden war und Bunster sich in der Genesung befand und bei Bewußtsein, aber schwach wie ein kleines Kind dalag, packte Mauki seine paar Habseligkeiten einschließlich des Porzellanhenkels in seine Kiste. Dann ging er nach dem Dorf hinüber und sprach mit dem König und seinen beiden Premierministern.

»Dieser Bursche Bunster, er guter Bursche, ihr ihn sehr lieb?« fragte er.

Sie erklärten einstimmig, daß sie den Händler durchaus nicht liebten. Die Minister ergossen sich in einer Aufzählung aller Demütigungen und Schlechtigkeiten, mit denen sie überhäuft worden waren. Der König fiel ganz zusammen und weinte. Mauki unterbrach ihn unhöflich.

»Ihr mich kennen – ich großer Herr in meinem Land. Ihr nicht lieben diesen weißen Herrn. Ich ihn nicht lieben. Ihr viel bringen, hundert Kokosnuß, zweihundert Kokosnuß, dreihundert Kokosnuß zum Kutter. Dann ihr guten Leute schlafen gehen. Alle Kanaken gute Leute schlafen gehen. Wenn dann großer Lärm bei Haus, ihr nicht hören den Lärm. Ihr alle viel zu fest schlafen.«

In derselben Weise sprach Mauki mit den Bootsleuten. Dann befahl er der Frau Bunsters, zu ihrer Familie zurückzukehren. Hätte sie sich geweigert, so wäre er in Verlegenheit geraten, denn sein Tambo würde ihm nicht erlaubt haben, Hand an sie zu legen.

Als das Haus leer war, trat er in das Schlafzimmer, wo der Händler lag und schlief. Mauki entfernte zunächst den Revolver und zog sich dann den Handschuh aus Rochenhaut an. Die erste Warnung, die Bunster erhielt, war ein Streich mit dem Handschuh, der ihm die Haut der Länge nach von der Nase riß.

»Guter Kerl, was?« grinste Mauki zwischen zwei Streichen, von denen einer die Stirn bloßlegte, während der andre die eine Gesichtshälfte säuberte. »Lach', zum Donnerwetter, lach'!«

Mauki tat seine Arbeit gründlich, und die in ihren Häusern versteckten Kanaken hörten den »großen Lärm«, den Bunster mindestens eine Stunde lang machte.

Als Mauki fertig war, schleppte er den Bootskompaß und alle Flinten und Munition zum Kutter hinunter, den er dann mit Tabakkisten als Ballast lud. Während er noch damit beschäftigt war, kam ein fürchterliches hautloses Wesen aus dem Hause und lief schreiend an den Strand, bis es in den Sand fiel, in der brennenden Sonne liegenblieb, Grimassen schnitt und unartikulierte Laute ausstieß. Mauki blickte hin und zögerte. Dann schnitt er ihm den Kopf ab, wickelte ihn in eine Matte und verstaute ihn im Stern des Kutters.

So fest schliefen die Kanaken an diesem ganzen, langen, heißen Tage, daß sie nicht sahen, wie der Kutter durch die Ausfahrt lief und dann, dicht am Südostpassat, nach Süden drehte. Auch auf der langen Strecke bis zur Küste von Ysabel und während des beschwerlichen Kreuzens von dort nach Malaita wurde er nicht gesichtet. Mauki landete auf Port Adams mit einem Vorrat an Flinten und Tabak, wie ihn noch nie jemand besessen hatte. Aber er hielt sich dort nicht auf. Er hatte den Kopf eines weißen Mannes genommen, und nur der Busch konnte ihn schützen. So kehrte er zu den Buschdörfern zurück, wo er den alten Fanfoa und ein halbes Dutzend seiner vornehmsten Leute niederschoß und sich zum Häuptling über alle Dörfer machte. Als sein Vater starb, wurde sein Bruder Herrscher in Port Adams, und nun vereinten Salzwasserleute und Buschmänner sich und wurden so der stärkste der zweihundert streitbaren Stämme von Malaita.

Größer als Maukis Furcht vor der englischen Regierung war seine Furcht vor der allmächtigen Mondschein-Seifen-Gesellschaft, und eines Tages gelangte eine Botschaft an ihn in den Busch, die ihn daran mahnte, daß er der Gesellschaft acht und ein halbes Jahr Arbeit schuldete. Er schickte eine günstige Antwort, und darauf erschien der unvermeidliche weiße Mann, der Kapitän des Schoners, der einzige Weiße, der während Maukis Regierung in den Busch und lebendig wieder herauskam. Dieser Mann kehrte nicht nur zurück, sondern er brachte auch noch siebenhundertundfünfzig Goldsovereigns mit – den Geldwert der achteinhalb Jahre Arbeit zuzüglich der Kosten für gewisse Flinten und Tabakkisten.

Mauki wiegt nicht mehr hundertundzehn Pfund. Sein Bauch hat den dreifachen Umfang als früher, und er hat vier Frauen. Er hat viele andre Dinge – Flinten und Revolver, den Henkel einer Porzellantasse und eine vorzügliche Sammlung von Buschmannköpfen. Wertvoller als diese ganze Sammlung aber ist ein andrer Kopf, gut getrocknet und erhalten, mit rötlichem Haar und gelblichem Bart, der in die feinsten Fiber-Lava-Lavas eingewickelt ist. Wenn Mauki in den Krieg gegen Dörfer außerhalb seines Reiches zieht, so holt er unweigerlich den Kopf hervor und betrachtet ihn, allein in seinem Palast sitzend, lange und feierlich. Zu solchen Zeiten liegt Totenstille über dem Dorfe, und nicht einmal ein kleines Kind wagt zu lärmen. Der Kopf gilt als der wichtigste Fetisch in Malaita, und seinem Besitz wird Maukis ganze Macht zugeschrieben.


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