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Der Feind der ganzen Welt

Es war Silas Bannerman, der den gelehrten Hexenmeister und Erzfeind der Menschheit, Emil Gluck, zur Strecke brachte. Das Geständnis, das Gluck ablegte, ehe er den elektrischen Stuhl bestieg, warf Licht auf eine Reihe mysteriöser Vorgänge, die, scheinbar zusammenhanglos, in den Jahren 1953 bis 1961 die Welt so in Schrecken versetzten. Erst als dieses denkwürdige Dokument veröffentlicht wurde, erhielt die Welt eine Ahnung davon, daß eine Verbindung zwischen der Ermordung des portugiesischen Königspaares und den Mördern der New Yorker Polizisten bestanden hatte. So abscheulich die Taten Emil Glucks auch waren, können wir uns doch eines gewissen Mitleids mit dem unglücklichen, mißgestalten und mißhandelten Genie nicht erwehren.

Diese Seite der Geschichte ist noch nie erzählt worden, aber das Geständnis und die große Menge von Beweismaterial, Dokumenten und Protokollen aus dieser Zeit ermöglichen es uns, ein leidlich getreues Porträt des Mannes zu entwerfen und die Faktoren und Eindrücke zu beurteilen, die ein menschliches Ungeheuer aus ihm machten und ihn seinen furchtbaren Weg vorwärts und hinab trieben.

Emil Gluck war im Jahre 1915 in Syracuse, New York, geboren. Sein Vater, Josephus Gluck, ein ausgezeichneter Polizeibeamter und Schutzmann, starb plötzlich im Jahre 1920 an Lungenentzündung. Die Mutter, ein hübsches, zartes Geschöpf – sie war vor ihrer Ehe Putzmacherin gewesen –, grämte sich über den Verlust ihres Mannes zu Tode. Diese Empfindsamkeit der Mutter wurde das Erbe des Knaben und sollte in ihm zum Krankhaften und Gräßlichen ausarten.

Im Jahre 1921 kam der damals sechsjährige Knabe zu seiner Tante, Frau Ann Bartell. Sie war die Schwester seiner Mutter, aber in ihrer Brust lebte kein freundliches Gefühl für den sensitiven, furchtsamen Knaben. Ann Bartell war eine eitle, oberflächliche und herzlose Frau. Dazu war sie zur Armut verdammt und mit einem Mann belastet, der ein fauler Herumtreiber und Tunichtgut war. Der kleine Emil Gluck war nicht gern gesehen, und man kann es Ann Bartell schon zutrauen, daß sie ihm diese Tatsache hinreichend unter die Nase rieb. Um die Behandlung zu zeigen, die ihm in dieser frühen, so aufnahmefähigen Periode zuteil wurde, sei folgende Probe gegeben:

Als er etwas über ein Jahr im Bartellschen Hause verbracht hatte, brach er das Bein. Der Unfall geschah beim verbotenen Spielen auf dem Dach – wie alle Knaben es getan haben und bis zum Ende aller Zeiten tun werden. Der Oberschenkel war an zwei Stellen gebrochen. Es gelang Emil, sich mit Hilfe der erschrockenen Spielkameraden auf den Bürgersteig zu schleppen, wo er in Ohnmacht fiel. Die Kinder fürchteten sich vor der bösen Sieben mit den abstoßenden Zügen, die dem Bartellschen Haushalt vorstand. Sie rafften sich jedoch zu dem Entschluß auf, zu schellen und Ann Bartell den Unfall zu berichten. Die Frau sah den Kleinen, der hilflos auf dem Pflaster lag, überhaupt nicht an, schlug die Tür zu und begab sich wieder an ihren Waschzuber. Die Zeit verstrich. Ein feiner Sprühregen setzte ein und durchnäßte den aus seiner Ohnmacht erwachten stöhnenden Emil. Das Bein hätte sofort geschient werden müssen. So griff die Entzündung rasch um sich. Nach Verlauf von zwei Stunden erhoben entrüstete Nachbarinnen Einspruch bei Ann Bartell. Diesmal kam sie heraus und sah sich den Knaben an. Wie er so hilflos zu ihren Füßen lag, stieß sie ihn in die Seite und verleugnete ihn in einem Wutausbruch. Er sei nicht ihr Kind, sagte sie, man solle einen Krankenwagen kommen lassen und ihn zur Unfallstation schaffen. Damit ging sie wieder ins Haus zurück.

Eine Frau, Elizabeth Shepstone, die zufällig vorbeikam, hörte, was geschehen war, und ließ den Knaben auf eine Pritsche legen. Dann schickte sie zum Arzt und ließ, Ann Bartell beiseite schiebend, den Knaben ins Haus tragen. Als der Arzt erschien, verkündete Ann Bartell ihm sofort, daß sie ihm nichts zahlen würde. Zwei Monate lag der kleine Emil zu Bett, den ersten auf dem Rücken, ohne auch nur ein einziges Mal umgebettet zu werden, vernachlässigt und einsam bis auf die gelegentlichen Besuche des unbezahlten und überarbeiteten Arztes. Er hatte keine Spielsachen, nichts, um sich die endlosen, langweiligen Stunden zu vertreiben. Niemand sprach ein freundliches Wort zu ihm, keine Hand legte sich ihm sanft auf die Stirn, nicht die geringste Zärtlichkeit wurde ihm erwiesen – er hörte nichts als die Vorwürfe und harten Worte Ann Bartells, die ihn immer wieder hören ließ, daß seine Anwesenheit unerwünscht sei. Es ist wohl verständlich, daß sich in dieser Umgebung in dem einsamen, vernachlässigten Knaben viel von der Bitterkeit und Feindseligkeit gegen sein Geschlecht entwickelte, die später, in so furchtbare Taten umgesetzt, die Welt entsetzen sollten.

Seltsam erscheint, daß Ann Bartell dem Knaben eine gute Erziehung zuteil werden ließ; die Erklärung ist jedoch ganz einfach. Ihr Tunichtgut von Mann, der sie verlassen hatte, machte einen Fund in den Goldfeldern von Nevada und kehrte als vielfacher Millionär zurück. Ann Bartell haßte den Knaben und schickte ihn sogleich hundert Meilen fort in die Farristowner Kostschule. Scheu und empfindsam, eine einsame, unverstandene kleine Seele, fühlte er sich in Farristown einsamer als je. Er kam nie heim wie die andern Knaben, weder in den Ferien noch zu den Feiertagen. Statt dessen durchwanderte er die verödeten Gebäude und Plätze, begünstigt, aber unverstanden von Dienerschaft und Gärtnern, las viel und verbrachte seine Tage auf den Feldern und vor dem Kamin, die Nase stets in irgendein Buch gesteckt. Damals war es, daß er seine Augen überanstrengte und zum Tragen der Brille gezwungen wurde, die auf allen Fotografien so auffällt, welche die Zeitungen im Jahre 1961 veröffentlichten.

Er war ein ausgezeichneter Schüler. Durch seinen Fleiß allein würde er es weit gebracht haben, und dabei bedurfte er des Fleißes nicht. Ein Blick auf die Aufgabe, und er beherrschte sie auch schon. Die Folge war, daß er unzählige Bücher gleichzeitig verschlang und in einem halben Jahr mehr Wissen erwarb als ein Durchschnittsschüler in einem halben Dutzend. Im Jahre 1929 war er, kaum vierzehn Jahre alt, »reif«, ja, nach Ausspruch des Direktors der Kostschule, »mehr als reif«, um die Yale- oder die Harvard-Universität zu beziehen. Seine Jugend hinderte ihn jedoch, sich an einer dieser Lehranstalten immatrikulieren zu lassen, und so finden wir ihn denn in diesem Jahre als Fuchs das historische Kolleg von Bowdoin besuchen. Im Jahre 1933 machte er mit der höchsten Auszeichnung sein Examen und folgte dann sofort Professor Bradlough nach Berkeley in Kalifornien.

Professor Bradlough war der einzige Freund, den Emil Gluck in seinem Leben finden sollte. Eine schwache Lunge hatte den Professor bestimmt, Maine mit Kalifornien zu vertauschen, was ihm durch den Antrag eines Lehrstuhls an der Staatsuniversität erleichtert wurde. Das ganze Jahr 1934 blieb Emil Gluck in Berkeley, wo er wissenschaftliche Spezialkurse nahm. Gegen Ende des Jahres änderten zwei Todesfälle seine Pläne und seine Lebensbedingungen. In Professor Bradlough verlor er den einzigen Freund, den er je haben sollte, und Ann Bartell ließ ihn ohne einen Pfennig zurück. Bis zu ihrem Ende von Haß gegen den unglücklichen Menschen geladen, hatte sie ihn enterbt.

Im folgenden Jahre habilitierte sich Emil Gluck, zwanzig Jahre alt, als Dozent der Chemie an der kalifornischen Universität. Eine Reihe ruhiger Jahre verstrich, in denen er sich redlich für sein Gehalt plagte, immer mehr dazulernte und ein halbes Dutzend Examina machte. Unter anderem ward er Doktor der Soziologie, der Philosophie, der Physik und Naturwissenschaft – wenn er der Welt auch später nur einfach als Professor Gluck bekannt wurde. Er war siebenundzwanzig Jahre alt, als die Zeitungen anläßlich des Erscheinens seines Buches »Geschlecht und Fortschritt« seinen Namen zum erstenmal nannten. Dieses Buch ist heute noch ein Meilenstein in der Geschichte und Philosophie der Ehe. Es ist ein dicker Band von über siebenhundert Seiten, eine fleißige, sorgfältige und eingehende Arbeit, aufsehenerregend und eigenartig. Das Buch war für Wissenschaftler geschrieben, aber nicht einer rührte sich. Im letzten Kapitel erwähnte Gluck jedoch in drei Zeilen die Hypothese von der Probeehe. Dieser drei Zeilen bemächtigte sich sofort die Presse und machte Emil Gluck, den bebrillten jugendlichen Professor von siebenundzwanzig Jahren, vor der ganzen Welt lächerlich. Fotografen knipsten, Reporter belagerten ihn, die Frauenvereine im ganzen Land faßten Beschlüsse, die ihn und seine unmoralischen Theorien verdammten; und als im kalifornischen Parlament eine Anleihe für die Universität beantragt wurde, verlangte man in der Debatte sogar den Ausschluß Glucks. Natürlich hatte keiner seiner Verfolger sein Buch gelesen, die entstellten Berichte der Zeitungen über die drei Zeilen genügten ihnen. Dies gab den Anstoß dazu, daß Emil Gluck die Journalisten haßte. Sie hatten seine ernste und wirklich wertvolle sechsjährige Arbeit dem allgemeinen Gelächter preisgegeben. Sie sollten es bereuen, denn bis zu seiner Todesstunde verzieh er ihnen nicht.

Die Zeitungen waren es auch, denen er das nächste Mißgeschick, das ihm widerfuhr, zu verdanken hatte. In den fünf Jahren, die dem Erscheinen seines Buches folgten, verharrte er in Schweigen, und Schweigen ist nicht gut für einen Einsamen. Man kann sich mitfühlend die schreckliche Vereinsamung Emil Glucks an der stark besuchten Universität vorstellen; er hatte keinen Freund und keine Sympathien. Seine einzige Zuflucht waren Bücher, und er las und studierte weiter mit ungeheurem Fleiß. Im Jahre 1947 nahm er jedoch eine Einladung an, vor der Liga für Menschenrechte in Emeryville zu sprechen. Er getraute sich nicht, frei zu reden, und bei der Niederschrift dieser Zeilen liegt uns eine Abschrift seines Vortrages vor. Er ist nüchtern, gelehrt, wissenschaftlich und, wie wir zugeben müssen, konservativ. An einer Stelle befaßt er sich mit der »industriellen und sozialen Revolution, die in der Gesellschaft stattfindet«, wie seine eigenen Worte lauten. Ein anwesender Reporter griff das Wort »Revolution« aus dem Text heraus und schrieb einen verstümmelten Bericht, der Emil Gluck als Anarchisten erscheinen ließ. Sofort jagte die Überschrift »Professor Gluck – Anarchist« mittels Draht und Rundfunk in die Welt hinaus und erschien in Riesenlettern im ganzen Lande.

Dem ersten Angriff der Zeitungen hatte er zu begegnen versucht, jetzt aber schwieg er. Bitterkeit hatte seine Seele schon zerfressen. Die Fakultät stellte ihm anheim, sich zu verteidigen, aber er lehnte es mißmutig ab, ja, er weigerte sich sogar, zu seiner Verteidigung das Manuskript seines Vortrags einzureichen, um sich zu retten. Er gab nicht nach und wurde daher von der Fakultät ausgeschlossen. Es muß hinzugefügt werden, daß sowohl auf den Rektor wie auf die anderen Professoren ein politischer Druck ausgeübt wurde.

Verfolgt, verleumdet, unverstanden, machte der verlassene, einsame Mann dennoch keinen Versuch, sich zu rächen. Sein ganzes Leben hindurch hatte man sich an ihm versündigt, während er sich noch an keinem versündigt hatte. Aber der Kelch der Bitternis war für ihn noch nicht zum Überfließen gebracht. Da er Stellung und Einkommen verloren hatte, mußte er sich nach Arbeit umsehen. Zuerst nahm er eine Stellung bei den Vereinigten Eisenwerken in San Francisco an, wo er sich als sehr tüchtiger Zeichner erwies. Hier empfing er aus erster Hand sein Wissen von Schlachtschiffen und deren Konstruktion. Aber die Reporter entdeckten ihn und berichteten über seinen neuen Beruf. Er entsagte sofort und suchte sich eine neue Stellung; nachdem die Reporter ihn jedoch aus einem Dutzend Stellungen vertrieben hatten, ermannte er sich zum Widerstand gegen die Verfolgungen der Presse. Dies geschah, als er gerade seine Galvanisierungsanstalt in der Telegraph Avenue eröffnet hatte. Es war ein kleiner Laden, in dem er drei Männer und zwei Knaben beschäftigte. Gluck selbst arbeitete schwer. Wie der Schutzmann Carew, der hier seinen Posten hatte, bezeugte, verließ er den Laden nie vor ein oder zwei Uhr nachts. In dieser Zeit arbeitete er eine Erfindung für Verbrennungsmotoren aus, deren Patent ihn schließlich zum wohlhabenden Mann machte.

Im Frühling des Jahres 1948 eröffnete er seine Galvanisierungsanstalt, und im selben Jahr packte ihn seine unselige Neigung zu Irene Tackley. Nun darf man nicht erwarten, daß ein so ungewöhnlicher Mensch wie Emil Gluck nicht auch ein ungewöhnlicher Liebhaber war. Zu seinem Genie, seiner Einsamkeit und seiner Kränklichkeit kam noch, daß er nichts von Frauen wußte. Welche Ströme an Wünschen sein Wesen auch durchflutet haben mochten, er kannte doch nicht ihren herkömmlichen Ausdruck, und dazu mußte seine außerordentliche Schüchternheit seine Werbung ungewöhnlich machen. Irene Tackley war ein recht hübsches, junges Mädchen, aber oberflächlich und leichtfertig. Sie war damals in einem kleinen Konfitürengeschäft angestellt, das gerade gegenüber von Glucks Laden lag. Er pflegte dort Eiscreme-Soda und Zitronenlimonade zu trinken und sie anzustarren. Es scheint, daß das Mädchen sich nichts aus ihm machte und nur mit ihm spielte. Sie sagte, er sei »schnurrig«, und ein andermal, als sie erzählte, wie er vor dem Ladentisch zu sitzen und sie durch seine Brille anzustarren pflegte, wie er errötete und stotterte, wenn sie Notiz von ihm nahm, und wie er oft den Laden überstürzt und verwirrt verließ, nannte sie ihn »verschroben«.

Gluck machte ihr die prachtvollsten Geschenke: ein silbernes Teegeschirr, einen Brillantring, Pelze, Operngläser, eine gewichtige Weltgeschichte in vielen Bänden und ein in seinem eigenen Geschäft ganz versilbertes Motorrad. Da erschien der Liebhaber des Mädchens, stampfte mit dem Fuß auf, war sehr zornig und zwang sie, Glucks seltsame Auswahl an Geschenken zurückzuschicken. Dieser Mann, William Sherbourne, war ein roher, dummer Mensch, ein aus Arbeiterkreisen stammender, erfolgreicher kleiner Bauunternehmer. Gluck verstand nicht, was vorging. Er versuchte, das Mädchen abends auf dem Heimwege zu sprechen, um eine Erklärung zu erhalten. Sie beklagte sich bei Sherbourne, und der verabreichte Gluck eines Nachts eine Tracht Prügel. Es müssen tüchtige Hiebe gewesen sein, denn im Protokoll des Roten-Kreuz-Hospitals steht, daß Gluck, der nachts eingeliefert wurde, das Krankenhaus erst nach einer Woche verlassen konnte.

Noch immer verstand Gluck nichts. Wieder versuchte er eine Erklärung von dem Mädchen zu erhalten. Aus Furcht vor Sherbourne bat er den Polizeipräsidenten um Erlaubnis, einen Revolver tragen zu dürfen. Sie wurde ihm verweigert, und die Zeitungen bauschten die Sache wie gewöhnlich sensationell auf. Dann erfolgte die Ermordung Irene Tackleys, sechs Tage bevor sie mit Sherbourne getraut werden sollte. Es war eine Sonnabendnacht. Sie hatte bis spät im Konfitürengeschäft gearbeitet und ging erst nach elf Uhr mit ihrem Wochenlohn in der Tasche fort. Mit der San-Pablo-Avenue-Hochbahn fuhr sie bis zur 34. Straße, wo sie ausstieg, um die drei letzten Häuserblocks zu Fuß zu gehen. Das war das letzte, was man von der lebenden Irene Tackley sah. Am nächsten Morgen wurde sie erwürgt auf einem Bauplatz gefunden.

Emil Gluck wurde sofort verhaftet. Nichts vermochte ihn zu retten. Er wurde überführt, und zwar nicht allein mittels Indizien, sondern auch durch Beweise, die die Polizei von Oakland »beschafft« hatte. Es ist unbestreitbar, daß ein großer Teil der Indizien fabriziert wurde. Die Aussage Kapitän Shehans war ein ausgemachter Meineid, denn nach Jahren wurde nachgewiesen, daß er sich in der fraglichen Nacht gar nicht in der Nähe des Tatortes, sondern außerhalb der Stadt in einem Vergnügungslokal an der Landstraße nach San Leandro befunden hatte. Der unglückliche Gluck wurde zu lebenslänglichem Zuchthaus in San Quentin verurteilt, was Presse und Publikum für einen Justizirrtum hielten – ihrer Ansicht nach hätte er zum Tode verurteilt werden müssen.

Gluck betrat das San-Quentin-Gefängnis am 17. April 1949. Er war damals vierunddreißig Jahre alt. Und dreieinhalb Jahre lang, die endlose Zeit, während deren er in Einzelhaft gehalten wurde, war er sich selbst überlassen und konnte über die menschliche Ungerechtigkeit nachdenken. In dieser Periode fraß sich die Bitterkeit gegen seine Heimat in ihm immer tiefer, und er lernte die ganze Menschheit hassen. Aber in dieser Periode vollbrachte er auch dreierlei: Er schrieb seine berühmte Abhandlung »Menschliche Moral«, seine beachtenswerte Broschüre »Kriminelle Gesundheit« und arbeitete ein furchtbares, ungeheuerliches Rachesystem aus. Die Idee hatte ihm ein Vorfall in seiner Galvanisierungsanstalt eingegeben. Wie aus seinem Geständnis hervorgeht, arbeitete er sie während seiner Gefangenschaft bis in alle Einzelheiten aus, so daß er bei seiner Entlassung imstande war, seinen Rachefeldzug sofort ins Werk zu setzen.

Seine Entlassung war eine Sensation. Und sie wurde in gemeiner, verbrecherischer Weise verzögert durch den seelenlosen Bürokratismus, der damals herrschte. In der Nacht des ersten Februar wurde Tim Haswell, ein Straßenräuber, bei einem Überfall von einem Bürger von Piedmont Heights angeschossen. Tim Haswell lag drei Tage im Sterben und beichtete in dieser Zeit nicht nur, daß er Irene Tackley ermordet hatte, sondern erbrachte auch unwiderlegliche Beweise dafür. Bert Danniker, ein Sträfling, der im Folsom-Gefängnis an Schwindsucht dahinsiechte, wurde von ihm als Mitschuldiger angegeben, und auch er gestand. Heute sind uns die stümperhaften, langwierigen Strafprozesse der vorigen Generation unbegreiflich. Im Februar war die Unschuld Emil Glucks erwiesen, aber erst im Oktober wurde er entlassen. Acht Monate mußte dieser Mann, dem so schweres Unrecht geschehen war, noch unverdiente Strafe erleiden. Das konnte ihn nicht milder stimmen, und wir können uns sehr wohl vorstellen, wie seine Seele in diesen acht trostlosen Monaten von Bitterkeit zerfressen wurde.

Im Herbst 1952 kehrte er in die Welt zurück; wieder ein fettgedruckter Stoff für die ganze Presse. Statt ihr herzliches Bedauern auszudrücken, setzten die Zeitungen ihre alte Verfolgung fort, ja, eine von ihnen, das San Franciscoer Intelligenzblatt, ging noch weiter. Der Redakteur, John Hartwell, stellte eine geniale Idee auf, die die Geständnisse der beiden Verbrecher außer acht ließ und bewies, daß Gluck nach allem doch für die Ermordung der Irene Tackley verantwortlich sei. Hartwell starb. Und Sherbourne starb auch, während der Polizist Philipps einen Schuß ins Bein erhielt und entlassen wurde.

Die Ermordung Hartwells blieb lange Zeit ein Mysterium. Er befand sich allein in seinem Redaktionsbüro. Der Laufbursche hörte die Revolverschüsse, stürzte hinein und fand Hartwell sterbend in seinem Sessel. Das Verwirrende für die Polizei war die Tatsache, daß er nicht nur mit seinem eigenen Revolver erschossen wurde, sondern daß sich dieser Revolver in seinem Schreibtisch entladen hatte. Die Kugeln hatten den Vorderteil der Lade durchschlagen und waren in seinen Körper gedrungen. Die Polizei wies lächelnd jeden Gedanken an Selbstmord ab; an einen Mord zu denken wäre absurd gewesen, und alle Vorwürfe richteten sich gegen die Patronenfabrik Eureka-Rauchlos. Die Polizei erklärte, es habe sich um eine plötzliche Selbstentzündung gehandelt, und die Chemiker der Patronenfabrik ließen sich wohl durch die gerichtliche Untersuchung einschüchtern. Was die Polizei jedoch nicht wußte, war der Umstand, daß Emil Gluck sich in dem Augenblick, als Hartwells Revolver in so mysteriöser Weise losging, in dem von ihm gemieteten Zimmer 633 des gegenüberliegenden Mercer-Hauses befand.

Damals suchte man keine Beziehungen zwischen dem Tode Hartwells und dem Sherbournes. Sherbourne hatte weiter in dem Hause gelebt, das er für Irene Tackley gebaut hatte, und an einem Januarmorgen des Jahres 1953 wurde er tot aufgefunden. Das Gutachten der amtlichen Totenschau lautete auf Selbstmord, denn er war mit seinem eigenen Revolver erschossen worden. Das Seltsamste, was in derselben Nacht geschah, war die Verwundung des Schutzmanns Philipps auf dem Bürgersteig vor dem Hause Sherbournes. Der Schutzmann kroch zum Polizeifernsprecher an der Ecke und bat, ihm einen Krankenwagen zu schicken. Er gab an, von hinten ins Bein geschossen zu sein. Dieses Bein war von den drei 38kalibrigen Kugeln so bös zugerichtet, daß eine Amputation nötig war. Als die Polizei jedoch entdeckte, daß der Schaden durch seinen eigenen Revolver angerichtet war, erhob sich ein allgemeines Gelächter, und er wurde mit der Begründung entlassen, daß er betrunken gewesen sei. Trotz seines Leugnens, auch nur einen Tropfen getrunken zu haben, und trotz seiner Beteuerung, daß der Revolver sich in seiner Hüfttasche befunden und daß er ihn nicht angerührt hätte, erhielt er seinen Abschied. Sechs Jahre später reinigte das Geständnis Emil Glucks den unglücklichen Polizisten von jedem Verdacht, und jetzt lebt er bei guter Gesundheit von einer schönen Pension, die die Stadt ihm zahlt.

Nachdem Emil Gluck nun seine persönlichen Feinde erledigt hatte, suchte er sich ein größeres Gebiet, wenn auch seine Feindschaft gegen Journalisten und Polizei stets die gleiche blieb. Die Einkünfte aus seinem Patent für den Verbrennungsmotor hatten sich während seiner Gefangenschaft angehäuft, und mit jedem Jahre war der Verdienst gewachsen. Er war unabhängig, konnte reisen, wohin er wollte, und seinen ungeheuren Rachedurst stillen. Er war Monoman und Anarchist geworden – kein philosophierender Anarchist, nein, ein Anarchist der Tat. Vielleicht stimmt die Bezeichnung nicht ganz, und man muß ihn eher einen Nihilisten nennen. Bekanntlich machte er mit keiner Terroristengruppe Gemeinschaft. Er arbeitete ganz allein, aber er erzeugte einen tausendfach größeren Terror und vollbrachte tausendfach größere Zerstörungen als alle Terroristengruppen zusammen.

Seine Abreise aus Kalifornien verkündete er, indem er Fort Mason in die Luft sprengte. In seinem Geständnis nennt er es ein kleines Experiment – er hatte nur seine Macht versuchen wollen. Acht Jahre lang wanderte er über die Erde, ein mystischer Schrecken, der Eigentum zu Hunderten von Millionen und zahllose Menschenleben vernichtete. Ein einziges gutes Ergebnis zeitigten seine Schreckenstaten: das Unheil, das er unter den Terroristen selber anrichtete. Jedesmal, wenn er etwas tat, wurde in der Nachbarschaft eine Terroristenrazzia abgehalten, und viele wurden hingerichtet. Siebzehn wurden allein in Rom infolge der Ermordung des Königs von Italien hingerichtet.

Das Ereignis, das die Welt vielleicht am meisten in Schrecken versetzte, war die Ermordung des Königs und der Königin von Portugal. Es war an ihrem Hochzeitstag. Man hatte die größten Vorsichtsmaßregeln gegen die Terroristen ergriffen, der Weg von der Kathedrale durch die Straßen Lissabons war durch Truppen abgesperrt, und eine Abteilung von zweihundert Kavalleristen umgab den Wagen. Plötzlich geschah das Furchtbare. Die Magazingewehre der Garde begannen sich zu entladen, ebenso die Gewehre der in doppelten Reihen in unmittelbarer Nähe aufgestellten Infanterie. In der Aufregung richteten die Soldaten die Mündungen der explodierenden Waffen nach allen Seiten. Das Gemetzel war fürchterlich – Pferde, Truppen, Zuschauer und König und Königin wurden von Kugeln durchlöchert. Um die Verwirrung noch ärger zu machen, explodierten in der Menge hinter den Soldaten die Bomben zweier Terroristen. Sie hatten wohl die Bomben schleudern wollen, wenn sich ihnen eine Gelegenheit dazu geboten hätte. Aber wer kann das wissen? Die schreckliche Verheerung, die die platzenden Bomben anrichteten, vermehrte nur die allgemeine Verwirrung und wurde als ein Glied in der Kette eines allgemeinen Angriffs angesehen.

Unerklärlich war das Benehmen der Truppen mit ihren explodierenden Gewehren. Unmöglich schienen sie an der Verschwörung beteiligt zu sein, aber doch waren Hunderte, und darunter der König und die Königin, von ihren Kugeln getötet worden. Andrerseits – und das war verwirrender als alles andere – waren sieben Zehntel der Soldaten selbst getötet oder verwundet worden. Manche wollten das damit begründen, daß die treue Infanterie, als der Angriff auf den königlichen Wagen erfolgt war, das Feuer auf die Verräter eröffnet hätte. Die Soldaten jedoch behaupteten hartnäckig, daß sie überhaupt nicht geschossen hätten, sondern daß die Gewehre von selber losgegangen seien. Sie wurden von den Chemikern verlacht, die behaupteten, daß zwar möglicherweise bei einer einzelnen, mit dem neuen rauchlosen Pulver gefüllten Patrone eine Selbstentladung stattfinden könnte, daß jedoch eine Selbstentladung aller Patronen auf einem bestimmten Raum ganz unwahrscheinlich und einfach unmöglich sei. Und es endete damit, daß man keine Erklärung für die schreckliche Katastrophe fand. Die öffentliche Meinung der übrigen Welt schob das Unglück einer blinden Panik der fiebernden Romanen in die Schuhe, einer Überstürzung, die die Folge der wirklichen Explosion zweier Terroristenbomben war; und man zog einen Vergleich mit dem vor langen Jahren erfolgten lächerlichen Treffen zwischen der russischen Flotte und den englischen Fischerbooten.

Emil Gluck rieb sich die Hände. Er wußte Bescheid. Wie aber sollte die Welt es wissen? In seiner Galvanisieranstalt in der Telegraph Avenue in Oakland hatte er zufällig das Geheimnis entdeckt. Man hatte damals in der Nähe seines Geschäftes einen drahtlosen Sender eingerichtet. Kurz darauf funktionierte sein Galvanisierungsbad nicht mehr. Die Leitungsdrähte hatten viele schlechte Stellen, und bei ihrer Untersuchung entdeckte Gluck winzige Schweißungen. Diese hatten den Widerstand verringert und einen stärkeren Strom durch die Lösung hindurchgehen lassen, der die Arbeit verdarb. Aber woher kamen die Schweißungen? Das fragte sich Gluck. Er überlegte. Vor der Aufstellung des Senders hatte das Bad gut gewirkt. Erst nach Einrichtung der Funkstation war es verdorben worden. Sie mußte also die Ursache sein. Aber wie? Wenn eine elektrische Entladung imstande war, dreitausend Meilen weit über den Ozean zu wirken, dann vermochte sie wohl auch auf die nur hundert Meter entfernten Leitungsdrähte seines galvanischen Bades zu wirken.

Damals dachte Gluck nicht mehr an die Sache. Er erneuerte einfach die Drähte und galvanisierte weiter. Später aber, im Gefängnis, erinnerte er sich an den Fall, und wie eine Erleuchtung überkam ihn die Bedeutung seiner Entdeckung. Das war die stille, geheimnisvolle Waffe, mit deren Hilfe er sich an der Welt rächen konnte. Seine große Entdeckung, die mit ihm sterben sollte, war die Möglichkeit, Richtung und Ausdehnung der elektrischen Entladung zu bestimmen. Es war dies das ungelöste Problem der drahtlosen Telegrafie, aber Emil Gluck löste es in seiner Zelle. Und als er freigelassen worden war, wandte er es an. Sobald er die Macht hatte, die Richtung zu bestimmen, war es ganz einfach, einen Funken in ein Pulvermagazin, ein Fort, ein Schlachtschiff oder einen Revolver zu leiten. Und er vermochte nicht nur auf diese Art Pulver aus der Ferne zur Explosion zu bringen, er konnte auch Feuerbrände entzünden. So wurde der große Brand in Boston durch ihn zum Ausbruch gebracht, wenn auch, wie er in seinem Geständnis sagt, ganz zufällig; er fügt jedoch hinzu, daß es ein angenehmes Unglück gewesen wäre und daß er nie Grund gehabt hätte, es zu bedauern.

Und Emil Gluck, dieser böse Hexenmeister und Erzhasser, schritt wie ein Wirbelsturm auf seinem Wege der Vernichtung weiter. Er hinterließ keine Spuren. Mit allen Mitteln der Wissenschaft verwischte er sie stets hinter sich. Seine Methode bestand darin, daß er ein Zimmer oder ein Haus mietete und heimlich seinen Apparat aufbaute, den er, nebenbei bemerkt, so vervollkommnet und vereinfacht hatte, daß er nur wenig Raum einnahm. Sobald er seine Absicht ausgeführt hatte, schaffte er den Apparat sorgfältig fort. Er konnte hoffen, in einem langen, furchtbaren Leben eine lange Reihe furchtbarer Verbrechen zu begehen.

Es folgte das epidemische Schießen auf die New Yorker Polizisten. Es war damals ein Mysterium, das allgemeinen Schrecken einflößte. In zwei kurzen Wochen wurden hundert Schutzleute von ihren eigenen Revolvern in die Beine geschossen. Inspektor Jones lüftete das Geheimnis zwar nicht, aber seine Idee war es, die Emil Gluck schließlich zu Fall brachte. Auf seine Empfehlung trugen die Polizisten keine Revolver mehr, und die Schießereien hörten auf.

Im Frühling 1960 zerstörte Gluck die Marinewerft von Mare Island. Aus einem Zimmer in Vallejo sandte er seine elektrischen Strahlen über die Meerenge von Vallejo. Zuerst lenkte er seine Blitze auf das Schlachtschiff Maryland. Es lag im Dock neben dem Minenmagazin. Auf dem vorderen Deck lagen auf einer riesigen Bettung hundert Minen, die für die Verteidigung des Goldenen Horns bestimmt waren. Jede einzelne dieser Minen wäre imstande gewesen, ein Dutzend Schlachtschiffe zu vernichten, und es waren hundert. Die Zerstörung war entsetzlich, aber es war erst die Ouvertüre Glucks. Er schickte seine Blitze das Ufer der Insel entlang und ließ fünf Torpedoboote, die Torpedostation und das große Magazin auf dem Ostende der Insel in die Luft fliegen. Dann wandte er sich wieder nach Westen, nahm einige isolierte Magazine auf den Höhen im Innern der Insel mit und sprengte drei Kreuzer sowie die Schlachtschiffe »Oregon«, »Delaware«, »New Hampshire« und »Florida«. Die »Florida« war gerade gedockt worden, und das prächtige Trockendock wurde mit ihr zusammen zerstört.

Es war eine furchtbare Katastrophe, und ein Schauer von Entsetzen ging durch das Land. Aber das war noch nichts im Vergleich zu den Dingen, die kommen sollten. Im Spätherbst desselben Jahres fegte Emil Gluck die Küste des Atlantischen Ozeans von Maine bis Florida rein. Nichts entging der Vernichtung. Forts, Minen, Küstenverteidigungen aller Art, Torpedostationen, Magazine – alles flog in die Luft. Drei Monate später, mitten im Winter, suchte er die Nordküsten des Mittelländischen Meeres von Gibraltar bis Griechenland auf dieselbe Art heim. Ein Wehklagen ging durch die Nationen. Es war klar, daß menschliche Wirksamkeit hinter dieser Zerstörung stand, und ebenso deutlich war es, dank Emil Glucks Unparteilichkeit, daß die Zerstörung nicht das Werk einer bestimmten Nation war. Eines war sicher: Wer auch immer dieses menschliche Wesen sein mochte, das hinter all diesen Dingen stand, es bedeutete eine Bedrohung der ganzen Welt. Keine Nation war geschützt. Es gab keine Möglichkeit, sich gegen diesen unbekannten, allmächtigen Feind zu verteidigen. Krieg war nutzlos – nicht nur nutzlos, sondern in sich selbst der Kern aller Gefahr. Zwölf Monate lang stellte man jede Fabrikation von Pulver ein und zog alle Soldaten und Matrosen von Befestigungen und Kriegsschiffen zurück. Ja, auf dem Kongreß, den die Mächte damals im Haag abhielten, wurde die allgemeine Abrüstung endlich ernsthaft in Erwägung gezogen.

Und dann gelangte Silas Bannerman, ein Geheimagent der Vereinigten Staaten, zu seinem Weltruhm, indem er Emil Gluck verhaftete. Zuerst lachte man Bannerman aus, aber er hatte gut vorgearbeitet, und wenige Wochen später waren auch die größten Zweifler von der Schuld Emil Glucks überzeugt. Nur eines konnte Silas Bannerman nie so recht erklären: wie er zuerst dazu gekommen war, Gluck mit dem scheußlichen Verbrechen in Verbindung zu bringen. Es stimmt zwar, daß Bannerman sich zur Zeit der Zerstörung von Mare Island in geheimen Regierungsgeschäften in Vallejo befand, es stimmt ebenfalls, daß man in Vallejo von Emil Gluck als einem verschrobenen Sonderling sprach, aber das machte damals keinen Eindruck auf ihn. Erst später, als Bannerman sich in seinen Ferien in den Rocky Mountains befand und als er die ersten Berichte über die Zerstörungen an der Küste des Atlantischen Ozeans las, kam ihm der Gedanke an Gluck. Und sofort schoß es ihm durch den Kopf, daß zwischen Gluck und den Zerstörungen eine Verbindung bestände. Es war nur eine Hypothese, aber sie genügte. Die Erkenntnis war ein Akt unbewußter Gehirntätigkeit, so unberechenbar, wie etwa das Aufblitzen der Idee von der Anziehungskraft der Erde im Kopfe Newtons.

Alles andere war leicht. Wo befand Gluck sich, als die Zerstörungen an der Küste des Atlantischen Ozeans erfolgten? Das war die Frage, die in Bannermans Gehirn entstand. Und diese Frage brachte ihn seinem Ziele näher. In kurzer Zeit hatte er ermittelt, daß Gluck selbst im Herbst des Jahres 1960 die Küste des Atlantischen Ozeans hinauf und hinab gefahren war. Er stellte ferner fest, daß Gluck sich während der Schießepidemie der Schutzleute in New York befunden hatte. Wo ist Gluck jetzt? lautete die nächste Frage Bannermans. Und als Antwort kam die gründliche Zerstörung an der Küste des Mittelländischen Meeres. Gluck war einen Monat zuvor nach Europa gereist – das wußte Bannerman. Bannerman brauchte nicht nach Europa zu fahren. Durch Kabeltelegramme und die Mitarbeit der europäischen Geheimagenten verfolgte er die Spur Glucks am Mittelländischen Meer und stellte fest, daß seine Anwesenheit immer mit der Explosion von Küstenverteidigungen und Schiffen zusammenfiel. Er erfuhr auch, daß Gluck sich soeben auf dem Dampfer »Plutonic« von der Grünen-Stern-Linie nach den Vereinigten Staaten eingeschifft hatte.

In der Wartezeit arbeitete Bannerman alle Einzelheiten aus, bis der Fall in seinem Kopfe völlig geklärt war. Er wurde dabei von George Brown, einem Funker, der bei Woods angestellt war, tatkräftig unterstützt. In der Höhe von Sandy Hook wurde die »Plutonic« von Bannerman mit einem Regierungsschleppdampfer angehalten und Emil Gluck verhaftet. Es folgten Verhör und Geständnis. In seinem Geständnis drückte Gluck nur ein Bedauern aus, nämlich daß er sich zuviel Zeit gelassen habe. Hätte er sich träumen lassen, sagte er, daß er je entdeckt werden könnte, so würde er schneller gearbeitet und tausendmal größere Zerstörungen angerichtet haben. Sein Geheimnis starb mit ihm, obwohl man jetzt weiß, daß es der französischen Regierung gelang, in Verbindung mit ihm zu kommen, und daß sie ihm eine Milliarde Franken für seine Erfindung bot, die ihn befähigt hätte, elektrische Entladungen nach Belieben durch den Raum zu lenken. »Wie!« erwiderte Gluck. »Ich verkaufen, was euch ermöglichen würde, die leidende Menschheit zu versklaven und zu mißhandeln!« Und obgleich die Kriegsministerien aller Völker fortgesetzt in ihren Geheimlaboratorien experimentieren, ist es ihnen bis jetzt nicht gelungen, dem Geheimnis auch nur im geringsten auf die Spur zu kommen. Am vierten Dezember 1961 wurde Emil Gluck hingerichtet, und so starb im Alter von sechsundvierzig Jahren eines der unglücklichsten Genies der Welt, ein Mann von gewaltigem Geist, dessen mächtige Kräfte jedoch, statt sich auf das Gute zu richten, so krumme, verworrene Bahnen schlugen, daß er der größte aller Verbrecher wurde.


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