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Am Morgen ging Billy zum Pferdehändler und erlegte den Preis für Hazel und Hattie. Saxon war so ungeduldig, sie zu sehen, daß er ihrer Meinung nach für ein so einfaches Geschäft furchtbar lange brauchte. Aber sie verzieh ihm, sobald er sich mit den beiden Pferden vor dem Wagen einstellte.

»Das Geschirr mußte ich mir leihen«, sagte er. »Reich mir Possum herauf, und klettere selbst neben mich, dann will ich dir die beiden H's zeigen – und es ist ein flottes Gespann, darauf kannst du Gift nehmen.«

Saxons Freude war unbegrenzt und machte sie beinahe stumm, als sie hinter den flammenden, kastanienbraunen Pferden mit den weißgelben Schweifen und Mähnen zur Stadt hinausfuhren. Der Kutschbock war gepolstert, hochlehnig und bequem, und Billy war ganz außer sich vor Begeisterung über die prachtvolle, kräftig wirkende Bremse. Er ließ das Gespann auf der harten Landstraße traben, um die Durchschnittsgeschwindigkeit, die sie leisten konnten, zu zeigen, und fuhr sie einen steilen Feldweg hinan, obwohl der Schlamm fast bis zu den Radnaben ging, um zu zeigen, daß sie nicht umsonst von einem leichten Belgier abstammten.

Als Saxon schließlich in völliges Schweigen versank, beobachtete er sie besorgt mit hastigen Seitenblicken. Sie seufzte und fragte:

»Wann, glaubst du, können wir reisen?«

»Vielleicht in zwei Wochen – vielleicht in zwei bis drei Monaten.« Er seufzte, ernst und nachdenklich. »Wir sind wie der Irländer, der einen Koffer hat und nichts hineinzutun. Wir haben Wagen und Pferde, aber nichts zu fahren. Ich kann eine kleine Büchse kriegen – ein Prachtstück, sage ich dir. Aber denk an all das Geld, das wir schuldig sind. Auch eine neue kleine Schrotflinte für dich und eine etwas schwerere, mit der wir Rehe schießen können. Und du brauchst auch eine gute zerlegbare Angelrute, wie meine. Und Angelschnüre kosten ein verfluchtes Geld. Und ein Geschirr wie das, welches ich haben will, macht fünfzig Dollar direkt aus der Tasche. Und der Wagen müßte auch gestrichen werden. Dazu kommen Weideleinen, ein Futterbeutel, ein Geschirrputzkasten und vieles andere. Und Hazel und Hattie leiden nur durch das Warten. Ich bin selbst ganz darauf versessen, wegzukommen.«

Er hielt plötzlich verwirrt inne.

»Nun, Billy, was denkst du jetzt? Ich kann es deinen Augen ansehen!« sagte Saxon.

»Ja, siehst du, Saxon, es hängt so zusammen. Er – Sandow ist nicht zufrieden – er ist toll wie ein Stier. Er hatte gar keine Gelegenheit, mich auch nur anzurühren. Er hatte nicht die geringste Chance, und jetzt verlangt er Revanche. Er läuft in der Stadt herum und erzählt, daß er mich besiegen kann, wenn ihm die eine Hand auf dem Rücken gebunden ist und solchen Unsinn mehr. Aber das ist es nicht. Die Sportidioten sind ganz wild nach einem Revanchekampf. Sie bekamen das letzte Mal nichts für ihr Geld. Es wird pfropfenvoll. Der Direktor hat schon mit mir gesprochen, und deshalb kam ich so spät. Sonnabend in acht Tagen warten Dreihundert auf mich, ich brauche mich nur zu bücken und sie aufzuheben. – Und selbstverständlich mußt du ja sagen. Es ist genau so, wie ich dir früher sagte. Ich werde leicht mit ihm fertig. Er glaubt immer noch, daß ich ein Bauernlümmel bin, und daß mein Stoß der reine Zufallstreffer war.«

»Aber Billy, du hast mir doch immer gesagt, daß Boxen deine Seide verdürbe. Deshalb hast du es doch aufgegeben und angefangen zu fahren.«

»Aber ich habe das Zeug fürs Boxen«, antwortete er. Mit dem werde ich leicht fertig. Ich lasse ihn ungefähr bis zur siebten Runde stehen. Nicht, daß es notwendig wäre, nur damit die Zuschauer etwas für ihr Geld haben. Natürlich kriege ich ein paar Beulen ab, und etwas Haut wird auch abgeschrammt. Aber wenn der Zeitpunkt gekommen ist, gebe ich ihm eins auf sein Kinn, daß er gleich umfällt. Was meinst du dazu? Sag, Saxon.«

 

Am Sonnabendabend, zwei Wochen später, lief Saxon an die Tür, als die Pforte zuschlug. Billy sah müde aus. Sein Haar war naß, seine Nase geschwollen, die eine Backe ebenfalls, die Haut an den Ohren war verschrammt, und beide Augen ein bißchen blutunterlaufen.

»Ich will mich hängen lassen, wenn der Kerl mich nicht anführte!« sagte er, als er ihr die Goldstücke in die Hand legte, sich hinsetzte und sie auf seinen Schoß zog. »Er ist ein tüchtiger Kerl, wenn er erst richtig in Gang kommt. Statt ihn in der siebten Runde zu erledigen, mußte ich bis zur vierzehnten kämpfen. Dann fing ich ihn auf die Art, wie ich es dir erzählt habe. Es ist schade, daß er ein so empfindliches Kinn hat. Er ist schneller, als ich glaubte, und er kann einem tüchtig zusetzen, so daß ich von der zweiten Runde an Respekt vor ihm hatte. – Aber wieder dieses Kinn! Bis zur vierzehnten Runde hatte er es in Watte gepackt, aber dann kriegte ich es.

Und weißt du was. Ich freue mich mächtig, daß es wirklich vierzehn Runden lang dauerte. Meine Seide ist noch in Ordnung – das merkte ich gleich. Ich brauchte nicht nach Luft zu schnappen, und meine Beine waren wie Eisen. Ich hätte vierzig Runden kämpfen können. Und weißt du, ich habe nie etwas gesagt, aber ich war die ganze Zeit mißtrauisch, seit der ›Schrecken von Chicago‹ mich verprügelte.«

»Ach Unsinn, das mußt du doch längst gewußt haben«, rief Saxon. »Denk doch an all deine Box- und Ringkämpfe und deine Läufe in Carmel.«

»Nicht hier.« Billy schüttelte den Kopf, überlegen wie einer, der alles weiß. »Das ist etwas ganz anderes. Das lähmt einen nicht. Es muß das Richtige sein, sich mit einem Kerl, der all seine Seide hat, ums Leben zu schlagen, und dann – wenn man nicht kaputt geht und das Herz einem nicht so klopft, daß es beinahe zerspringt, und einem die Beine nicht schlapp werden und man keinen wirren Kopf kriegt – ja, dann weiß man, daß man noch all seine Seide hat. Und ich habe sie, ich habe all meine Seide. Und ich werde sie nicht in weiteren Prügeleien riskieren. Das ist sicher. Das leicht verdiente Geld ist in der Regel auch das teuerste. Von jetzt an wird mit Pferden in Kommission gehandelt, und wir wandern weiter, bis wir das Mondtal finden.«

 

Früh am nächsten Morgen verließen sie Ukiah. Possum saß auf dem Bock zwischen ihnen und sperrte vor lauter Aufregung seinen rosigen kleinen Rachen auf. Sie hatten ursprünglich die Absicht gehabt, von Ukiah aus direkt nach dem Meere zu fahren, aber es war noch zu früh im Jahr, die weichen Sandwege waren nach dem Gewitterregen noch nicht fahrbar, und deshalb bogen sie, in der Richtung des Seedistrikts, nach Osten ab, in der Absicht, durch das obere Sacramentotal und über die Berge nordwärts nach Oregon zu fahren. Dann wollten sie den Kreis nach der Küste beschreiben, wo zu dieser Zeit die Wege gut instand waren, und so das Goldene Tor erreichen.

Das ganze Land war grün und mit Blumen übersät, und als sie in die Berge kamen, war jedes kleine Tal wie ein Garten.

»Huh!« meinte Billy höhnisch und wandte sich ganz allgemein an die Umgebung. »Es heißt, daß rollende Steine kein Moos ansetzen. Aber wir haben doch eine ganz nette Menge angesetzt. Ich hab' nie in meinem Leben so viel auf einmal besessen – nicht einmal in den Tagen, als ich nicht rollte. Zum Teufel, nicht einmal die Möbel gehörten uns. Nur die Kleider, in denen wir gingen und standen, ein paar alte Socken und dergleichen.«

Saxon streckte die Hand aus und berührte die seine, und er wußte, daß es eine Hand war, die die seine liebte.

»Nur eins tut mir leid«, sagte sie. »Daß du alles allein verdient hast. Ich habe keinen Anteil daran gehabt.«

»Oho! – du hast sehr viel Anteil daran gehabt. Du bist wie ein Trainer beim Boxen. Du sorgst dafür, daß ich froh und vergnügt und in guter Form bin. Man kann nicht richtig kämpfen, wenn man nicht einen guten Trainer hat. – Teufel, glaubst du, ich würde hier sitzen, wenn du nicht gewesen wärest! Du warst es, die mich alles liegen und auf die Wanderung gehen ließ. Wenn du nicht gewesen wärest, so hätte ich mich tot getrunken oder wäre in San Quentin aufgeknüpft worden, weil ich zu hart mit einem Streikbrecher umgegangen war oder dergleichen. Und sieh mich an! Sieh die Geldrolle« – er schlug sich auf die Brust – »damit soll ich Pferde für den Alten kaufen. – Es ist wie Ferien, die nie ein Ende nehmen sollen, und obendrein haben wir unser gutes, reichliches Auskommen. Und ich habe einen neuen Beruf bekommen – Pferde für Oakland zu kaufen. Wenn ich zeige, daß ich Verstand habe, und ich weiß, daß ich das habe, werden alle Firmen in San Franzisko angelaufen kommen und mich bitten, Pferde für sie zu kaufen. Und das ist alles deine Schuld – denn du hast mich dazu gekriegt, und wenn Possum uns jetzt nicht anguckte, dann würde ich – aber was, zum Teufel, kümmere ich mich darum, ob er es sieht.«

Und Billy beugte sich zu ihr und küßte sie.

Der Weg wurde hügelig und beschwerlich, als sie höher hinaufkamen, aber das letzte Stück bis zur Wasserscheide war nicht schwierig, und bald fuhren sie in den Canyon bei den blauen Seen ein, durch fruchtbare Felder mit goldenem Mohn. Auf der Sohle des Canyons schlängelte sich ein breites Band von tiefstem Blau. Weit vor ihnen schlossen die Hügel sich wie Falten am Horizont, und in der Ferne war ein blauer Berg, der eine Art Mittelfigur im Bilde ausmachte.

Sie richteten einige Fragen an einen schönen, schwarzäugigen Mann mit grauem, lockigem Haar, und er antwortete ihnen mit deutschem Akzent, während eine Frau mit vergnügtem Gesicht ihnen aus einem hohen Gitterfenster in einer Schweizer Villa, die oben auf einem Hange lag, zunickte. Billy gab seinen Pferden in einem hübschen Hotel, weiter abwärts im Canyon, Wasser, und der Wirt erzählte ihnen, daß er selbst das Hotel nach einer Zeichnung des Mannes mit dem lockigen grauen Haar gebaut hatte – er war Architekt und wohnte in San Franzisko.

»Wir kommen vorwärts, wir kommen vorwärts!« sagte Billy und lachte bei sich, als sie weiter zwischen den Hügeln hindurch an einem zweiten See vom tiefsten Blau vorbeifuhren. »Kannst du sehen, jetzt, da wir fahren, behandeln sie uns schon anders als zu der Zeit, da wir mit unsern Bündeln auf dem Rücken herumwanderten? Wenn Hazel und Hattie und Saxon und Possum und meine Wenigkeit hier in dem vornehmen Wagen angefahren kommen, glauben die Leute, daß wir Millionäre auf einer Vergnügungsreise sind.«

Der Weg wurde breiter. Große Wiesen, hin und wieder mit Eichengruppen und grasendem Vieh, lagen zu beiden Seiten. Dann tauchte ein neuer See wie ein kleines Meer im Lande auf, weißschäumend von dem Wind, der von den hohen Bergen herabstrich, auf deren nördlichen Hängen der Schnee immer noch in schimmernd weißen Flecken lag.

»Frau Hazard war ganz begeistert vom Genfer See«, sagte Saxon, »aber ich möchte wissen, ob er schöner ist als der hier.«

»Aber der Architekt nannte dies hier auch die kalifornischen Alpen«, bestätigte Billy. »Und wenn ich mich nicht irre, ist das da vorn Lakeport. Das ist alles ganz wild, und es gibt keine Eisenbahn.«

»Und auch kein Mondtal«, sagte Saxon kritisch. »Aber es ist schön, ach, wie schön!«

»Aber hier ist es im Sommer sicher heiß wie die Hölle, das möchte ich wetten«, erklärte Billy. »Nein, das Land das wir suchen, liegt näher an der Küste. Aber deshalb ist es hier doch schön – wie ein Bild an der Wand. Was meinst du dazu, wenn wir hier halt machen und ein bißchen schwimmen?«

 

Zehn Tage darauf fuhren sie in Williams in Colusa County ein, und dort stießen sie zum erstenmal auf eine Eisenbahn. Billy sah sich nach ihr um, weil hinter seinem Wagen zwei prachtvolle Arbeitspferde liefen, die er unterwegs gekauft hatte und nach Oakland schicken wollte.

»Hier ist es zu heiß«, erklärte Saxon, und sah über die schwachleuchtende Fläche des mächtigen Sacramentotals hinaus. »Keine Riesentannen. Keine Hügel. Keine Wälder. Keine Manzanitos. Keine Madronjos. Einsam und traurig –«

»Wie die Flußinseln«, fiel Billy ihr ins Wort. »Verflucht reicher Boden, aber die Arbeit scheint zu schwer zu sein. Das ist gut für Leute, die auf Mühe versessen sind – aber Gott mag wissen, daß es einen hier nicht reizt, immer zu bleiben. Keine Fischerei, keine Jagd – nichts als Arbeit. Wenn ich gezwungen wäre, hier zu leben, würde ich selber anfangen, mich abzurackern.«

 

Viele Tage fuhren sie in Hitze und Staub über die kalifornische Ebene nach Norden, und überall sahen sie »neue« Landwirtschaft – große Rieselkanäle, die gegraben waren oder gegraben wurden, Boden, der von elektrischen Leitungen von den Bergen durchschnitten war und viele neue Bauernhäuser auf kleinen eingehegten Gütern. Die großen Höfe aus der guten alten Zeit wurden ausgestückt. Und doch gab es immer noch viele große, fünf- bis zehntausend Morgen umfassende Höfe, die sich vom Ufer des Sacramentos bis an den Horizont erstreckten und zitternd, mit großen Taleichen übersät, unter den Hitzewellen lagen.

»Solche Bäume brauchen reichen Boden«, sagte ein Bauer auf einer kleinen Zehn-Morgen-Wirtschaft zu ihnen. Sie waren hundert Fuß weit vom Wege bis zu seiner winzigen Scheune gefahren, um Hazel und Hattie Wasser zu geben. Ein schöner junger Obstgarten nahm den größten Teil seiner zehn Morgen ein, aber außerdem gab es noch weißgestrichene Hühnerhäuser und mit Drahtzäunen umgebene Ausläufe, in denen sich Hunderte von Hühnern befanden. Er hatte gerade mit einem kleinen Fachwerkbau begonnen.

»Den Grund und Boden kaufte ich mir in den Ferien«, erzählte er, »und pflanzte die Bäume. Dann kehrte ich wieder zu meiner Arbeit zurück und blieb dabei, bis alles gerodet war. Jetzt bin ich für immer hier, und sobald das Haus fertig ist, lasse ich meine Frau kommen. Sie ist nicht besonders kräftig, und es wird sehr gesund für sie sein. Wir haben viele Jahre gearbeitet und uns abgerackert, um aus der Stadt wegzukommen.« Er hielt inne und seufzte zufrieden. »Und jetzt sind wir frei.«

Das Wasser im Trog war warm von der Sonne.

»Warten Sie«, sagte der Mann. »Das dürfen Sie sie nicht trinken lassen. Ich gebe ihnen etwas kaltes Wasser.«

Er ging zu einem kleinen Schuppen und drehte einen Schalter, worauf ein kleiner Motor von der Größe einer Obstkiste sich summend in Bewegung setzte. Ein fünfzölliger blinkender Wasserstrahl spritzte in den seichten Graben, der die Hauptader seines Berieselungssystems war, und strömte in vielen Seitenkanälen durch den Obstgarten.

»Ist das nicht herrlich – herrlich, herrlich!« rief der Mann begeistert. »Das bedeutet Knospen und Früchte. Blut und Leben. Sehen Sie nur! Das macht eine Goldmine zu einem Witz und ein Schanklokal zu einem bösen Traum. Ich weiß es. Ich – ich bin einmal Kellner gewesen. Ich bin tatsächlich mein ganzes Leben lang Kellner gewesen. Damit habe ich mir das Geld verdient, um diesen Hof zu kaufen. Und ich habe die Arbeit mein ganzes Leben gehaßt. Ich bin auf einem Bauernhof geboren, und immer habe ich mich nach dem Lande gesehnt.«

Er wischte sich die Brille ab, um besser sein heißgeliebtes Wasser sehen zu können, dann ergriff er eine Hacke und wanderte mit ihr den Hauptgraben entlang, um weitere Nebenkanäle anzulegen. »Das ist der komischste Kellner, den ich je getroffen habe«, meinte Billy. »Ich glaubte, er sei irgendein Geschäftsmann. Es muß irgend so ein stilles Hotel gewesen sein.«

»Du darfst nicht gleich weiter fahren«, erklärte Saxon. »Ich möchte gern noch mit ihm reden.«

Er kam wieder, putzte sich die Brille und strahlte über das ganze Gesicht, als er das Wasser betrachtete, das eine Art Zauber auf ihn ausübte. Um ihn in Gang zu bringen, brauchte Saxon sich nicht mehr anzustrengen, als er es getan, um seinen Motor in Gang zu bringen.

»Anfang der Fünfziger nahmen Pioniere alles dies in Besitz«, sagte er. »Die Mexikaner waren nie so weit gekommen, alles war Staatsboden. Alle Menschen bekamen hundertundsechzig Morgen. Und welch einen Boden! Die Geschichten, die sie von all dem Weizen erzählen, den sie bekamen, sind beinahe unglaublich. Dann erfolgten verschiedene Veränderungen. Die schlauesten und vernünftigsten Pioniere behielten, was sie hatten, und kauften von den andern dazu. Und allmählich wurde alles zu großen Höfen.«

»Das waren die glücklichen Spieler«, warf Saxon ein, die sich erinnerte, was Mark Hall gesagt hatte.

Der Mann nickte beifällig und fuhr fort:

»Die Alten rechneten und sammelten und machten ihre großen Höfe immer größer, und sie bauten die großen Scheunen und Häuser und legten Obst- und Blumengärten an. Die Jungen wurden von all dem vielen Reichtum verdorben, sie gingen in die Stadt, um ihn durchzubringen. Und in einem waren Alte und Junge sich einig: Den Boden auszusaugen. Jahr auf Jahr beuteten sie ihn aus und verschafften sich Riesenernten. Sie gaben ihm nichts dafür, und der Boden, den sie zurückließen, war vollkommen ausgepreßt. Ja, große Stücke waren so ausgenutzt, daß sie fast wie eine Wüste dalagen.

Die großen Bauern aus der wirklich guten Zeit sind jetzt alle tot – ja, Gott sei Dank! – und dadurch haben wir kleinen Bauern unsere Chance bekommen. Es wird nicht viele Jahre dauern, bis das ganze Tal in kleinen Stellen wie die meine bewirtschaftet wird. Sehen Sie, was wir ausrichten! Wir kriegen ausgenutzten Boden, der keinen Weizen mehr erzeugt, übergießen ihn mit einem Strom von Wasser und behandeln die Erde gut, ja, sehen Sie nur unsere Obstgärten!

Wir haben das Wasser – von den Bergen und von den unterirdischen Quellen. Ich las neulich einen Bericht, in dem stand, daß alles Leben von der Nahrung abhängt. Aber alle Nahrung hängt wieder vom Wasser ab. Es gehören tausend Pfund Wasser dazu, um ein Pfund Nahrung; zehntausend Pfund Wasser, um ein Pfund Fleisch zu erzeugen. Wieviel Wasser trinken Sie in einem Jahre? Ungefähr eine Tonne. Aber Sie essen ungefähr zweihundert Pfund Gemüse und zweihundert Pfund Fleisch im Jahre – das heißt, daß Sie hundert Tonnen Wasser in Form von Gemüse und tausend Tonnen in Form von Fleisch in sich aufnehmen – und das heißt wieder, daß elfhundertundeine Tonne Wasser jährlich dazu gehören, um eine kleine Frau wie Sie zu erhalten.«

»Teufel auch!« Das war alles, was Billy sagen konnte.

»Sie sehen also, wie abhängig die ganze Bevölkerung vom Wasser ist«, fuhr der frühere Kellner fort. »Nun ja, wir haben das Wasser, einen unermeßlichen unterirdischen Vorrat, und im Laufe weniger Jahre wird dieses Tal so dicht bevölkert sein wie Belgien.«

Ganz bezaubert von dem fünfzölligen Strom, der von demselben Motor aus dem Boden geholt und ihm wiedergegeben wurde, hielt er in seiner Darlegung inne und starrte ihn an, verzaubert, ohne einen andern Gedanken, während seine Gäste weiterfuhren.

»Und der hat Getränke ausgeschenkt«, sagte Billy bewundernd. »Er würde sich sicher viel besser dazu eignen, in einer Temperenzlerwirtschaft zu bedienen – das kannst du jedem sagen, der dich danach fragt.«

»Es ist ein so schöner Gedanke – all das Wasser – und all die glücklichen Menschen, die hier wohnen –«

»Aber es ist nicht das Mondtal«, lachte Billy.

»Nein«, antwortete sie. »Im Mondtal brauchen sie den Boden nur zu überrieseln, wenn sie Alfalfa und dergleichen pflanzen wollen. Was wir brauchen, ist Wasser, das ganz natürlich aus der Erde quillt und sich in kleinen Bächen über den Hof verbreitet, und an der Grenze einen richtigen kleinen Fluß. –«

»Mit Forellen«, fiel Billy ihr ins Wort. »Und mit Weiden und allen möglichen andern Bäumen an seinen Ufern, und hie und da einer Stromschnelle, wo man Forellen fangen kann und einer tiefen Stelle zum Schwimmen und Tauchen. Und Eisvögel und Kaninchen, die zum Trinken an den Fluß kommen, und vielleicht auch ein Hirsch.«

»Und Lerchen auf den Wiesen«, fügte Saxon hinzu. »Und in allen Bäumen Turteltauben. Wir müssen Turteltauben und große graue Waldeichhörnchen haben.«

»Na ja, in dem Mondtal – da gibt es wenigstens etwas«, sagte Billy nachdenklich und wippte mit seiner Peitsche eine Fliege weg, die sich auf Hatties Flanke gesetzt hatte. »Glaubst du, daß wir es finden?«

Saxon nickte mit großer Sicherheit.

»Ebenso wie die Juden das Gelobte Land und die Mormonen Utah und die Pioniere Kalifornien fanden. Erinnerst du dich noch des Rates, den wir erhielten, als wir Oakland verließen? Wer sucht, findet.«

 

Immer nordwärts, durch ein fruchtbares, blühendes, verjüngtes Land, mit Aufenthalt in den Städten Willows, Red Bluff und Redding, durch die Bezirke Colusa, Glenn, Tehama und Shasta fuhr der elegante Reisewagen, gezogen von den flammenden Kastanienbraunen mit den weißgelben Mähnen und Schweifen. Billy fand nur drei Pferde, die er nach Oakland schicken konnte, obgleich er viele Bauernhöfe besuchte. Saxon sprach mit den Frauen, während er mit den Männern den Bestand durchsah, und sie überzeugte sich immer mehr, daß das Tal, welches sie suchten, nicht hier lag.

Bei Redding setzten sie in einer Seilfähre über den Sacramento, und in brennender Hitze reisten sie einen ganzen Tag über niedrige Ausläufer der Berge und flache Plateaus. Die Hitze wurde immer unerträglicher, und Bäume und Sträucher waren versengt und tot. Dann kamen sie endlich nach Sacramento, wo die großen Schmelzhütten in Kennet die Vernichtung, die die Vegetation betroffen hatte, erklärten.

Sie klommen aus der Schmelzstadt heraus, wo hochgelegene Häuser einen unsicheren Halt auf dem steilen Hang gefunden hatten. Es war ein breiter, gut angelegter Weg, der sie den meilenweiten Hang hinauf und von dort steil abwärts in den Sacramento Canyon führte. Der Weg, der in die Felswand des Canyons gehauen war und sich gleichmäßig senkte, wurde so schmal, daß Billy sich fürchtete, einem andern Fuhrwerk zu begegnen. Tief unten lief der Fluß schäumend oder gleichmäßig gleitend über den steinigen Boden oder stürmte vorwärts über große Steine und Wasserfälle in seiner wilden Jagd nach dem großen Tal, das sie soeben verlassen hatten.

Zuweilen wurde der Weg etwas breiter, und dann kutschierte Saxon, während Billy zu Fuß ging, um den Wagen zu erleichtern. Sie bestand darauf, es auch hin und wieder zu tun, und wenn er die stöhnenden Pferde anhielt, damit sie auf dem steilen Hang Luft schöpften, und wenn Saxon dann neben ihren Köpfen stand, sie streichelte und ermunterte, den Weg fortzusetzen, dann war Billys Freude zu innig, als daß er sie in Worten hätte ausdrücken können, und er konnte nur seine schönen Pferde und seine schöne Frau ansehen, die so frisch und zierlich in ihrem goldbraunen Cordkleid, die festen Waden in braunem Cord unter dem kurzen, straffen Rock, dastand. Und wenn sie ihn dann mit einem Blick ansah, in dem er dieselbe Freude las, die sein Gemüt erfüllte, und sich die ehrlichen grauen Augen plötzlich betauten, dann konnte er sich nicht mehr bezwingen, sondern wußte, daß er etwas sagen mußte, um sich Luft zu machen.

»Oh, du Liebes!« rief er.

Und sie antwortete strahlend: »Oh, du Lieber!«

Eine Nacht verbrachten sie in einer tiefen Senkung des Canyons, wo ein kleines Dorf mit einer Kistenfabrik lag, und wo ein zahnloser Greis, der mit seinen blassen Augen ihre Reiseausstattung betrachtete, fragte: »Seid ihr Zirkuskünstler?«

Sie kamen an Castle Crags vorbei, das mit seinen mächtigen Bastionen flammendrot von dem in der Hitze zitternden blauen Himmel abstach. Dann sahen sie den ersten Schimmer des Mount Shasta, einer rosigen Schneezinne, die sich, schön wie ein Traum, im Sonnenuntergang zwischen und über den grünen Wänden eines Canyons erhob – ein Kennzeichen, das sie viele Tage lang vor Augen haben sollten. Wenn sie einen steilen Hang hinaufkamen, konnte der Shasta plötzlich bei einer Wegbiegung, immer noch in der Ferne, erscheinen, jetzt mit zwei Gipfeln und Gletschern von schwachleuchtendem Weiß. Meile auf Meile, Tag für Tag mühten sie sich bergan, während der Shasta in seinem Sommerschnee immer neue Formen annahm.

»Ein Kino am Himmel«, sagte Billy schließlich.

»Ach, das ist alles so schön!« seufzte Saxon. »Aber es ist kein Mondtal.«

Sie begegneten einer wahren Landplage von Schmetterlingen, und viele Tage lang fuhren sie durch zahllose Schwärme der schönen flammenden Geschöpfe, die eine einförmige samtbraune Decke auf dem Wege bildeten. Und die ganze Zeit war es, als höbe sich der Weg unter den Nüstern der schnaubenden Pferde, während die Luft von lautlosen Wesen erfüllt wurde, die in Wolken von Braun und Gelb, weich und leicht wie Schnee, vom Winde dahingetrieben wurden oder sich in ganzen Bergen an den Hecken sammelten und sich hilflos in den Rieselgräben am Wege entlang treiben ließen. Hazel und Hattie gewöhnten sich allmählich daran, aber Possum fürchtete sich wahnsinnig vor ihnen.

»Hu! Wer hat je von Pferden gehört, die sich nicht mehr vor Schmetterlingen fürchteten?« neckte Billy. »Das steigert ihren Wert direkt um fünfzig Dollar.«

»Warten Sie nur, bis Sie über die Grenze von Oregon nach dem Rogue-River-Tal kommen«, sagten die Leute zu ihnen. »Das ist ein wahres Paradies auf Erden – Klima, Landschaft und Obstgärten; Obstfarmen, die nach einer Schätzung von fünfhundert Dollar den Morgen zweihundert Prozent ergeben.«

»Nun ja«, sagte Billy, als sie außer Hörweite waren. »Der Bissen ist zu fett, da kriegt man Leibschmerzen.«

Und Saxon sagte: »Ich weiß nichts von Äpfeln im Mondtal, aber das weiß ich, daß es zehntausend Prozent Glück geben soll nach einer Schätzung von einem Billy, einer Saxon, einer Hazel, einer Hattie und einem Possum.«

Durch Siskiyou und über hohe Berge kamen sie nach Ashland und Medford und rasteten am wilden Rogue.

»Es ist alles herrlich und prachtvoll«, erklärte Saxon, »aber es ist nicht das Mondtal.«

»Nein, es ist nicht das Mondtal«, sagte Billy zustimmend, und das sagte er auch noch am Abend desselben Tages, als er ein Ungeheuer von Forelle gefangen hatte, bis an den Hals in dem eiskalten Rogue stand und ganze vierzig Minuten mit seiner Beute kämpfte, bis es ihm glückte, sie ans Ufer zu ziehen, wo er sie mit einem Geheul wie ein Comanche an den Kiemen packte.

»Wer sucht, findet«, prophezeite Saxon, als sie über den Grant Paß fuhren und nordwärts über die Berge den fruchtbaren Oregontälern zusteuerten.

Als sie eines Tages in der Nähe des Umpqua rasteten, beugte Billy sich über den ersten Hirsch, den er je geschossen hatte, und begann ihn abzuziehen. Dann sah er zu Saxon auf und meinte:

»Wenn ich nicht Kalifornien kennte, so würde ich glauben, daß Oregon etwas für mich sei.«

Als sie sich abends am Hirschfleisch satt gegessen hatten, sagte er, während er, auf die Ellbogen gestützt, dalag und seine Zigarette nach dem Abendessen rauchte:

»Vielleicht gibt es gar kein Mondtal. Und wenn nicht – was dann? Wir könnten ja unser ganzes Leben lang weiter suchen. Ich wünsche mir nichts Besseres.«

»Ja, aber es gibt ein Mondtal«, sagte Saxon, »und wir werden es schon finden. Wir müssen es finden. Es ginge doch nicht, daß wir nicht eine feste Wohnung hätten. Dann würde es ja keine kleinen Hazels und Hatties oder – kleine – Billys geben –«

»Oder kleine Saxons«, warf Billy ein.

»Oder kleine Possums«, fügte sie schnell hinzu und streichelte gleichzeitig den Foxterrier, der begeistert an einem Hirschknochen nagte. Ein gereiztes Knurren und ein giftiges Schnappen nach ihren Fingern, die sie hastig zurückziehen mußte, war ihr Lohn.

»Possum!« schalt sie und streckte wieder die Hand aus.

»Laß ihn!« warnte Billy sie. »Er kann nichts dafür, und das nächste Mal beißt er dich.«

Noch drohender war das Knurren, das Possum ausstieß, als seine Kinnbacken sich um den Knochen preßten, und seine Augen flammten wie im Wahnsinn, während sich die Haare auf seinem Halse sträubten.

»Es ist ein guter Hund, der für seinen Knochen kämpft«, sagte Billy zu seiner Entschuldigung. »Ich möchte keinen Hund haben, der das nicht täte.«

»Aber er ist mein Possum«, protestierte Saxon. »Und er liebt mich. Er muß mich mehr lieben als einen alten Knochen. Und er muß gehorchen, wenn ich etwas sage. Hörst du, Possum, gib mir jetzt den Knochen. Gib mir den Knochen, mein Herr.«

Sie streckte vorsichtig die Hand aus, und das Knurren wurde immer stärker und schriller, bis es in einem gereizten Schnappen endete.

»Ich sage dir, es ist Instinkt«, wiederholte Billy. »Er liebt dich, aber er kann das einfach nicht lassen.«

»Er hat das Recht, seinen Knochen gegen Fremde zu verteidigen, aber nicht gegen seine eigene Mutter«, ereiferte Saxon sich. »Ich werde ihn schon dazu bringen, daß er mir den Knochen läßt.«

»Ein Foxterrier ist schrecklich empfindlich, Saxon. Du machst ihn nur hysterisch.«

Aber sie war entschlossen, ihren Kampf durchzuführen, und sie hob einen kurzen Zweig vom Boden auf.

»So, mein Freund, gib mir jetzt den Knochen.«

Sie drohte dem Hund mit dem Zweig, und der Hund wurde wütender als je. Wieder schnappte er nach ihr, um sich dann auf seinen Knochen zu stürzen und sich daran festzuklammern. Saxon hob den Stock, wie um zu schlagen, und er ließ plötzlich den Knochen los, rollte sich vor ihren Füßen auf dem Rücken, alle Viere in der Luft, die Ohren demütig zurückgelegt und mit tränenerfüllten, flehenden Augen.

»Großer Gott!« sagte Billy ernst und feierlich. »Sieh ihn nur an – wie er daliegt und seinen Solar Plexus, seine Eingeweide und seinen ganzen Leib präsentiert – vollkommen wehrlos, als wollte er sagen: ›Hier liege ich. Prügele los auf mich! Tritt mir das Leben zum Leibe heraus! Ich liebe dich, ich bin dein Sklave, aber ich kann es nicht lassen, meinen Knochen zu verteidigen. Mein Instinkt ist stärker als ich. Töte mich – aber ich kann nicht anders.‹«

Saxons Zorn war verschwunden. Sie hatte Tränen in den Augen, als sie sich niederbeugte und das winzige Geschöpf in ihre Arme nahm. Possum war außer sich vor Erregung, er winselte und zitterte, wand und drehte sich und leckte ihr Gesicht – alles, um ihre Verzeihung zu erlangen.

»Ein Herz von Gold, mit einer Rose im Mund«, summte Saxon, während sie ihr Gesicht in dem weichen, zitternden Bündel von Nerven und Empfindsamkeit vergrub. »Es tut Mutter leid. Sie wird dich nie mehr so quälen. So, so, mein Kleines. Sieh! Hier ist dein Knochen – nimm ihn.«

Sie setzte den Hund auf den Boden, aber er stand unentschlossen da, als wüßte er nicht, was er wählen sollte – sie oder den Knochen, und er sah sie an, um sich zu vergewissern, daß er wirklich ihre Erlaubnis hatte, zitterte aber gleichzeitig immer noch vor Bewegung über den furchtbaren Kampf zwischen Verlangen und Pflicht, der ihn fast zu zerreißen drohte. Erst als sie ihre Erlaubnis wiederholt und mit einem Kopfnicken auf den Knochen gezeigt hatte, nahm der Hund ihn wieder auf. Und einmal, als eine Minute vergangen war, hob er in plötzlichem Schreck den Kopf und sah sie fragend an. Sie nickte lächelnd, und Possum seufzte tief und zufrieden und machte sich dann wieder an seinen teuren Knochen.

»Mercedes hatte recht, als sie sagte, daß die Menschen um Arbeit kämpfen wie Hunde um einen Knochen«, sagte Billy langsam. »Es ist Instinkt. Ich konnte es ebenso wenig lassen, einen Streikbrecher zu verprügeln, wie Possum es lassen konnte, nach dir zu schnappen. Man kann es nicht erklären. Was man tun muß, das muß man tun. Wenn man etwas tut, so zeigt das, daß man es tun muß, ob man es nun erklären kann oder nicht. Weißt du noch, wie Hall nicht erklären konnte, warum er McManus beim Laufen den Stock zwischen die Beine steckte? Was man tun muß, muß man tun. Mehr ist darüber nicht zu sagen. Ich hatte nicht den geringsten Grund, unsern Zimmerherrn Jimmy Harmon zu verprügeln. Er war ein braver Bursche, in jeder Beziehung anständig. Aber ich mußte es einfach tun, als der Streik in die Brüche ging und alles in mir so bitter war, daß ich es direkt schmecken konnte. Ich habe es dir nie erzählt, aber ich habe einmal nach meiner Entlassung mit ihm darüber gesprochen, als meine Arme heilten. Ich ging in den Lokomotivschuppen, lauerte ihm auf und bat ihn dann um Entschuldigung. Warum ich ihn um Entschuldigung bat? Das weiß ich nicht – wohl aus demselben Grunde, aus dem ich ihn verprügelte – ich konnte es nicht lassen.«

Und so erklärte Billy auf seine eigene, realistische Art das Gesetz von Ursache und Wirkung am Ufer des Umpquas, während Possum es auf ähnliche Art mit gierigen Zähnen an seinem Knochen darlegte.

 

Possum neben sich auf dem Bock, fuhr Saxon in die Stadt Roseburg ein. Sie fuhr im Schritt, und hinten am Wagen waren zwei schwere junge Arbeitspferde angebunden. Dahinter gingen sechs andere, jedoch frei, ohne angebunden zu sein, und den Nachtrab bildete Billy, der ein neuntes Pferd ritt. All diese Tiere schickte er von Roseburg nach den Ställen in West-Oakland.

Im Umpquatal hörten sie das Gleichnis von dem weißen Sperling. Der Bauer, der es ihnen erzählte, war ein älterer, wohlhabender Mann. Sein Hof war ein Muster an Ordnung und System. Später hörte Billy von den Nachbarn, daß man sein Vermögen auf eine Viertelmillion veranschlagte.

»Haben Sie die Geschichte von dem Bauern und dem weißen Sperling gehört?« fragte er Billy beim Mittagessen.

»Nein, ich habe nicht einmal je von einem weißen Sperling gehört«, antwortete Billy.

»Ja, die sind natürlich auch ziemlich selten«, gab der Bauer zu. »Aber hören Sie die Geschichte: Es war einmal ein Bauer, der kein rechtes Glück hatte. Nichts ging, wie es sollte, bis er schließlich eines Tages von dem wunderbaren weißen Sperling hörte. Es scheint, daß der weiße Sperling sich nur bei Tagesanbruch zeigt, und daß er dem Bauern, der ihn zu fangen vermag, großes Glück bringt. Am Tage darauf war unser Freund, der Bauer, bei Tagesanbruch, ja, noch etwas früher auf, um sich nach ihm umzusehen. Und wissen Sie – viele Monate suchte er nach ihm, aber nie sah er eine Spur.« Der alte Bauer schüttelte den Kopf. »Nein, er fand ihn nie, aber er fand vieles rings auf dem Hofe, das getan werden mußte, und er tat alles vor dem Frühstück, und ehe er sich umsah, war der Hof gut im Gange, und es dauerte nicht lange, so hatte er die Hypothek ausbezahlt und besaß ein Bankkonto.«

An diesem Nachmittag fuhr Billy in tiefe Gedanken versunken weiter.

»Ich habe den Wink wohl verstanden«, sagte er schließlich, »aber es befriedigt mich doch nicht ganz. Natürlich gab es keinen weißen Sperling, aber weil er frühmorgens aufstand, konnte er eine Menge Dinge verrichten, die er vernachlässigt hatte – ja, das verstehe ich schon. Und doch, Saxon, wenn das das Leben ist, das ein Bauer leben muß, dann mache ich mir nichts daraus, das Mondtal zu finden. Das Leben ist nicht lauter schwere Arbeit. Von morgens bis abends nur Mühe und Arbeit, dann könnte man ja ebenso gut in der Stadt bleiben. Was ist der Unterschied? Alle Zeit, die man zur Verfügung hat, muß man zum Schlafen gebrauchen, und wenn man schläft, hat man doch kein Vergnügen davon. Und wo man schläft, ist schließlich einerlei – man ist einfach tot. Man könnte ebensogut ganz tot sein, wie sich auf die Art totarbeiten. Lieber wandere ich weiter, schieße einen Hirsch oder fange eine Forelle, wie es sich trifft, und liege auf dem Rücken im Schatten eines Baumes, lache und spaße mit dir und – gehe schwimmen. Nicht, daß ich nichts tun wollte. Aber es ist ein verdammter Unterschied, ob man ein vernünftiges Maß von Arbeit leistet oder sich zu Tode rackert.«

Saxon war vollkommen einig mit ihm. Sie sah auf ihre vielen Jahre voll Mühe und Arbeit zurück und verglich sie mit dem frohen Leben, das sie seit Beginn ihrer Wanderung geführt hatten.

»Wir wollen ja gar nicht reich sein«, sagte sie. »Laß sie auf den Sacramentoinseln und rings in den überrieselten Tälern nach ihrem weißen Sperling jagen. Wenn wir im Mondtal früh aufstehen, dann soll es sein, um die Vögel singen zu hören und mit ihnen zu singen. Und wenn wir manchmal schwer arbeiten, dann wollen wir es nur tun, um mehr Zeit zum Spielen zu haben. Und wenn du schwimmen willst, so gehe ich mit dir. Und wir wollen so viel spielen, daß die Arbeit uns froh macht – wie eine Art Zerstreuung.«

»Ich bin bald so ausgedörrt, daß ich nicht mehr kann«, teilte Billy ihr mit und wischte sich den Schweiß von der sonnenverbrannten Stirn. »Was meinst du dazu, wenn wir nach der Küste fahren?«

So bogen sie denn nach Westen ab und fuhren durch wilde, bergige Schluchten von dem Hochland, das die Talstrecke im Innern bildete, hinab. Der Weg war so schlecht, daß sie auf einer Strecke von sieben englischen Meilen zehn Automobilen begegneten, die festgefahren waren und nicht weiter konnten. Billy wollte die Tiere schonen, und so ließen sie sich denn am Ufer eines rauschenden Wasserlaufes nieder, wo sie zwei Forellen auf einmal fingen. Hier fing Saxon auch ihre erste große Forelle. Das Kreischen der Winde, als der große Fisch anbiß, ließ sie einen erstaunten kleinen Schrei ausstoßen. Billy kam zu ihr, um ihr gute Ratschläge zu erteilen, und einige Minuten darauf zog Saxon mit flammenden Wangen und mit Augen, die vor Eifer leuchteten, vorsichtig den großen Fisch aus dem Wasser auf den trockenen Sand. Hier riß er sich vom Haken los und schlug furchtbar um sich, bis sie sich auf ihn stürzte und ihn mit ihren Händen fing.

»Sechzehn Zoll!« sagte Billy, als sie ihn stolz hochhielt, damit er ihn bewundern konnte. »Hallo, was willst du jetzt tun?«

»Natürlich den Sand abwaschen.«

»Leg sie lieber in den Korb«, riet er, dann aber schwieg er und beobachtete ihre Bewegungen mit tiefem Ernst.

Sie beugte sich über das Wasser und tauchte den prachtvollen Fisch hinein. Er schlug um sich; sie griff krampfhaft nach ihm, und fort war er.

»Ach!« rief Saxon unglücklich.

»Wer findet, halte fest, was er gefunden«, zitierte Billy.

»Mir ist es gleich«, antwortete sie. »Er war jedenfalls größer als alle, die du je gefangen hast.«

»Oh, ich leugne gar nicht, daß du tüchtig im Fischen bist«, sagte er langsam. »Mich hast du ja auch gefischt, nicht wahr?«

»Das weiß ich nun nicht«, antwortete sie schnell. »Vielleicht ist das wie die Geschichte von dem Mann, der verhaftet wurde, weil er in der Schonzeit Forellen fing. Er entschuldigte sich damit, daß es Notwehr gewesen sei.«

Billy dachte lange nach, verstand sie aber noch nicht.

»Die Forelle hatte ihn angegriffen«, erklärte sie.

Billy grinste. Nach einer Viertelstunde sagte er: »Da hast du es mir tüchtig gegeben!«

 

Der Himmel hatte sich bezogen, und als sie am Ufer des Coquilles entlang fuhren, senkte sich plötzlich Nebel auf sie herab.

»Oha!« rief Billy begeistert. »Ist das nicht großartig? Ich merke direkt, daß ich es aufsauge wie ein trockener Schwamm. Noch nie habe ich mich so über Nebel gefreut.«

Saxon breitete die Arme aus, und es war, als badete sie in dem grauen Nebel.

»Ich hätte nie gedacht, daß ich die Sonne überbekommen könnte«, sagte sie, »aber wir haben in den letzten Wochen mehr gehabt, als uns gut tat.«

»Seit wir aus dem Sacramentotal heraus sind«, bestätigte Billy. »Zu viel Sonne ist auch nicht gut. Das habe ich selbst schon herausgefunden. Sonnenschein ist wie Alkohol. Hast du je bemerkt, wie prachtvoll du dich fühltest, wenn die Sonne nach einer Woche feuchten Wetters herauskam? Dann ist der Sonnenschein wie ein Schuß Whisky. Er tut genau dieselbe Wirkung. Es ist ein herrliches Gefühl. Und wenn man geschwommen hat und aus dem Wasser kommt und in der Sonne liegt – wie herrlich es einem dann geht! Das kommt daher, daß man einen Sonnencocktail schlürft. Aber gesetzt, man liegt ein paar Stunden im Sande, dann ist es nicht mehr so schön. Dann wird man schwer und schlaff und braucht gefährlich lange, um sich anzuziehen. Und dann geht man heim, und schleppt die Beine nach und fühlt sich ganz elend, als wäre Saft und Kraft aus einem herausgesogen. Was ist das? Ein Katzenjammer. Man hat sich in Sonnenschein übernommen, wie man sich in Whisky übernehmen kann, und nun muß man seinen Preis dafür bezahlen. Das ist ganz klar. Deshalb ist ein Klima mit Nebel am besten.«

»Aber wir sind doch viele Monate lang berauscht gewesen«, sagte Saxon. »Sollen wir jetzt wieder nüchtern werden?«

»Darauf kannst du dich verlassen! Weißt du, Saxon, ich kann an einem Tage für zwei Tage arbeiten, in einem Klima wie dem hier. Sieh die Tiere an. Ich will mich hängen lassen, wenn sie nicht schon ganz übermütig werden.«

Saxons Blick schweifte vergebens über den Kiefernwald, um nach den Riesentannen zu suchen, die sie so liebte. Sie würden sie in Kalifornien finden, sagte ihnen jemand in Bandon.

»Dann sind wir zu weit nach Norden geraten«, sagte Saxon. Wir müssen nach Süden, um unser Mondtal zu finden.«

Und so reisten sie nach Süden, auf Wegen, die immer schlechter wurden, durch das Meiereiland von Langlois und durch dichte Kiefernwälder nach Port Orford, wo Saxon Achat am Strande fand, während Billy mächtige Dorsche fing. Noch hatte sich keine Eisenbahn durch diese wilde Gegend hindurchgeschnitten, und der Weg nach Süden wurde immer wilder. Am Gold Beach trafen sie ihren alten Freund, den Rogue, über den sie sich an seiner Mündung in den Stillen Ozean auf der Fähre übersetzen ließen. Immer wilder wurde das Land, immer furchtbarer wurden die Wege, und immer weiter war es zwischen den vereinzelten Bauernhöfen und den Rodungen.

Und hier gab es weder Asiaten noch Europäer. Die spärliche Bevölkerung bestand aus den ursprünglichen Ansiedlern und ihren Nachkommen. Saxon sprach mit mehreren alten Männern und Frauen, die sich noch der Reise über die Prärie mit den schwer arbeitenden Ochsen entsannen. Westwärts waren sie gezogen, bis der Stille Ozean ihnen Halt gebot, und hier hatten sie den Wald gerodet, ihre primitiven Häuser gebaut und sich niedergelassen. Es war der fernste Westen, den sie entdeckt hatten. Alte Gebräuche hielten sich noch unverändert unter ihnen. Es gab keine Eisenbahn. Noch hatte kein Automobil sich auf diese schlechten Wege gewagt. Im Osten, zwischen ihnen und den dichtbevölkerten Tälern im Innern, lag das öde, wilde Küstengebirge – ein wahres Paradies für Jäger, wie einer zu Billy sagte, obwohl der erklärte, daß der Weg, den er gekommen war, Jägerparadies genug für ihn war. Denn ohne die Pferde anzuhalten, hatte er Saxon die Zügel gereicht und vom Kutschbock aus einen Bock mit acht Enden geschossen.

Südlich von Gold Beach hörten sie, als sie auf einem schmalen Weg durch den unberührten Wald fuhren, hoch über sich den Klang von Glocken. Hundert Meter weiter fand Billy eine Stelle, die breit genug war, um ausweichen zu können. Und hier wartete er, während die munteren Glocken sich schnell näherten.

Sie hörten das scheuernde Geräusch einer Bremse, den dumpfen Laut von Pferdehufen auf dem weichen Boden, einen harten Ausruf des Kutschers und plötzlich das Lachen einer Frau.

»Der kann fahren, der kann fahren dort oben!« murmelte Billy. »Ich ziehe meinen Hut vor ihm, wer er auch sein mag, daß er so schnell auf einem Weg wie hier fahren kann. – Hör nur, der hat starke Bremsen! – Das war ein ordentliches Loch! Der hat Federn, Saxon, der hat Federn!«

Dort, wo der Weg im Zickzack über ihnen ging, sahen sie zwischen den Bäumen vier schnelle rotbraune Pferde und die schnellen Räder eines kleinen, gelbbraunen Wagens.

Bei der nächsten Biegung kamen die zwei vorderen Pferde wieder zum Vorschein, und sie fuhren die Kurven weit aus, worauf die zwei hinteren Pferde mit dem leichten zweisitzigen Fuhrwerk erschienen; dann aber bildete alles wieder eine gerade Linie, und lärmend kamen sie über eine schmale Plankenbrücke. Auf dem Vordersitz saßen ein Mann und eine Frau, auf dem Hintersitz saß ein Japaner, zwischen Handkoffern, Angelruten, Gewehren, Sesseln und einem Schreibmaschinenkasten eingeklemmt, während über ihm und um ihn herum auf äußerst sinnreiche Weise eine Menge Hirsch- und Elchgeweihe verstaut waren.

»Das sind ja Herr und Frau Hastings!« rief Saxon.

»Brr!« heulte Hastings und ließ die Bremse auf das Rad wirken, während er seine Pferde neben Billy und Saxon anhielt. Grüße wurden ausgetauscht, und der Japaner, den sie zuletzt auf dem »Wanderer« gesehen hatten, gab und erhielt seinen vollen Anteil an den Grüßen.

»Das ist etwas anderes als die Sacramentoinsel, nicht wahr?« sagte Hastings zu Saxon. »Nichts als alte amerikanische Familien hier in den Bergen. Und sie haben sich nicht im geringsten verändert. Unsere Vorfahren sind genau ebenso gewesen.«

Herr und Frau Hastings erzählten von ihrer langen Fahrt. Sie waren jetzt seit zwei Monaten unterwegs und wollten weiter durch Oregon und Washington nach der kanadischen Grenze.

»Dann schicken wir die Pferde zurück und reisen selbst mit der Eisenbahn nach Hause«, schloß Hastings.

»Aber bei der Schnelligkeit hätten Sie doch viel weiter kommen müssen als bis hierher«, meinte Billy kritisch.

»Wir machen an allen möglichen Orten halt«, erklärte Frau Hastings.

»Wir waren auf dem geschützten Territorium bei Hoopa«, sagte Hastings. »Und wir fuhren im Kanu den Trinity und den Klamath bis zum Meer hinab. Und wir haben zwei Wochen in der richtigen Wildnis von Curry County verbracht.«

»Dort sollten Sie übrigens hinfahren«, riet Hastings ihnen. »Sie können noch vor Abend Mountain Ranch erreichen. Und von dort können Sie ins Land abbiegen. Nein, Wege gibt es nicht. Sie müssen die Pferde reiten. Aber es ist voll von Wild. Ich schoß fünf Berglöwen und zwei Bären, gar nicht zu reden von einer Menge Hirsche. Und es gibt auch kleine Elchherden. Nein, ich schoß keine, sie sind geschützt. Die Geweihe hier habe ich von alten Jägern bekommen. Ich will Ihnen alles erzählen.«

Und während die beiden Männer miteinander sprachen, waren Saxon und Frau Hastings auch nicht müßig.

»Haben Sie nun das Mondtal gefunden?« fragte die Frau des Schriftstellers beim Abschied.

Saxon schüttelte den Kopf.

»Sie finden es wohl noch, wenn Sie nur weit genug umherreisen, und Sie müssen mir ja versprechen, nach dem Sonomatal zu kommen, wo wir unsern Hof haben. Und wenn Sie es dann nicht gefunden haben, wollen wir schon sehen, was wir tun können.«

Drei Wochen später kam Billy, der noch mehr Berglöwen und Bären als Hastings erlegt hatte, von Curry County über die Grenzscheide nach Kalifornien. Hier sah Saxon ihre geliebten Riesentannen wieder, und so groß und schön waren sie, wie sie es sich nie gedacht hatte. Billy hielt den Wagen an, stieg ab und ging um einen der Bäume herum.

»Fünfundvierzig Fuß«, meldete er. »Das macht fünfzehn Fuß im Durchmesser. Und so sind sie alle, nur noch größer –, nein, dies ist eine Mißgeburt. Die mißt nur neun Fuß im Durchmesser. Und sie sind mehrere hundert Fuß hoch.«

»Wenn ich sterbe, Billy, mußt du mich in einem Hain von Riesentannen begraben«, sagte Saxon eindringlich.

»Ich will nicht, daß du stirbst, ehe ich selbst sterbe«, versicherte er ihr. »Und wir wollen in unserm Testament bestimmen, daß wir beide so begraben werden.«

 

Südwärts fuhren sie, die Küste entlang, jagten, fischten, schwammen und kauften Pferde, und Billy verschickte seine Einkäufe mit den Küstendampfern. Sie zogen durch Del Norte und Humboldt County und durch Mendocino nach Sonoma – Kreise, größer als die östlichen Staaten, bahnten sich ihren Weg durch riesige Wälder, fischten in unzähligen Forellenflüssen und fuhren durch zahllose reiche Täler. Und immer noch suchte Saxon nach dem Mondtal. Zuweilen, wenn alles andere ausgezeichnet schien, fehlte eine Eisenbahn, zuweilen fehlten Madronjos oder Manzanitas, und meistens gab es zuviel Nebel.

»Wir müssen hin und wieder einen Sonnencocktail haben«, sagte sie zu Billy.

»Ja«, antwortete er, »zuviel Nebel könnte uns leicht schlaff machen. Das, was wir suchen, liegt so in der Mitte, und wir müssen etwas von der Küste abhalten, um es zu finden.«

Es war Herbst, und sie verließen den Stillen Ozean bei dem alten Fort Ross und fuhren in das Russian-River-Tal, weit unterhalb Ukiahs, über Cazadero und Guerneville. Bei Santa Rosa wurde Billy durch das Verschicken einiger Pferde etwas aufgehalten, und erst am Nachmittag fuhr er in südöstlicher Richtung nach dem Sonomatal.

»Ich glaube nicht, daß wir das Sonomatal vor Schlafenszeit erreichen«, sagte er und maß mit den Augen den Abstand der Sonne vom Horizont. »Dies ist das Bennettal. Hier setzt man über eine Wasserscheide und kommt dann bei Glen Ellen heraus. Sieh, das ist nun ein mächtig schönes Tal, wenn jemand dich danach fragen sollte. Und ein prachtvoller Berg dort drüben.«

»Der Berg ist wirklich schön«, erklärte Saxon. »Aber die andern Höhen sind zu kahl. Und ich sehe keine großen Bäume. Es gehört reicher Boden dazu, daß die Bäume so groß werden.«

»Ich will ja nicht behaupten, daß es das Mondtal ist – das würde mir nicht einfallen. Aber doch, Saxon, der Berg dort ist keine Kleinigkeit. Sieh nur all das Holz darauf. Ich möchte wetten, daß es dort Hirsche gibt!«

»Ich möchte wissen, wo wir dieses Jahr den Winter verbringen werden«, meinte Saxon.

»Weißt du – ich habe auch gerade darüber nachgedacht. Laß uns im Winter nach Carmel gehen. Mark Hall ist wiedergekommen und Jim Hazard auch. Was meinst du dazu?«

Saxon nickte.

»Aber diesmal brauchst du doch nicht alle mögliche Gelegenheitsarbeit zu verrichten?«

»Nein, wir können uns damit begnügen, Pferde aufzukaufen, wenn das Wetter gut genug zum Ausfahren ist«, bestätigte Billy, und sein Gesicht strahlte vor Zufriedenheit. »Und wenn dieser herumspazierende Dichter aus dem Marmorhaus in der Nähe ist, dann werde ich schon die Boxhandschuhe an ihm versuchen, nur um ihn daran zu erinnern, daß er mir einmal beinahe die Beine in den Leib getrabt hat.«

»Oh, Oh!« rief Saxon. »Sieh nur, Billy! Sieh!«

Bei einer Wegbiegung kam ein Mann in einem mit einem schweren Pferd bespannten Wagen gefahren. Das Tier war von schimmernder kastanienbrauner Farbe, mit weißgelber Mähne und Schweif. Der Schweif fegte fast den Boden, und die Mähne war so schwer, daß sie sich wie ein Kamm am Halse hob und über die Seiten wogte. Das Tier witterte die Stuten und blieb stehen, warf den Kopf zurück, das große Büschel der gelbweißen Mähne wogte im Winde. Es beugte den Kopf, bis die weitgeöffneten Nüstern die zitternden Knie berührten, und zwischen den stark gespitzten Ohren kam ein mächtiger, fast unglaublich gebogener Hals zum Vorschein. Dann warf es wieder den Kopf zurück und zerrte zornig am Gebiß, während der Kutscher weit ausbog, um keine Gefahr zu laufen. Sie konnten den blauen Glanz in den wildschimmernden Augen des Pferdes sehen, und Billy griff vorsichtig nach den Zügeln und hielt selbst weit ab. Er hob die Hand, um dem Mann mit dem Hengst ein Zeichen zu machen, und als sie aneinander vorbei waren, hielt er an, und sie plauderten über Arbeitspferde.

Unter anderm erfuhr Billy, daß der Hengst Barbarossa hieß, daß es sein Besitzer war, der ihn fuhr, und daß er in Santa Rosa zu Hause war. »Es gibt von hier zwei Wege nach dem Sonomatal«, sagte der Mann. »Wenn Sie an den Kreuzweg kommen, müssen Sie links über Bennet Peak nach Glen Ellen abbiegen – es ist dort drüben.«

Hoch über weitgedehnte Stoppelfelder erhob sich der Bennet Peak in der warmen Sonne, zwischen einer Reihe von Höhen, die sich an seinen Fuß lehnten. Aber Höhen und Berge an dieser Seite waren kahl und verbrannt, wenn auch von der schönen, sonnenverbrannten, gelbbraunen Farbe, die für Kalifornien eigentümlich ist.

»Der Weg rechts führt auch nach Glen Ellen, aber er ist weiter und steiler. Nun, Ihre Pferde sehen nicht aus, als ob sie das stören würde.«

»Welcher von den Wegen ist der schönere?« fragte Saxon.

»Oh, der rechts – das ist kein Zweifel«, sagte der Mann. »Das ist der Sonomaberg, und der Weg geht ein gutes Stück hinauf und dann durch Coopers Grove.«

Als sie sich verabschiedet hatten, fuhr Billy nicht gleich weiter. Er und Saxon sahen über die Schulter nach dem erregten Barbarossa zurück, der steigend und in sehr aufrührerischer Stimmung nach Santa Rosa davonsetzte.

»Nun«, meinte Billy, »hier möchte ich schon nächstes Frühjahr sein.«

Beim Kreuzweg machte Billy halt und sah Saxon an. »Was tut es, wenn der Weg auch etwas länger ist?« sagte sie. »Sieh, wie schön es ist – alles mit grünen Bäumen bedeckt, und ich bin sicher, daß es Riesentannen in den Canyons gibt. Man kann es nie wissen. Das Mondtal könnte doch irgendwo dort oben liegen. Und wir dürfen es uns doch nicht entgehen lassen, nur um eine halbe Stunde zu sparen.«

Sie bogen nach rechts ab und fuhren über eine Reihe steiler Anhöhen. Als sie sich näherten, sahen Sie, daß das Wasser immer reichlicher floß. Sie fuhren an einem Bach vorbei, und obwohl die Weinberge trocken von der Sommerhitze waren, standen doch große, prachtvolle Baumgruppen auf den Bauernhöfen und rings auf der Ebene.

»Es mag merkwürdig klingen«, sagte Saxon, »aber ich habe den Berg schon richtig liebgewonnen. Es ist fast, als hätte ich ihn früher schon irgendwo gesehen, und – nun ja, er ist ganz herrlich.«

Sie fuhren über eine Brücke, bogen plötzlich um eine Ecke und standen inmitten einer geheimnisvollen kühlen Dunkelheit. Auf allen Seiten erhoben sich stattliche Riesentannen. Der Wald war ein rosiger Teppich von Herbstfarnen. Hin und wieder durchbrach ein Sonnenstrahl den tiefen Schatten und erwärmte das düstere Dunkel des Hains. Verlockende Pfade wanden sich zwischen den Bäumen hindurch und verschwanden in den anheimelnden Winkeln, gebildet von roten Säulen, die im Kreise um den Staub verschwundener Vorfahren wuchsen – ein Zeugnis von den titanenhaften Dimensionen jener Vorfahren durch eben den Durchmesser der Kreise, in denen sie standen.

Aus dem kleinen Walde kamen sie heraus, gelangten zur Wasserscheide, und von hier ging der Weg über wogende Ebenen und durch kleine Einschnitte und Canyons, die alle bewaldet waren und von Wasser troffen. Stellenweise war der Weg von Quellen am Wegrande benetzt.

»Dieser Berg ist ja der reine Schwamm«, sagte Billy. »Da steht er nun hier nach einem langen, trockenen Sommer, und der Boden ist so undicht wie ein Sieb.«

»Ich weiß, daß ich noch nie hier gewesen bin«, sagte Saxon laut vor sich hin. »Aber es ist mir alles so wohlbekannt. Ich muß es geträumt haben. – Und da sind Madronjos! – Ein ganzer Wald! Und Manzanitas! Mir ist, als sei ich heimgekommen. – Ach, Billy, wenn es sich nun zeigt, daß dies unser Tal ist!«

»An einen Berg angeklebt?« lachte er skeptisch.

»Nein, das meine ich nicht. Ich meine, daß wir unterwegs zu unserm Tal sind. Weil der Weg – alle Wege – nach unserm Tal schön sein müssen. Und dies – ich habe alles schon einmal gesehen, davon geträumt.«

»Das ist großartig«, sagte er begeistert. »Ich möchte nicht eine Quadratmeile wie diese gegen das ganze Sacramentotal mit allen Flußinseln und dem Middle River dazu vertauschen. Wenn es dort oben keine Hirsche gibt, müßte ich mich sehr irren. Und wo Quellen sind, sind auch Bäche, und Bäche bedeuten wieder Forellen.«

Sie kamen an einem großen, gut eingerichteten, von Scheuern und Kuhställen umgebenen Bauernhof vorbei, zogen weiter unter den Bogengängen des Waldes und kamen neben einem Felde heraus, das Saxon gleich sehr gefiel. Es ging in einem ebenmäßigen Bogen vom Wege den Berg hinan, wo es von einer Reihe von Bäumen begrenzt wurde. Das Feld flammte wie mattes Gold im Schimmer der Sonne, die gerade untergehen wollte, und in der Mitte stand eine einsame große Riesentanne mit verbranntem Wipfel, der aussah, als hätte er Adlern als Wohnung gedient. Die Bäume dahinter kleideten den Berg in einförmiges Grün bis dort hinauf, wo der Gipfel begann. Als sie aber weiter fuhren und Saxon sich nach dem umsah, was sie ihr Feld nannte, sah sie den wirklichen Gipfel des Sonomas hoch darüber hinausragen, während der Berg bei ihrem Feld nur ein Ausläufer des größeren Kolosses war.

Vor ihnen, nach rechts, über scharfen Bergkämmen, durch tiefe grüne Canyons getrennt und weiter abwärts sich zu wogenden Obstgärten und Weinbergen erweiternd, sahen sie zum erstenmal einen Schimmer des Sonomatals und der wilden Berge, die die Ostseite einrahmten. Zur Linken schauten sie ein goldenes Land mit kleinen Hügeln und Tälern. Weiter fort, nach Norden sahen sie einen andern Teil des Tales und im Hintergrund, als entgegengesetzte Wand des Tales, eine Gebirgskette, deren höchster Gipfel seinen roten, mitgenommenen alten Krater von einem rosigen Himmel in gedämpften Nuancen abhob. Von Norden nach Südosten schlängelte sich der Bergrand, beleuchtet von den klaren Strahlen der Sonne, während die Abendschatten schon über Saxon und Billy lagen. Er sah Saxon an, bemerkte den begeisterten Ausdruck in ihrem Gesicht und hielt die Pferde an. Der ganze östliche Himmel war von einem tiefen roten Schimmer gefärbt, der sich über die Berge legte und ihnen eine Farbe wie Wein und Rubine verlieh. Im Sonomatal begannen die dunklen, tiefvioletten Nebel aufzusteigen, sie umspülten den Fuß der Felsen und hoben sich darüber, sie überschwemmend und in einem Strom von Tiefviolett ertränkend. Saxon wies, ohne etwas zu sagen, in das Tal und zeigte ihm, daß die tiefviolette Flut der Schatten des Sonomaberges im Sonnenuntergang war.

Billy nickte, trieb dann aber die Pferde an, und sie fuhren weiter in der warmen, von Farben gesättigten Dämmerung.

Jedesmal, wenn sie etwas höher hinaufkamen, fühlten sie gleich die kühle, herrliche Brise vom Stillen Ozean, der vierzig Meilen entfernt lag, während aus jeder kleinen Senkung und Höhlung der warme Hauch der Herbsterde mit würzigem Geruch von sonnentrockenem Gras, gefallenen Blättern und welkenden Blüten kam.

Dann erreichten sie den Rand eines tiefen Canyons, der aussah, als reichte er bis ins Herz des Sonoma-Berges hinein. Wieder hielt Billy den Wagen an, mit einem Blick auf Saxons Gesicht, und ohne daß ein Blick gewechselt wurde. Der Canyon war sehr schön, von einer seltsamen, wilden Schönheit. In seiner ganzen Länge standen hohe Riesentannen in ihm. Am entferntesten Rande befanden sich drei mit dichten Tannen und Eichenwäldern bedeckte unebene Höhen. Zwischen den Höhen kam ein kleiner Canyon zum Vorschein, der in den Hauptcanyon mündete und ebenfalls von Riesentannen eingerahmt war. Billy zeigte auf ein Stoppelfeld am Fuße der Höhen.

»Auf solchen Weiden sehe ich meine Stuten grasen«, sagte er.

Sie kamen jetzt in den Canyon, wo der Weg einem Bache folgte, der unter Ahorn und Erlen dahinrieselte. Der Feuerschein des Sonnenunterganges, der sich in den treibenden Wolken des Herbsthimmels spiegelte, badete den Canyon in rotes Licht, und darin flammten und schwelten Madronjos mit roten Stämmen und Manzanitas mit Weinranken. Die Luft war von Lorbeer gewürzt. Die wilden Traubenranken bildeten eine Brücke von Baum zu Baum über den Bach, Eichen vielerlei Art waren mit Spitzen aus leichtem spanischen Moos verschleiert. Allerlei fruchtbare Farne wuchsen am Bache. Von irgendwoher hörten sie das Gurren der Turteltauben. Fünfzig Fuß über dem Boden, gerade zu ihren Häupten, sprang ein Eichhörnchen über den Weg – ein graubrauner Schimmer zwischen zwei Bäumen, und sie konnten seinen Weg durch die Luft daran verfolgen, daß die Zweige sich beugten.

»Ich habe direkt ein Gefühl –«, sagte Billy.

»Laß mich erst mal sehen«, bat Saxon.

Er wartete, den Blick auf ihr Gesicht geheftet, während sie sich begeistert umsah.

»Wir haben unser Tal gefunden«, flüsterte sie. »Ist es nicht das?«

Er nickte, schwieg aber beim Anblick eines kleinen Knaben, der eine Kuh vor sich her auf dem Wege trieb. In der einen Hand trug er ein lächerlich großes Gewehr, in der andern ein ebenso lächerlich großes Kaninchen.

»Wie weit ist es noch bis Glen Ellen?« fragte Billy.

»Anderthalb Meilen«, lautete die Antwort.

»Was ist das für ein Bach?« fragte Saxon.

»Wildwasser. Eine halbe Meile weiter abwärts mündet er in den Sonoma.«

»Forellen?« fragte Billy.

»Wenn Sie die zu fangen verstehen«, lachte der Junge.

»Gibt es Hirsche auf dem Berg?«

»Es ist noch nicht die Jahreszeit«, sagte der Junge ausweichend.

»Du hast wohl noch nie einen Hirsch geschossen?« meinte Billy schlau und wurde belohnt durch ein:

»Ich kann Ihnen das Geweih zeigen.«

»Hirsche stoßen das Geweih ab«, setzte Billy seine Neckerei fort. »Die kann jeder finden.«

»An meinem ist Fleisch. Es ist noch nicht trocken –«

Der Knabe hielt inne und sah erschrocken die Grube, die Billy ihm gegraben hatte.

»Mach dir nichts daraus, mein Junge«, lachte Billy und fuhr weiter. »Ich bin kein Wildwächter. Ich kaufe nur Pferde.«

Wieder drei springende Eichhörnchen, mehrere rotstämmige Madronjos und majestätische Eichen, mehrere Elfenringe von Riesentannen und dann, immer noch an dem plaudernden Bach, eine Gartenpforte. Davor stand ein primitiver Briefkasten mit der Aufschrift »Edmund Hale«. Und in der aus Zweigen verfertigten Pforte standen ein Mann und eine Frau, die ein so schönes Bild boten, daß es Saxon den Atem benahm. Sie standen nebeneinander. Die Frau hatte ihre feine kleine Hand in die des Mannes gelegt, die aussah, als sei sie dazu geschaffen, sich segnend auf die Köpfe der Menschen zu legen. Und dieser Eindruck wurde durch sein Gesicht verstärkt – ein Gesicht mit einer schönen Stirn, großen, wohlwollenden grauen Augen und einem Reichtum von weißem Haar, das wie gesponnenes Glas leuchtete. Er war groß und schwer, und die Frau neben ihm war fein und leicht gebaut. Sie war safranbraun, wie Frauen der weißen Rasse zuweilen sein können, und ihre lächelnden Augen waren vom tiefsten Blau. In ihren phantastischen seegrünen Draperien und mit ihrem lebhaften Gesichtchen erinnerte sie Saxon an eine Frühlingsblume.

Vielleicht war das Bild, das Saxon und Billy boten, wie sie durch das goldene Licht des Sonnenunterganges gefahren kamen, ebenso schön. Die zwei Paare hatten nur Augen für einander. Die kleine Frau sah strahlend froh aus, und der Segen, der die ganze Zeit im Antlitz des Mannes zu lesen gewesen war, brach nun durch und machte es so unsagbar warm und milde. Saxon hatte dasselbe Gefühl wie bei dem Feld am Berge und beim Berge selbst – ihr schien, als hätte sie dieses liebe Paar stets gekannt. Sie wußte, daß sie sie liebte.

»Guten Abend«, sagte Billy.

»Gott segne euch, Kinder«, sagte der Mann. »Ich möchte wissen, ob ihr wißt, wie lieb ihr ausseht.«

Das war alles. Der Wagen hielt nicht an, sondern fuhr weiter den Weg entlang, der von einem knisternden Teppich herabgefallener Ahorn-, Eichen- und Erlenblätter bedeckt war. Dann kamen sie zu der Stelle, wo die beiden Bäche sich trafen.

»Ach, welch eine Stelle für ein Heim«, rief Saxon und zeigte über den Bach. »Sieh, Billy, die Ebene über der Wiese.«

»Es ist reicher Flußboden, Saxon, die Ebene ist auch sehr reich. Sieh die großen Bäume, die dort wachsen. Und es gibt sicher Quellen.«

»Laß uns hinfahren«, sagte sie.

Sie verließen den Hauptweg und fuhren auf einer schmalen Brücke über den Wildwasserbach, und dann gelangten sie auf einen alten Weg mit vielen Radspuren, die an einem ebenso alten, aus Riesentannenzweigen geflochtenen Zaun entlang liefen. Sie kamen zu einer Pforte, die offenstand und aus den Angeln gerissen war, und durch die führte der Weg auf die Ebene.

»Hier ist es – ich weiß es!« sagte Saxon mit tiefster Überzeugung. »Fahr hinein, Billy!«

Ein kleines, weißgestrichenes Bauernhaus mit zerschlagenen Scheiben kam zwischen den Bäumen zum Vorschein.

»Du mit deinen Madronjos –«

Billy zeigte auf den Vater aller Madronjos, der groß und stark, am Boden sechs Fuß im Durchmesser, vor dem Hause stand.

Sie dämpften ihre Stimmen, während sie unter großen Eichen um das Haus gingen und vor einer kleinen Scheune stehenblieben. Sie warteten nicht, bis sie die Pferde abgeschirrt hatten, sondern banden sie an den Zaun an und begaben sich dann auf ihre Entdeckungsreise. Der Hang von der Ebene zur Wiese hinab war steil, aber dicht mit Eichen und Manzanitas bewachsen. Als sie sich durch das Gebüsch drängten, scheuchten sie ein Dutzend Wachteln aus ihren Nestern auf und verjagten sie.

»Wie steht es mit Wild?« fragte Saxon.

Billy lachte und betrachtete eine Quelle, die einen klaren, quellenden Strom in die Tiefe entsandte. Hier war der Boden von der Sonne ausgetrocknet und an vielen Stellen gespalten.

Ein enttäuschter Ausdruck trat in Saxons Gesicht, aber Billy, der einen Klumpen Erde zwischen den Fingern zerkrümelte, war noch nicht zu einem festen Ergebnis gelangt.

»Es ist reicher Boden«, erklärte er. »Der beste und feinste Boden, der seit zehntausend Jahren von den Bergen herabgespült ist. Aber –«

Er unterbrach sich, sah sich nach allen Seiten um, studierte die Konturen der Wiese, ging zu den Riesentannen hinüber und kam dann wieder.

»Wie er jetzt ist, hat er keinen Wert«, sagte er. »Aber wenn er richtig behandelt wird, wird er so gut, wie nur etwas sein kann. Alles, was dazu gehört, ist ein bißchen gesunder Menschenverstand und tüchtige Dränage. Die Wiese bildet einen Steilhang auf der andern Seite, mit Riesentannen bis zum Bache hinab. Komm, ich will es dir zeigen.«

Sie gingen zwischen den Riesentannen hindurch und kamen an den Sonomabach. Hier gab es kein Plätschern, der Strom lief geradeswegs in einen stillen Binnensee. Die Weiden an dieser Seite berührten das Wasser. Der Seite gegenüber war eine steile Böschung, und Billy maß die Höhe mit den Augen und die Tiefe des Wassers mit einem Stück Treibholz.

»Fünfzehn Fuß«, erklärte er, »da kann man vom Ufer aus tauchen, so tief man will. Und zum Schwimmen sind es hundert Meter hin und zurück.«

Sie gingen am See entlang. Er verengte sich zu einer Stromschnelle, die über nackten Felsboden in einen neuen See führte.

Während sie noch schauten, sprang eine Forelle mit blinkenden Schuppen in die Luft, und ihre Blicke folgten ihr, und sie sahen die Ringe auf der ruhigen Oberfläche immer größer und größer werden.

»Ich glaube doch nicht, daß wir den Winter in Carmel verbringen werden«, sagte Billy. »Der Ort hier ist direkt für uns beide fabriziert. Morgen früh müssen wir sehen herauszubringen, wem das hier gehört.«

Eine halbe Stunde später, als er für die Pferde sorgte, lenkte er Saxons Aufmerksamkeit auf das Pfeifen einer Lokomotive.

»Da hast du deine Eisenbahn«, sagte er. »Das ist ein Zug, der nach Glen Ellen fährt, und nur eine Meile von hier.«

Als sie abends unter den Decken lagen, und Saxon einschlafen wollte, weckte Billy sie.

»Wenn nun der Schwachkopf, dem es gehört, nicht verkaufen will?«

»Er verkauft, daran ist kein Zweifel«, antwortete Saxon mit ruhiger Zuversicht. »Hier gehören wir her. Ich weiß es.«

* * *

 


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