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Mensch im Werden

Der Ahne in mir

Ich schmiede, weil ich Schmied bin. Ich bin ein glücklicher Schmied, weil ich mein Werk habe, und mein Werk hat mich. Und mein Schmiedewerk ist mir so lieb wie das Kind, das mein Weib großzieht. Nun sommert es um die Stadt. Wie weht der Laurenziuswind über Land in meine Schmiede hinein. Wie schön müssen heut die weißen Wolken im Blau über den dunklen Kiefernwäldern stehn! Glücklich, wer jetzt in dem Winde, in der Sonne, unter dem Himmel Sommerweizen mähen darf!

Schicksal, warum machtest du einen Schmied aus mir? Dem Landmann drücktest du einen Pflug in die Hand, daß er ihn durch das Erdreich zwinge. Du gabst ihm grünwogende Ackerfelder, gabst ihm die allmächtig zeugende Sonne, brennend am Firmament; gabst ihm Wolken voll Regen über seiner Hände Arbeit hin. Gabst ihm Saatzeit, Zeit des feuchten Wachstums, der feurigen Reife Zeit, Zeit der aufbäumenden, unruhvollen Ernte.

Schobern und Scheuern gabst du ihm, gestampft voll Getreide. Mieten, berstend von Fülle; Speicher und Keller voll guter Dinge im mütterlich wahrenden Hause.

Schicksal, mein Schicksal, was gabst du mir? Mir ist nur eine schwarze Schmiede gegeben, Wolken voll Rauch belagern die rötlichen Fenster: du stelltest einen Amboß vor mein Gesicht, ein Schmiedefeuer mir in den Rücken. In die linke Hand gabst du mir die Zange, in die rechte den Hammer. Während draußen in lautloser Stille Nacht und Tag ruhvoll die Äcker wachsen, schmettere ich in sausenden Schlägen meinen Hammer auf eiserne Stangen. Regen rieselt in rotem Aschestaub, und meine Sonne ist das glutende, dörrende Schmiedefeuer. Ich säe die liebe, lange Woche das Fett meiner Muskeln in die Furchen der Eisenbarren. Der Tau der schweißenden Stirne träuft auf die Felder der Eisenplatten. Von der Sonne, vom Licht habe ich nur einen Traum, einen schönen, glänzenden, duftenden Traum. Schmied, sei Schmied, weil du kein Bauer bist! Ich beherzige mich und mein Wort: Schmied, sei Schmied! Ich hämmere und hämmere! Will nichts anderes sein als Schmied, will nichts anders tun, als schmieden!

Und doch, es ist jemand da, der stärker über mich gebietet. Es ist jemand in mir, anders als der Schmied, Ich bin im Bann einer unsichtbaren Macht. Schmied, schlag dich frei! Schlag los! Ich hebe den Hammer und schlage zu!

Da sinkt der Amboß in den Grund! Die Werkstattwände fliegen auseinander, der eisenstaubschwarze Boden schwingt aus. Ich stehe, Bauer, vor einem Ackerfeld. Hafer und Weizen vor mir in schwerer Pracht unter der glutenden Sonne. Die Kartoffelsträucher auf den Äckern sinken in saugender Hitze. Die Äste der Obstbäume leuchten von roten und gelben Früchten bunt; unter den Pappeln, die den sanften Windungen des Flusses folgen, stehn die Kühe im Gras der Weiden.

Da: Koppeln von Schweinen stöbern durch den Eichenwald, Hühnerscharen picken sich durch die Stoppelfelder hin. Vom stillen Hofe erhebt sich ein Taubenschwarm, flügelt den dunklen Wäldern zu. Da schirren die Knechte die braunen Rosse, hell schimmern ihre flachsblonden Mähnen, ungeduldig schlagen die Schweife der schönen Tiere). Sie schirren sie vor die Mähmaschine. Nun brechen sie durchs Tor auf den Weg. Mein Urahn geht, die dampfende Pfeife im Mund, auf dem Hof einher, und da er in die Hände klatscht, stürzen aus der Küchentür die Mägde, klappern mit Eimern und Holzschuhen.

Sie wandern in die Wiesen und locken die Kühe mit lauten Rufen. Schon wühlen da und dort Erntepflüge im Land. Die Jugend des Dorfes rafft die weißen Früchte, Säcke straffen sich, von eilenden Körben gefüllt.

Wo der Bongert mit den leuchtenden Früchten lacht, werden von Baum zu Baum weiße Tücher gespannt. Der Apfelpflücker steigt die Leiter hinan. Von der Donk her werden die Schweine in die Stadt getrieben: der Schweizer lädt einen mächtigen Mastochsen auf den Viehwagen. Dort, wo der breite Regenhut des Schobers sich erhebt, pfeift die Lokomobile des Dreschkastens. Schon schwanken die hochbeladenen Erntewagen heran, Dampf zischt auf; Räder und Riemen bewegen sich wie Arme und Hände, Garben werden hochgestoßen, Ballen von gepreßtem Stroh zur Seite gestapelt.

Ich sehe: still durch den Lärm und Staub rinnt, rinnt unaufhörlich der Strom der Körner in die Säcke.

Vor der Mühle am Fluß stehen die schweren Karren. Der Kran seilt die runden, prallen Säcke hoch. Breiten Stroms ergießt sich der Körnerfall in die Trichter der Mühlen. Die Müllerburschen gehn von Walze zu Walze, prüfen den Körnerfall und des Mehles Feinheit.

Eine Straße weiter, da tragen die Metzgergesellen, quer über den Nacken gelegt, die geteilten Viertel der Rinder und Schweine. In der Halle der Konsumbäckerei glühen die Backöfen auf. Mengmaschinen rotieren, die Bäcker schießen das Brot in die schwarzen Ofenschlünde. Brot! Brot! Brot! Brot für die Arbeiter, Brot für mich! Ich bin der Schmied! Hallo! Schmied! Tu auch du dein Werk! Träume nicht länger! Dein Amboß ist dein Weizenfeld, dein Kartoffelacker! An den Säulen der Werkstatt ranken Reben, die Binder am Dach sind verzweigtes Astwerk, darin, köstlich, Obst in Fülle prangt. Funken aus deinem Feuer steigen in den Schlot, es sind Bienen, die die Blüte deiner Flamme umschweben und dir Honig zutragen.

Hallo, Schmied! Träume nicht länger! Dein Hammer leuchtet wie eine Schnittersense im Morgenlicht!

Ernte schmiedend ein!

Da kommt dein Weib vom Markt zurück; sie hat aus der Fülle genommen, die du mit deinem Schweiße gesät. Sie geht an ihren Herd und kocht. Nun, Schmied, sei fleißig! Am Feierabend gehst du zu ihr, haust die Mütze an die Wand, packst dein Weib um den Hals. (Sie erwehrt sich deiner schwarzen Küsse.)

Da dampft auf dem Tisch dein Erntemahl! Goden Honger!


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