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Coriolan

(Auszug)

 

Personen des Stücks.

Coriolan, Feldherr in Rom, ehmals Martius genannt

Menenius, ein Senator, sein Freund

Comenius  Feldherren, seine Freunde

Lartius

Sicinius  Tribunen, Feinde Coriolans

Brutus

Volumnia, Coriolans Mutter

Virgilia,  Coriolans Frau

Valeria,  eine Freundin

Aufidius,  General der Volsker

Einige Soldaten, Bediente und andere.

 

Erster Akt

Erste Szene

Tumult in Rom wegen des Brotmangels. Menenius sucht das Volk zu besänftigen.

Menenius. Freunde, ich versichere euch daß sich der Senat eure Not angelegen sein lasset und mit diesen euren rebellischen Knitteln könntet ihr mit eben dem Recht gegen den Himmel schlagen als auf die Patrizier, denn die Teurung schickten euch die Götter, nicht sie; eure Knie vor denen, nicht eure Arme müßt ihr brauchen, wenn ihr wollt geholfen sein. Ihr aber wütet gegen die so als Väter für euch sorgen.

Ein Bürger. Sorgen? ja sie sorgen schön. Lassen uns hungern und ihre Vorratshäuser sind vollgestopft von Korn.

Hierauf erzählt ihnen Menenius mit sehr vieler Gelassenheit die Fabel vom Magen gegen den sich einst die andern Glieder des Körpers empört hatten, weil er so ruhig schien und ihm doch alle Speisen zugeführt werden müßten, der sich aber verantwortet, daß er es sei, der dagegen den Nahrungssaft daraus dem ganzen Körper mitteile. Hiervon macht er die Anwendung auf den Römischen Staat, und nennt einen der kecksten Bürger den großen Zeh, der darüber in Feuer gerät und den Menenius gleichfalls aus seiner Fassung bringt. Cajus Martius kommt dazu und fährt sie sehr scharf an. Unter anderm sagt er:

Martius. Wer Ehre verdient, verdient euren Haß, eure Neigungen sind wie der Appetit eines Kranken der das am eifrigsten begehrt was seine Krankheit vermehret. Was wollen sie

Menenius. Korn – auf ihre eigene Unkosten. Sie meinen es ist Vorrat genug da

Martius. Sie meinen – hängt sie! sie sitzen bei ihrem Herd und wollen wissen was auf dem Kapitol vorgeht. In dem Augenblick kommt die Nachricht, der Feind sei vor der Stadt.

Senatoren und Tribunen.

Ein Senator. Ja Martius, es ist wahr, die Volsker sind in Waffen.

Martius. Sie haben Tullius Aufidius zum Anführer. Ich sündige daß ich den Mann beneide. Aber wenn die halbe Welt in Waffen wäre gegen die andere Hälfte und er auf meiner Seite, so wollt ich übergehen, um nur mit ihm zu tun zu haben. Er ist ein Löwe, den ich hetzen möchte – (Zum Volk.) Ha nun ihr Kornmäuse, folgt mir, die Volsker haben Getreid genug, da könnt ihr euch satt essen. (Gehn ab. Die beiden Tribunen seine Neider bleiben.)

Der eine sagt. Ein Naturell wie das, wenn ihm das Glück lächelt, verachtet den Schatten den er am Mittag tritt. Sein Stolz hat seinesgleichen nicht, er fiele die Götter an, wenn er gereizt wird. Mich wundert, wie er so gelassen in diesem Kriege dem Comenius kann das Kommando führen sehen

der andere. Sein Ehrgeiz kann auf keine bessere Weise befriedigt werden. Mißglückt der Krieg, so ist alles des Generals Schuld, glückt er, so eignet sich Martius den Verdienst davon zu. usf.

 

Dritte Szene

In Rom.

Volumnia und Virgilia sitzen und nähen.

Volumnia. Ich bitte Euch Tochter, singt, oder beruhigt Euch auf eine andere Art. Wenn mein Sohn mein Gemahl wäre, so würd' ich mich bei seiner Abwesenheit wo er Ehre einerntet, fröhlicher beweisen als bei den Liebkosungen seines Ehebetts. Als er noch ein Kind war und seine Jugend und Annehmlichkeiten jedermanns Augen auf sich zogen, da dacht' ich der Junge ist nichts besser als ein Gemälde an der Wand aufzuhängen, wenn ihn mir der Ruhm nicht lebendig macht, ich ließ ihn also Gefahr aufsuchen um Ruhm zu finden, in einen grausamen Krieg schickte ich ihn, er kam zurück die Stirn umwunden mit Eichenlaub. Ich sage dir Tochter, ich sprang nicht so freudig auf in meinem Bett als ich hörte, er sei geboren, als nun da ich hörte er sei würdig von mir geboren zu sein.

Virgilia. Aber wenn er in den Lehrjahren gestorben wäre, Mama! wie denn?

Volumnia. So wäre sein Nachruhm mein Sohn gewesen. Immer wollt' ich einen Trost gefunden haben. Hör ich will aufrichtig sein, hätt' ich ein Dutzend Söhne und alle so lieb wie Martius so teu'r wie Martius, lieber wünscht' ich elfe stürben edel fürs Vaterland als daß einer sein Leben rettete auf eine unedle Art.

Eine Bediente. Madam, Lady Valeria kommt Euch zu besuchen.

Virgilia. Liebe Mutter, erlaubt mir daß ich mich wegbegeben darf

Volumnia. Nein du sollst nicht. Mich dünkt, ich höre bis hieher die Trommel deines Mannes, ich sehe ihn den Aufidius bei den Haaren schleppen und die Volsker vor ihm laufen, wie Kinder vor einem Bären. Ich seh ihn stampfen, ich hör ihn rufen, kommt an ihr Schurken, ihr wurdet mit Furcht gezeugt, obschon eure Väter Römer waren. Ich seh ihn mit gepanzerter Faust und blutiger Stirn alles wegmähen was vor ihn kommt

Virgilia. Mit blutiger Stirn – O Jupiter, kein Blut

Volumnia. Weg Törin, Blut glänzt schöner am Mann als Gold. Hekubas Brust als sie Hektorn säugte, sah nicht schöner aus als Hektors Haupt da es von griechischen Schwertern blutete – (Zur Bedienten.) Sag der Valeria, wir erwarten sie. (Bediente ab.)

Virgilia. O Himmel schütze meinen Mann gegen Aufidius.

Volumnia. Er wird Aufidius' Kopf zwischen seine Knie nehmen und ihm so auf den Nacken treten

(Valeria kommt.)

Valeria. Ich wünsche meinen beiden Ladies einen schönen Tag

Volumnia (ausstehend) . Willkommen angenehme Lady. Jetzt geht die Konversation fort, wo Valeria von Virgiliens kleinem Sohn viel Lobens macht, wie er die Schmetterlinge haschte und wieder fliegen ließ, wieder haschte und wieder fliegen ließ. Er hat seines Vaters Geist, sagt Volumnia. Ein kleiner Galgendieb, sagt Virgilia. Valeria will sie überreden mit ihr in Gesellschaft zu gehen. Sie weigert sich dessen auf eine sehr bescheidene Art und bleibt zu Hause

Valeria. In Ernst Madam kommen Sie mit. Ich will Ihnen auch Neuigkeiten von Ihrem Mann sagen

Virgilia. Ach gute Madam, es können noch keine da sein

Valeria. In der Tat, ich scherze nicht, es kamen Neuigkeiten an die letzte Nacht

Virgilia. In der Tat?

Valeria. In der Tat, es ist wahr, ich habe einen Senator gesprochen. Er sagte die Hauptarmee unter dem Comenius ist gegen die Volsker gegangen Titus Lartius aber und Ihr Mann stehen vor Coriolus. Man hofft es wird alles gut gehn. usf.

 

Vierte Szene

Die Mauern von Corwins.

Martius fodert die Stadt auf. Ein Senator antwortet ihm höhnisch. Man legt Sturmleiter an

Martius ( zu Lartius ). Sie verachten uns über unsere Erwartung. Es macht mich schwitzen für Zorn. Hinan brave Gesellen! wer zurückweicht, den werd ich für einen Volsker ansehn und er soll mein Schwert fühlen

Die Römer werden zu ihren Transcheen zurückgetrieben. Martius tritt auf

Martius. Die Pest des ganzen Südens flamme auf euch, ihr Schandflecken von Rom, ihr Herden voll Wunden und Eiterbeulen, bepflastert euch, damit ihr verabscheut werdet weiter als man euch sehen kann, verpestet die Luft eine Meile um euch her, steckt euch einer den andern an mit konträrem Wind! Ihr Gänseseelen die ihr nur die Figur von Menschen habt, ihr lauft vor Kerls, die Affen beißen würden. Pluto und Hölle, alle umgekehrt, alle die Rücken rot und die Fratzen bleich – wollt ihr halten, wollt ihr umkehren, oder beim Feuer vom Himmel, ich will mich mit zum Feind stellen und auf euch einhauen. Kehrt um, steht, treibt sie zu ihren Weibern zurück

Getümmel. Die Tore von Coriolus öffnen sich. Martius dringt herein. Man schließt hinter ihm zu.

Martius ( ruft hinter der Szene ). Folgt mir brave Kameraden! Das Glück hat uns die Tore geöffnet –

Titus Lartius kommt.

Lartius. Was ist aus Martius geworden

Alle Ohne Zweifel ist er erschlagen

Ein Soldat. Er drängte zu hitzig in die Stadt hinein, man hat hinter ihm zugemacht. Jetzt wehrt er sich allein gegen die ganze Stadt

Lartius. O edelster der Männer usf. Martius kommt wieder heraus blutend, die Feinde verfolgen ihn.

Ein Soldat. Seht Herr

Lartius. Das ist Martius. Zu Hülfe ihm jetzt, oder alles ist verloren.

(Sie fechten und dringen alle in die Stadt ein. Soldaten mit Beute. Lartius und Martius, mit Trompetenschall treten vorwärts. Martius bittet ihn auf die Stadt achtzuhaben, er will mit dem Rest der Truppen dem Comenius zu Hülfe eilen.)

Lartius. Würdiger Freund, du blutest, die Bewegung ist zu heftig für Dich gewesen, du darfst keinen zweiten Strauß wagen.

Martius. Lobt mich nicht: es hat mir noch nicht warm gemacht. Mein Blutlaß wird guttun So will ich vorm Aufidius erscheinen und fechten mit ihm

Lartius. So möge denn die Göttin Fortuna verliebt in dich werden und jeden Schwertstreich deiner Feinde von dir ablenken. Ich kann dich nicht zurückhalten

Martius. Sei glücklich. Leb wohl. (Ab.)

Gespräch des Comenius und des Martius.

Comenius. Wer ist jener, der da ankommt, über und über blutig. Götter er hat Martius' Gang

Martius. Komm ich zu spät?

Comenius. Seine Stimme, ich kenne sie, wie Landleute den entfernten Donner.

Martius. Komm ich zu spät?

Comenius. Ach freilich, wenn es nicht fremdes Blut ist in das du eingehüllt bist sondern dein eigenes

Martius. Ach ich umarm Euch mit so frischem Herzen, als stünd' ich vor meinem Hochzeitsbett

Comenius. Blume unsrer Helden, was macht Titus Lartius

Martius. Sehr beschäftigt, wie ein Staatsminister, verbannt den zum Schafott, den ins Exilium, begnadigt diesen, drohet jenem, kurzum er hat Coriolus

Comenius. Wo ist der Sklave der mir sagte, ihr wärt zurückgetrieben worden? er soll sterben

Martius. Laß ihn, er hat wahr gered't. Unsere Leute (ha daß Pest und Tribunen über sie kommen mögen) Mäuse können nicht so laufen vor einer Katze wie sie für noch größern Hasenfüßen als sie selber waren

Comenius. Wie gewannt ihr denn

Martius. Werd ich noch Zeit haben es zu erzählen? Ich denke nicht – wo ist der Feind? Steht die Armee gegen ihm. Was zögert ihr denn hier

Comenius. Martius wir haben uns retirieren müssen, aber zu unserm Vorteil –

Martius. Wie haben sie sich gestellt? Auf welcher Seite stehen ihre brävsten Truppen?

Comenius. Wie ich glaube Martius im Vortrab und Aufidius führt sie an

Martius. Ich bitte Euch, bei allen Schlachten die wir zusammen machten, bei dem Blut das wir zusammen vergossen, bei der Freundschaft die wir uns schworen, laßt mich gerade gegenüber dem Aufidius und seinen Antiaten stehen – und ohne Aufschub, kommandiert zum Angriff noch in dieser Stunde

Comenius. Obschon ich lieber wünschte, dich in ein Bad führen zu können und Balsam auf diese Wunden zu gießen – doch wer kann Dir was abschlagen usf.

Jetzt werden die Veranstaltungen zur Schlacht gemacht. Szene in der Schlacht, wo Martius und Aufidius aufeinandertreffen.

Martius. Ich fechte heut mit niemand als dir, ich hasse dich mehr als einen Meineidigen

Aufidius. Wir hassen gleich. Afrika hat keine Schlange die ich mehr verabscheute als dich und deinen Ruhm. Steh!

Martius. Der erste der weicht, sterb' als des andern Sklave. Und nach dem Tode verdammen ihn die Götter!

Aufidius. Wenn ich flieh, schrei mir nach wie einem Hirschen

Martius. Drei Stunden Mann! hab ich allein in Coriolus gefochten und gewirtschaftet, das ist nicht mein Blut womit du mich hier umwickelt siehst, vergeh für Rache, es ist Volskerblut

Aufidius. Und wärst du Hektor selbst die Geißel eurer Vorfahren, du solltest meinen Händen diesmal nicht entgehen.

(Sie fechten. Einige Volsker kommen dem Aufidius zu Hülf. Martius treibt sie alle zurück.)

Trompeten. Der Abzug wird geblasen. Comenius tritt herein mit Martius, der den Arm in der Binde trägt.

Comenius. Sollt' ich Dir alles erzählen was heute geschehen ist, du würdst deine eigenen Taten nicht glauben. Aber ich will es erzählen, wo die Senatoren Tränen in ihr Lächeln mischen sollen, wo die großen Patrizier aufhorchen und schauern, dann bewundern, die Ladies für Erstaunen und Freude schreien und dann weiter zuhören sollen, wo die verhaßten Tribunen selber so sehr sie dich hassen wider ihr eigenes Herz ausrufen sollen: Dank sei den Göttern, daß Rom solch einen Soldaten hatte

Titus Lartius kommt mit Gefolge

Lartius. O General, hier siehst du das Roß, wir waren nur der Zierat

Martius. Ich bitt euch nicht mehr. Meine Mutter allein hat die Erlaubnis mich zu loben, und doch tut sie mir weh damit. Ich habe getan was ich konnte und jeder der denselben guten Willen gehabt hat, tat ebensoviel.

Comenius. Du sollst nicht das Grab deiner Verdienste werden Rom muß wissen, was es an dir hat. Das zu verhehlen wär' ärger als ein Diebstahl ärger als Gotteslästerung

Martius. Ich habe einige Wunden an mir, sie schmerzen mir wenn man davon red't

Comenius. O sie würden ärger schmerzen wenn wir schwiegen sie würden tödlich werden

Er bietet ihm den zehnten Teil der Beute an. Martius schlägt ihn aus. Ein allgemeines Geschrei der Armee die ihre Hüte in die Höhe werfen. Martius erzürnt sich über die Ehrenbezeigungen. Vor dem ganzen Volk wird ihm wegen der durch ihn ganz allein eroberten Stadt Coriolus der Zuname Coriolanus gegeben. Die ganze Armee ruft:

Es lebe Cajus Martius Coriolanus!

Coriolan. Ich will gehn und mich waschen, damit ihr sehen könnt, ob ich errötet bin oder nicht. Dem sei wie ihm wolle, ich danke euch

(Coriolan bittet sich zur einzigen Belohnung aus daß man einem armen Mann in Coriolus der ihm freundlich begegnet, als er ehmals durchgereist, die Freiheit schenken möge)

Comenius. Wohl gebeten. Wär' es der Mörder meines Sohns, er soll frei sein wie der Wind. Gib ihn los Lartius

Lartius. Seinen Namen Coriolan

Coriolan. Beim Jupiter vergessen! Mein Gedächtnis, mein Gedächtnis! habt ihr keinen Wein hier

Comenius. Laßt uns ins Lager gehn, das Blut trocknet auf Eurer Stirn, es ist Zeit, daß wir nach den Wunden sehn

Lager der Volsker. Aufidius blutig, mit einigen Soldaten.

Aufidius. Fünfmal Martius hab ich mit dir gefochten und alle fünfmal hast du mich überwunden, und würdst es tun, glaub ich, föchten wir so oft zusammen als wir essen

Ein Soldat. Er ist der Teufel

Aufidius. Kühner, aber nicht so verschmitzt. Meine Tapferkeit ist vergiftet, zernichtet durch ihn. Weder Schlaf noch Heiligtum noch Priester noch Opfer noch Tempel können meinen Haß jetzt besänftigen. Wo ich ihn finde, wär's in meinem Hause, wär's in meines Bruders Bett, wider Gastfreiheit Eid Gewissen alles will ich meine Hände in seinem Herzen waschen –


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