Nikolaus Lenau
Faust
Nikolaus Lenau

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Der Maler

Einsam die hohe Königsvilla stand,
Und ragt' ins Meer vom steilen Felsenstrand.
Zypressenhaine und Orangenwälder,
Die schattend sich an ihr landeinwärts dehnen,
Erwecken oft dem Seemann heimlich Sehnen,
Schifft er dahin die wüsten Wogenfelder. –
Es ruht auf Land und Meer ein schwüler Tag,
Es reget sich kein Blatt, kein Wellenschlag;
Doch abends kommt ein schwarz Gewölk gezogen,
Der Sturm erwacht und wühlet in den Wogen.
Am offnen Fenster lehnt im Sommerhaus
Maria, blickend in das Meer hinaus.
Sie sieht der Sonne letzte Gluten schwinden,
Sie überläßt ihr blondes Haar den Winden,
Die freudig mit der Lockenbeute schwanken,
Und ihre Seele sinnigen Gedanken.
Und Faust, in stummer Wonnetrunkenheit,
Die holde Königstochter konterfeit.
Er ist ein Meister in der Kunst der Farben,
Sein Ruhm und sein Bemühn die Gunst erwarben,
Dem Könige Marias Bild zu malen,
Eh' sie verglühn der Schönheit Morgenstrahlen.
Er ist zur höchsten Stelle hier gedrungen,
Die je ein kühner Maler noch erschwungen:
Marien gegenüber, stundenlang!
Die wunderbaren Züge zu erfassen,
Und seine Seele frei zu überlassen
In tiefer Schönheit ihrem Untergang! –
Ein schönes Bild! die Reize ohne Namen
Umschließt des Fensters luft'ger Bogenrahmen;
Das wilde Meer, die Wetterwolken tragen
Die Lichtgestalt als dunkler Hintergrund. –
Faust wollt' ein lustig Abenteuer wagen,
Und schaute hier das Herz sich todeswund.
Er hat manch Weib genossen und verlacht;
Hier aber soll er schmerzlich innewerden:
Der wahren Frauenschönheit holder Macht
Kann widerstehen keine Macht auf Erden. –
Ein schönes Bild! wie sanft und lieblich ruht
Mariens Antlitz auf der dunklen Flut;
Ha! wie, berauscht, die aufruhrsvollen Wellen
Um ihren weißen, warmen Busen schwellen,
Und höher stets an ihrem Nacken steigen,
Sie mitzureißen in den wilden Reigen!
Ihr goldnes Haar auf schwarzen Wolken wallt,
Die Blitze flammen aus den Wetternächten
Und flattern um die göttliche Gestalt,
Ein Strahlendiadem um sie zu flechten. –
Je mehr nun Faust des Bildes Farbentrug
Zu wunderbarem Leben sieht erwarmen,
Je heftiger ergreift sein Herz der Zug,
Entzückt das süße Urbild zu umarmen.
Doch, wie auch flammt des Wunsches Leidenschaft,
Die Ehrfurcht hält ihn fest in scheuer Haft.
O Frauenschönheit! Vieles ist zu preisen
An dir, in ewig unerschöpften Weisen;
Das ist dein Schönstes: daß in deiner Nähe
Auch wilde Sünderherzen weicher schlagen,
Daß ein Gefühl sie faßt mit dunklem Wehe
Aus ihrer Unschuld längst verlornen Tagen.
Mag auch des Sünders Herz zur Lust entflammen,
Wenn er in deine Zauberfülle blickt,
Doch sieht er auch dein Ewiges und schrickt
An dir, du Himmelsabgrund! scheu zusammen.


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