Selma Lagerlöf
Der Ring des Generals
Selma Lagerlöf

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Wohl weiß ich, daß es früher einmal Leute genug gab, die nicht wußten, was das Gruseln heißen will. Ich habe von einer ganzen Menge Menschen gehört, die es liebten, über hauchdünnes Eis zu wandern, und die sich kein größeres Vergnügen denken konnten, als mit tollen Pferden zu kutschieren. Ja, es gab auch den einen oder den anderen, der nicht davor zurückscheute, mit dem Fahnenjunker Ahlegard Karten zu spielen, obgleich man wußte, er machte solche Kunststücke mit den Karten, daß er immer gewinnen mußte. Ich kenne auch einige unerschrockene Gesellen, die sich nicht fürchteten eine Reise an einem Freitag anzutreten, oder sich an einen Mittagstisch zu setzen, der für dreizehn Personen gedeckt war. Aber ich möchte gerne wissen, ob einer von all jenen den Mut gehabt hätte, sich den schrecklichen Ring an den Finger zu stecken, der dem alten General Löwensköld auf Hedeby gehört hatte.

Es war dies derselbe General, der den Löwenskölds Namen, Haus und Hof und den Adel verschafft hatte; und solange einer von ihnen in Hedeby wohnte, hing sein Bildnis in dem großen Salon im oberen Stockwerk mitten zwischen den Fenstern. Es war ein großes Gemälde, das vom Boden bis zur Decke reichte; und auf den ersten Blick glaubte man, es sei Karl XII. selbst, in höchsteigener Person, der da stand, im blauen Rock, großen Sämischlederhandschuhen und ungeheueren Stulpenstiefeln, fest auf den schachbrettgemusterten Boden aufgesetzt; aber wenn man näher kam, sah man ja, daß es ein Mann von ganz anderem Schlage war.

Es war ein großes, grobes Bauerngesicht, das über den Rockkragen hervorblickte. Der Mann auf dem Bilde schien dazu geboren zu sein, all sein Lebtag hinter dem Pfluge einherzugehen. Aber bei all seiner Häßlichkeit sah er wie ein kluger, zuverlässiger und prächtiger Kerl aus. Wenn er zu unserer Zeit auf die Welt gekommen wäre, er wäre mindestens Schöffe und Gemeindevorsteher geworden, ja wer weiß, ob er nicht in den Reichsrat gekommen wäre. Aber da er in den Tagen des großen Heldenkönigs lebte, so zog er als armer Soldat in den Krieg, kehrte als der berühmte General Löwensköld heim und bekam von der Krone das Rittergut Hedeby im Kirchspiel Bro zum Lohn für seine Dienste.

Übrigens, je länger man das Porträt betrachtete, desto mehr versöhnte man sich mit seinem Aussehen. Man glaubte zu verstehen, daß die Männer, die unter König Karls Befehl gestanden waren und ihm eine Furche durch Polen und Rußland gepflügt hatten, so gewesen sein mußten. Nicht nur Abenteurer und Hofkavaliere hatten sich ihm angeschlossen, sondern gerade solche schlichte und ernste Männer wie er hier auf dem Bilde waren ihm zugetan gewesen und hatten gefunden, daß er ein König war, für den man leben und sterben konnte.

Wenn man das Konterfei des alten Generals betrachtete, pflegte immer einer der Löwenskölds bei der Hand zu sein, um zu bemerken, es sei durchaus kein Zeichen der Eitelkeit bei dem General, daß er den Handschuh an der linken Hand so weit abgestreift hatte, daß der große Siegelring, den er am Zeigefinger trug, auf dem Bilde zum Vorschein kam. Er hatte den Ring vom König empfangen – für ihn gab es nur einen König –, und der Ring war mit auf das Bild gekommen, um zu zeigen, daß Bengt Löwensköld ihm treu war. Er hatte ja vielen bitteren Tadel gegen seinen Herrscher hören müssen, man erkühnte sich zu behaupten, daß er durch Unverstand und Übermut das Reich an den Rand des Abgrunds gebracht hatte, aber der General hielt jedenfalls an ihm fest. Denn König Karl war ein Mann, wie die Welt nie seinesgleichen gesehen, und wer in seiner Nähe gelebt hatte, der hatte erfahren, daß es schönere und höhere Dinge gibt, für die man kämpfen kann, als Ehre und Erfolg in dieser Welt.

Ganz so, wie Bengt Löwensköld den Königsring mit auf dem Konterfei haben wollte, so wollte er ihn auch mit ins Grab haben. Auch hierbei war keine Eitelkeit im Spiele. Es lag ihm nicht im Sinn, damit zu prahlen, daß er eines großen Königs Ring am Finger trug, wenn er vor den lieben Gott und die Erzengel hintrat, aber er hoffte vielleicht, daß, wenn er in den Saal kam, wo Karl XII. von all seinen Haudegen umgeben saß, der Ring als ein Wiedererkennungszeichen dienen würde, so daß er auch nach dem Tode in der Nähe des Mannes weilen durfte, dem er sein ganzes Leben lang gedient und gehuldigt hatte.

Als der Sarg des Generals in die gemauerte Grabkammer gestellt wurde, die er sich auf dem Broer Kirchhof hatte bereiten lassen, steckte der Königsring also noch am Zeigefinger der linken Hand. Viele unter den Anwesenden klagten darüber, daß ein solches Kleinod einem toten Manne ins Grab folgen sollte, denn der Ring des Generals war beinahe ebenso bekannt und berühmt wie er selbst. Man erzählte, es sei so viel Gold darin, daß es hingereicht hätte, Haus und Hof zu kaufen, und der rote Karneol, in den die Namenschiffre des Königs eingraviert war, sollte nicht weniger Wert haben. Man fand allgemein, daß es aller Ehren wert von den Söhnen war, sich dem Wunsche des Vaters nicht zu widersetzen und ihm das kostbare Stück zu lassen.

Wenn nun der Ring des Generals in Wirklichkeit so aussah, wie er auf dem Gemälde abgebildet war, so war er ein häßliches, plumpes Ding, das heutzutage wohl kaum ein Mensch an seinem Finger tragen möchte; aber das hindert nicht, daß er vor ein paar hundert Jahren ungeheuer wertgeschätzt wurde. Seht, man muß bedenken, alle Schmucksachen und Gefäße aus edlem Metall, mit ganz wenigen Ausnahmen, hatten der Krone abgeliefert werden müssen, man hatte gegen Goertzens Taler und den Staatsbankrott zu kämpfen und für viele Menschen war Gold etwas, das sie vom Hörensagen kannten, aber das sie nie gesehen hatten. So kam es, daß die Leute den goldenen Ring nicht vergessen konnten, der zu niemandes Nutzen und Frommen unter einen Sargdeckel gelegt worden war. Man meinte beinahe, es sei unrecht, daß er da lag. Man hätte ihn ja in fremden Ländern um teures Geld verkaufen und so manchem Brot verschaffen können, der nichts anderes zu brechen und zu beißen hatte, als Häcksel und Rinde.

Aber obgleich es viele gab, die gewünscht hätten, daß die große Kostbarkeit in ihrem Besitz wäre, gab es keinen, der im Ernst daran dachte, sie sich anzueignen. Der Ring lag in einem zugeschraubten Sarg, in einem vermauerten Grabkeller, unter schweren Steinplatten, unerreichbar selbst für den kühnsten Dieb, und so, meinte man, müsse es verbleiben bis ans Ende aller Tage.



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