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Vor den Mauern Jerusalems, an dem südlichen Abhang des Zionberges, hatte eine der großen amerikanischen Missionsgesellschaften einen Kirchhof gebaut, und hier hatten die Gordonisten Erlaubnis erhalten, ihre Toten zu begraben. Schon eine ganze Menge von ihnen ruhte da draußen, von dem kleinen Jacques Garnier, der Schiffsjunge auf dem Dampfer L'Univers gewesen war, und der der erste der Gordonisten war, der starb, bis zu Edward Gordon selbst, der in diesem Frühling, gleich nach der Rückkehr aus Amerika, gestorben war.
Es war der einfachste und ärmlichste Begräbnisplatz, den man sich denken konnte. Er bestand aus nichts weiter als aus einem kleinen Stückchen Land, von einer Mauer umgeben, die so hoch und so breit war, daß sie zu einer Festung gepaßt haben würde. Da waren weder Bäume noch grüner Rasen, man hatte nur dafür gesorgt. Steine und Kalkbrocken aus dem Wege zu schaffen, so daß die Erde einigermaßen eben war. Über die Gräber hatte man große Kalksteinfliesen gelegt, und neben einigen von den Gräbern waren grüne Stühle und Bänke aufgestellt.
Unten, in der östlichen Ecke, dort, wo man eine schöne Aussicht auf Moabs goldschimmernde Berge gehabt haben würde, wenn nur nicht die Mauer im Wege gewesen wäre, hatten die Schweden ihre Gräber. Dort lagen schon so viele von ihnen, daß es fast aussah, als ob der liebe Gott meinte, sie hätten genug für ihn getan, indem sie ihre Heimat verließen, und daß er nun nichts mehr von ihnen verlangte, um sie in sein Reich eingehen zu lassen. Hier lagen Birger Larsson, der Schmied, und Ljung Björns kleiner Sohn Erik und des Gemeindevorstehers Gunhild und Brita Ingmarstochter, die kurz nach dem fröhlichen Tage, als die Kolonisten zum Blumensammeln auszogen, an den Pocken gestorben war. Dort lagen auch Peter Gunnarsson und Märta Eskildstochter, die zu Hellgums Gemeinde drüben in Amerika gehört hatten. Der Tod hatte eine so reiche Ernte unter ihnen gehalten, daß die Kolonisten sich fast fürchteten, schon zu großen Beschlag auf den Raum des kleinen Kirchhofs gelegt zu haben.
Auch Tims Halvor Halvorsson hatte eins seiner Lieben draußen auf dem Kirchhof. Es war die jüngste seiner Töchter, ein kleines Mädchen, das nicht älter als drei Jahre geworden war. Er hatte sie über alle Maßen geliebt, sie war auch das von allen seinen Kindern gewesen, das ihm am meisten im Geiste geglichen hatte, und es war ihm, als habe er nie so warm für einen Menschen empfunden, wie für dies Kind. Und nachdem es gestorben war, konnte er es gar nicht vergessen. Was er auch unternahm, seine Gedanken weilten beständig bei ihm.
Wenn es in Dalarne gestorben und daheim auf dem Friedhof begraben wäre, dann hätte er vielleicht nicht immer an die Kleine zu denken brauchen, aber nun hatte er das Gefühl, daß sie sich da draußen auf dem unheimlichen Kirchhof allein und verlassen fühlen müsse. In der Nacht sah er sie vor sich auf dem kleinen Grabstein sitzen, sie weinte und es fror sie und sie klagte, denn sie fürchtete sich im Dunkeln und vor all den Fremden rings um sie her.
Eines Nachmittags ging Halvor in das Tal Josaphat hinab und pflückte beide Hände voll roter Anemonen, die schönsten, die er finden konnte, um sie nach dem Grabe des Kindes hinauszubringen. Wie er so über die grüne Ebene im Tal dahinging, sagte er zu sich: »Ach, hätte ich nur mein kleines Mädchen hier draußen im Freien unter einem grünen Hügel, so daß es wenigstens nicht von der abscheulichen Mauer eingeschlossen wäre.« Er hatte immer die hohe Mauer gehaßt, die den Begräbnisplatz umgab. Jedesmal, wenn er an sein totes Kind dachte, war es ihm, als habe er die arme Kleine in ein kaltes und finsteres Haus eingeschlossen und sie dort ohne Aufsicht gelassen. »Mich friert und ich leide«, meinte er sie klagen zu hören. »Mich friert und ich leide.«
Halvor stieg das Tal hinan und folgte dem schmalen Steig, der um die Ringmauer herumläuft, bis er den Berg Zion erreicht. Der Kirchhof lag ein wenig westlich vom Zionstor, unterhalb des großen Gartens der Armenier.
Während der ganzen Zeit dachte Halvor an sein Kind. Er erhob die Augen nicht vom Erdboden, während er den wohlbekannten Weg entlangging. Aber auf einmal hatte er ein Gefühl, daß hier draußen nicht alles so war, wie es zu sein pflegte. Er sah auf und bemerkte, daß ein paar Männer damit beschäftigt waren, eine Mauer niederzureißen. Er blieb stehen und sah ihnen zu. Was rissen sie doch da nieder? Hatte dort ein Gebäude oder eine Umfriedigung gelegen? Es mußte ja ungefähr da sein, wo der Kirchhof lag, oder hatte er sich etwa verirrt?
Es währte einige Minuten, bis er sich zurechtfinden konnte, aber dann ward es ihm klar, was geschehen war. Es war die Kirchhofsmauer selbst, die die Arbeiter abbrachen.
Halvor versuchte sich einzureden, daß sie niedergerissen werde, um einen größeren Platz zu schaffen, oder daß die Mauer durch ein eisernes Gitter ersetzt werden solle. Er versuchte sich auszumalen, daß es dann da drinnen nicht so kalt und feucht sein würde, wenn jetzt die Mauer verschwand. Und dennoch erfaßte ihn eine so heftige Unruhe, daß er zu laufen anfing. »Wenn sie nur nichts an dem Grabe gemacht haben«, dachte er. »Sie liegt ja ganz hart an der Mauer; wenn sie nur nichts an dem Grabe gemacht haben.«
Er war ganz außer Atem, als er über die halb niedergerissene Mauer kletterte und auf den Begräbnisplatz gelangte. Endlich kam er so weit, daß er sehen konnte, wie es da drinnen stand. Im selben Augenblick fühlte er, daß etwas mit seinem Herzen vorging. Es stand plötzlich still, dann machte es ein paar heftige Schläge, und dann stand es wieder still. Es war wie ein Uhrwerk, das entzweigeht.
Halvor sah sich gezwungen, sich auf einen Stein zu setzen, solange das Herz so unruhig war; und nach einer Weile fing es wieder an zu arbeiten wie sonst, doch etwas schwer und angestrengt. »Ach, ich lebe ja,« sagte er zu sich selbst, »ich lebe ja noch.«
Er faßte Mut und sah sich auf dem Kirchhof um. Alle Gräber waren geöffnet, und die Särge, die da drinnen gestanden hatten, waren verschwunden. Hier und da an der Erde lagen einige Totengebeine und Schädel, sie waren aus den Särgen herausgefallen, die zerbrochen waren. Alle Grabsteine waren in einer Ecke des Kirchhofs aufeinandergehäuft.
»Ach, mein Gott, was haben sie mit den Toten gemacht!« rief Halvor.
Er trat an die Arbeiter heran. »Was habt ihr mit der kleinen Greta gemacht?« fragte er auf schwedisch. Er war seiner selbst nicht mächtig, er wußte nicht, was er sagte. Da merkte er, daß er die alte Sprache redete, strich sich über die Stirn und wurde verlegen.
Er versuchte, sich klarzumachen, wer er war. Er war ja doch kein Kind, das ohne Grund bange wurde, sondern ein alter, vernünftiger Mann. Er war ein Großbauer; die ganze Gemeinde daheim hatte ja einmal zu ihm aufgesehen. Es schickte sich nicht für einen Mann wie ihn, so die Fassung zu verlieren.
Halvor richtete sich auf und ging hin und fragte die Arbeiter auf englisch, ob sie wüßten, warum der Friedhof geschleift werde.
Die Arbeiter waren Eingeborene, aber einer unter ihnen konnte ein wenig Englisch sprechen.
Er erzählte Halvor, die Amerikaner hätten den Begräbnisplatz an einige Deutsche verkauft, die dort ein Krankenhaus errichten wollten, und darum müßten die Toten aus der Erde heraus.
Halvor stand einen Augenblick still und grübelte über die Antwort nach. Ach so, hier sollte ein Krankenhaus liegen, gerade hier? Warum in aller Welt hatte man nicht einen Platz dafür auf einem dieser vielen kahlen Hügel finden können, warum mußte es durchaus hier liegen? Fürchteten sie sich nicht davor, daß die Toten, die hinausgeworfen waren, kommen und an die Tür des Krankenhauses pochen und Einlaß begehren würden? »Wir wollen hier auch ein Bett haben«, würden sie sagen. Und sie würden dort in einer langen Reihe stehen. Birger Larsson und der kleine Erik und Gunhild, und zu allerletzt sein kleines Mädchen.
Halvor stand da und kämpfte mit dem Weinen. Aber er bemühte sich fortwährend, auszusehen wie jemand, den die Sache gar nichts anging. Er setzte eine gleichgültige Miene auf, stellte einen Fuß vor und stand da, und schwenkte seinen Strauß roter Anemonen hin und her.
»Aber was habt ihr mit den Toten gemacht?« fragte er.
»Die Amerikaner sind hier gewesen und haben ihre Särge geholt,« erwiderte der Arbeiter, »und alle, die hier Tote liegen haben, haben Nachricht erhalten, daß sie sie abholen sollen.«
Da unterbrach sich der Mann selber und sah Halvor an. »Bist du vielleicht aus dem großen Hause, draußen vor dem Damaskustor?« fragte er. »Die, die dort wohnen, haben nicht einen einzigen von ihren Särgen geholt.«
»Zu uns ist keine Nachricht gekommen«, sagte Halvor. Er stand noch da und schwenkte seinen Strauß hin und her. Sein Antlitz sah aus, als sei es zu Stein geworden unter der Anstrengung, dem, Fremden nicht zu zeigen, wie sehr er litt.
»Alle, die nicht abgeholt sind, liegen da drüben«, sagte der Arbeiter und zeigte den Hügel hinab. »Ich will dir zeigen, wo sie liegen, damit ihr kommen und sie begraben könnt.«
Der Mann ging hin, und Halvor folgte ihm. Während sie über die abgerissene Mauer kletterten, nahm Halvor einen Stein auf.
Der Arbeiter ging ganz ruhig und unbekümmert dahin, während Halvor ihm mit dem Stein in der Hand folgte. »Es ist unbegreiflich, daß er sich nicht vor mir fürchtet,« sagte Halvor auf schwedisch, »daß er den Mut hat, so dicht vor mir herzugehen. Und er hat sogar geholfen, sie hinauszuwerfen. Er hat Klein-Greta auf den Kehrichthaufen geworfen.
Kleine Greta, die kleine Greta,« fuhr er fort, »sie war so lieblich, daß sie wohl verdient hätte, in einem Marmorsarg zu liegen. Und dann hat sie nicht einmal hier in diesem elenden Grab in Frieden ruhen dürfen.
Vielleicht war es gerade dieser Bursche, der sie aus dem Grabe genommen hat«, sagte Halvor und zielte mit dem Stein nach ihm. »Nie habe ich eine solche Lust verspürt, wie sie mich jetzt überkommt, diesen abrasierten Schädel unter der roten Mütze in Stücke zu zerschlagen.
Du mußt nämlich wissen, daß es die kleine Greta vom Ingmarshofe war«, sagte er, indem er weiterging und sich selbst anfeuerte. »Und von Rechts wegen hätte sie neben dem großen Ingmar liegen müssen. Sie war aus so guter Familie, daß sie wohl verlangen konnte, bis zum jüngsten Tage in ihrem eigenen Grabe zu schlafen. Hier wurde kein ordentlicher Leichenschmaus für sie gehalten, sie wurde nicht mit Glockenläuten nach dem Kirchhof gefahren, und da war nicht einmal ein ordentlicher Pfarrer, der ihr die Leichenrede hielt. Aber deswegen hättest du es doch nicht nötig gehabt, sie aus dem Grabe herauszuwerfen. Wenn ich auch bisher kein guter Vater gegen sie gewesen bin, so sollst du doch wissen, daß sie nicht so gering ist, daß ich mich darein finde, daß du sie aus dem Grabe herauswirfst.«
Halvor erhob die Hand und wollte gerade den Stein werfen, als sich der Arbeiter im selben Augenblick nach ihm umwandte.
»Da hast du sie«, sagte er.
Mitten zwischen den Kehrichthaufen und den aufgetürmten Steinen befand sich eine tiefe Grube, und da hinein waren die einfachen, schwarzen Särge der Kolonisten geworfen. Sie hatten sie ohne alle Sorgfalt da hineingestürzt, alte Särge waren zerbrochen, so daß die Toten, die drinnen lagen, sichtbar geworden waren. Bei einigen von den Särgen war der Boden in die Höhe gewendet, und aus den halbvermoderten Deckeln sahen lange, fleischlose Hände heraus, als wollten sie sich anstrengen, den Sarg wieder in die richtige Lage zu bringen.
Während Halvor dastand und hinabsah, fiel der Blick des Arbeiters auf seine Hand, die den Stein so fest umklammerte, daß die Knöchel ganz weiß waren. Der Mann warf einen Blick auf sein Gesicht, und er mußte etwas Fürchterliches dort gesehen haben, denn er stieß einen Schrei aus und ergriff die Flucht.
Aber Halvor dachte nicht mehr an ihn. Er war wie versteinert von dem, was er sah. Das grausamste war, daß der scharfe Leichengeruch in die Luft aufstieg und schon weit und breit verkündete, was geschehen war. Ein paar Geier schwebten schon hoch oben in den Wolken und warteten nur auf die Dunkelheit, um niederzustoßen. In weiter Ferne konnte man das Surren einer Menge schwarzer und gelber Insekten hören, die über den Särgen schwärmten. Ein paar Hunde kamen gelaufen, sie setzten sich mit lang heraushängenden Zungen an den Rand des großen Grabes und guckten hinein.
Durch Halvors Körper lief ein Schaudern, als ihm einfiel, daß er sich an dem Abhang des Hinnomtales befand, dicht neben der Stätte, wo einstmals das Feuer Gehennas gebrannt hatte. »Wahrlich, dies ist Gehenna; dies ist die Wohnung des Entsetzens«, rief er aus.
Aber lange blieb er nicht in Betrachtung dieses Fürchterlichen stehen. Er sprang in die Grube hinab, schob die schweren Särge beiseite und kroch zwischen den Toten herum. Er suchte und suchte, bis er den Sarg seiner kleinen Greta fand. Und als er ihn endlich fand, hob er ihn auf seine Schultern und stieg aus dem Grabe herauf.
»Sie soll wenigstens nicht sagen können, daß ihr Vater sie die Nacht hindurch an diesem Ort hat liegen lassen«, rief er aus.
»Liebes, kleines Kind«, sagte er mit ernster und eindringlicher Stimme, als wolle er sich der Toten gegenüber verantworten. »Liebste kleine Greta, wir haben nichts von alledem gewußt. Niemand hat es gewußt, daß du aus der Erde herausgegraben warst. Die andern haben erfahren, was geschehen sollte, aber wir nicht; sie betrachten uns nicht wie Menschen, darum haben sie es nicht der Mühe wert gehalten, uns zu benachrichtigen.«
Als er mit dem Sarg aus der Grube herauskam, fühlte er abermals, daß es mit seinem Herzen nicht in Ordnung war. Er mußte sich niedersetzen, bis der ärgste Schmerz vorüber war.
»Du brauchst nicht bange zu sein, mein liebes Kind«, sagte er. »Dies geht bald vorüber. Du mußt nicht glauben, daß Vater nicht Kräfte genug hat, um sein kleines Mädchen von hier fortzutragen.«
Nach einer Weile gewann er seine Kräfte wieder, und mit dem Sarg auf der Schulter machte er sich auf den Weg nach Jerusalem.
Wie er über den schmalen Weg außerhalb der Mauer entlangging, war es ihm, als habe alles sein Aussehen verändert.
Die Mauern und die Trümmerhaufen sahen so schreckeinflößend aus. Alles war so wunderlich drohend und feindlich geworden. Das fremde Land und die fremde Stadt freuten sich über seinen Schmerz.
»Du mußt nicht böse auf deinen Vater sein, mein liebes Kind, weil man dich in ein so unbarmherziges Land geführt hat«, sagte er.
»Wäre dies daheim geschehen,« fuhr er fort, »da würde der Wald geweint und die Berge würden geklagt haben, aber dies ist ein unbarmherziges Land.«
Er ging immer langsamer, um sein Herz zu schonen, denn es war, als habe es nicht Kraft genug, um sein Blut durch die Adern zu treiben. Er fühlte sich hilflos und verzweifelt, und namentlich überkam ihn eine Angst, weil er so weit weg war, in einem fremden Lande, wo niemand Barmherzigkeit mit ihm zu haben brauchte.
Dann bog er um die Ecke und ging an der östlichen Mauer entlang. Das mit Gräbern angefüllte Tal Josaphat breitete sich vor ihm aus.
»Und hier soll das jüngste Gericht abgehalten werden, und die Toten sollen auferwecket werden«, dachte er.
»Was wird Gott zu mir am Tage des Gerichts sagen, zu mir, der ich Frau und Kinder in diese Stadt des Todes, nach Jerusalem, geführt habe?« fragte er sich selbst. »Und ich habe sogar auch meine Verwandten und Nachbarn überredet, mit nach dieser schrecklichen Stadt zu ziehen. Sie werden mich bei Gott verklagen.«
Es war ihm, als, könne er hören, wie seine Landsleute die Stimme wider ihn erhoben. »Wir glaubten an ihn, und er hat uns in ein Land geführt, wo wir verachteter sind als Hunde, und in eine Stadt, wo uns die Grausamkeit getötet hat.«
Er versuchte diese Gedanken von sich abzuschütteln, nicht länger bei ihnen zu verweilen. Aber es war ihm unmöglich. Er sah jetzt auf einmal alle die Gefahren und Beschwerden, die seiner Kameraden harrten. Er dachte an die harte Armut, die bald über sie kommen mußte, da sie keine Bezahlung für irgendwelche Arbeit nahmen. Er dachte an das ungewohnte Klima und an die Krankheiten, die sie verheeren würden. Er dachte an das strenge Gebot, das sie sich selbst auferlegt hatten, das Spaltung und Untergang mit sich führen würde. Er fühlte sich todmüde.
»Ebensowenig wie wir imstande sind, den Boden dieses Landes zu bestellen und sein Wasser zu trinken, ebensowenig können wir hier weiterleben«, stöhnte er.
Immer langsamer schleppte er sich weiter. Er war ganz kraftlos und ermattet.
Die Kolonisten saßen schon bei der Abendmahlzeit, als man ein schwaches Läuten an der Torglocke vernahm.
Als das Tor geöffnet wurde, saß Tims Halvor draußen an der Erde. Er war dem Tode nahe. Der Sarg seiner kleinen Tochter stand neben ihm. Er saß da und zerpflückte einen großen Strauß welker Anemonen und streute die Blumen über den Sarg.
Ljung Björn kam heraus und öffnete. Es war ihm, als könne er hören, daß Halvor etwas sagte, und er beugte sich nieder, um besser hören zu können.
Halvor begann mehrmals, ehe er ein vernehmbares Wort hervorbringen konnte.
»Sie haben unsere Toten hinausgeworfen«, sagte er. »Sie liegen dort unten in Gehenna unter offenem Himmel. Ihr müßt noch in dieser Nacht hingehen und sie holen.«
»Was sagst du?« fragte Björn, er verstand gar nicht, wovon er redete.
Der Sterbende richtete sich mit einer letzten Anstrengung auf. »Sie haben unsere Toten aus ihren Gräbern herausgeworfen, Björn, noch in dieser Nacht müßt ihr alle nach Gehenna gehen und sie holen.«
Als er das gesagt hatte, brach er wieder mit einem Stöhnen zusammen.
»Mir ist so schlecht, Björn, es ist gewiß mit meinem Herzen etwas nicht in Ordnung«, stammelte er. »Ich fürchtete, daß ich sterben würde, ehe ich euch dies gesagt habe. Ich habe die kleine Greta nach Hause getragen, aber die andern konnte ich nicht alle mitnehmen.«
Ljung Björn kniete neben ihm nieder. »Willst du nicht hineinkommen, Halvor?« fragte er. Aber Halvor hörte ihn nicht.
»Versprich mir, Björn, daß die kleine Greta ordentlich in die Erde kommt. Ich will nicht, daß sie denken soll, daß sie einen schlechten Vater hat.«
»Ja, ja,« sagte Björn, »aber willst du nicht versuchen, hineinzukommen, Halvor?«
Halvors Kopf sank noch tiefer auf die Brust hinab. »Sorge dafür, daß sie unter einem grünen Hügel liegt«, flüsterte er. »Und lege mich auch unter einen grünen Hügel«, fügte er nach einer Weile hinzu.
Björn sah, daß er sehr krank war und beeilte sich, Hilfe zu holen, damit er ihn hineintragen könne. Als er zurückkam, war Halvor bereits tot.