Isolde Kurz
Wandertage in Hellas
Isolde Kurz

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Ein arkadischer Frühlingstag

Achaja, Elis, Messenien! Als ich einst in der alten Geographie diese Landschaften auswendig lernte, da meinte ich, sie seien längst in ein anderes Gestirn entrückt und nur noch in Dichterträumen vorhanden. Nun bin ich mitten in Pelops Land, sehe sie alle mit meines Leibes Augen, sehe ihre Heiligtümer, die aus dem Schoss der Erde ans Tageslicht zurückgekehrt sind, sehe ihre Flüsse und Berge, die die alten Namen wieder führen. Und die Orte sind mit den Namen so innig eins, sind schon so sichtbar darin enthalten, dass ihr Anblick gar nicht überrascht; die Natur hat vor der Vorstellung nur die grössere Deutlichkeit voraus.

Von Olympia nach Arkadien reisend, hat man mit dem Morgenzug in Pyrgos eine Stunde Aufenthalt. Das bucklige Städtchen mit den steilen Gassen und der durchgehenden Hauptstrasse, wo alle Geschäfte im Freien besorgt werden, mutet italienisch an. Reihen junger Männer sitzen und sonnen sich in unbefangenem Nichtstun an der Strasse, bettelnde 196 Krüppel hocken an der Erde. Von einer Anhöhe hat man einen hübschen Blick auf den Hafenort Katakolo mit einem Streifen Meer. Aber der Anblick der fremden Gäste ist für die Schuljugend von Pyrgos, die eben eine Freistunde hat, ein aufregendes Erlebnis, und als der Kyrios sie gar über ihre Schulfächer zu verhören beginnt, wird ihre Freude so stürmisch, dass uns nichts übrig bleibt, als uns eiligst nach dem Bahnhof zurückzuziehen, wenn wir nicht im Triumph durch Pyrgos getragen werden wollen, und wir sind froh, um die Mittagsstunde wieder in der Eisenbahn zu sitzen.

Diese schmalspurigen peloponnesischen Bähnchen mit ihren winzigen Wagen stehen noch im Jugendalter des Verkehrs. Ein Zeitungsmann reist mit, der einen ungeheuren Ballen Papier unterm Arme trägt und auf jedem Bahnhof das Lesefutter an die gierig wartende Bevölkerung verteilt. Denn die Griechen, nicht nur in Athen, sondern auch auf dem Lande, sind gewaltige Zeitungsleser, und wir können noch im Weiterfahren sehen, wie die Hestia und der Emprós (Vorwärts) im Nu verschlungen werden.

Wir folgen durch flache Wiesen dem Lauf des Alpheios bis zu seiner Mündung, gleiten an dem sumpfigen Agulenitzasee entlang und begrüssen hoch oben am Berg die Ruinen von Samikón. Eine schöne junge Frau vom feinsten Anstand ist unterwegs eingestiegen und ein paar Stationen schweigend mitgefahren. Plötzlich neigt sie sich zu mir und reicht mir mit einem ernsten Lächeln, das ihr reizend steht, die herrlichen gelben Rosen, die sie auf der Brust getragen hat. Das antike Gastgeschenk lebt noch in dieser Sitte des 197 Blumenschenkens fort. Ist doch das einzige, dessen der Fremde auf den bequemen Verkehrswegen heute noch bedarf, ein holdes Lächeln und ein symbolisches Liebesangebinde.

Jetzt sind wir in der pylischen Ebene, wo das elische Pylos lag, nicht mit dem messenischen Pylos oder Navarin zu verwechseln, das wir bei der Umschiffung des Peloponnes vom Meere aus gesehen haben. Ist vielleicht hier der Ort, wo Telemachos von Athene geleitet ans Land stieg, um den Beherrscher der sandigen Pylos aufzusuchen? Ein Zugsaufenthalt, der recht dauerhaft zu werden verspricht, scheint mir zu einem kleinen Gang nach der Meerseite, wo mir ein rötlicher Sand entgegenschimmert, nicht ungeeignet. Aber kaum habe ich ein paar Schritte gemacht, so besinnt sich der Zug auf seine eigentliche Absicht, und ich werde schleunigst zurückgerufen und wieder verfrachtet.

Jetzt landeinwärts am weit ausgebauchten Flüsschen Kyparissia hin, das bei seiner Mündung dem Golf den Namen gibt, und durch die messenischen Segensfluren. Die Bahn steigt durch Tunnels aufwärts und läuft dann an einem steinigen Hochrand entlang, mit dem köstlichsten Blick auf den hesperischen Garten, der sich die Ebene von Messenien nennt. Eine wundervolle saphirblaue Kette der kühnsten Berge fasst sie ein, deren Formenstrenge durch die feine Luft eine fast überirdische Leichtigkeit erhält. Dichte Oliven-, Orangen- und Feigenhaine, zwischen denen vereinzelte Zypressen dunkeln, reich durchrieselte Getreidefluren, kleine hellschimmernde Siedelungen mit Kind und Lamm, milde Luft und windgeschützte Lage, Fülle ohne 198 wuchernde Ueberfülle, – so wie diese messenische Ebene stellt man sich den Schauplatz des Goldenen Zeitalters vor, wo die Menschen Hirten waren und die Götter zu ihnen niederstiegen. All dieser Segen gereichte Messenien nicht zum Heil. Durch die Natur das glücklichste griechische Land, wurde es in der Geschichte das unglücklichste. Wie versteht man die begehrlichen Blicke, die der schlimme Nachbar jenseits des Taygetos von den wilden Schneegipfeln herab auf dieses Wunschland warf. Der steile Bergkegel, dessen wunderkühnes Profil vor allen andern auffällt, muss der Ithome sein, der den Spartanern so heldenhaften Widerstand leistete. Auch so ein Frühgeliebter, Nochniegesehener! Weisst du noch, Seele, wie du in Kinderschuhen den Eisenköpfen des ersten und zweiten messenischen Krieges hochtragische Musenopfer brachtest und um ihretwillen den Spartanern Arges sannst? Bis jemand dir erzählte, dass von Athen ein einziger Mann mit Namen Tyrtäos den Spartanern zu Hilfe gesandt worden sein, um mit seinen Kriegsgesängen die messenischen Reihen zu brechen. Ein Dichter ganz allein als Lenker der Schlachten! Da spaltete sich dein Gefühl, und du begannst zu denken, dass die Spartaner vielleicht doch nicht ganz bloss Spartaner gewesen sind. Aber beim Anblick des leibhaftigen Ithome regt sich die erste Liebe wieder. Dort war es, wo Aristodemos seine Tochter für die gute Sache schlachtete und wo der unbezwingliche Aristomenes das grosse Dankopfer brachte, nachdem er sich am Schwanz des Fuchses aus der Todesschlucht gerettet hatte. Irrt noch ein letzter Hauch von diesen Heldenseelen durch die Lüfte? Rinnt 199 ein letzter Tropfen dieses Heldenbluts, wenn auch noch so verdünnt, in den Adern der heutigen Bewohner? Der einzige Messenier, der mit uns im Wagen sitzt, ist gewiss nicht vom Stamm des Aristomenes, er hält die schweren Augendeckel gesenkt und zupft träge an einer Schnur roter Perlen. Aber das Land ist noch dasselbe, das Meer, das ab und zu aufblitzt und verschwindet, die hängenden Asphodeloswiesen, die Bächlein, die rasch in die schimmernde Ebene hinabwollen. Und wie da unten am Ufer des tiefeingerissenen Wildstroms heute die Frauen an dem schönen Wasserbecken zwischen den Zypressen waschen, so haben sie es gewiss schon vor Jahrtausenden getan.

Jetzt haben wir das weite Bett des Xerillas überschritten, der den Hauptstrom des Alpheios bildet, und sind schon in Arkadien. Wieder eine Landschaft, die mit ihrer Frische und ihrer schlichten Herzlichkeit in Deutschland liegen könnte. Grosse, eben ergrünte Eichenwälder empfangen uns mit allem Reiz des ersten Frühlings. Der Boden ist dicht mit Asphodelos bedeckt, der hier oben Ende April noch blüht. Es ist auf einmal kalt geworden, denn wir sind um fast sechshundert Meter gestiegen und steigen noch immer höher in der saftgrünen Landschaft, die gar nichts Südliches hat, sondern uns wie ein heimisches Frühlingsidyll anmutet, bis wir in der Dämmerung Tripolis (früher Tripolitza) erreichen.

Noch zirkt zu wonnevollem Bleiben
Arkadien in Spartas Nachbarschaft.

Hätte nur dieser Vers mich nicht so hartnäckig auf 200 der ganzen Fahrt begleitet, so wäre ich vielleicht über den Schmutz von Tripolis, der einzigen Stadt Arkadiens, weniger erschrocken. Zu wonnevollem Bleiben ist sie nicht eingerichtet. Der erste Gasthof, wo wir absteigen, heisst Hotel Evropi, allein die Gäste sind dort das einzige Europäische. Mit dem Nachtlichtchen im Oelglas als ganzer Zimmerbeleuchtung und mit einer Tür, die weder Riegel noch Schlüssel besitzt, kann man sich abfinden. Aber was an Kämmen, Seifen und Haarbürsten zur Bequemlichkeit der Reisenden auf den Waschtischen aufgelegt ist, erregt Schaudern. Ich muss das Zeug vorsichtig mit einem Papier anfassen und mit abgewandtem Gesicht in die äusserste Zimmerecke auf den Boden legen, denn mit dem Befehl, es hinauszutragen, mag ich den Aufwärter, der so aufmerksam für mich gesorgt hat, nicht kränken. – Der pilaffi mit gehacktem Hammelfleisch, den sie uns unten im Speisesaal auftragen, hat alle Würzgärtlein des Ostens verschlungen und ist vor lauter Wohlgeschmack ungeniessbar; an das jaurti, das griechische Joghurt, muss man gewöhnt sein, und die Form, in der es uns hier gereicht wird, ist nicht angetan, ihm Verehrer zu gewinnen. Aber der sonnengoldene harzlose Wein ist köstlich wie auf dem ganzen Peloponnes.

Versprengte Orientalisten mit dem Abzeichen der Athene auf der Brust, sitzen im Saale. Von einem Nebentisch aber, um den sich griechische Gesellschaft, meist Offiziere mit ihren Damen, versammelt hat, begegnen uns bekannte Augen, und ein junger Mann in Zivil erhebt sich, um uns zu begrüssen. Es ist ein 201 Advokat aus Nauplia, mit dem wir auf dem »Baron Beck« Bekanntschaft gemacht haben und der gerne die Gelegenheit benützt, sein in Berlin erlerntes Deutsch in Fluss zu halten. Wir feiern heute nicht unser erstes Wiederfinden auf dem Peloponnes. Schon als wir in Nauplia abstiegen und wie hier im Speisesaal zu ebener Erde beim Abendbrot sassen, hatte sich von aussen sein lächelndes Gesicht an die Scheiben gedrückt, und wir hatten dann lange mit ihm von der Schönheit seiner Heimat geredet. In seiner Vaterstadt war die Begegnung nicht so merkwürdig, gewiss geht er dort jeden Abend aus Mangel an anderer Unterhaltung auf dem Strandweg spazieren und späht durch die Fenster, wer etwa von Fremden angekommen sei. Aber in dem weltentlegenen arkadischen Hochland wundern wir uns beiderseitig. Er kommt aus Sparta, wo er Verwandte besucht hat, und schildert uns diese Stadt und ihre Gärten zu Füssen des starren Taygetos als ein Paradies. Könnten wir unseren Reiseplan noch ändern, so würden wir gewiss zwei Tage für Sparta zugeben; freilich noch etwas mehr Gasthofschmutz müssten wir in dem für schmutzige Gasthöfe berüchtigten Neu-Sparta in den Kauf nehmen.

Tripolis ist, wie der Name besagt, auf einem Boden erbaut, wo das Gebiet dreier Städte, Mantinea, Pallantia und Tegea, zusammenstiess. Das Städtchen ist neu und hat an sich keine Reize; das ältere Tripolitza wurde in den Befreiungskriegen des vorigen Jahrhunderts von den Türken zerstört. Aber südöstlich von Tripolis liegt, was von dem alten Tegea ausgegraben ist: die Reste des Athenetempels 202 von Skopas, denen unsere Fahrt nach Arkadien galt. Das wellige Flachland ist schön bewässert und von einer anmutigen Bergkette eingefasst, die mich an den toskanischen Apennin erinnert. Sie trägt kein Baumgut, nur Aecker und Rossweiden, auch wird sie mit Rossen gepflügt. Was ich aus der Ferne für Türme hielt, entpuppt sich beim Näherkommen als abgetakelte Windmühlen, um die Raben flattern. Die gut gehaltene Strasse liegt einsam, selten begegnet man einem Eselreiter oder einer bemalten Susta, noch viel seltener einem Fussgänger. Die Tracht der Männer ist dieselbe wie in der Argolis und gewiss uralt. In Griechenland liegen ja keine übereinandergehäuften Kulturschichten zwischen dem Altertum und heute, auf Schritt und Tritt blickt uns das alte Hellas an. Einer trug ein Kleid aus blauem Leinen von ähnlichem Schnitt wie der kurze Chiton, den man auf antiken Abbildungen findet: anliegender Kollerleib, der durch den Gürtel mit einem kurzen Röckchen verbunden ist, wie es bei uns die Kinder tragen, dazu weisse enge Gamaschen bis zum Knie herauf. Ein fest um den Kopf geschlungenes und hinten geknotetes Tuch diente statt der Mütze.

Plötzlich wurde unser bisher ganz schweigsamer Kutscher von einem Begeisterungstaumel ergriffen, und teilte uns durch Jubelgesang und Kreisbewegungen der Peitsche mit, dass diese ganze weite Ebene einst das hochberühmte Tegea gewesen! Noch grösser wäre sein Stolz, wüsste er, was wir wissen: dass der Höhenzug vor uns das alte Parthenion ist, wo dem athenischen Herold Philippides, der vergeblich zu den Spartanern um Hilfe gegen die heranziehenden Perser gesandt 203 war, auf dem Rückweg der Gott Pan in eigener Person erschien und ihm den tröstlichen Auftrag gab, den Athenern zu sagen, er selber werde auf dem marathonischen Feld an ihrer Seite kämpfen.

In dem Dorfe Pialí, das mit seinen grossen wohlgebauten Steinhäusern einen ganz stadtähnlichen Eindruck macht, liegt der Tempel der Athena Alea, einst der prächtigste und grösste auf dem ganzen Peloponnes, noch prächtiger und grösser als der Zeustempel von Olympia; aber nichts ist von ihm übrig als der Unterbau nebst einigen Säulentrümmern. Auch hat man die wertvolleren plastischen Funde – Giebelstücke mit der kalydonischen Eberjagd von der Hand des Skopas – nach Athen gebracht. In dem kleinen Museum von Pialí aber, wo ein schöner weiblicher Marmorkopf mit dem bekannten Aphroditentypus als Hygiea gezeigt wird, entdecken wir ein unbekanntes Juwel, das in keinem Reisehandbuch verzeichnet und nirgends abgebildet ist, eine kleine streng archaische Persephone aus Bronze, ein Weihgeschenk aus dem verschwundenen Demetertempel. Mit der einen Hand hält sie eine Fackel empor, mit der andern fasst sie die prachtvollen Falten ihres Gewandes zusammen. Sie ist weder Rundfigur noch Relief, sondern als Silhouette gegossen und mit den Füssen auf einer Platte befestigt, um stehen zu können; ihre Höhe kann kaum über eine Elle sein. Tritt man aber zurück, so erscheint sie völlig rund, und der strenge Adel ihrer grossartigen Umrisse hebt jeden wirklichen Grössenmassstab auf. Auch in Athen sieht man solche archaischen Bronzesilhouetten, 204 aber diese übertrifft an herbem Reiz alle anderen und sie ist allein schon einen Ausflug nach Tegea wert.

Dann fahren wir zu dem kleinen zypressenbeschatteten Kirchlein Paläa Epískopi, das in die Reste des Theaters eingebaut, inmitten der Felder in feierlicher Einsamkeit daliegt. Seine Entfernung vom Athenetempel deutet allerdings auf eine ansehnliche Ausdehnung des Stadtgebiets. Die Wahrheit zu sagen, habe ich von dem Theater nichts wahrgenommen, aber in dem Garten nebenan sahen wir eine schöne antike Brunnenanlage mit jonischer Säulenstellung und andern edlen Bauresten reizend von Grün umwachsen. Ein blonder Gärtner überreichte mir mit ein paar deutschen Worten einen Blumenstrauss und entfernte sich dann eiligst, weil sein Wörtervorrat erschöpft war. Auf meine Frage, ob das wirklich ein Deutscher sei, antwortete mir der Kutscher, es sei vielmehr ein Avstriakós (Oesterreicher: eine Unterscheidung, die mich überraschte, weil sie in Italien auch von den Gebildeten nicht gemacht wird), und er lebe schon so lange auf dem Peloponnes, dass er seine Muttersprache bis auf wenige Worte vergessen habe.

Von dort wurden wir noch zu einem frühmykenischen Friedhof geführt, der zu einem Bauerngut gehört und von den Archäologen durchwühlt ist, die einen seiner Insassen als unheimlichen Gipsguss ins Museum überführt haben. Die armen frühmykenischen Gebeine lagen zum Teil recht unehrerbietig mit bleichenden Hammelknochen zusammengeworfen.

Dann ging es in tiefer Mittagseinsamkeit, in der nur ein paar Raben flatterten, an dem hochliegenden 205 Dörflein Hagios Sostis, dem einstigen Burghügel von Tegea, vorüber durch die stumme Ebene nach Tripolis zurück und von der Wirtstafel unmittelbar zur Eisenbahn.

Ein enger Bergpass, Stenó genannt, dahinter ein weites, vom Parthenion abgeschlossenes Tal. Die wenigen Häuser, die man sieht, zeugen von einem bescheidenen Wohlstand im starken Gegensatz zur nahen Argolis. Von ferne blickt ein blaues majestätisches Gebirge herüber – sei gegrüsst, stolzer Taygetos! – und jetzt ist auch das grüne Arkadien hinter uns versunken.

Aus der öden Felsenwildnis der Argolis taucht noch einmal als leuchtendes Wunderbild der Golf von Nauplia auf; dann noch einen Blick auf Argos und die Burg von Mykene, der ein zweites, ganz ähnliches, aber namenloses Felsennest mit schwachen Spuren der Menschenhand folgt. Nach dem vielen Regen der letzten Tage hat sich das Bild der Ebene verändert. Die Saat steht hoch und wogt im Winde, und die frischgepflügte Ackererde gibt einen kräftig satten Farbenton. Dein alter Durst ist jetzt gestillt, o Ebene von Argos, die nicht mehr stäubt, und deine Bächlein fliessen. Aber die Einsamkeit der Landschaft ist immer gleich ergreifend. Bei stundenlanger Bahnfahrt sahen wir nur einen Menschen, einen Hirten, der bei Nemea seine Herde weidete und gegen den Regen einen weissen Kapuzenrock angetan hatte, in dem er so wollig und vliessig aussah, wie seine Schafe.

Jetzt wird noch einmal der Isthmus durchquert. Korinth liegt heute im Regenschleier – und dann erblicken wir nach zehntägiger Abwesenheit mit einem 206 Freudenruf den Saronischen Golf. Ein Inselchen von der Gruppe der Pentenisia glänzt als einziger sonnbeschienener Punkt im getrübten Meer. Es wird immer leuchtender und körperloser wie eine Geburt aus Duft und Traum. Ob vielleicht Athene in diesem Augenblick dort rastet und nach ihrer heiligen Stadt hinüberblickt?

Wie wir uns Athen nähern, hüllt sich die ganze Meeresfläche in Purpur mit lichtgrünem Uferrand, und Salamis schimmert rötlich vom Golde des schon untergegangenen Gottes.

 


 


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