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»Ursach' und Grund und Du, das ewig Eine,
Dem Leben, Sein, Bewegung rings entfließt,
Das sich in Höh' und Breit' und Tief' ergießt,
Mit Sinn, Vernunft und Geist erschau' ich deine
Unendlichkeit, die keine Zahl ermißt.
In deinem Wesen weset auch das meine!
Ob blinder Wahn sich mit der Not der Zeit,
Gemeine Wut mit Herzenshärtigkeit,
Ruchloser Sinn mit schmutz'gem Neid vereint,
Sie schaffen's nicht, daß sich die Luft verdunkelt,
Weil doch trotz ihrer unverschleiert funkelt
Mein Aug' und meine schöne Sonne scheint!«
Im Gegensatze zu Aristoteles, für dessen induktive und rationalistische Denkweise, ebenso wie für Kant (vgl. Schellings Werke II, 1, S. 377 f.) Gott erst der Endbegriff ist, in den alles ausmündet, ist für Bruno Gott Ausgangspunkt und Prinzip seiner Philosophie. Mit ihm teilt Spinoza diese deduktive oder (im Sinne Lotzes [Metaphysik]) idealistische Methode. (Vgl. Satz 1 von Spinozas Ethik.) Aber ein großer Unterschied zwischen der Gottesidee Spinozas und Brunos kann nicht genug betont werden, da er fast von allen Schriftstellern, etwa mit Ausnahme Schellings und Carrières, die sich vor mir eingehend mit einer Darstellung der Weltanschauung des Nolaners befaßt haben, übersehen wird. Gewöhnlich nämlich wird Bruno als glänzendster Vertreter des sogenannten Pantheismus und Vorläufer Spinozas bezeichnet, d. h. einer Weltanschauung, die Gott und Welt völlig identifiziert, für die Gott lediglich die an sich unbewußte Seele der Welt bedeutet, die also den lebendigen (persönlichen) Gott leugnet, jener Weltanschauung, die ihren letzten vollendeten Ausdruck in dem System Hegels fand, für welches Goethe die bezeichnenden Worte schrieb: »Der Herr Professor ist eine Person! Gott ist keine.«
Dieser »monströse Pantheismus, mit seinem austerhaften Absoluten, seinem Gott, der nötig hat, durch die Natur hindurchzugehen, um sich bewußt zu werden« (Schelling I, 10, S. 397), ist, wie Schopenhauer, der, obwohl ebenfalls ein Anhänger dieser abstrakten All-Einheitseitslehre, ehrlich bemerkt, nichts als ein verschleierter, heuchlerischer Atheismus.
Schon Voltaire machte eine gleiche Bemerkung über Spinoza Vgl. Kuhlenbeck, Giordano Brunos Einfluß auf Goethe und Schiller p. 6. – Caché sous le manteau de Descartes son maître Marchant à pas comptés s'approcha du grand Etre. Pardonnez moi, dit-il, en lui parlant tout bas: Mais je pense entre nous que Vous n'existez pas., Schopenhauer ist daher auch ehrlich genug, sich einen Atheisten zu nennen.
Was den Anlaß zu diesem groben Mißverständnisse der Brunoschen Theologie gegeben hat, ist lediglich die von ihm gegenüber einem zumal durch die Scholastik allzu sehr vergeistigten, d. h. verflüchtigten (entleerten) Gottesbegriff mit mystischer Glut stets betonte Immanenz der Dinge in Gott. Im Grunde wird damit nichts weiter betont, als die Allgegenwart Gottes, die in Verbindung mit der Allwissenheit (bewußten Geistigkeit) den wichtigsten Ankergrund lebendiger Frömmigkeit bildet.
Auch Goethe wird überwiegend für einen Pantheisten gehalten, wenngleich seine oben zitierten Worte wohl hinreichend seine ablehnende Haltung gegen den Spinozismus und Hegelianismus beweisen. Dasjenige Gedicht Goethes, das vor allem dafür als Beleg gilt, ist nun merkwürdiger Weise eine unmittelbare Übersetzung einer prosaischen Erläuterung Brunos zu IV, 15 des Lehrgedichts de Immenso:
Bruno:
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Goethe:
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Offenbar haben Bruno und Goethe damit nichts anderes sagen wollen, als der Apostel Paulus in Athen, daß »wir in Ihm leben, weben und sind«. Bruno und Goethe lehnen beide den außerweltlichen Gott ab, nicht aber den überweltlichen Vgl. Schelling II, 10, S. 398..
Gott ist für beide der selbstbewußte Gott, insofern also persönlicher, lebendiger Gott, der Herr des Seins. Zunächst mögen, da allerdings die bislang angeführten Verse des Nolaners der Annahme eines blinden, unbewußten »Absoluten« noch Raum lassen, dafür einige andere die ganze dichterische Inbrunst, mit welcher Bruno an diesem lebendigen Gott hing, zum Ausdruck bringende Verse wiedergegeben werden:
Was da war, was ist und was Zukünftiges sein wird,
Gegenwärtig steht es vor Gott in ewigem Lichte;
Jegliches, wann es nur immer geschieht, ist drum notwendig;
Was Gott will, das wählt, das gibt, das weiß und bewirkt er.
Er kann sich nicht selber verändern, selber verneinen.
Was er will und vermag, ist wiederum Eins und Dasselbe;
Siehe, das Schicksal ist ja selbst der göttliche Wille!
Anderes, als geschieht, kann durch ihn nimmer geschehen;
Denn ein Anderes, als er ist, kann nimmer er selbst sein.
Seine Natur ist stets ein in sich einfaches Wesen,
Ob vieltausend Namen unzählige Geister ihm geben,
Wie ein verschied'ner Begriff von einem Ding in der Seel' ist,
Wenn durch verschiedene Fenster und Sinnespforten es einging.
Ganz gleich ist in ihm die Weisheit, sowie die Güte,
Tat, Kraft, Herrschaft, Glanz und ewiges Leben und Liebe
Allwärts ganz, allfassende Macht, ein unendliches Zentrum.
O Du, welcher in sterblicher Brust den ewigen Flammen
Aufzulodern befiehlt und meinem Herzen in solchem
Lichte zu schweben gebot und in solcher Glut zu entbrennen,
Daß zu den Sternen hinan, nach rings verjageten Schatten
Und nach bezwungener, fesselnder Last der trägeren Massen,
Ich die unendliche Welt durchschwebe, den Sinnen entbunden,
Licht, allschauendes Licht, das alles enthüllet dem Anschaun,
Seelenbeflügelndes, über den Äther entrückend die Sinne,
Welches den Todesschlaf mir verscheucht und zu wachen verliehen hat,
Welches, vom Schauen erzeugt, mit dem Schau'n aufwacht und in diesem
Lebt, Erhaltung für uns und allem Belebten Entfaltung
Gibt, mit sanftestem Strahl die härtesten Stoffe durchdringend;
Welches enthüllt, was die Erde, die Wogen, der Äther, der Abgrund,
Irgend umfaßt, wohl nennt Dich blind das Volk, dem das Licht selbst
Fehlt und das Aug' und der Seel' ermangelnd nennt es Dich seellos,
Nicht wird sein ein Ort, noch Geschick, nicht Alter, noch Zeitraum
Mich abtrünnig erblickend von Dir, mein Leben, da Du mir
Rings den sterblichen Augen enthüllt das unendliche Weltall
Grenzenlos und die strahlenden Welten der heiligen Sterne!
De Triplici Minimo, pr.
O, wie oft, du Göttlicher, mich, den Sinkenden, hobst Du
Auf den Flügeln empor, wie oft dem Sorgebedrängten
Lenktest Du das Gemüt, daß ich nicht selbst dem Verderben
Hin mich gab, – da warst im Sternengewande des Himmels
Du mir nah, fortscheuchend des geistbetörenden Unsinns
Düstres Gewölk, und rings zerstreuend die trüben Gebilde
Mit der Fittiche Schlag, die tausendfältig den Erdkreis
Prangend erfreuen, damit die geschmückte Erde den grünen
Rücken entgegen wende der Sonn', in schimmernden Wogen
Ihr Antlitz und das Deine so ihr zustrahlend als Dir auch,
Denen sie ganz sich selbst und mit jeglichen Teil sich zukehrt!
De Triplici Minimo, rp. 1. c.
Siehe, die jegliche Zahl in sich begreifende
Einheit
Trägt und hegt im Schoß endlos unzählige Welten;
Eine genügt hier nicht, weil der Geist befruchtend im ganzen
Raum sich freudig auf alles ergießt, daß in Höhen und Tiefen
Überall sein edeles Bild entgegen Ihm leuchtet.
Selbst ist Gott unermeßlich, von seiner Güte die Spuren
prägt den Dingen er ein freigebig, wie sie ihn fassen.
Drum so verehre die göttliche Macht nach unzähligen Graden
In unzähligen Dingen auf Erden wie in den Himmel!
Denn unerschöpflich wirkt und genügt Gott jedem Verlangen
In der Materie Schoß nach ewiger Lebensgestaltung.
Sollte getäuscht sie trauern, der Ruhm des Lichtes verlöschen
Eh' es flammend entströmt aus nie versiegender Quelle?
Sollte das würdige Bild und den endlos schimmernden Spiegel
Nicht die Natur aufstellen, und doch allmächtig der Geist sein,
Nicht unermeßlich er im All sein Wesen entfalten,
Wie er in Einheit treu und ganz es trägt in ihm selber,
Daß er im Werk sich froh anschauend seiner genieße?
Drum so erfasset der Lieb' und Macht vollströmenden Reichtum!
Wie Er in sich die Natur und die Dinge denkt und erkennet,
Also stehen sie da, und nichts vermöchte zu hemmen;
Gottes Begriff ist Tat und die Sache. Drum unermeßlich
Dehnt er sich aus, entfaltet in unerschöpflichen Zahlen
Ewig das Eine, daß innerlich ganz und äußerlich ganz er
Jegliches setzt und trägt und über alles hinausgeht.
Denn er lebet in uns und in ihm weben und sind wir.
De immenso, ibid.
Wir schließen hieran einige für seine Lehre von Gott wichtige Auszüge aus seinen Prosaschriften, zunächst sein vor dem venetianischen Inquisitionsgericht beteuerten Glaubensbekenntnis:
»Meine Überzeugung ist in Summa folgendes:
Ich glaube an ein unendliches Universum, d. h. die Schöpfung der unendlichen Allmacht, da ich es der göttlichen Güte und Macht für unwürdig erachte, wenn sie unzählige Welten schaffen kann, nur eine endliche begrenzte Welt geschaffen zu haben. Daher habe ich stets behauptet, daß unzählige andere Welten ähnlich dieser Erde existieren, welche letztere ich mit Pythagoras nur für einen Stern halte, wie die zahllosen anderen Planeten und Gestirne. Alle diese unzähligen Welten machen eine unendliche Gesamtheit aus im unendlichen Raume, und dieser heißt das unendliche All, so daß eine doppelte Unendlichkeit anzunehmen ist, nach Größe des Universums und nach Zahl der Weltkörper.
In diesem unendlichen All setze ich eine universelle Vorsehung, Kraft deren jegliches Ding lebt, webt und sich bewegt und in seiner Vollkommenheit dasteht und diese begreife ich im doppelten Sinne, einmal als allgegenwärtige Weltseele, wie die Seele überall ganz im Körper zugegen ist; aber diese ist nur eine Spur und ein Schatten der Gottheit; sodann auf unsagbare Weise, insofern Gottes Wesenheit und Gegenwart und Allmacht in allem und über allem ist, nicht als ein Teil, nicht als eine Seele, sondern auf unerklärliche Art.
Sodann glaube ich, daß in der Gottheit alle Attribute Ein- und Dasselbe sind, und mit anderen großen Philosophen und Theologen benenne ich in ihm drei Haupt-Eigenschaften, Allmacht, Allweisheit und All-Güte oder auch Geist, Vernunft und Liebe, wodurch alle Wesen zunächst ihr Sein haben auf Grund des Geistes, sodann die Ordnung und Besonderheit auf Grund der Vernunft und schließlich ihre Eintracht und Symmetrie auf Grund der Liebe. Diese Dreieinigkeit ist über allem und in allem; kein Ding ist unteilhaftig des Seins und kein Sein ohne Wesenheit, kein Ding ist schön ohne die Gegenwart der Schönheit, und kein Wesen kann von der göttlichen Allgegenwart ausgeschlossen sein.« (Bruno zum Protokoll des Inquisitors, docum. venetian. IX. Berti 353.)
Gott ist die Einheit, aller Zahlen Urquell, die Einfachheit aller Größe und Zusammensetzung, ein Sein, das schlechthin jedes Moment der Zahl und des Maßes übertrifft.
Die Natur hingegen ist in jedem endlichen Dinge eine zählbare Zahl, eine meßbare Größe, ein erreichbares Moment.
Die Natur vermittelt den Einfluß Gottes auf die menschliche Vernunft und erhebt diese selbst zur Ahnung des göttlichen Wesens.
Gott ist wirksame Liebe, Klarheit und Licht, die Natur der allgemeine Gegenstand der Liebe, ist Feuer und Brand; die Vernunft ist das liebende Subjekt, welches von der Natur angefacht und von Gott erleuchtet wird. De triplici minimo L. V. cap. 1.
Vom wahren Wesen der Gottheit können wir eigentlich begrifflich gar nichts wissen, sowohl weil sie unendlich, als auch weil sie von den Wirkungen, welche die äußerste Grenze unseres Verstandesvermögens bilden, sehr weit entfernt ist; höchstens können wir von ihr eine Spur erkennen, wie die Platoniker, eine entfernte Wirkung, wie die Peripatetiker, eine Hülle, wie Kabalisten sagen; wir können ihr gleichsam nur von hinten nachschauen, nach dem Ausdruck der Talmudisten, oder sie im Spiegel, im Schatten, im Rätsel sehen, nach dem Ausdruck der Theosophen. Della causa, II W. 223.
Wie kannst du wollen, daß Gott, sei es hinsichtlich der Möglichkeit oder Tätigkeit und Wirksamkeit, welches alles in ihm ein- und dasselbe ist, beschränkt sein und nur als Begrenzer einer äußeren Kugeloberfläche anzusehen sein soll, anstatt vielmehr sozusagen als der unendliche Allumfasser eines grenzenlosen Seins? anstatt als Begrenzer, sage ich, ohne Grenzen, da ja die Unendlichkeit Gottes durchaus zu unterscheiden ist von der Unendlichkeit der Welt? Denn Er ist das ganze Universum als Zusammenfasser und als Ganzheit, das Universum dagegen ist alles (wenn man überhaupt noch da von Totalität reden kann, wo weder Teil noch Grenze ist) im Sinne der Entwicklung und nicht völlig und schlechthin. Der Gottesbegriff hat die Funktion der Begrenzung, die Welt steht zu ihm im Verhältnis des Begrenzten; die Welt steht aber zu ihm nicht im Verhältnis des Endlichen zum Unendlichen, sondern die Welt ist unendlich, und Gott ist ihr Umfasser, im Sinne der vollkommenen Gesamtheit und des völligen Seins in allem, was zwar für sich als Ganzes genommen auch unendlich ist, aber doch nicht schlechthin und in jeder Hinsicht absolut unendlich ist; wie denn letzteres auch der räumlichen Unendlichkeit widerstreitet.
Ich nenne das All als Ganzes unendlich, weil es ohne Rand ist, keine Schranke, keine Oberfläche hat; ich sage aber: das All ist nicht absolut und völlig unendlich, weil jeder Teil, den wir von ihm erfassen können, begrenzt und jede einzelne der unzähligen Welten, die es sich befaßt, begrenzt ist.
Ich nenne Gott in seiner Ganzheit unendlich, weil er jegliche Grenze von sich ausschließt, und jedes seiner Attribute einzig und unendlich ist, und ich nenne Gott absolut und völlig unendlich, weil er überall ganz ist in der ganzen Welt und in jedem ihrer Teile unendlich und völlig allgegenwärtig ist, im Gegensatz zur Unendlichkeit des Weltalls, welches letztere vollendet nur im Ganzen ist und nicht in jedem seiner Teile, wenn überhaupt mit Bezug auf das Unendliche dasjenige ein Teil genannt werden darf, was wir von ihm erfassen können, de l'infinito universo e mondi, W. 2 p. 24.
Gott ist die allgemeine Wesenheit des Seins. Durch ihn ist alles, er ist aller Wirklichkeit Quell, das Innerlichste jedes Dings, innerlicher als jedem seine eigene Form und Natur. Wie die Natur jeglichen Daseins Fundament, so ist das tiefere Fundament der Natur in allem Gott. Darum ist es gut gesagt: daß wir in ihm leben, weben und sind. Er ist allen Lebens Leben, aller Kräfte Kraft, aller Wesen Wesenheit. Metaphysik, Gfroerer, S. 473.
Welchen Wert der Nolaner auf eine tiefe und lebendige denkerische Durchdringung dieser Gottesidee legte, erhellt am deutlichsten aus seinem, freilich den Stempel der lullischen Methode (s. oben) an sich tragenden, aber begrifflich schärfsten Werke, nämlich der Summa terminorum metaphysicorum. Zur endgültigen Aufräumung mit dem Vorurteile eines Brunoschen Pantheismus glauben wir uns der Pflicht nicht entziehen zu können, die wichtigsten Abschnitte auch dieser lateinischen Schrift (aus der Zeit seines Aufenthaltes in Deutschland) hier einzuschalten: