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Nun ging's schon gegen Weihnachten. Friedel war also wirklich Braut, so erstaunlich und unglaublich diese Tatsache allen, voran ihr selbst, erschien.
Der Papa hatte lange gebraucht, um sich an den Gedanken zu gewöhnen, nachdem er ihn anfänglich überhaupt nur unsäglich schwer erfaßt hatte.
Bei der Verlobung selbst hatte er nur immerzu den Kopf geschüttelt und Friedel von der Seite ungläubig angesehen. Am Abend, als der neugebackene Bräutigam sehr umständlichen Abschied von seiner kleinen, urdrollig verlegenen Braut genommen hatte und heimgeritten war, hatte der Papa seinen Jungen ins Gebet genommen.
»Jungchen!«
»Ja, Papa.«
»Sag mal, ist denn das nu Ernst?«
»Was, Papa?«
»Die dumme Geschichte da mit dem Rödern.«
Friedel wurde feuerrot, hing den Kopf und warf dem Papa von der Seite einen halb verlegenen, halb schelmischen Blick zu.
»Muß wohl, Vaterherz! Weshalb hast du mir nicht deine Arme hingehalten, dann wär' ich da hineingelaufen! Ich wußte ja vor lauter Verlegenheit nicht wohin. Nun hat er's getan, und da bin ich in die seinen geraten.«
Er mißverstand das, denn er zwinkerte ihr über der Pfeife her listig zu und erbot sich gutmütig: »Ich helf' dir wieder 'raus!«
Friedel verstand nicht gleich, was er damit meinte, als sie es aber verstanden hatte, flog sie auf ihn zu, nahm ihm ohne Umstände die Pfeife aus dem Mund, legte die Arme um seinen Hals, schmiegte ihr Gesicht an seine bärtige Wange und flüsterte: »I wo, du dummes Väterchen, ich hab' ihn ja doch lieb!«
Da stand ihm vor Erstaunen einen Augenblick der Atem still und der Mund offen. Dann räusperte er sich.
»Hm, so – hm, hm! Weißt du's auch gewiß?«
Sie barg schämig das Gesicht an seiner Brust und flüsterte: »Soviel ich davon verstehe, ja!«
Er hatte schweigend wieder nach der Pfeife gegriffen und dampfte nun so sehr, daß Friedel husten, prusten und niesen mußte, bis ihr die hellen Tränen übers Gesicht liefen. Vielleicht hatten die Tränen übrigens auch einen andern Grund, man weiß so was nie genau. Das ging eine ganze Weile so weiter.
»Väterchen!«
Es klang ganz verzagt und schüchtern.
»Jungchen?«
»Hast du kein Wort für mich und – und – ihn?«
Da legte er die Pfeife weg, schlang die Arme um sein Kind, zog es dicht, dicht an sich heran, so daß der Stoppelbart ganz empfindlich die weiche Wange kratzte.
»Gott segne dich – Gott segne euch!« sagte er einfach. Und auch über seine Wange rann was Feuchtes, ob aus den eigenen, ob aus des Kindes Augen – die beiden, die sich da umschlungen hielten, lange, lange, die konnten's nicht unterscheiden, und es lag ihnen auch nichts daran – – – – – – – – –
Ja, Friedel war wirklich Braut!
Tante Lenchen hatte die Tatsache rascher gefaßt als der Bruder.
Sie hatte die Nichte, nachdem sie der Bräutigam aus der ersten Umarmung losgelassen, mit Würde ans Herz gezogen.
»Ich gratuliere dir, Frieda, mein Kind. Und ich gratuliere mir, denn nun habe ich jemand, der mir helfen wird, dir zu zeigen, wie recht die alte Tante mit dem Kampf gegen alle die Tollheiten hatte.«
Damit reichte sie Klaus von Rödern die Hand, über die er sich verehrungsvoll beugte, um sie an die Lippen zu führen.
Friedel hatte dem Bräutigam einen etwas erschrockenen Blick zugeworfen. Was sie in dem seinen las, mußte sie beruhigen.
»Tantchen, er hat aber doch eigentlich Papas Junge und nicht deine Nichte gewollt,« meinte sie mit einem Schelmenblick.
»Das hat er,« bestätigte Klaus von Rödern.
Die Tante schüttelte hinter den beiden den Kopf. Erbarm dich – noch einer, der sie verwöhnte! Na, mochte er! Das war ja jetzt seine Sache! Mochte er sehen, wie er mit dem Unband fertig wurde, wie er sich aus dem Jungen eine gesittete Hausfrau heranzog. Er war alt genug, um zu sehen und zu prüfen; sie, die Tante, wusch ihre Hände in Unschuld. Sie war nun ihrer Sorge ledig und konnte in Frieden schlafen, statt sich die Nächte durch um die Zukunft des Kindes zu grämen. Gott segne das Kind und lasse es nicht büßen für die Fehler, die andre, – ein scharfer Seitenblick traf den Bruder – gemacht haben! – – –
*
Fräulein Friedel, »uns' Freileinche«, ist Braut!
Der Jubel, das Erstaunen, die Freude aller im Hause beim Bekanntwerden der Tatsache war nicht zu beschreiben.
Friedel war mit dem Bräutigam hinuntergegangen, sich ihre Glückwünsche zu holen.
Die alte Babette namentlich war dermaßen gerührt, daß sie vor lauter Rührung eine ganz rote Nase bekam, so hatte sie dran herum gewischt.
»Freileinche, Freileinche, unser liewer Herrgott im Himmel schenk' Ihne so viel Glück, als er nur zusamme bringe kann for ein Menschekind allein. Gelle Se, jetz sin Se awer nit mehr bes iwer deß dumme Gekoch, wie Se als gesagt hawwe, jetz sin Se froh derfir.«
»Bin ich, Babetteken, bin ich. Und dank' dir auch schön für alle die Mühe. Aber jetzt soll's erst recht losgehen. Sollst mal sehen, jetzt wird's Ernst. Ich muß viel lernen, eh' ich – eh' ich –«
Friedel wurde ganz rot. Das Wort »heiraten« blieb ihr in der Kehle stecken.
»Des ist recht,« fiel Babette ein, »des is awer recht. Do wolle mer uns alle Mih gewe, daß der Herr Breitigam zufriede sin.«
»Das ist er zwar jetzt schon. Aber wenn Sie meiner kleinen Braut helfen wollen, sich zur künftigen Hausfrau vorzubereiten, so bin ich Ihnen sehr dankbar.«
Damit hatte sich Klaus von Rödern der fetten Babette leicht schmelzendes Herz von Grund aus erobert, und sie schwur hinfort nicht höher, als »der gnädige Herr Breitigam von uns' Freileinche«.
*
»Friedel, denkt euch, Friedel Polten ist Braut!«
So schwirrte und summte das Gerücht auch durch das Städtchen. Und die einen freuten sich darüber, die andern neideten es, wie das so zu gehen pflegt. Alle aber erstaunten sich, erstaunten sich ganz über die Maßen, denn von Friedel Polten, der tollen Friedel, hätte man alles andre erwartet, als just das.
Lilly und die Freundinnen alle kamen möglichst schnell heraus nach Dresdorf. Sie trieb neben der Teilnahme am Glück der Freundin vor allem auch die Neugier, just diese Freundin gerade als Braut zu sehen.
Und sie kamen auf die Kosten. Friedel in dieser ersten Zeit als Braut zu sehen, war wirklich urdrollig.
Halb verlegen und scheu, halb herausfordernd und übermütig, das sonderbarste Gemisch, das man sich denken konnte.
Erst hatte sie ganz sittig und verschämt an der Seite des Bräutigams die Glückwünsche entgegengenommen. Wie sie aber bemerkte, daß die andern sie prüfend beobachteten, als sei sie ein Wundertier, da brach sie los.
»Hört mal, Kinders, das will ich euch sagen. Wenn ihr denkt, wir sollen hier den Hanswurst für euch machen, euch sozusagen was vorspielen, weil ihr uns so angafft, so seid ihr irr. Seht uns mal recht genau an! Der da will's also wirklich mit mir probieren, und so wie jetzt eben sieht Papas Junge als Braut aus. Seid ihr nun fertig, ja? Und jetzt bitt' ich mir aus, daß die Sache damit erledigt ist.«
Alles lachte, und man ging zur Tagesordnung über.
Und das ganze Leben überhaupt ging nach kurzem, selbst über dies wichtige Ereignis, zur Tagesordnung über, wie es solches nach jedem Ereignis, sei es trüber, sei es froher Natur, zu tun pflegt. Ob sich hier ein paar Augen schließen für immer, sich dort ein paar dem Lichte öffnen, ob hier Tränen fließen, dort Freude waltet, ob die einen obenauf schwimmen auf der Woge des Glücks, die andern in verzweifelndem Ringen untergehen – das Leben geht seinen Gang immerzu, immerzu. Die Sonne scheint, der Regen fällt, die Stürme tosen, die Saat keimt, reift und welkt, und die Zeit hastet vorüber, weiter, immer weiter.
So stand man also schon kurz vor Weihnachten, und Friedels kleine Welt in und um Dresdorf, voran Friedel selbst, war nun vollständig vertraut mit dem Gedanken an diese Brautschaft.
Mit der kleinen Braut selbst hatte die Zeit eine merkwürdige Wandlung vorgenommen. Was nicht bitten und nicht schelten, was keine Ermahnungen und keine Vorwürfe, was nicht der Tante Erziehungsbestrebungen, nicht der Schwester Beispiel vermocht hatten, die Liebe brachte es alsbald zu stande. Die schuf aus dem tollen, jungenhaften Geschöpf ganz unversehens und unmerklich ein weiches, verständiges Mädchen, das die Aufgabe, die seiner harrte, voll erfaßte und mit rührendem Bemühen zu meistern trachtete.
Papas Junge war sich wohl bewußt, was fehlte, um den Ehrenplatz der Braut und zukünftigen Hausfrau an der Seite ihres zukünftigen Mannes würdig ausfüllen zu können, und Friedel strebte mit der ganzen Energie ihrer frischen, kräftigen Natur danach, sich zu dem umzuformen, was sie als richtig erkannt hatte.
Tante Lenchen sah es mit stolzem Triumph. Sie schrieb sich den Löwenanteil an dieser Wandlung zu, ihre Erziehungsgrundsätze zeitigten doch endlich Früchte. Sie trug in diesen Wochen den Kopf sehr hoch, war aber doch zu edel, dem armen Unterlegenen, dem Bruder Konrad, seine Niederlage durch Wort und Hinweis noch schmerzlicher zu machen, höchstens, daß sie sich einmal einen triumphierenden Blick gönnte, der noch dazu meistens unbemerkt abprallte. Den geschlagenen Gegner soll man schonen, dies Prinzip aller edlen Seelen machte Tante Lenchen durchaus zu dem ihren, denn Tante Lenchen war nicht nur eine edle, sondern auch eine gute, alte Seele.
Der Papa freilich, der Papa, der trauerte seinem Jungen nach mit verhaltenem Zorn, mit Ingrimm zuerst, und mit innerlichem Wehren.
»I wo, Jungchen ist jetzt ein bißchen aus dem Sattel geworfen. Besinnt sich schon wieder auf sich selber. Wär' auch ewig schade um den Prachtsburschen, wenn da so 'n jammerlappiges Frauenzimmer daraus würde. Dem Klaus hat sie doch auch gefallen, wie sie war, dem geschieht sicher auch nichts Liebes mit solcher Wandlung. Er modelt gewiß nicht an ihr herum. Bleibt nur Lenchen. Werd' dem Frauenzimmer mal ordentlich auf die Finger sehen. Hat schon mehr so Dummheiten gemacht mit dem Kind. Denn das Kind selber – hm – hm – i wo, was einer nicht in sich hat, gibt er nicht von sich!«
Damit beruhigte sich der Papa vorläufig.
Und dann kam etwas, das ihm plötzlich schmerzhaft blendende Klarheit gab über sein Kind, und ihn zuerst mit ohnmächtigem Grimm und dann mit tiefer Wehmut erfüllte.
Papa Polten saß eines Morgens beim Frühstück. Es schmeckte ihm aber nicht, denn mit Eiern, Brot und Butter aß er einen gewaltigen Ärger in sich hinein.
Friedel war wieder einmal nicht bei Tisch. Er hatte sie schon sehr frühe hinuntergehen und sie auch danach unten herumwirtschaften sehen.
Das paßte ihm gar nicht. Solange das Kind noch daheim war, wollte er es auch möglichst viel um sich haben.
Er schlug auf den Tisch.
»Daß du's nur weißt, Lenchen, das verbitte ich mir ein für allemal, du mißbrauchst das Kind jetzt, weil's in nachgiebiger Stimmung ist. Jungchen braucht nicht Wirtschafterin zu spielen, dazu ist die Mamsell da, und glaubst du, ich hab's nicht gemerkt, daß du immer mit der Peitsche hinter dem Kinde stehst und es antreibst: eine Hausfrau braucht dies – eine Hausfrau muß das! Zum Kuckuck mit der Hausfrau! Jungchen soll –«
Er hatte sich in immer blinderen Zorn hineingewettert, und Tante Lenchen hatte, unfähig, gegen den Sturm anzukämpfen, im Bewußtsein gekränkter Unschuld, nur schweigend die Achseln gezuckt.
Da war die Tür krachend bis hintenhin aufgefahren – ein Rückfall in alte Gewöhnungen, der den Papa förmlich aufatmen ließ – und Friedel war ins Zimmer geflogen.
»Verzeiht, verzeiht, ich bin schon wieder zu spät, hab' dafür aber auch kolossalen Hunger. Morgen, Vaterherz! Tantchen, denk mal, zehn Eier hat die gelbe Henne wieder verschleppt gehabt, ich hab' sie glücklich auf dem Heuboden entdeckt. Ich hab' mir auch gleich von Schäfers zeigen lassen, was er mit dem pipsigen Huhn tut, man muß doch alles wissen, wenn man –« Sie errötete, und ein scheuer Blick streifte über die Tischgenossen. »Ja, und Tantchen, was ich sagen wollte, heut muß unbedingt gebuttert werden, es steht eine Menge Rahm da, und –«
Der Papa hatte stillschweigend zugehört. Jetzt unterbrach er den Wortschwall sehr ironisch: »Du willst wohl Wirtschaftsmamsell werden drüben auf Rödershof?«
Friedel sah ihn einen Augenblick ungewiß an, dann lachte sie fröhlich auf.
»Nein, aber Hausfrau, und die muß von allem was verstehen, sagt Tante Lenchen.«
»Papperlapapp!« Der alte Herr wurde sehr unhöflich in seinem Grimm. »Wußte ich's doch, daß die Tante dahintersteckt, wußt' ich's doch!«
Tante Lenchen sagte kein Wort, hob nur anklagend die Augen zum Himmel. Friedel sah staunend von einem zum andern.
»Ja, aber die Tante hat doch recht, Vaterherz, ich sage mir das ja jeden Tag selbst. Ich muß meinem Klaus doch eine richtige Hausfrau sein, aber –«
»Papperlapapp,« fiel ihr nun der alte Herr kurz angebunden ins Wort – er war schwer gereizt –, »bleib' mir mit dem albernen Frauenzimmerkram vom Leibe! Sollte mir grad fehlen, daß du dich jetzt schon so aufspielst. Solang du bei mir bist, will ich meinen Jungen behalten, verstanden? Da mag die Hühner kurieren und die Kühe melken wer Lust hat. Damit basta!«
Und der alte Herr schleuderte einen zornigen Blick erst auf Tante Lenchen, dann auf Friedel.
Tante Lenchen schüttelte schweigend den Kopf, sie wollte eben etwas hastig entgegnen, da besann sie sich in ihrer Großmut eines besseren.
Der arme Konrad! Er kämpfte ja ohnehin einen verlorenen Kampf, sollte man ihm den noch schwerer machen?
Sie schlürfte also schweigend ihren Kaffee weiter, und wie herausfordernd sie der Bruder auch ansah, es nützte ihm nichts, sie blieb ruhig.
Dessen Grimm verrauchte inzwischen. Er sah Friedel ungewiß an. Sie hatte noch kein Wort gesagt, aber die großen grauen Augen sahen ernst, fast traurig in die Ferne, und das Gesichtchen war ganz blaß.
»Jungchen!«
»Vaterherz?«
Wie unendlich sanft die liebe Stimme klang! Ihm wurde windelweich ums Herz. Er öffnete die Arme, und sein Kind flüchtete hinein.
Und nun brach's aus dem Kindesherzen vor, alles, alles, was sich da angesammelt hatte alle die Wochen, was wohl oft bis zu den Lippen gedrungen war, aber niemals darüber hinaus. Heute drängte es ans Licht. Friedel konnte nichts Unausgesprochenes zwischen sich und dem geliebten Vater dulden. Er sollte sein Kind durch und durch kennen und danach wieder an sein großes, gutes Herz nehmen.
Wie Weinen und Schluchzen, wie Stammeln und Frohlocken, wie Flehen und Beschwören kam's über die rosigen Lippen, unzusammenhängend – unaufhaltsam.
»Vaterherz, ich hab' dich ja so lieb – so lieb, aber ihn auch – ihn auch! Laß mich doch lernen und mich vorbereiten, daß ich ihm sein kann, was ich sein muß. Sieh, ich weiß ja am, besten, was mir fehlt. Deine Schuld ist's nicht, weiß Gott nicht. Du hast deinen Jungen so glücklich gemacht, so von Herzen glücklich. Aber jetzt, Vaterherz –« eine lichte Röte überzog allmählich das ganze Gesicht und die Augen leuchteten –, »jetzt ist noch ein andres Glück an dein Kind herangetreten, das andres von ihm verlangt. Zweierlei kann ich nicht sein, Vaterherz, willst du das begreifen? Nicht – nicht – dein Junge und – und seine Frau!«
Da war's heraus. Der Papa war zusammengezuckt und hatte versucht, Friedel von sich zu schieben. Die aber klammerte sich nur umso fester an ihn.
»Versteh' mich doch recht, Väterchen, o versteh' mich recht,« flehte sie in rührenden Tönen. »Dein Kind will ich ja sein, dein dich innig, innig liebendes Kind. Mit jedem Atemzug, mit jedem Herzschlag will ich dir beweisen, wie lieb ich dich habe. Aber sei mir nicht böse, deinen Jungen muß ich dir nehmen und ein Mädel daraus machen, daß er eine richtige Frau kriegt, die er lieb haben kann. Kannst du dich denn nicht in diesen Gedanken hineinfinden, Vaterherz?«
Das liebe Gesicht sah ihn so beweglich an, und doch, ganz hinten in den Augen, da blitzte der Schelm, und er saß auch schon in den Mundwinkeln, die noch vom Weinen verräterisch zuckten.
»O du glückseliger, jungfrischer Apriltag,« mußte er denken, der alte Mann, der da nichts sagen konnte, weil er seiner Stimme nicht traute, und nur sein Kind fester und fester an sich zog.
Aber Friedel verstand diese Antwort. Glückselig schmiegte sie sich an den Papa.
Tante Lenchen war lange zuvor schon sehr leise hinausgegangen. Wo zwei sich etwas zu sagen haben, da läßt man sie am besten allein.
Seitdem war »Jungchen« verschwunden aus Papa Poltens Lexikon. Rief er sein Kind, so war es »Friedel« oder auch »mein Kind«.
Klaus von Rödern fiel es auf. Als er aber seine kleine Braut danach befragte, schloß diese ihm mit einem Kuß den Mund.
»Frag nicht, Klaus,« sagte sie dann schelmisch, »willst du?«
Und er fragte nicht wieder. Wenn man die Antwort kennt oder sie sich doch zusammenreimen kann, so wird die Frage überflüssig.
Und so war der Weihnachtsabend herangekommen, für Friedel viel zu frühe, denn sie hatte unendlich viel Geheimnisvolles vorzubereiten, und war in diesen Tagen ganz blaß geworden.
Klaus sah es und mahnte: »Übertreib's nicht, mein Lieb. Mir sind deine roten, frischen Wangen lieber, als die größte Weihnachtsüberraschung.«
»Wo denkst du hin, du eingebildeter Mann,« entgegnete lachend Friedel, »für dich fällt gar nichts ab. Sollte mir noch fehlen, habe schon mit Väterchen und der Tante meine liebe Last. Puh, die Nadel und ich, wir stehen noch immer auf gespanntem Fuß!«
Klaus lachte und wollte sie haschen.
Flink wie eine Eidechse sprang sie davon und mahnte noch: »Geh rauchen mit Papa. Ich muß noch was fertig machen. Christkindlein erwartet mich.«
Und gehorsam ging er rauchen. Er und Papa Polten waren jetzt die besten Freunde. Der Papa ließ ihn nicht entgelten, was er durch ihn missen mußte, auch in Gedanken nicht.
»Allein, Klaus?« fragte er aus seinen Dampfwolken heraus.
»Friedel hat mich fortgeschickt; sie hätte zu tun, sagt sie.«
»Hm, hm! Wohl wieder Frauenzimmerkram, was?«
»Weiß' nicht, Papa. Von der Nadel hat sie etwas gesagt, sonst hat sie sich nicht ausgesprochen.«
»Alle Wetter!« Papa Polten schüttelte sich. »Nimm dir 'ne Pfeife, Klaus! Das einzige Frauenzimmer in der Welt, auf das man sich verlassen kann; wirst's auch noch erfahren!«
Klaus lachte und brannte sich eine Pfeife an, und die beiden dampften um die Wette. Sie räucherten die Stube dermaßen ein, daß Friedel, die nach einiger Zeit erschien, voll Entsetzen ein Fenster aufriß.
»Auch so 'n neumodischer Kram!« brummte der Papa, »früher –«
»Früher hast du allein gedampft, Vaterherz, jetzt hilft der da mit, und da wird's wirklich 'n bissel viel,« versetzte Friedel lachend, und strich dem Papa so zärtlich die Wange, bis sie einen seiner alten, guten Blicke erwischte. Dann kauerte sie sich ihm zu Füßen, legte den Kopf an seine Kniee, und den dreien war so wohl, so wohl.
Friedel zog nach einem Weilchen eine Häkelarbeit aus der Tasche, und mit einem Schelmenblick auf die andern fing sie an, daran herumzunesteln.
»Puh!« sagte der Papa und blies ihr eine Dampfwolke zu, daß sie ins Husten und Niesen kam.
»Stör mich doch nicht, Väterchen, 's ist für Tante Lenchen, seit zehn Jahren angefangen und muß doch nun endlich fertig werden!«
Klaus lachte.
»Laß dir doch Zeit; haben noch viele Jahre vor uns!«
Friedel hob nur mahnend den Finger und emsig schaffte sie weiter.
Tante Lenchen war in ihrem Leben nie glücklicher gewesen, und ihr Glück und ihr Triumph schienen den Höhepunkt zu erreichen, als Friedel eines Tages sagte: »Hör mal, Tantchen, ich hätte Lust, noch acht, vierzehn Tage zu Fräulein Hummel zu gehen. Einmal möchte ich Maschinennähen lernen, und dann hab' ich für Klaus doch die Decke zu sticken, das muß sie mir zeigen.«
Und dabei blieb es, und Fräulein Hummel und wer sonst in der Stunde war und Friedel von früher her kannte, konnte sich nicht genug wundern über die Wandlung, die mit ihr vorgegangen war.
Jetzt »rutschte« die Nadel mit dem Zünglein um die Wette, denn Friedel hatte seit ihren ersten Nähstudien an Lebhaftigkeit und munterem Wesen nichts eingebüßt.
Als Fräulein Hummel einmal eine diesbezügliche Bemerkung machte, lachte Friedel laut auf und sagte: »Ja, wer A sagt, muß auch B sagen! Hab' ich in den sauren Apfel gebissen, so will ich ihn jetzt wenigstens mit Anstand zu Ende essen. Nehme ich hier Blau oder Gelb?«
Die kleine Decke für Klaus versprach ein Kunstwerk zu werden, wenigstens in Friedels Augen, und nahm man noch hinzu, wie jeder Stich von Selbstzucht und Überwindung zeugte, was jede Figur an ehrlichem Wollen und eisernem Fleiß barg, so war es auch wirklich ein Kunstwerk, das verdiente, irgend einem an die Seite gestellt zu werden.
Ja, Friedel war musterhaft in jenen Tagen.
*
Heiligabend!
Die Dämmerung sank hernieder, schon sehr frühe, denn der Tag war grau. Leise, leise fiel Flocke um Flocke vom Himmel und bettete sich sachte, sachte, wo sie eben hintraf, auf Straße, Busch und Baum, auf Giebel und First, auf jeder Kante und jeden Vorsprung. Allmählich hüllte sich die Erde still und feierlich in ihr weißes Festgewand, und still und feierlich zog die Christnacht herauf.
Friedel war den Tag über sehr geschäftig gewesen; jetzt hatte die Tante sie aus dem Bescherraum vertrieben.
Friedel war in ihr Zimmer geeilt, hatte noch allerlei vorgekramt, und hüllte sich jetzt selber in ihr Festgewand. Eilig und geschäftig trippelte sie hin und her, ordnete lange, lange – für die Friedel von früher unmenschlich lange – an sich herum. Das Haar namentlich wollte ihr heute gar nicht parieren. Zuletzt aber mußte doch alles gut sein, denn sie sah ganz wohlgefällig in den Spiegel, blies die Kerze aus und flog die Treppe hinab ins Wohnzimmer, wo's noch dunkel war.
Eine hohe Gestalt stand am Fenster und wendete sich ihr zu.
»Guten Abend, Lieb,« sagte eine tiefe Stimme, die sie nur zu gut kannte. Ein Arm umfaßte sie.
Während die beiden noch mit der Begrüßung beschäftigt waren, tat sich die Tür zum Nebenzimmer auf und eine blendende Helle übergoß das Paar.
Die Tante und der Papa standen auf der Schwelle.
»Nur immer 'ran, meine Herrschaften!« rief Papa Poltens jovialer Baß.
Klaus führte seine kleine Braut nun feierlich dem festlichen Weihnachtskerzenglanz entgegen.
Und wie sie an seiner Seite dahinschritt, sittig, fast verschämt, da staunten Vater und Tante sie an wie eine fremde Erscheinung.
Was hatte das Kind?
In weichen Falten umgab der weiße Wollstoff die zarte, schlanke Gestalt, eine liebliche Röte lag auf dem feinen, schmalen Gesicht, in den großen, tiefen Augen schien sich ein Abglanz des Kerzenschimmers verfangen zu haben, sie strahlten und leuchteten mit dem um die Wette. Das Köpfchen hatte Friedel gehoben, ja leicht hintenüber geworfen, und da – ja nun merkten sie alle, was Friedel so fremd erscheinen ließ. Statt daß die Kraushaare, die in letzter Zeit ungebührlich lang geworden waren, sich wie sonst über der klaren Stirne trotzig bauschten, hatte Friedel sie heute in weichen Wellen zurückgenommen, am Hinterkopf zusammengefaßt und dort in losem Knoten befestigt. Es stand ihr allerliebst, gab ihr so etwas Weiches, Mädchenhaftes.
Klaus entdeckte es ebenfalls, und er konnte nicht anders, er mußte seine kleine Braut dafür erst einmal abküssen.
Da kam er aber schön an.
»I wo,« rief Friedel, »jetzt muß ich zu Christkindchen! Denkst du, jetzt hab' ich Zeit für dergleichen?«
Und fort war sie. Der Blick aber, den sie ihm vorher noch zugeworfen hatte, mußte wohl anderes gesagt haben, denn Klaus schien gar nicht gekränkt.
Der Papa hatte sich bei der Entdeckung der veränderten Haartracht des Kindes erst geräuspert, als ob er etwas sagen wolle, dann hatte er aber nur geseufzt – es war ja nun schon so, was sollte da noch helfen? Seinen Jungen hatte er hergeben müssen, ganz und für immer, das war ihm schon lange klar – wenn nun das Kind nur glücklich war.
Und das war sie!
Eben flog sie mit strahlenden Augen auf ihn zu.
»Väterchen, mein Väterchen, wie dank' ich dir, wie dank' ich dir! Du hast dich ja selbst übertroffen! Das soll alles ich haben? All das viele Silber und Leinen, den Teppich und das wundervolle Bild? Woher hast du gewußt, daß ich die Defreggersche Madonna so liebe? Und weißt du weshalb? Erinnert sie dich nicht ganz an Lisa, unsre Lisa? Nachher packen wir ihr Kistchen aus und lesen ihren Brief, ja, Vaterherz? Dann ist sie gleich mitten unter uns. Und die gute Tante. Dies prachtvolle Eßservice! Zu schön, nicht? Veilchen, Flieder und Primeln! Der reine Frühling. Nein, wie ihr mich verwöhnt! Wie, das soll auch mein sein?«
Klaus war herzugetreten und hatte seiner kleinen Braut stillschweigend eine vielreihige Schnur echter Perlen, von einem wunderbar feingearbeiteten Goldfiligranschloß gehalten, um den Hals gelegt.
»Das ist ein Erbstück meiner Mutter, Lieb. Ich weiß, sie würde es mit Freuden selbst um deinen Hals gelegt haben. Gib ihrem Andenken einen kleinen Raum in deinem Herzen; sie war eine gute Frau und hat mich sehr lieb gehabt.«
Er schwieg einen Augenblick.
Friedel sah zu ihm auf, in den strahlenden Augen standen Tränen.
»Das will ich, Klaus! Ihr Andenken soll mir lieb und wert sein, und ihre Perlen will ich sehr in Ehren halten!«
Er preßte Friedel stumm an sich. Dann haschte er ihre Hand und streifte einen einfachen Goldreif, den ein einziger, großer, schimmernder Brillant schmückte, über ihren Finger.
»Und dies nimm von mir! Ich möchte mein Kleinod ganz in Gold fassen können.«
Friedel war ganz verlegen geworden und versuchte zu lachen, was ein bißchen mißglückte.
»Nettes Kleinod, was, Vaterherz? Hast du gewußt, daß dein – dein Friedelkind ein Kleinod ist, ja? Er sagt's« – mit einem Schelmenblick auf Klaus –, »drum muß es wohl wahr sein! Und nun laßt mal sehen, was dies Kleinod für seine Liebsten dagegen zu schenken hat!«
Sie kramte aus einer Ecke des Zimmers einen Korb vor, den sie langsam öffnete.
»Hier für den Papa: drei Hemden – selbst genäht!« – Friedel blies sich auf wie ein Truthahn – »hier für die Tante: gehäkelter Schoner, nach zehneinhalb Jahren endlich vollendet – selbst vollendet –« sie schwoll immer mehr vor Stolz –, »hier für Klaus: diese Decke! Jeder Stich selbst gestichelt – uff! – 's ist mir sauer geworden, aber hier – Voilà! Was sagt ihr nun?«
Und sie tanzte um die drei Beschenkten herum, hüpfte, klatschte in die Hände, drehte sich um sich selber, ganz der ausgelassene Kobold von früher.
Und sie bedankten sich sehr, die drei Beschenkten. Klaus konnte sich im Bewundern der Decke nicht genug tun, und Friedel stand dabei, glührot und freudestrahlend wie ein kleines Kind, dem man sein Erstlingswerk über den grünen Klee lobt. Und naiv wie ein Kind nahm sie das Lob – schien's ihr ja doch selber ein Wunder, daß sie, just sie, die tolle Friedel, all dies gemacht hatte.
Sie sollten sich nur bedanken, sie hatte es auch verdient.
Die Tante strahlte, und der Papa war ganz gerührt.
»Das hast du alles selbst gemacht, J –?« er hätte beinahe »Jungchen« gesagt, verbesserte sich aber noch rasch, – »Friedel, mein Kind? Jeden Stich? Alle Achtung! Na, Lenchen, was sagst du nun? Hab' ich's nicht immer gesagt: die wird –"
Der alte Herr schmunzelte und sah Tante Lenchen herausfordernd an. Trotz dieser offenbaren Entstellung der Tatsachen blieb Tante Lenchen ruhig. Ein Streit lohnte nicht, heute nicht, sie war zu glücklich. Sie nickte nur mild vor sich hin.
»Je ja, je ja, das Kind hat's eben doch in sich gehabt, da konnte keine noch so verkehrte Erziehung gegen an,« sagte sie leise.
»Verkehrte Erziehung, wieso?« trumpfte der alte Herr auf. »Bei dem Resultat!«
»Wohl dein Verdienst, was?« Es klang etwas spitz.
Ein Engel war Tante Lenchen noch lange nicht, und die längste Langmut nimmt ein Ende, wenn der Besiegte, den man großmütig schont, durchaus nicht zum Bewußtsein seiner Niederlage kommen will.
Papa begnügte sich damit, die Achseln zu zucken.
»Der Klügste gibt nach,« brummte er.
»Namentlich wenn er sieht, daß er sich in einer Sackgasse verrannt hat,« bestätigte Tante Lenchen ironisch.
»Und nun zu Tisch, meine Herrschaften, wenn ich bitten darf!«
Friedel rief's von der Tür des Eßzimmers her, wo sie kurz zuvor verschwunden war, um nach dem Rechten zu sehen.
Man folgte der Aufforderung schleunig, und der Papa und Tante Lenchen begruben vorläufig das Kriegsbeil.
Kurz darauf saß man drinnen am hübsch mit Christrosen und Tannengrün gezierten Tisch.
»Alles Friedels Werk,« sagte die Tante wohlgefällig.
»Und selbst gekocht habe ich auch,« rühmte sich Friedel, »und sollt mal sehen, lecker! Der Klaus soll doch nicht die Katze im Sack kaufen! Paß gut auf, Klaus, noch wär's Zeit, sich anders zu besinnen,« so neckte der Schalk, und die Schelmenaugen sprühten und leuchteten.
Und was Friedel den Ihren vorsetzte, war gut geraten, das mußte selbst die Tante zugeben, die im Gedenken alter, toller Zeiten von jeder Schüssel, die ihr gereicht wurde, vorsichtig prüfend kostete.
Friedel merkte es und lachte: »Die schönen Zeiten sind vorüber, Tantchen, und daran ist bloß der böse, lange Mensch dort schuld!«
Ein leuchtender Blick traf Klaus.
»Gott sei Dank!« seufzte die Tante.
Das leckere Mahl, »Friedels Schlußexamen«, wie sie's lachend nannte, war vorüber. Die vier saßen behaglich beisammen unter dem Weihnachtsbaum, dessen Kerzen Friedel noch einmal angezündet hatte.
Die beiden Herren dampften, Tante Lenchen legte sich behaglich eine Patience, und Friedel starrte träumerisch den Baum an, wo eben ein Lichtchen nach dem andern knisternd erlosch, und sich dann jedesmal der kräftige Duft angebrannter Fichtennadeln verbreitete.
Lisas Kistchen, dessen Inhalt schon gebührend bewundert worden war, stand ausgepackt neben ihr, und sie hielt deren Brief in der Hand.
»Lies uns doch auch, was Lisa schreibt,« mahnte endlich die Tante, »sie verweist uns alle auf den Brief an dich.«
Friedel wurde etwas verlegen.
»Lies doch selbst, Tantchen,« sagte sie und reichte ihr den Brief hin.
Klaus haschte ihn.
»Darf ich?«
»Meinethalben!«
Friedel war sehr rot geworden. Sie setzte sich neben den Papa und legte den Kopf an seine Schulter.
Erst kamen Stellen, die Geschenke betreffend, Weihnachtswünsche und dergleichen, Klaus ging leicht darüber hin. Dann las er mit erhobener Stimme: »Und zu Deiner Hochzeit, kleine, liebe Friedel, hoffen wir, Werner und ich, uns losmachen zu können. Ich muß mein Schwesterlein doch zum Altar geleiten, wie sie es einst bei mir getan hat, weißt Du noch, kleine Friedel?«
Ein neckender Blick von Klaus flog zu Friedel hin, die aber hatte das Gesichtchen längst an des Vaters Schulter geborgen und der Blick glitt ab. Klaus fuhr fort: »Nur um eins wollten wir bitten, den Hochzeitstag bis zum Mai zu verschieben. Ich hörte etwas von Deinem Geburtstag, kleine Braut – wenn ich nicht irre, schrieb's Klaus an Werner – so frühe im Jahr aber kann Werner keinenfalls schon reisen. Also, ja?«
»Also, ja?« wiederholte Klaus fragend nach Friedel hin.
Friedel hob das Köpfchen nicht, aber Klaus mußte ihre schweigende Zustimmung doch herausgefühlt haben, denn leuchtenden Auges erhob er sich mit einem raschen Blicke nach der Uhr, um sich dann für heute zu verabschieden.
»Ich muß fort, ihr Lieben, es geht schon auf Mitternacht, sonst hat Friedel morgen trübe Augen, und Tante Lenchen Kopfweh! Gute Nacht, Papa; gute Nacht, Tante! noch tausend Dank für alles. Kommst noch einen Augenblick mit, Lieb?«
In der war der Schelm wach.
»Weiß nicht. Schickt sich wohl nicht?« sagte sie mit neckendem Seitenblick nach der Tante.
War aber schon bei der Tür, noch ehe die Tante recht begriff, daß ihr die Neckerei galt.
Der Papa lachte in sich hinein.
Und da war die Tür schon hinter den beiden zu.
Man hörte Friedels helles Plaudern und Lachen draußen im Treppenhaus schallen.
Dann war's eine Weile still. Unten an der Haustür mußte es irgend einen Aufenthalt gegeben haben.
Jetzt hörte man deutlich wie die große alte Tür sich kreischend und schwerfällig in den Angeln drehte. Noch ein kleiner Moment – ein helles Zwitschern und Lachen und sie fiel dröhnend zu.
Leichte Schritte huschten über die Treppe empor. Friedel erschien im Türrahmen, lachend, leuchtend.
»Da bin ich wieder!«
Und sie eilte zum Fenster.
Gleich darauf hörte man draußen im Hofe Hufschläge, die immer entfernter klangen, nach und nach ganz verhallten.
Friedel stand still am Fenster und lauschte in die schweigende Christnacht hinaus.
Tante Lenchen hatte sich gleichfalls zurückgezogen, und nach einem Weilchen legte der Papa die Pfeife weg und trat zu seinem Kind ans Fenster. Er legte den Arm um die liebe Gestalt, und Friedel lehnte den Kopf an seine Schulter.
So standen Vater und Kind.
Einmal streichelte der alte Herr mit der freien Hand über das Köpfchen an seiner Schulter, da kriegte er just den ihm fremden Haarknoten zu fassen. Papa Polten konnte nicht anders, er seufzte tief auf: »Was ist aus Papas Junge geworden!«
»Ein ganz unbändig glückseliges Mädel, Vaterherz!«
Und Friedel legte beide Arme um seinen Hals und preßte das glühende Gesicht an seine Wange.
Was wollte er mehr, der alte Mann?
Er zog sein Kind an sich, fest und fester.
Und draußen setzten in diesem Augenblick die Christglocken ein; »Freude auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen!«