Heinrich von Kleist
Der zerbrochene Krug
Heinrich von Kleist

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Vierter Auftritt

Der Gerichtsrat Walter tritt auf. Die Vorigen.

Walter
Gott grüß Euch, Richter Adam.

Adam
Ei, willkommen!
Willkommen, gnäd'ger Herr, in unserm Huisum!
Wer konnte, du gerechter Gott, wer konnte
So freudigen Besuches sich gewärt'gen.
Kein Traum, der heute früh Glock achte noch
Zu solchem Glücke sich versteigen durfte.

Walter
Ich komm ein wenig schnell, ich weiß; und muß
Auf dieser Reis', in unsrer Staaten Dienst,
Zufrieden sein, wenn meine Wirte mich
Mit wohlgemeintem Abschiedsgruß entlassen.
Inzwischen ich, was meinen Gruß betrifft,
Ich meins von Herzen gut, schon wenn ich komme.
Das Obertribunal in Utrecht will
Die Rechtspfleg auf dem platten Land verbessern,
Die mangelhaft von mancher Seite scheint,
Und strenge Weisung hat der Mißbrauch zu erwarten.
Doch mein Geschäft auf dieser Reis' ist noch
Ein strenges nicht, sehn soll ich bloß, nicht strafen,
Und find ich gleich nicht alles, wie es soll,
Ich freue mich, wenn es erträglich ist.

Adam
Fürwahr, so edle Denkart muß man loben.
Ew. Gnaden werden hie und da, nicht zweifl ich,
Den alten Brauch im Recht zu tadeln wissen;
Und wenn er in den Niederlanden gleich
Seit Kaiser Karl dem Fünften schon besteht:
Was läßt sich in Gedanken nicht erfinden?
Die Welt, sagt unser Sprichwort, wird stets klüger,
Und alles liest, ich weiß, den Puffendorf;
Doch Huisum ist ein kleiner Teil der Welt,
Auf den nicht mehr, nicht minder, als sein Teil nur
Kann von der allgemeinen Klugheit kommen.
Klärt die Justiz in Huisum gütigst auf,
Und überzeugt Euch, gnäd'ger Herr, Ihr habt
Ihr noch so bald den Rücken nicht gekehrt,
Als sie auch völlig Euch befried'gen wird;
Doch fändet Ihr sie heut im Amte schon,
Wie Ihr es wünscht, mein Seel, so wärs ein Wunder,
Da sie nur dunkel weiß noch, was Ihr wollt.

Walter
Es fehlt an Vorschriften, ganz recht. Vielmehr
Es sind zu viel, man wird sie sichten müssen.

Adam
Ja, durch ein großes Sieb. Viel Spreu! Viel Spreu!

Walter
Das ist dort der Herr Schreiber?

Licht
Der Schreiber Licht,
Zu Eurer Gnaden Diensten. Pfingsten
Neun Jahre, daß ich im Justizamt bin.

Adam bringt einen Stuhl.
Setzt Euch.

Walter
Laßt sein.

Adam
Ihr kommt von Holla schon.

Walter
Zwei kleine Meilen – Woher wißt Ihr das?

Adam
Woher? Ew. Gnaden Diener –

Licht
Ein Bauer sagt' es,
Der eben jetzt von Holla eingetroffen.

Walter
Ein Bauer?

Adam
Aufzuwarten.

Walter
– Ja! Es trug sich
Dort ein unangenehmer Vorfall zu,
Der mir die heitre Laune störte,
Die in Geschäften uns begleiten soll. –
Ihr werdet davon unterrichtet sein?

Adam
Wärs wahr, gestrenger Herr? Der Richter Pfaul,
Weil er Arrest in seinem Haus empfing,
Verzweiflung hätt den Toren überrascht,
Er hing sich auf?

Walter
Und machte Übel ärger.
Was nur Unordnung schien, Verworrenheit,
Nimmt jetzt den Schein an der Veruntreuung,
Die das Gesetz, Ihr wißts, nicht mehr verschont. –
Wie viele Kassen habt Ihr?

Adam
Fünf, zu dienen.

Walter
Wie, fünf? Ich stand im Wahn – Gefüllte Kassen?
Ich stand im Wahn, daß Ihr nur vier –

Adam
Verzeiht!
Mit der Rhein-Inundations-Kollekten-Kasse?

Walter
Mit der Inundations-Kollekten-Kasse!
Doch jetzo ist der Rhein nicht inundiert,
Und die Kollekten gehn mithin nicht ein.
– Sagt doch, Ihr habt ja wohl Gerichtstag heut?

Adam
Ob wir –?

Walter
Was?

Licht
Ja, den ersten in der Woche.

Walter
Und jene Schar von Leuten, die ich draußen
Auf Eurem Flure sah, sind das –?

Adam
Das werden –

Licht
Die Kläger sinds, die sich bereits versammeln.

Walter
Gut. Dieser Umstand ist mir lieb, ihr Herren.
Laßt diese Leute, wenns beliebt, erscheinen.
Ich wohne dem Gerichtsgang bei; ich sehe,
Wie er in Eurem Huisum üblich ist.
Wir nehmen die Registratur, die Kassen
Nachher, wenn diese Sache abgetan.

Adam
Wie Ihr befehlt. – Der Büttel! He! Hanfriede!


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