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Mein Herr,
Der Erfinder der neuesten Quinenlotterie hat die aufgeklärte Absicht gehabt, die aberwitzige Traumdeuterei, zu welcher, in der Zahlenlotterie, die Freiheit, die Nummern nach eigner Willkür zu wählen, Veranlassung gab, durch bestimmte und feststehende Lose, die die Direktion ausschreibt, niederzuschlagen.
Mit Bedauern aber machen wir die Erfahrung, daß diese Absicht nur auf sehr unvollkommene Weise erreicht wird, indem der Aberglauben, auf einem Gebiet, auf dem man ihn gar nicht erwartet hatte, wieder zum Vorschein kommt.
Es ist wahr, die Leute träumen jetzt keine Nummern mehr; aber sie träumen die Namen der Kollekteurs, bei denen man setzen kann. Die gleichgültigsten Veranlassungen nehmen sie, in einer Verkettung von Gedanken, zu welchen kein Mensch die Mittelglieder erraten würde, für geheimnisvolle Winke der Vorsehung an. Verwichenen Sonntag nannte ich den David, auf der Kanzel, einen gottgefälligen Mann; nicht den Kollekteur dieses Orts, wie Dieselben leicht denken können, sondern den israelitischen König, den bekannten Sänger der frommen Psalmen. Tags darauf ließ mir der Kollekteur, durch einen Freund, für meine Predigt, scherzhafter Weise danken, indem alle Quinenlose, wie er mir versicherte, bei ihm vergriffen worden wären.
Ich bitte Sie, mein Herr, diesen Vorfall zur Kenntnis des Publikums zu bringen, und durch Ihr Blatt, wenn es möglieb, ist, den Entwurf einer anderweitigen Lotterie zu veranlassen, die den Aberglauben auf eine bestimmtere und so unbedingte Weise, als es der Wunsch aller Freunde der Menschheit ist, ausschließe.
F . . ., den 15. Okt. 1810
Geschäfte von bedeutender Wichtigkeit halten uns ab, selbst an den Entwurf einer solchen Lotterie zu denken.
Inzwischen wollen wir, zur Erreichung dieses Zwecks, soviel in unsern Kräften steht, von Herzen gern beförderlich sein.
Wir setzen demnach einen Preis von 50 Rtlr. auf die Erfindung einer solchen Lotterie.
Die Mathematiker, die sich darum bewerben wollen, haben ihre Entwürfe, mit Devisen versehen, an uns einzusenden.
Berlin, den 22. Okt. 1810
Die Redaktion der Abendblätter.
Nach einer heute geschehenen öffentlichen Bekanntmachung wird nunmehr das große medizinische, chirurgische Klinikum der Universität unter der Direktion der Herrn Professoren Reil und Gräfe am 5. November [1810] eröffnet. Eine Anstalt ganz von der Art und Beschaffenheit, ähnlich dem berühmten Wiener Institut, hatte bis jetzt Berlin, bei allem was auch bisher für die Pflege der praktischen Arzneikunde geschehen war, gefehlt, und es verdient den ehrerbietigsten und lebhaftesten Dank des Publikums, daß der landesväterliche König durch Einrichtung einer solchen, mit den bedeutendsten Kosten verbundenen Anstalt und durch Anstellung solcher ausgezeichneten Männer dabei, abermals einen Beweis seiner treuen unablässigen Sorge für das Wohl seiner Untertanen gegeben hat.
Die heutigen französischen Blätter bringen die für den ganzen Kontinent von Europa so wichtige Nachricht, von dem durch den Tod der Prinzessin Amalie veranlaßten Rückfall des Königs von England in seine alte Krankheit. Allen Bulletins zufolge scheint der Anfall so heftig, als der im Jahr 1790. Sr. Majestät haben die Prorogatur des Parlament in eigner Person nicht vollziehen können und sind überhaupt zu allen Geschäften völlig unfähig: wenn am 15. November, dem Tage der Eröffnung des Parlaments, die Herstellung noch nicht erfolgt ist, so sieht man den fürchterlichsten Parteikämpfen, der Einsetzung einer Regentschaft, und, mit Hülfe der großen Krise, die das Genie Napoleons über Großbritannien zusammen zu ziehn gewußt hat, einer entscheidenden Wendung in den Schicksalen der Welt entgegen. Es ist keinem Zweifel unterworfen, daß England einer Revolution entgegen geht: die Emanzipation der irländischen Katholiken und die Parlamentsreform werden erfolgen, sobald der mächtige Damm verschwunden ist, welchen der Wille des Königs ihnen entgegen setzte: und daß alsdann ganz andere gesellschaftliche und politische Verhältnisse eintreten, daß, wenn die britische Konstitution umgestürzt ist, wenn die innere Haltung dieses Staates verschwunden sein wird, die Unfähigkeit Englands die Kontinentalverhältnisse zu beurteilen, zu regieren und darauf zu influieren, an den Tag kommen wird, daß also Negoziationen eintreten müssen; – alles dies wird jedem Unterrichteten einleuchten.
In den öffentlichen Blättern las man vor einiger Zeit, daß auf der, an der Mündung dreier Flüsse zugleich, nämlich der Weser, Elbe und Eider, liegenden und mithin den Unterschleifshandel, zwischen England und dem Kontinent, bis zu den letzten kaiserlich-französischen Dekreten, äußerst begünstigenden Insel Helgoland, für 20 Mill. Pfund Sterl. Wert, an Kolonialwaren und englischen Fabrikaten aufgehäuft wäre. Wenn man erwägt, wie groß die Menschenmasse sein muß, die ein Gewerbe, von so beträchtlichem, man möchte sagen ungeheurem Umfange, auf diesen Platz zusammenzieht: so wird eine Nachricht, über die geographische und physikalische Beschaffenheit dieser Insel sehr interessant, die kürzlich in den Gemeinnützigen Unterhaltungs-Blättern gestanden hat: ein Journal, das überhaupt, wegen der Abwechselung an lehrreichen und ergötzenden Aufsätzen, und des ganzen Geistes, ernst und heiter, der darin herrscht, den Titel eines Volksblatts (ein beneidenswürdiger Titel!) mehr als irgend ein andres Journal, das sich darum bewirbt, verdient. Nach diesem Blatt (St. 43) beträgt der Umfang des tonartigen Felsens, worauf dies kleine, Bedrängnissen aller Art seinen Ursprung dankende Etablissement ruht, nicht mehr als ½ Meile; und auf der, dem zufolge nicht mehr als ¼ Quadratmeile betragenden Oberfläche, fanden, schon vor Ausbruch des Krieges, weder die Häuser, 400 an der Zahl, die darauf befindlich waren, noch die Familien, 430 an der Zahl, die sie bewohnten, gehörigen Platz. Schon Büsching gibt die Menschenmenge zu 1700 Seelen an; eine ungeheure Bevölkerung, die die beträchtlichsten in England und in den Niederlanden, von 4500 Seelen auf 1 Quadratmeile, um ein Drittel übersteigt. Dabei ist der hohe und steile, an drei Seiten vom Meere bespülte Felsen, worauf der Flecken gebaut ist, wegen seiner mürben, zwischen den Fingern zerreiblichen Substanz, durch die Witterung vom Gipfel zum Fuß zerspalten und zerrissen; dergestalt, daß, aus Furcht vor den Erdfällen und Zerbröckelungen, die sehr häufig eintreten, bereits mehrere, auf dem äußersten Rand schwebende Häuser haben abgebrochen werden müssen, und bei einem derselben, vor mehreren Jahren, wirklich der Flügel des Königl. Wachthauses, schon herabgestürzt ist. Die Besorgnis, den Felsen ganz sich auflösen und zusammenfallen zu sehen, hat den Rat schon längst die Notwendigkeit einer Abdachung empfinden lassen; aber der beschränkte Raum, den sein Gipfel darbietet, und der im umgekehrten Verhältnis damit stehende, ungeheure jährliche Wachstum der Bevölkerung, verzögern die Ausführung dieses Entschlusses von Jahr zu Jahr. Die Einrichtung der Häuser kleiner und kompendiöser zu machen, oder sie dichter an einander zu rücken, oder die Straßen, die dadurch gebildet werden, zu verengen, ist unmöglich; denn die ein Stock hohen Häuser enthalten nicht mehr, als ein Zimmer, eine Kammer, eine Küche und eine Speisekammer, und die Straßen sind schon, ihrer ersten Anlage nach, so eng, daß kein Fuhrwerk sie passieren, und höchstens nur eine Leiche hindurch getragen werden kann. Gegen Südost befindet sich zwar noch ein kleines dünenartiges Vorland oder Unterland, auf dessen höchstem Punkt dicht an der Felswand noch 50 Häuser angenistelt sind; aber die Flut, so oft sie eintritt, überschwemmt diese Düne, und bei Stürmen und Ungewittern droht der Wachstum derselben, die Häuser, die darauf befindlich sind, gänzlich hinwegzuspülen. Erwägt man hierbei, daß der Felsen ganz unfruchtbar ist; daß auf dem Vor- oder Unterland, zwischen den Häusern, der einzige süße trinkbare Quell entspringt; daß man sich im Flecken selbst, mit bloßem Regenwasser behelfen, und an heißen Sommertagen, über eine Treppe von 191 Stufen herabsteigen muß, um daraus zu schöpfen; daß nur einige Johannisbeersträucher, ein wenig Gerste (400 Tonnen nach Büsching) und Weide fürs Vieh, auf der Oberfläche des Felsens wachsen; daß innerhalb des hohen, vor Stürmen einigermaßen gesicherten, Hofes des Predigerhauses der einzige Baum befindlich ist (ein Maulbeerbaum); daß demnach, vom Ursprung dieses Etablissements an, alle Bedürfnisse, auch die ersten und dringendsten, aus den, sechs und zehn Meilen fernen Häfen des festen Landes, geholt werden mußten; daß durch den Krieg und die unerbittliche Sperrung des Kontinents der Insel diese Zufuhr gänzlich abgeschnitten ist; daß mithin, bis auf Fleisch, Butter, Bier, Salz und Brot, alles, mit unverhältnismäßig mühevollen Anstrengungen, aus den Häfen von England herübergeschafft werden muß: so gehört dieser, um einen Wert von 20 Mill. Pfund Sterling, spielende, kontinuierliche, an Leben und Bewegung alle Messen des Kontinents übertreffende Handel, der auf dieser öden, nackten, von der Natur gänzlich vernachlässigten Felsscholle, inmitten des Meers, sein Warenlager aufgeschlagen hat (nun aber wahrscheinlich Bankerott machen wird), gewiß zu den außerordentlichsten und merkwürdigsten Erscheinungen der Zeit.
hk.
Eine der interessantesten Kunstausstellungen für das bevorstehende Weihnachtsfest, wert, daß man sie besuche, und auch wohl, daß man etwas darin kaufe, ist vielleicht die Warenausstellung der, zum Besten der verschämten Armen beiderlei, doch vorzüglich weiblichen Geschlechts errichteten Kunst- und Industriehandlung, von Mad. Henriette Werkmeister, Oberwallstraße Nr. 7. Es hat etwas Rührendes, das man nicht beschreiben kann, wenn man in diese Zimmer tritt; Scham, Armut und Fleiß haben hier, in durchwachten Nächten, beim Schein der Lampe, die Wände mit allem was prächtig oder zierlich oder nützlich sein mag, für die Bedürfnisse der Begüterten, ausgeschmückt. Es ist, als sähe man die vielen tausend kleinen niedlichen Hände sich regen, die hier, vielleicht aus kindlicher Liebe, eines alten Vaters oder einer kranken Mutter wegen, oder aus eigner herben dringenden Not, geschäftigt waren: und man möchte ein Reicher sein, um das ganze Putzlager, mit allen Tränen, die darauf gefallen sein mögen, zu kaufen, und an die Verfertigerinnen, denen die Sachen doch wohl am besten stehen würden, zurückzuschenken.
Zu den vorzüglichsten Sachen gehören:
Vieler Kleider, unter welchen ein gesticktes Musselinkleid oben an, Tücher, Hauben, eine immer schöner als die andere, Strick-, Geld- und Tabaksbeutel, in allen Provinzen des Reichs zusammengearbeitet, das Ganze mehr denn 10 000 Taler an Wert, nicht zu erwähnen. – Wir laden die jungen Damen der Stadt, die begüterten sowohl als die unbegüterten ein, diese Anstalt zu besuchen, und glauben verbürgen zu können, daß sie diesen Gang weder in dem einen noch in dem andern Fall, umsonst tun werden.
Wenn man den Zweck der, in dem Edikt vom 28. Okt. d. J., dem Lande auferlegten Luxussteuern bedenkt –: wenn man erwägt, daß sie nicht ausgeschrieben worden sind, um die Hofhaltung eines ausgelassenen Fürsten oder die Tafel seines Günstlings, oder den Putz und die Haushaltung seiner Mätressen etc. zu bestreiten; wenn man erwägt, daß sie, im festen Vertrauen auf den Edelmut und den Gemeinsinn der Nation, als eine Art von patriotischem Beitrag, in Augenblicken dringender fast hülfloser Not, zur Rettung des Staats, erfordert worden sind: so wird ein Brief sehr merkwürdig, der uns, von unbekannter Hand, mit der Bemerkung, daß er gefunden worden, zugestellt worden ist. Wir teilen ihn ohne Abänderung unsern Lesern mit.
Bruderherz!
Was klagst du doch über die, in dem Edikt vom 28. Okt. d. J. ausgeschriebenen, neuesten Luxussteuern? Die Absicht und die Meinung, in der sie ausgeschrieben sind, lasse ich dahin gestellt sein; sie ist eine Sache für sich. Die Auslegung aber kömmt dem Publiko zu; und je öfter ich es überlese, je mehr überzeuge ich mich, daß es dich und mich gar nicht trifft.
Es ist wahr, ich halte 2 Kammerdiener und 5 Bediente; Haushofmeister, Kutscher, Koch und Kunstgärtner mit eingerechnet, beläuft sich meine Livree auf 12 Köpfe. Aber meinst du deshalb (denn der Satz im Edikt pro Mann beträgt 20 Tlr.), daß ich 240 Tlr. an die Luxussteuerkasse entrichten würde? Mitnichten! Mein Gärtner ist, wie du weißt, eigentlich mein Vizeverwalter, der Koch, den ich bei mir habe, ursprünglich der Bäcker des Orts; beide sind nur nebenher Gärtner und Koch; der Kutscher, der Jäger auch, der Friseur nebst Kammerdiener, und zwei Bediente sind, so wahr ich lebe, bloße Knechte; Menschen, die zu meinem Hofgesinde gehören, und die ich, wenn es not tut, auf dem Feld oder im Wald brauche. Da nun das Edikt (§ II, 10 a) sagt, daß Leute, die nur nebenher dienen, mehr nicht, als die Hälfte des Satzes und Knechte gar nichts zahlen: so bleibt für mich nur der Haushofmeister und zwei Bedienten als steuerpflichtig übrig: macht (à 10 Tlr.) 30 Reichstaler, oder drunter.
Ebenso, siehst du, mit den Hunden. In meinen Ställen, die Wahrheit zu sagen, befinden sich zwei auserlesene Koppeln; Doggen, die eine, echt englische, 17 an der Zahl; die andere besteht aus 30 Jagdkleppern; Hühnerhunde, Teckel und dergleichen rechne ich nicht. Aber meinst du, das Edikt sähe deshalb mich an mit 1 Tlr. pro Hund? Mitnichten! Diese Koppeln gehören meinem Jäger; und da das Edikt (§ II, 10 b) Hunde die eines Gewerbes wegen gehalten werden, von der Steuer ausnimmt: so bleibt für mich nur, als steuerverfallen, ein Pudel von der norwegischen Rasse, ein Mops und der Schoßhund meiner Frau: macht (à Hund 1 Tlr.) 3 Tlr. mehr nicht.
Ein Gleiches gilt von den Pferden! – Zwar, wenn es Markt ist, fährt meine Frau mit den vier holsteinschen Rappen nach der Stadt; das schwarze Silbergeschirr steht den zwei jungen Apfelschimmeln nicht übel und der Fuchs und der Braune gehn gut, wenn ich sie reite. Aber meinst du, daß dies darum, durch die Bank, Reit- und Kutschpferde wären, die ich, mit 15 Tlr. pro Stück, zu versteuern hätte? Mitnichten! Die Pferde, das weiß jedermann, brauch ich im Frühjahr und bei der Ernte; und da das Edikt (§ II, 10 c) von Gebrauchspferden nicht spricht: so prallt die Forderung auch hieher von mir ab und ich zahle nichts.
Endlich, was die Wagen betrifft! – Zwar die zwei englischen Batarden, die ich kürzlich gekauft, werde ich, ob ich sie gleich in Kreisgeschäften zuweilen brauche, mit 8 Tlr. pro Stück, versteuern müssen. Aber den Halbwagen und die drei in Federn hängenden Korbwagen mit Verdeck? Mitnichten! Den Halbwagen, an dem ich kürzlich die Achse zerbrach, verbrenn ich oder verkauf ich; und von den Korbwagen beweis ich, daß ich vergangenes Jahr Heu und Strauchwerk damit eingefahren, und die 2 Fahrzeuge mithin Acker- und Lastwagen sind. Mithin geht der Kelch der Luxussteuer auch hier an mir vorüber; und es bleibt, außer den Batarden, nur noch eine zweirädrige Jagdkalesche übrig, die ich mit 5 Tlr. (denn mehr beträgt es nicht) (§ II, 10 d) zu versteuern habe.
Lebe wohl!
Gäbe es der begüterten Staatsbürger, welche so denken, mehrere: so wäre es allerdings besser, weder die Luxus- noch irgend eine andere Steuer wäre ausgeschrieben worden. Denn ob ein Staat, der aus solchen Bürgern zusammengesetzt ist, besteht, oder ob er, von den Stürmen der Zeit, in alle Lüfte verweht wird: das gilt völlig gleichviel. Glücklicherweise aber fehlt es an wackern, der Aufopferung fähigen Leuten, die den Drang des Augenblicks und die Zweckmäßigkeit der Luxussteuer begreifen, im Lande nicht; und da obiger Brief nur die Verirrung einer einzelnen, isolierten Schlechtigkeit sein kann: so wollen wir, zur Rechtfertigung der besagten Maßregel, folgende Antwort darauf versuchen.
Mein Herr!
Wenn die Landesbehörde, welche die Steuer ausschrieb, streng gegen Sie sein wollte, so nähme sie Dieselben, vermittelst eines eigenen Spezialbefehls, von der Steuer aus. Sie ließe Ihren Namen da, wo er wahrscheinlich früh oder spät noch einmal zu lesen sein wird, anschlagen, und setzte darunter: dieser ist von der Steuer frei. Da jedoch Huld und Güte, seit undenklichen Zeiten, die Eigenschaft aller unserer Landesregierungen gewesen ist: so wird, meine ich, die ganze Maßregel, die sie in bezug auf Ihre Genossenschaft (falls Sie dergleichen haben) ergreifen dürfte, diese sein, daß sie durch Vergrößerung des Beamtenpersonale, die Kontrolle der Luxussteuer und der Verpflichtung sie zu bezahlen, schärft. Alsdann werden, wie sich von selbst versteht, die Kosten, die dieser neue erhöhte Etat veranlaßt, auf die Steuer geschlagen werden; und statt pro Bedienten 10 Tlr. und pro Pferd oder Hund 15 Tlr. oder 1 Tlr. werden Dieselben pro Bedienten vielleicht 12 Tlr. und pro Pferd oder Hund 16 Tlr. und 3 Tlr. zu bezahlen haben.
Der ich die Ehre habe zu sein
Dero Anonymus
Gestern früh um 4 Uhr wurde der Leichnam Ihrer Majestät der verewigten Königin, ganz in der Stille, aus dem hiesigen Dom, wo derselbe bisher gestanden, in die, zu diesem Zweck erbaute, Kapelle nach Charlottenburg gebracht. Der Sarg, auf welchem sich, wie an dem Tage der feierlichen Beisetzung, die Krone befand, wurde, von einigen königlichen Hausoffizianten, durch eine Reihe von Gardedukorps, die in dem Dom aufgestellt war, auf den, vor dem Domportal haltenden und mit acht Pferden bespannten, Leichenwagen gebracht. Se. Exzellenz, der Herr Gouverneur, Graf v. Kalkreuth, die Kammerherren Ihrer Majestät der verewigten Königin, und einige andere Herren, waren bei dieser Feierlichkeit gegenwärtig. Von hier aus ging der Zug, in einer finsteren, und gegen das Ende regnichten Nacht, unter Bedeckung einer Kompanie königlicher Fußgarde, durch die Linden, für deren Erleuchtung von neuem, auf beiden Seiten, gesorgt worden war, nach dem Brandenburger Tor; mehrere königliche Stallbediente mit Fackeln ritten nebenher. Der Zug kam, bei Anbruch des Tages, in Charlottenburg an, wo die hohe Leiche beigesetzt wurde, und der Probst Herr Ribbeck, in Gegenwart Sr. Majestät des Königs, der mit den Prinzen, seinen erlauchten Söhnen, von Potsdam herübergekommen war, zur Einweihung der Ihrer Majestät der verewigten Königin zum Begräbnisort dienenden Kapelle, eine passende Rede hielt. Das Schauspiel war an diesem Tage in Berlin geschlossen, und der ganze Hof, so wie mehrere andere, denen das Andenken an die beste Landesmutter noch im Herzen lebte, gingen schwarz. – Dem Publiko werden, wie es heißt, Tage bestimmt werden, an welchen ihm erlaubt sein wird, jene, die teuren Reste der königlichen Frau enthaltende, Kapelle zu Charlottenburg zu besuchen.
Es ist unverkennbar, daß die französische Gemeinde hiesiger Residenz ein Geist der Frömmigkeit und der Gottesdienstlichkeit auszeichnet, den wir den deutschen Gemeinden wohl wünschen möchten. – Daher zeigt sich auch in den wohltätigen Anstalten der französischen Kolonie, und überhaupt in allen Gemeindeangelegenheiten, ein musterhafter Wetteifer der Größten und Geringsten für alles Fördernde und Gute. – Und so hat es nicht fehlen können, daß einerseits das Bedürfnis dieser Gemeinde nach ausgezeichneten Kanzelrednern immer befriedigt worden, und daß andrerseits viele und distinguierte Glieder der deutschen Gemeinden sich in Rücksicht auf den sonntäglichen Gottesdienst an die französische angeschlossen haben.
Bei dieser Gelegenheit möchten wir fragen, warum in den sonntäglichen Kirchenlisten im Berliner Intelligenzblatte, die in den französischen Kirchen Predigenden nicht mehr wie vormals angezeigt werden, da doch in den Verzeichnissen der Aufgebotenen desselben Blattes die französischen Gemeinden nicht übergangen werden. Mehrere freiwillige Glieder dieser Gemeinde, die den Nachfolger des Herrn Staatsrat Ancillon, dieses vortrefflichen Kanzelredners, zu hören wünschten, haben nur mit Mühe erfahren können, daß er am ersten Weihnachtsfeiertage Vormittags in der Werderschen Kirche predigen wird.
Wenn in dem Edikt vom 27. Okt. [1810] die Aufhebung des laßbäuerlichen Verhältnisses angedeutet, und demjenigen Teil der Untertanen, der sich bisher keines Eigentums seiner Besitzungen erfreute, die Erteilung desselben angekündigt wird; so folgt, trotz der augenscheinlichen Wohltätigkeit dieser Maßregel und der heilsamen Wirkungen, die sich davon ohne Zweifel für jede Art ländlicher Industrie ergeben werden, doch nicht, daß dieselbe plötzlich und mit einem Schlage werde ins Leben gerufen werden.
Jede Beschränkung der Freiheit hat die notwendige Folge, daß der Beschränkte dadurch in eine Art von Unmündigkeit tritt. Wer seine Kräfte nicht gebrauchen darf, verliert das Vermögen, sie zu gebrauchen, und zwar, wenn es geistige Kräfte sind, noch rascher und sicherer, als wenn die Beschränkung sich auf bloß körperliche Kräfte erstreckt. Wenn nun die Schranken, die diese Kräfte hemmten, niederfallen: entsteht dadurch auch plötzlich wiederum, wie durch den Schlag einer Zauberrute, das Talent, davon die zweckmäßigste Anwendung zu machen? Keineswegs! Vielmehr durch die lange Dauer einer solchen Beschränkung kann der Mensch so zurückkommen, daß er gänzlich die Fähigkeit dazu einbüßt, und sich durch Aufhebung des Zwanges weit unglücklicher fühlt, als durch den Zwang selbst. Auch der Leibeigene wird ohne Zweifel anfangs stutzen, wenn er nicht, wie bisher, zur Zeit der Not, bei seinem Herrn Unterstützung findet, und, wenn er dienstfrei wird, die Zeit, welche er bisher im Frondienst beschäftigt war, nun zur Erwerbung seines eignen Unterhalts anwenden soll. Kurz, wird ein Mensch, dem so lange der Gebrauch gewisser Kräfte untersagt war, in deren freien Gebrauch wieder eingesetzt, so muß er erst lernen, von dieser Freiheit Gebrauch zu machen, so wie ein Blindgeborner, der durch die wohltätige Hand des Arztes sein Gesicht wieder erhielt, allmählich sehen lernen muß.
Diese Betrachtungen sind ohne Zweifel von der Regierung in Erwägung gezogen worden und wir führen sie hier nur an, um der Ungeduld derjenigen zu begegnen, welche die Publikation der Edikte über diesen Gegenstand nicht erwarten können.
Mein teurer Freund!
Aus der Kabinettsorder Sr. Majestät des Königs vom 28. Dezember v. J. haben Sie ersehen, daß, gegen die, zur Tilgung der Nationalschuld ergriffenen Maßregeln, eine ehrfurchtsvolle aber eindringliche Vorstellung, von Seiten der Stände des Stolpischen Kreises, eingegangen ist. Über den Inhalt jener Vorstellung gibt das königliche Schreiben keine weitere Auskunft; inzwischen wollen Sie aus guter Quelle wissen, daß der besagte Kreis darin über die indirekte Form der Besteurung geklagt habe; die Last der damit verbundenen Kontrollen legt er auseinander, und bringt am Schluß auf unerwartete Weise den Gedanken zur Sprache, lieber die ganze Quote der Kontribution, die auf seinen Teil fällt, bar innerhalb des Raums von sechs Monaten entrichten zu wollen. Wenn nun, fragen Sie, anzunehmen wäre, daß auch bei dem übrigen Teil der Stände, zur Erhaltung der alten Ordnung der Dinge, dieser Entschluß zur Reife gelangen könnte: warum griff die Regierung nicht sogleich, ohne irgend die Grundlage der Verfassung anzurühren, zu einem Mittel, das mit einem Mal den ganzen gordischen Knoten der Staatsaufgabe, auf die es ankommt, löst?
Ihnen zu Gefallen will ich einmal in die Meinung, als ob eine direkte Besteurung des Landes, behufs einer Abtragung der Nationalschuld, beides, ausführbar und zweckmäßig, wäre, eingehen. Ich will vergessen, daß in der Verfassung, so wie sie seit Friedrich dem Ersten bestand, mancherlei vorhanden war, das, auf ganz augenscheinliche Weise, einer Ausbesserung oder eines Umbaus bedurfte; ich will annehmen, daß die Tilgung der Nationalschuld der einzige und letzte Zweck aller Verordnungen gewesen wäre, die seit dem 27. Okt. v. J. im Umfange der Monarchie erschienen sind.
Fern sei von mir, zur Einleitung in das, was ich Ihnen zu sagen habe, in die auf allen Lippen ertönende Klage, über Mangel an Gemeingeist und Patriotismus einzustimmen! In einem Augenblick, wie der jetzige ist, scheint es mir doppelt unschicklich, diese Untugend der Zeit, wenn sie vorhanden sein sollte, anders anzuklagen, als durch die bessere Tat. Wer Vergangenheit und Zukunft ins Auge faßt, der ist mit der Gegenwart, als dem Mittelglied derselben, ausgesöhnt; und wenn ein beträchtlicher Zeitraum von Jahren verflossen ist, ohne daß die Kraft der Hingebung und Aufopferung für das Gemeinwesen wäre erprobt und geübt worden, so ist dies nur ein Grund mehr für mich, zu glauben, daß wir dem Zeitpunkt ganz nahe sind, wo ihm die größesten und herrlichsten Opfer, würdig der schönsten Beispiele der Vorzeit, werden gebracht werden.
Aber gesetzt, die Regierung hätte, Ihrem Vorschlage gemäß, ohne die Form der Verfassung, wie es geschehen ist, anzurühren, die Summe der Nationalschuld direkt, sei es nun unter der Form einer Anleihe oder einer Kontribution, von dem Lande eingefordert: mit welchem Geiste, meinen Sie, würde diese Anforderung wohl, bei der Erschütterung alles innerlichen Wohlstandes, von dem Lande aufgenommen worden sein? Würde man sich zu einer Kraftäußerung so außerordentlicher Art, schon vor acht Wochen, als man das Drückende, das in der Alternative lag, nicht kannte, so schlagfertig und bereitwillig gezeigt haben? Hatten die Stände, möcht ich fragen, damals diese Kraft schon, und ging nicht (ich berufe mich auf Sie selbst) von Mund zu Mund, auf nichts gestützt und doch nichtsdestoweniger allgemein, die Behauptung, daß die Kontribution die Kräfte des Landes bei weitem übersteige?
Wie nun, wenn der Gedanke, diese Kraft in dem Schoß der Nation zu erwecken und zu reifen, mit in die Waageschale gefallen wäre? Wenn man die Reaktion, die gegen den Inbegriff der erlassenen Verordnungen, auf ganz notwendige Weise, eintreten mußte, gar wohl berechnet hätte, und nicht sowohl der Buchstabe derselben, als vielmehr der Geist, den sie, infolge jener natürlichen Reaktion, annehmen würden, die Absicht und der Zweck der Regierung gewesen wäre? –
Boerhaave erzählt von einem Holländer, der paralytisch war, daß er, seit mehreren Jahren schon, nicht die Kräfte gehabt habe, die Türe seines Zimmers zu öffnen. Als aber zufällig Feuer in dem Zimmer entstand: hatte er die Kraft, ohne auch nur die Klinke oder den Schlüssel zu versuchen, die Türe, auf den ersten Anstoß, einzusprengen: er befand sich, ohne daß er angeben konnte, woher ihm das Vermögen dazu gekommen war, auf der offenen Straße, und war gerettet.
Der Himmel bewahre mich davor, der Regierung bei so viel preiswürdigen und gesegneten Schritten, die sie zum Aufbau einer besseren Zukunft tat, nichts als eine Absicht dieser sekundären Art unterzulegen; es gilt hoffentlich ganz andre Dinge, als die bloße Tilgung einer, momentan auf uns lastenden, Kriegsschuld, und ich gehe hier bloß in eine Ansicht der Dinge ein, die Sie mir in Ihrem Briefe aufgestellt haben. Aber Ihr Urteil, mein teurer Freund, möcht ich Sie, wenn es sein kann, bewegen, vor der Vollendung des Werks, von dem uns einige Grundlinien vor Augen gelegt worden sind, gefangen zu nehmen – möchte Ihr Vertrauen schärfen zu einer Regierung, die es lebhaft, wie je eine, verdient, und, in einer so verhängnisvollen Zeit, wie die jetzige, mehr als irgend eine andere, falls die Wolken, die uns umringen, zerstreut werden sollen, in ihren Maßregeln, groß und klein, die sie zu ergreifen für gut befindet, bedarf. Leben Sie wohl!
xy.
den 10. März 1811
Im vorigen Jahre waren keine sichtbaren Sonnen- oder Mondfinsternisse; also seit ungewöhnlich langer Zeit die erste fällt auf den Geburtstag unsrer unvergeßlichen Königin. Der Mond, der an diesem Tage das Zeichen der Jungfrau verläßt, wird in der sechsten Morgenstunde (die auch ihre Todesstunde war) verfinstert, und geht in der Verfinsterung unter. – Übrigens ist es Sonntag.
[1]
Den 2. Oktober [1810]: Ton des Tages, Lustspiel von Voß
Kant sagt irgendwo, in seiner Kritik der Urteilskraft, daß der menschliche Verstand und die Hand des Menschen, zwei, auf notwendiger Weise, zu einander gehörige und auf einander berechnete, Dinge sind. Der Verstand, meint er, bedürfe, falls er in Wirksamkeit treten solle, ein Werkzeug von so mannigfaltiger und vielseitiger Vollkommenheit, als die Hand; und hinwiederum zeige die Struktur der Hand an, daß die Intelligenz, die dieselbe regiere, der menschliche Verstand sein müsse. Die Wahrheit dieses, dem Anschein nach paradoxen Satzes, leuchtet uns nie mehr ein, als wenn wir Herrn Iffland auf der Bühne sehen. Er drückt in der Tat, auf die erstaunenswürdigste Art, fast alle Zustände und innerliche Bewegungen des Gemüts damit aus. Nicht, als ob, bei seinen theatralischen Darstellungen, nicht seine Figur überhaupt, nach den Forderungen seiner Kunst, zweckmäßig mitwirkte: in diesem Fall würde das, was wir hier vorgebracht haben, ein Tadel sein. Es wird ihm, in der Pantomimik überhaupt, besonders in den bürgerlichen Stücken, nicht leicht ein Schauspieler heutiger Zeit gleichkommen. Aber von allen seinen Gliedern, behaupten wir, wirkt, in der Regel, keins, zum Ausdruck eines Affekts, so geschäftig mit, als die Hand; sie zieht die Aufmerksamkeit fast von seinem so ausdrucksvollen Gesicht ab: und so vortrefflich dies Spiel an und für sich auch sein mag, so glauben wir doch, daß ein Gebrauch, mäßiger und minder verschwenderisch, als der, den er davon macht, seinem Spiel (wenn dasselbe noch etwas zu wünschen übrig läßt) vorteilhaft sein würde.
xy.
[2]
Gestern zum ersten Male: Der Sohn durchs Ungefähr; Posse in zwei Akten
»C'est un rien« würden die Franzosen von dieser Posse sagen; und wir glauben sogar, daß man dem Stückchen nicht zu viel täte, wenn man die fremde Redensart wörtlich übersetzte und (freilich etwas härter) von ihm sagte: Es ist ein Nichts. Aber auch ein solches Nichts, als vorübergehende Erscheinung, darf, da wir nur eine Bühne haben, keinesweges verdrängt von ihr werden, und das Publikum bleibt der Direktion für Kleinigkeiten der Art, sollten sie auch nur wenige Male wiederholt werden, für jetzt noch immer Dank schuldig. Wem mit Variationen auf das beliebte »Rochus Pumpernickel« mit etwas »Je toller je besser« vermischt, gedient ist; der gehe und höre und sehe den Sohn durchs Ungefähr mit seinen beiden unüberschwenglichen Redensarten, die durch das ganze Stück wie zwei gewaltige Grundtöne durchgehen, nämlich Nr. 1: Stellen Sie sich vor! und Nr. 2: Daran ist gar nicht zu zweifeln! – Die nähere Beschreibung des Stücks; was alles drin vorkommt, wann der erste Akt aufhört und wann der zweite anfängt, wird wahrscheinlich in den nächsten Blättern unsrer Zeitungen zu lesen sein. Daran ist gar nicht zu zweifeln. Wir aber wollen von dieser kleinen Wenigkeit nur noch sagen, daß sie mit mehr Präzision und ineinander greifender gegeben wurde, als manch vorzügliches Lust- oder Trauerspiel auf unsrer Bühne. Stellen Sie sich vor! Was die Schauspieler im einzelnen betrifft, so zeigten sich Herr Wurm und Herr Gern d. S. als echte Komiker; Herr Stich wird in seinem Fache mit jedem Tage sicherer und gewandter; Herr Kaselitz und Herr Labes spielten wie gewöhnlich, Herr Berger lobenswert-moderat. Mad. Fleck war recht hübsch; auch Madame Vanini hat mitgespielt.
[3]
Eine hiesige Künstlerin, die sehr geschätzt wird, soll, wie man sagt, eben darum das Theater verlassen. Das Nähere hierüber in einem zukünftigen Blatt.
[4]
Unmaßgebliche Bemerkung
Wenn man fragt, warum die Werke Goethes so selten auf der Bühne gegeben werden, so ist die Antwort gemeinhin, daß diese Stücke, so vortrefflich sie auch sein mögen, der Kasse nur, nach einer häufig wiederholten Erfahrung, von unbedeutendem Vorteil sind. Nun geht zwar, ich gestehe es, eine Theaterdirektion, die, bei der Auswahl ihrer Stücke, auf nichts, als das Mittel sieht, wie sie besteht, auf gar einfachem und natürlichem Wege, zu dem Ziel, der Nation ein gutes Theater zustande zu bringen. Denn so wie, nach Adam Smith, der Bäcker, ohne weitere chemische Einsicht in die Ursachen, schließen kann, daß seine Semmel gut sei, wenn sie fleißig gekauft wird: so kann die Direktion, ohne sich im mindesten mit der Kritik zu befassen, auf ganz unfehlbare Weise, schließen, daß sie gute Stücke auf die Bühne bringt, wenn Logen und Bänke immer, bei ihren Darstellungen, von Menschen wacker erfüllt sind. Aber dieser Grundsatz ist nur wahr, wo das Gewerbe frei, und eine uneingeschränkte Konkurrenz der Bühnen eröffnet ist. In einer Stadt, in welcher mehrere Theater nebeneinander bestehn, wird allerdings, sobald auf irgend einem derselben, durch das einseitige Bestreben, Geld in die Kasse zu locken, das Schauspiel entarten sollte, die Betriebsamkeit eines andern Theaterunternehmers, unterstützt von dem Kunstsinn des besseren Teils der Nation, auf den Einfall geraten, die Gattung, in ihrer ursprünglichen Reinheit, wieder festzuhalten. Wo aber das Theater ein ausschließendes Privilegium hat, da könnte uns, durch die Anwendung eines solchen Grundsatzes, das Schauspiel ganz und gar abhanden kommen. Eine Direktion, die einer solchen Anstalt vorsteht, hat eine Verpflichtung sich mit der Kritik zu befassen, und bedarf wegen ihres natürlichen Hanges, der Menge zu schmeicheln, schlechthin einer höhern Aufsicht des Staats. Und in der Tat, wenn auf einem Theater, wie das Berliner, mit Vernachlässigung aller anderen Rücksichten, das höchste Gesetz, die Füllung der Kasse wäre: so wäre die Szene unmittelbar, den spanischen Reutern, Taschenspielern und Faxenmachern einzuräumen: ein Spektakel, bei welchem die Kasse, ohne Zweifel, bei weitem erwünschtere Rechnung finden wird, als bei den Goethischen Stücken. Parodieen hat man schon, vor einiger Zeit, auf der Bühne gesehen; und wenn ein hinreichender Aufwand von Witz, an welchem es diesen Produkten zum Glück gänzlich gebrach, an ihre Erfindung gesetzt worden wäre, so würde es, bei der Frivolität der Gemüter, ein Leichtes gewesen sein, das Drama vermittelst ihrer, ganz und gar zu verdrängen. Ja, gesetzt, die Direktion käme auf den Einfall, die Goethischen Stücke so zu geben, daß die Männer die Weiber- und die Weiber die Männerrollen spielten: falls irgend auf Kostüme und zweckmäßige Karikatur einige Sorgfalt verwendet ist, so wette ich, man schlägt sich an der Kasse um die Billetts, das Stück muß drei Wochen hintereinander wiederholt werden, und die Direktion ist mit einemmal wieder solvent. – Welches Erinnerungen sind, wert, wie uns dünkt, daß man sie beherzige.
H. v. K.
[5]
Stadtneuigkeiten
Es ist hier von neuem und sehr allgemein das Gespräch, von einer nahe bevorstehenden totalen Reform unsers Theaters – Italienische Oper (seria und buffa) sollen wieder eingerichtet, und für Deutsches und Italienisches Theater neue, tüchtige Subjekte gesucht werden. – Die Königl. Kapelle, an ihrer Spitze der verdiente Meister, Herr Righini, soll wieder in Aktivität kommen. – Gewiß ist, daß die berühmte Mamsell Schmalz mit 3200 Tlr. jährlichen Gehalt, vermutlich für beide Bühnen, hier bei uns engagiert ist. Man erwartet im Laufe des Winters Mamsell Fischer und im April Mamsell Milder aus Wien, beide Sängerinnen und sehr rühmlich bekannt. –
[6]
Schreiben aus Berlin
Den 28. Oktober [1810]
Die Oper Cendrillon, welche sich Madam Bethmann zum Benefiz gewählt hat, und Herr Herklots bereits, zu diesem Zweck, übersetzt, soll, wie man sagt, der zum Grunde liegenden, französischen Musik wegen, welche ein dreisilbiges Wort erfordert, Ascherlich, Ascherling oder Ascherlein usw., nicht Aschenbrödel, genannt werden. Brodel, von Brod oder, altdeutsch, Brühe (brode im Französischen), heißt eine mit Fett und Schmutz bedeckte Frau; eine Bedeutung, in der sich das Wort, durch eben das, in Rede stehende, Märchen, in welchem es, mit dem Mutwillen freundlicher Ironie, einem zarten und lieben Kinde von überaus schimmernder Reinheit an Leib und Seele, gegeben wird, allgemein beim Volk erhalten hat. Warum, ehe man diesem Märchen dergestalt, durch Unterschiebung eines, an sich gut gewählten, aber gleichwohl willkürlichen und bedeutungslosen Namens, an das Leben greift, zieht man nicht lieber, der Musik zu Gefallen, das »del« in »d'l« zusammen, oder elidiert das d ganz und gar? Ein österreichischer Dichter würde ohne Zweifel keinen Anstand nehmen, zu sagen: Aschenbröd'l oder Aschenbröl.
Ascherlich oder Aschenbröd'l selbst, wird Mademoiselle Maas, Madam Bethmann, wie es heißt, die Rolle einer der eifersüchtigen Schwestern übernehmen. Mademoiselle Maas ist ohne Zweifel durch mehr, als die bloße Jugend, zu dieser Rolle berufen; von Madam Bethmann aber sollte es uns leid tun, wenn sie glauben sollte, daß sie, ihres Alters wegen, davon ausgeschlossen wäre. Diese Resignation käme (wir meinen, wenn nicht den größesten, doch den verständigsten Teil des Publikums, auf unserer Seite zu haben) noch um viele Jahre zu früh. Es ist, mit dem Spiel dieser Künstlerin, wie mit dem Gesang manchen alten Musikmeisters am Fortepiano. Er hat eine, von manchen Seiten mangelhafte, Stimme und kann sich, was den Vortrag betrifft, mit keinem jungen, rüstigen Sänger messen. Gleichwohl, durch den Verstand und die ungemein zarte Empfindung, mit welcher er zu Werke geht, führt er, alle Verletzungen vermeidend, die Einbildung, in einzelnen Momenten, auf so richtige Wege, daß jeder sich mit Leichtigkeit das Fehlende ergänzt, und ein in der Tat höheres Vergnügen genießt, als ihm eine bessere Stimme, aber von einem geringern Genius regiert, gewährt haben würde. – Madam Bethmanns größester Ruhm, meinen wir, nimmt allererst, wenn sie sich anders auf ihre Kräfte versteht, in einigen Jahren (in dem Alter, wo andere ihn verlieren) seinen Anfang.
y.
[7]
Hr. Kapellmeister Reichardt wird, im Laufe dieses Winters, die Oper: der Taucher (der bekannte, alte, sizilianische Stoff), von Hr. Bürde bearbeitet, auf die Bühne bringen. Das Publikum von Berlin, das diesen Gegenstand schon, aus der Ballade von Schiller kennt, ist mit Recht auf diese poetische Erscheinung begierig.
[8]
Von einem Kinde, das kindlicher Weise ein anderes Kind umbringt
»In einer Stadt Franecker genannt, gelegen in Westfriesland, da ist es geschehen, daß junge Kinder, fünf-, sechsjährige, Mägdlein und Knaben, mit einander spielten. Und sie ordneten ein Büblein an, das solle der Metzger sein, ein anderes Büblein, das solle Koch sein, und ein drittes Büblein, das solle eine Sau sein. Ein Mägdlein, ordneten sie, solle Köchin sein, wieder ein anderes, das solle Unterköchin sein; und die Unterköchin solle in einem Geschirrlein das Blut von der Sau empfahen, daß man Würste könne machen. Der Metzger geriet nun verabredetermaßen an das Büblein, das die Sau sollte sein, riß es nieder und schnitt ihm mit einem Messerlein die Gurgel auf; und die Unterköchin empfing das Blut in ihrem Geschirrlein. Ein Ratsherr, der von ungefähr vorübergeht, sieht dies Elend; er nimmt von Stund an den Metzger mit sich, und führt ihn in des Obersten Haus, welcher sogleich den ganzen Rat versammeln ließ. Sie saßen all über diesen Handel, und wußten nicht, wie sie ihm tun sollten, denn sie sahen wohl, daß es kindlicher Weise geschehen war. Einer unter ihnen, ein alter weiser Mann, gab den Rat, der oberste Richter solle einen schönen, roten Apfel in die eine Hand nehmen, in die andere einen rheinischen Gulden, solle das Kind zu sich rufen, und beide Hände gleich gegen dasselbe ausstrecken; nehme es den Apfel, so solle es ledig erkannt werden, nehme es aber den Gulden, so solle man es auch töten. Dem wird gefolgt; das Kind aber ergreift den Apfel lachend, wird also aller Strafe ledig erkannt.«
[Wickram. Rollwagenbüchlein]
Diese rührende Geschichte aus einem alten Buche gewinnt ein neues Interesse durch das letzte kleine Trauerspiel Werners, Der vierundzwanzigste Februar genannt, welches in Weimar und Lauchstädt schon oft mit einem so lebhaften Anteil gesehen worden ist, als vielleicht kein Werk eines modernen Dichters. Das unselige Mordmesser, welches in jener Tragödie der unruhige Dolch des Schicksals ist (vielleicht derselbe, den Macbeth vor sich her zur Schlafkammer des Königs gehen sieht), ist dasselbe Messer, womit der eine Knabe den andern getötet, und er empfängt in jener Tat seine erste blutige Weihe. Wir wissen nicht, ob Werner die obige Geschichte ganz gekannt oder erzählt hat, denn jenes trefflichste und darstellbarste Werk Werners, zu dem nur drei Personen, Vater und Mutter und Sohn, nur eine doppelte durchgeschlagene Schweizer Bauerstube, ein Schrank, ein Messer und etwas Schnee, den der Winter gewiß bald bringen wird, die nötigen Requisite sind, ist auf unsrer Bühne noch nicht aufgeführt worden. Gleichwohl besitzen wir mehr, als die Weimaraner, um es zu geben, einen Iffland, eine Bethmann und Schauspieler, um den Sohn darzustellen, im Überfluß. Möge diese kleine Mitteilung den Sinn und den guten Willen dazu anregen.
[9]
Theaterneuigkeit
Das Singspiel: Die Schweizerfamilie, vom Herrn Kapellmeister Weigl, das in Wien, Stuttgart, München, Frankfurt usw. mit lebhaftem fast ausschweifendem Beifall aufgeführt worden ist, wird nun auch auf dem hiesigen Königl. Nationaltheater einstudiert. Die Direktion verdient dafür den lebhaftesten Dank; wir zweifeln, daß im Fach des Gefälligen und Anmutigen etwas Vorzüglicheres geleistet worden ist. Wie nun die Rolle der Emeline (von welcher, als der Hauptfigur, das ganze Glück dieses Stückes abhängt) besetzt werden wird, und ob sie der Mademoiselle Schmalz, wegen des Umfangs und der Gediegenheit ihrer Stimme – wegen Übung und Gewandtheit im Spiel der Madam Müller, oder wegen der glücklichen Verbindung beider der Madam Eunicke (welches wohl das Zweckmäßigste wäre) zufallen wird, steht dahin; in Wien ist sie der Mademoiselle Milder übertragen, eine der tüchtigsten, von Seiten der musikalischen sowohl als mimischen Kunst, trefflichsten Schauspielerinnen, die Deutschland in diesem Augenblicke besitzt.
rz.
[10]
Aufforderung
Die Expedition der Vossischen Zeitung (s. 135. Stück derselben) hat die, in französischen und [süddeutschen] Blättern, verbreitete Beschuldigung, daß die Theaterkritiker, die in ihren Blättern auftreten, von der Direktion des Königl. Nationaltheaters, mit Geld und Freibillets, bestochen wären, widerlegt und erklärt: sie habe für die Hrn. Rezensenten niemals etwas von der Direktion empfangen. Diese Erklärung ist von dem Publikum mit großem Vergnügen gelesen worden; und um ein Gerücht so häßlicher Art gänzlich niederzuschlagen, bleibt nichts übrig, als daß die Hrn. Rezensenten, von welchen diese Kritiken herrühren, eine ähnliche Erklärung von sich geben. Da sich die Sache ohne Zweifel so, wie jedermann, zur Ehre der Nation, wünscht, verhält, und das Theater, mancher Schwächen ungeachtet, Seiten genug, die zu ehren und zu schätzen sind, darbietet: so sieht das Publikum, zur gänzlichen Vernichtung dieser skandalösen Anekdote, mit welcher ganz Europa unterhalten worden ist, mit Ungeduld einer Erklärung dieser Art, von Seiten der Hrn. Rezensenten selbst, entgegen.
zr
[11]
Folgender Brief eines redlichen Berliners, das hiesige Theater betreffend, an einen Freund im Ausland, ist uns von unbekannter Hand zugesandt worden. Wir haben, in diesen Blättern, so manchen Beweis von Unparteilichkeit gegeben; dergestalt, daß wir, der gegen uns gerichteten Persönlichkeiten, die darin befindlich sind, ungeachtet, keinen Anstand nehmen, ihn dem Publiko vorzulegen.
(Die Redaktion)
Schreiben eines redlichen Berliners, das hiesige Theater betreffend, an einen Freund im Ausland
Der Herr Theaterdirektor Iffland, hat nach dem Geständnis eines großen Teils von Berlin, seit er an der Spitze des hiesigen Theaters steht, die Gestalt und das Ansehn desselben, auf eine merkwürdige und außerordentliche, jedem Freunde der Kunst gewiß höchst überraschende Art, umgewandelt und bestimmt; und wenn wir ihn, wie uns die Würde und der Glanz seiner äußern Lage hoffen läßt, länger und unausgesetzt, in unserer Mitte behalten, so steht zu erwarten, daß er dem Theater (was ihm, zu besitzen, das erste Bedürfnis ist), vielleicht auf eine unwandelbare und nicht wieder zu verwischende Art, einprägen werde: nämlich, einen Charakter. Zwar sind nicht alle Kunstfreunde, und besonders nicht die, die aus der neuesten Schule hervorgegangen sind, mit den Grundsätzen, nach denen er verfährt, einverstanden; aber diejenigen, die er sich aufgestellt hat, verfolgt er mit Energie, Sicherheit, unerschütterlicher Konsequenz: Eigenschaften, die selbst fehlerhafte Maßregeln, heilsamer und ersprießlicher machen können, als gute, wenn dieselben ihnen fehlen.
Die Hauptursache, wodurch wir dies erreicht, liegt in dem glücklichen Verhältnis, in welchem wir seit mehreren Jahren schon, mit der Kritik stehen; mit der Kritik, dieser unschätzbaren und unzertrennlich schwesterlichen Begleiterin jedes Theaters dem es darum zu tun ist, der Vollendung, auf dem kürzesten und raschesten Wege, entgegenzuschreiten. Männer, von eben soviel Einsicht als Unparteilichkeit, haben in den öffentlichen, vom Staat anerkannten Blättern, das Geschäft permanenter Theaterkritiken übernommen; und nur die schändlichste Verleumdung hat Gefälligkeiten, die die Direktion, vielleicht aus persönlicher Freundschaft, für sie tat, die Wendung geben können, als ob sie dadurch bestochen wären. Gleichheit, Übereinstimmung und innerliche Kongruenz der Ansichten, im Fache der Kunst, bestimmen dieselben, mit ganz uneigennützigem Eifer, durch Belehrung und Würdigung dessen, was sich auf der Bühne zeigt, in die Zwecke der Direktion einzugreifen; und wenn ein pekuniäres Interesse (was zu leugnen gar keine Ursache ist) bei dem Geschäft dem sie sich unterzogen haben, zum Grunde liegt, so ist es kein anderes, als das, was jedem Schriftsteller, der Manuskripte an seinen Buchhändler abliefert, statuiert ist. Demnach haben wir, seit mehreren Jahren schon, die glückliche, allerdings den Neid der Übelgesinnten reizende, Erscheinung, daß dasjenige Organ, welches das größeste Publikum hat, auf Seiten des Theaters ist; dergestalt daß eine Stimme, die ihre Rezensionen durchkreuzte und das Publikum irre zu führen bestimmt wäre, sich nur in untergeordnete und obskure Blätter verlieren und aus diesen in die fremden, ausländischen aufgenommen werden kann; und auch für die Unschädlichkeit solcher Intrigen ist, auf mancherlei Weise, bei uns gesorgt.
Und in der Tat, wenn eine Direktion das Feld der Kritik so erschöpft hat, als man es von derjenigen deren wir uns jetzt erfreun, voraussetzen kann: wozu, kann man fragen, das Räsonnieren und Rezensieren, das doch niemals aus dem Standpunkt geschieht, der einmal, auf unabänderliche Weise, nach einer bestimmten Wahl des Besseren, angenommen ist, wozu, fragen wir, dergleichen, als nur die Eintracht, die zwischen Publikum und Direktion herrschen soll, zu stören, das Publikum gegen das Verfahren, das dieselbe beobachtet, argwöhnisch und mißtrauisch zu machen, und demnach den ganzen Kunstgenuß, die Totalität der Wirkungen, ästhetischer sowohl als moralischer und philanthropischer, die die Direktion beabsichtigt, auf die unzweckmäßigste und widerwärtigste Weise, zunichte zu machen?
Exzentrische Köpfe, Kraftgenies und poetische Revolutionärs aller Art machen sich, wir wissen es gar wohl, in witzigen und unwitzigen Äußerungen, über diese sogenannte »Theaterheiligkeit« und den neuesten »Theaterpapst« sehr lustig; sie führen an, selbst die Kirche habe dulden müssen, daß man die Fackel der Untersuchung in ihr Allerheiligstes hineintrage; doch weit entfernt, uns durch Persiflagen dieser Art, deren unreine Quelle nur zu sehr am Tage liegt, irre machen zu lassen, so soll dies nur ein Grund mehr sein, die Tür unseres kleinen freundlichen Tempels (soviel es sein kann) vor ihrer unberufenen, zudringlichen und leichtfertigen Fackel zu verschließen. Zu einer Zeit, dünkt uns, da alles wankt, ist es um so nötiger, daß irgend etwas fest stehe: und wenn es der Kirche, nach der sublimen Divination dieser Herren, (welches Gott verhüten wolle!) bestimmt wäre, im Strom der Zeiten unterzugehen, so wüßten wir nicht, was geschickter wäre, an ihre Stelle gesetzt zu werden, als ein Nationaltheater, ein Institut, dem das Geschäft der Nationalbildung und Entwickelung und Entfaltung aller ihrer höhern und niedern Anlagen, Eigentümlichkeiten und Tugenden, vorzugsweise vor allen andern Anstalten, übertragen ist.
Berlin, den 20. Nov. 1810
μη
N. S. Gestern sahen wir hier Pachter Feldkümmel; in kurzem werden wir wieder Vetter Kuckuck und vielleicht auch Rochus Pumpernickel sehn.
[12]
Theater
Gestern sollte die Schweizerfamilie, vom Hrn. Kapellm. Weigl, wiederholt werden. Ein heftiges und ziemlich allgemeines Klatschen aber, bei der Erscheinung der Mslle. Herbst, welches durch den Umstand, daß man, bevor sie noch einen Laut von sich gegeben hatte, da capo rief, sehr zweideutig ward – machte das Herablassen der Gardine notwendig; Hr. Berger erschien und erklärte, daß man ein anderes Stück aufführen würde.
Ob nun dem Publiko (wenn anders ein Teil desselben so heißen kann) das Stück mißfiel; ob es mit der Mslle. Herbst, für welche die Rolle der Emeline nicht ganz geeignet schien, unzufrieden war; oder welch eine andre Ursach, bei diesen Bewegungen, zum Grunde liegen mochte – lassen wir dahin gestellt sein. Das Angenehme der Musik war, wie man hört, bei der ersten Darstellung, ziemlich allgemein empfunden worden; und auch Mslle. Herbst hatte die Aufgabe mit mehr Geschicklichkeit gelöst, als man, nach den Bedingungen ihrer musikalischen und mimischen Natur, hätte erwarten sollen.
Übrigens ward das Publikum, durch die Aufführung der beiden Stücke: Die Geschwister von Goethe und des Singspiels Der Schatzgräber, gut genug entschädigt. In dem ersten hat Mslle. Schönfeld recht wacker, und Hr. Gern, in dem andern, wie gewöhnlich, als Meister gespielt.
rz.
[1]
Die Miszellen der neuesten Weltkunde vom 3. Oktober (ein auswärtiges, in der Schweiz erscheinendes Blatt) enthalten eine Rechtfertigung des glorreichen Andenkens König Friedrich Wilhelms II. von Preußen gegen die Angriffe der topographischen Chronik von Breslau.
[2]
Das Gesicht Karls XI. Königs von Schweden
In Hamburg erscheint seit dem 1. Julius des laufenden Jahres eine Zeitschrift: Vaterländisches Museum, die bei der tüchtigen Denkungsart und dem edlen Gemeinsinn ihres Unternehmers und Verlegers, des Herrn Perthes, das Interesse von ganz Deutschland zu erregen nicht ermangeln wird. Wir teilen aus einem darin enthaltenen Briefe über Gripsholm, das folgende Aktenstück mit, welches seit langer Zeit in Schweden zirkuliert und bei den neuerlichen Ereignissen vielfältige Beziehungen erlitten hat. Der hier dargestellte Vorfall erzählt sich auch schon längst in Deutschland, jedoch mannigfaltig entstellt, so daß unsre Leser ihn gern berichtigt sehn werden.
[3]
Hr. P. Schmid, aus Stettin, der Maler des trefflichen Viehstücks nach Potter, das kürzlich zur Ausstellung gebracht worden ist, auch als Schriftsteller (Anleitung zur Zeichenkunst, Leipzig, bei Feind, 1809) rühmlich bekannt, befindet sich, seit einiger Zeit, in Berlin.
[4]
Nach Briefen aus Paris hat Frau von Staël unmittelbar nach der Konfiskation ihres Werks binnen zweimal 24 Stunden Frankreich verlassen müssen. Sie ist mit Herrn Aug. Wilh. Schlegel, von Chaumont, wo sie sich aufhielt, nach der Schweiz zurückgegangen.
[5]
Herausforderung Karls IX. Königs von Schweden an Christian IV. König von Dänemark
Die Allgemeine Moden-Zeitung, welche sich vorteilhaft, vor ähnlichen Instituten dieser Art, auszeichnet, liefert ein paar interessante Aktenstücke aus dem 17. Jahrhundert, in welchen zwei europäische Potentaten einander herausfordern. Da diese Zeitung nicht in jedermanns Händen ist, so wollen wir die besagten Aktenstücke unsern Lesern hier mitteilen.
[6]
Im Großherzogtum Baden sowie im Großherzogtum Frankfurt hören alle bisher bestandenen politischen Zeitungen auf, und es tritt an ihre Stelle ein einziges, vom Ministerium der auswärtigen Verhältnisse besorgtes, Blatt.
[7]
Korrespondenz und Notizen
Von dem Werk der Frau von Staël, Lettres sur l'Allemagne, das nun, nach den öffentlichen Blättern, dem Herrn Esmenard, zu Besorgung der nötigen Veränderungen und Auslassungen, übergeben worden ist, wird es interessant sein, einige authentische Nachrichten mitzuteilen. Die Verfasserin, welche, wie bekannt, mehrere Jahre in Deutschland zubrachte, bemüht sich darin, auf eine ebenso eindringende als beredte Art, das Streben des deutschen Geistes dem Auslande bekannt zu machen. Der Gesichtspunkt ist ein allgemein europäischer; gleichwohl erstreckt sich die Betrachtung auch, soviel es der große Umfang des Gegenstandes verstattet, ins einzelne. Der erste Teil handelt von den Sitten, dem Charakter und dem geselligen Leben der Deutschen; der zweite von der Literatur und vom Theater; der dritte von der Philosophie, Naturwissenschaft, Moral und Religion. Jedes Talent vom ersten Range, aus der Vergangenheit sowohl als Gegenwart, wird darin gewürdigt, die Richtung, welche Wissenschaft, Kunst und bürgerliches Leben davon empfangen haben mögen, angegeben, alles Gute und Vortreffliche, das in der Anlage der Nation vorhanden sein mag, mit einsichtsvollem Wohlwollen, beschrieben und hervorgehoben. An vergleichenden Blicken auf andre Nationen fehlt es nicht, aber man begreift leicht, daß die Verfasserin, welche selbst die eigentümlichen Vorzüge des französischen Geistes, schnelle Gegenwart, Klarheit und Gewandtheit, in einem so hohen Grade besitzt, nicht ungerecht dagegen wird gewesen sein. Meisterhaft ist der Gang der englischen und französischen Philosophie von Bacon an bis auf die Enzyklopädisten verzeichnet. Die Verfasserin stellt ihnen die deutschen Schulen, Leibniz, Kant und unsere neueren Denker, als Gegensatz gegenüber und bemüht sich, die ganze Wichtigkeit des dadurch bewirkten Umschwungs der Gedanken zur Anschauung zu bringen.
[8]
Ein weitläuftiges Fragment einer Übersetzung vom Tode Abels, von Geßner, steht im Moniteur; durch Hrn. Lablée, von der Akademie zu Lyon.
[9]
Literarische Notiz
Schon früher ist in diesen Blättern von dem, seit dem 1. Juli d. J. bei Herrn Perthes in Hamburg erscheinenden, Vaterländischen Museum die Rede gewesen. Das soeben erschienene 5. Heft dieser vortrefflichen Zeitschrift enthält unter andern höchst merkwürdigen Aufsätzen eine von Herrn Hofsekretär Friedrich Schlegel in Wien abgehaltene Vorlesung über die Natur und die Folgen der Kreuzzüge, die wir unsern Lesern nicht genug empfehlen können. – Überhaupt verdient diese liberale, wir möchten sagen, großmütige Unternehmung, bei der, wie es die Natur der Sache zeigt, keine Art gemeiner Spekulation obgewaltet hat, die Unterstützung aller Gutgesinnten. Die alte Richtung des deutschen Sinnes nach Gründlichkeit des Denkens und Forschens, findet sich in dieser Zeitschrift wieder, und alle bedeutende Köpfe unsrer Nation werden sich anschließen. So sehr dieses Vaterländische Museum einerseits strebt die äußeren Verhältnisse von Deutschland, wie es sich gebührt, unberührt zu lassen, so wird sie doch andrerseits alle inneren Staatsangelegenheiten, Finanzen, Polizei, Gesetzgebung, öffentliche Erziehung und Kultus, einer ernsten Betrachtung unterziehn, und jedermann wird einer unbefangenen Erörterung dessen was in den verschiedenen deutschen Staaten in jenen großen Rücksichten verändert oder verbessert worden, mit großem Interesse entgegensehn.
[10]
Der Herausgeber der Schweizerischen Nachrichten ist wegen Einrückung eines Artikels von Belenz, den Kanton Tessin betreffend (der ihm untersagt war), in Gefangenschaft gesetzt worden.
(Schw. Nachr.)
[11]
Über eine wesentliche Verbesserung der Klaviatur der Tasteninstrumente
Des Journals für Kunst, Kunstsachen, Künsteleien und Moden 2. Jahrgang, 1. Band, enthält unter mehreren andern interessanten Aufsätzen, eine Anzeige über eine veränderte Einrichtung der Klaviatur der Tasteninstrumente, von einem der scharfsinnigsten Mathematiker jetziger Zeit, Herrn Dr. K. Chr. F. Krause in Dresden. Da diese Erfindung ohne Zweifel, wegen ihrer in die Augen fallenden Zweckmäßigkeit, einen Abschnitt, sowohl in der Klavierspiel- als Klavierbaukunst, bilden wird: so wollen wir nicht unterlassen, zu ihrer Verbreitung das, was in unserm Kreise liegt, hiermit beizutragen.
[12]
Warnung
Im Selbstverlage des ungenannten Verfassers (Letzte Straße Nr. 22) ist ein – wie der Titel besagt – »Allgemeines (Industrie-) Adreßbuch für Berlin auf d. J. 1811« erschienen. Gegen diese Einschaltung haben wir zu bemerken, eben daß die Hauptsache eingeschaltet sei, und nur ein: Industrie-, oder allenfalls: Allgem. Industrie-, keinesweges aber ein Allgemeines Adreßbuch hier zu suchen ist. Um so mehr haben wir die Anzeige desselben in Nr. 155 der Spenerschen Zeitung zu rügen, die das hier wesentliche: Industrie wegläßt, und ohne weiteres ein Allgemeines Adreßbuch ankündigt; wodurch man, wie dem Einsender begegnet ist –, verleitet werden könnte, einen unnützen Kauf zu machen, insofern man die Wohnungen der Königl. Offizianten und anderer öffentlichen Beamten, die ohne Zweifel in ein Allgemeines Adreßbuch gehören, zu erfahren beabsichtigte. – Hiermit haben wir das Verdienstliche der Unternehmung eines bloßen Industrie-Adreßbuches anerkennen, das Zweckmäßige der Einrichtung und den Wert der Ausführung des Vorliegenden dahin gestellt sein lassen, und nur gegen die Industrie dieses Industrie-Adreßbuches warnen wollen.
[13]
Literatur
Das soeben erschienene Halle und Jerusalem, Studentenspiel und Pilgerabenteuer von L. A. v. Arnim, wird in der Folge dieser Blätter zugleich mit dem Roman desselben Dichters: Armut, Reichtum, Schuld und Buße der Gräfin Dolores, einer näheren Betrachtung unterzogen werden. Vorläufig begnügen wir uns, auf die großartige und durchaus eigentümliche Natur jenes dramatischen Gedichtes aufmerksam zu machen. Erfüllt wie wir von dem ersten Eindruck sind, fehlt uns noch der Maßstab des Urteils, der unter den übrigen Alltäglichkeiten der dermaligen deutschen Poesie leicht abhanden kommt.
Wenn hier oder dort uns eine Wendung des wunderbaren Gedichtes befremdete, so sind wir doch nicht Barbaren genug, um irgend eine angewöhnte, unserm Ohr längst eingesungene poetische Weise für die Regel alles Gesanges zu halten. Der Dichter hat mehr auszusprechen, als das besondere uns in engen Schulen anempfundene Gute und Schöne. Alles Vortreffliche führt etwas Befremdendes mit sich, am meisten in Zeiten, wo die Wunder der Poesie der großen Mehrzahl der Menschen auf Erden fremd geworden sind.
rs.
[14]
Frau v. Helvig, geborne v. Imhoff, gegenwärtig in Heidelberg lebend, will ihren Schwestern von Lesbos ein anderes Werk unter dem Titel: die Schwestern von Chios an die Seite stellen.
[15]
Einleitung
Die herrliche Darstellung, welche Frau Professor Schütz auch in ihre, an Freunde während ihrer Reisen gerichtete, Briefe zu legen weiß, bewegt den Besitzer, einen derselben, seines allgemein interessanten Inhaltes wegen, mit Weglassung aller Privatangelegenheiten, in diesen Blättern öffentlich mitzuteilen. Das Schöne, in welcher Form es auch hervortritt, darf nicht gänzlich verborgen bleiben; und die treffliche Künstlerin selbst wird in dieser Bekanntmachung ihres Schreibens, nicht ohne Beifall, das Bestreben eines Freundes anerkennen, ihren Wert auch als sinnige Beobachterin geltend zu machen, welche die seltne Gabe zugleich besitzt, mit der Feder dasjenige lebendig darzustellen, was sie gesehen, gedacht und empfunden; so wie sie das Gleiche auf der höchsten Stufe der dramatischen Mimik, und der mimischen Plastik längst geleistet hat.
[1]
Extrablatt zum ersten Berliner Abendblatt
Durch den Königl. Präsidenten der Polizei, Herrn Gruner, der jedes Unternehmen gemeinnütziger Art mit so vieler Güte und Bereitwilligkeit unterstützt, sind wir in den Stand gesetzt, in solchen Extrablättern, als hier das erste erscheint, über alles, was innerhalb der Stadt, und deren Gebiet, in polizeilicher Hinsicht, Merkwürdiges und Interessantes vorfällt, ungesäumten, ausführlichen und glaubwürdigen Bericht abzustatten: dergestalt, daß die Reihe dieser, dem Hauptblatt beigefügten Blätter, deren Inhalt wir auch mit statistischen Nachrichten aus den Provinzen zu bereichern hoffen dürfen, eine fortlaufende Chronik, nicht nur der Stadt Berlin, sondern des gesamten Königreichs Preußen, bilden werden.
[2]
Folgende Extrakte aus den Polizeirapporten sind uns bis heute 10 Uhr zugekommen.
Rapport vom 28. September
Am 27. in der Nacht ist der Krug in Steglitz mit allen Nebengebäuden abgebrannt, und zugleich ein mit Zucker beladener Frachtwagen nebst 4 Pferden.
Rapport vom 28. September
Am 28. abends ist das alte hölzerne Wohnhaus des Zimmergesellen Grassow in der Dresdner Straße Nr. 93 abgebrannt.
Rapport vom 30. September
Gestern abend sind im Dorfe Alt-Schönberg 3 Bauerhöfe mit sämtlichen Nebengebäuden abgebrannt. Das Feuer ist in der Scheune des Schulzen Willmann ausgekommen, und zu gleicher Zeit ist ein ziemlich entfernter, gegenüber stehender Rüsternbaum in Brand geraten, welches die Vermutung begründet, daß das Feuer angelegt ist.
Rapport vom 1. Oktober
In dieser Nacht ist das Haus des Bäckermeister Lamprecht in der neuen Königsstraße Nr. 71 abgebrannt. Das Haus war sehr baufällig, und die Entstehungsart ist noch nicht ausgemittelt. Auch außerhalb Berlin, angeblich in Friedrichsfelde, ist in dieser Nacht Feuer gewesen.
In Lichtenberg brennt in diesen Augenblick (10 Uhr morgens) ein Bauerhof. Die Entstehungsart ist noch unbekannt, und sind alle Vorkehrungen gegen die weitre Verbreitung getroffen.
Auch sind in dieser Nacht von den Stadttürmen 3 Brände in verschiedenen Gegenden, jedoch außerhalb des Berlinischen Polizeibezirks, entdeckt worden.
Zu bemerken ist, daß bei einem, in Schönberg verhafteten Vagabonden gestohlne Sachen gefunden worden sind, welche dem abgebrannten Schulzen Willmann in Schönberg und dem abgebrannten Krüger in Steglitz gehören. Dieses gibt Hoffnung, den Brandstiftern auf die Spur zu kommen, deren Dasein die häufigen Feuersbrünste wahrscheinlich machen. (Sobald die Redaktion, durch die Gefälligkeit der hohen Polizeibehörde, von diesem glücklichen Ereignis unterrichtet sein wird, wird sie dem Publiko, zu seiner Beruhigung, davon Nachricht geben.)
[3]
Polizeirapport vom 2. Oktober
Der nach dem gestrigen Rapport in Lichtenberg entstandene Brand, hat damit geendiget, daß die beiden dem Kaufmann Sandow zugehörigen Wohngebäude nebst Scheune und Stall, in die Asche gelegt sind. Die Flamme hat sich zuerst morgens gegen 8 Uhr in der Scheune – angeblich an 2 entgegen gesetzten Ecken zugleich – gezeigt, welches auf eine vorsätzliche Brandstiftung hindeuten würde.
Daß wirklich Bösewichter vorhanden sind, die auf vorsätzliche Brandstiftungen ausgehen, zeigt deutlich ein, gestern vom Regiments-Chirurgus Löffler, auf der Straße gefundener, und vom Geheimen Rat von Kummer der Polizei übergebener alter baumwollener Handschuh. Dieser war mit einer Menge Holzkohlen, Feuerschwamm, Papier und einem Präparat von Kohlenstaub und Spiritus gefüllt, welches schon, bei Annäherung der Flamme, Feuer fing; und lag dicht an einer Haustür, welche an einem Keller grenzt, bei dem sich das Laboratorium des Apotheker Kunde an der Junker- und Lindenstraßen-Ecke befindet; so daß der beabsichtigte Brand sehr gefährlich werden konnte.
(Die Fortsetzung folgt.)
[4]
Polizeirapport vom 3. Oktober
Der Schreiber Seidler, Friedrichsstraße Nr. 56, hat gestern in der letzten Straße einen sogenannten Brandbrief gefunden, nach dessen Inhalt Berlin binnen wenigen Tagen an 8 Ecken angezündet werden soll. Das Publikum braucht gleichwohl, bei der Wachsamkeit der obersten Polizeibehörde, keinen unzweckmäßigen Besorgnissen Raum zu geben . . .
Gegen den, nach dem Rapport vom 1. dieses verhafteten Vagabonden wird die Untersuchung fortgesetzt, und dürfte ein für das Publikum beruhigendes Resultat geben. Er scheint danach wirklich bei den kürzlich so häufigen Feuersbrünsten tätig gewesen zu sein; jedoch sind die diesfälligen Unterhandlungen vor dem Schluß der Untersuchung nicht zur Publizität geeignet.
[5]
Wie grundlos oft das Publikum beunruhigt wird, beweist die, in der Stadt bereits bekannte Aussage eines kürzlich aufgefangenen Militärdeserteurs: »er sei auf eine Bande Mordbrenner gestoßen, welche ihm Anerbietungen gemacht, sich in ihr aufnehmen zu lassen« usw. Dieser Kerl hat, dem Vernehmen nach, nunmehr gestanden, daß dieser ganze Bericht eine Erfindung war, um sich dadurch Befreiung von der verwirkten Strafe zu verschaffen.
[6]
Die Polizeilichen Notizen, welche in den Abendblättern erscheinen, haben nicht bloß den Zweck, das Publikum zu unterhalten, und den natürlichen Wunsch, von den Tagesbegebenheiten authentisch unterrichtet zu werden, zu befriedigen. Der Zweck ist zugleich, die oft ganz entstellten Erzählungen über an sich gegründete Tatsachen und Ereignisse zu berichtigen, besonders aber das gutgesinnte Publikum aufzufordern, seine Bemühungen mit den Bemühungen der Polizei zu vereinigen, um gefährlichen Verbrechern auf die Spur zu kommen, und besorglichen Übeltaten vorzubeugen. Wenn z. B. wie geschehen ist, bekannt gemacht wird, daß Brandbriefe und Brandmaterialien gefunden oder Verbrechen begangen worden, deren Urheber noch nicht entdeckt sind, so kann dabei nicht die Absicht sein, Besorgnisse bei dem Publiko zu erwecken, indem es sich auch ohne ausdrückliche Ermahnung von selbst versteht, daß von Seiten der Polizeibehörde alle Maßregeln genommen werden, sowohl das beabsichtigte Verbrechen zu verhüten, als den Urhebern auf die Spur zu kommen; sondern bloß das Stadtgespräch zu berichtigen, welches aus einem solchen Brandbrief deren hundert macht, und ängstliche Gemüter ohne Not mit Furcht und Schrecken erfüllt. Zugleich wird aber auch jeder redliche Einwohner darin eine Aufforderung finden, seine Wachsamkeit auf die Menschen und Ereignisse um ihn her zu verdoppeln, und alles was zur Entdeckung des Verbrechers führen könnte, dem nächsten Polizeioffizianten auf das schleunigste anzuzeigen, damit das Pol.-Präsidium sogleich davon Nachricht erhalte, und seinen Maßregeln zur Sicherung des Publici die Richtung geben könne.
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Gerüchte
Ein Schulmeister soll den originellen Vorschlag gemacht haben, den, wegen Mordbrennerei verhafteten Delinquenten Schwarz, der sich, nach einem andern im Publiko kursierenden Gerücht, im Gefängnis erhenkt haben soll – zum Besten der in Schönberg und Steglitz Abgebrannten, öffentlich für Geld sehen zu lassen.
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Polizeiliche Tagesmitteilungen
Etwas über den Delinquenten Schwarz und die Mordbrennerbande
Die Verhaftung des in den Zeitungen vom 6. d. M. signalisierten Delinquenten Schwarz (derselbe ungenannte Vagabonde, von dem im 1. Stück dieser Blätter die Rede war) ist einem sehr unbedeutend scheinenden Zufall zu verdanken.
Nachdem er sich bei dem Brande in Schönberg die Taschen mit gestohlnem Gute gefüllt hatte, ging er sorglos, eine Pfeife in der Hand haltend, durch das Potsdamsche Tor in die Stadt hinein. Zufällig war ein Soldat auf der Wache, welcher bei dem Krüger La Val in Steglitz gearbeitet hatte, und die Pfeife des Schwarz als ein Eigentum des La Val erkannte.
Dieser Umstand gab Veranlassung, den Schwarz anzuhalten, näher zu examinieren, und nach Schönberg zum Verhör zurückzuführen, wo sich denn mehrere, dem etc. La Val und dem Schulzen Willmann in Schönberg gehörige, Sachen bei ihm fanden.
Bei diesem ersten Verhöre in Schönberg standen, wie sich nachher ergeben hat, mehrere seiner Spießgesellen vor dem Fenster, und gaben ihm Winke und verabredete Zeichen, wie er sich zu benehmen habe. Dieses Verhör wurde während des ersten Tumults gehalten, wie der Brand noch nicht einmal völlig gelöscht war, und niemand konnte damals schon ahnden, mit welchem gefährlichen Verbrecher man zu tun habe.
Daß er zu einer völlig organisierten Räuberbande gehört, geht aus den bekannt gemachten Steckbriefen hervor. Diese Bande ist in der Kur- und Uckermark verbreitet, treibt ihr schändliches Gewerbe systematisch, und bedient sich der Brandstiftung als Mittel zum Stehlen, wenn andre Wege zu schwierig und gefahrvoll scheinen. Dem Schwarz selbst war besonders die Rolle zugeteilt, sich einige Tage vorher in dem zum Abbrennen bestimmten Hause einzuquartieren und die Gelegenheit zu erforschen. Dann gab er seinen Helfershelfern die nötigen Nachrichten, verabredete Zeit und Ort, setzte die Bewohner, sobald der Brand sich zeigte, durch lautes Geschrei in Verwirrung, und benutzte diese, unter dem Vorwande, hülfreiche Hand zu leisten, um alles ihm Anständige über die Seite zu schaffen. Diese Rolle hat er in Steglitz und in Schönberg mit Erfolg gespielt.
Daß diese Bande auch die gewaltsamsten Mittel nicht scheut, um ihre Zwecke zu erreichen, haben die unglücklichen Erfahrungen der letzten Zeit gelehrt. Aber es stehen ihr auch alle Arten des raffiniertesten Betruges zu Gebote, und das macht sie um so gefährlicher. Schon aus den Steckbriefen ergibt sich, daß jedes Mitglied unter mannigfachen Gestalten und Verkleidungen auftritt, mehrere Namen führt, und jede Rolle, welche die Umstände fordern, zu spielen vorbereitet ist. Auch auf Verfälschungen von Pässen, Dokumenten und Handschriften sind sie eingerichtet, und der sub 2 im Steckbrief bezeichnete Grabowsky versteht die Kunst, Petschafte zu verfertigen und nachzustechen.
(Künftig werden wir ein mehreres von dieser Rotte mitzuteilen Gelegenheit haben.)
[9]
Stadtgerücht
Die berüchtigte Louise, von der Mordbrennerbande, soll vorgestern unerkannt auf dem Posthause gewesen sein, und daselbst nach Briefen gefragt haben. Es ist nicht unmöglich, daß dieselbe sich noch in diesem Augenblick in der Stadt befindet.
[10]
Am 3. d. M. hat sich in Charlottenburg ein fremder Hund mit einem Stricke um den Hals eingefunden, und ist nachdem er sich mit mehrern Hunden gebissen hatte, und aus mehrern Häusern verjagt war, auf den Hof des Herrn Geh. Kommerz. Rat Pauli geraten. Daselbst wurde er von sämtlichen Hunden angefallen, und weil er sich mit ihnen herumbiß, so hielt man ihn für toll, erschoß ihn, und alle Paulische, von ihm gebissene Hunde, und begrub sie ehrlich. Dieses Faktum hat zu dem Gerücht Anlaß gegeben, daß in Charlottenburg ein toller Hund Menschen und Vieh gebissen habe. Menschen sind gar nicht gebissen, das Vieh aber, das er biß, ist teils getötet und begraben, teils in Observation gesetzt. Zudem da er sich gutwillig aus mehreren Häusern verjagen ließ, ist nur zu wahrscheinlich, daß der Hund gar nicht toll gewesen.
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Druckfehler
In dem gestrigen Abendblatte ist aus einem Versehen die Rubrik: Polizeiliche Tagesmitteilungen über dem Artikel vom tollen Hunde in Charlottenburg gedruckt, anstatt nach diesem Artikel zu folgen; der Artikel ist keine Tagesmitteilung und seine Fassung beruht bloß auf der Redaktion.
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In Wilmersdorf hat man, bei dem Brande, wiederum zwei verdächtige Menschen bemerkt, die sich gleich nachher entfernt haben.
Auch hat man neuerlich in der Hasenheide wieder zwei Pechkuchen gefunden.
[13]
Ein französischer Kurier, der vergangenen Donnerstag in Berlin angekommen, soll, dem Vernehmen nach dem Gerücht, als ob die französischen Waffen in Portugal Nachteile erlitten hätten, widersprochen, und im Gegenteil von Siegsnachrichten erzählt haben, die bei seinem Abgang aus Paris in dieser Stadt angekommen wären.
[14]
Tagesereignis
Das Verbrechen des Ulanen Hahn, der heute hingerichtet ward, bestand darin, daß er dem Wachtmeister Pape, der ihn, eines kleinen Dienstversehens wegen, auf höheren Befehl, arretieren wollte, und deshalb, von der Straße her, zurief, ihm in die Wache zu folgen, indem er das Fenster, an dem er stand, zuwarf, antwortete: von einem solchen Laffen ließe er sich nicht in Arrest bringen. Hierauf verfügte der Wachtmeister Pape, um ihn mit Gewalt fortzuschaffen, sich in das Zimmer desselben: stürzte aber, von einer Pistolenkugel des Rasenden getroffen, sogleich tot zu Boden nieder. Ja, als auf den Schuß, mehrere Soldaten seines Regiments herbeieilten, schien er sie, mit den Waffen in der Hand, in Respekt halten zu wollen, und jagte noch eine Kugel durch das Hirn des in seinem Blute schwimmenden Wachtmeisters: ward aber gleichwohl, durch einige beherzte Kameraden, entwaffnet und ins Gefängnis gebracht. Se. Maj. der König haben, wegen der Unzweideutigkeit des Rechtsfalls, befohlen, ungesäumt mit der Vollstreckung des, von den Militärgerichten gefällten, Rechtsspruchs, der ihm das Rad zuerkannte, vorzugehen.
[1]
Unter einem Artikel: London, vom 9. Okt., wird in französischen Blättern dargetan, wie wenig selbst Siege die Sache der Engländer in Spanien fördern können.
[2]
Herr Damas, Leinewandfabrikant zu Charny, im Depart. der Seine und Marne, hat, ohne Glasfenster und Glocken, durch bloße zweckmäßige Bearbeitung des Bodens, in diesem Jahr, eine Ernte von 15 Pfd. Kaffee gemacht. Hr. Desfontaines, Maire von Thorigny, hat eine Probe davon an den Minister des Innern gesandt. Man hofft, vermittelst desselben den Mokkakaffee ganz entbehren zu können.
[3]
Korrespondenz und Notizen aus Paris
Moden. Den Sommer über trugen unsere Damen große Schleier, Roben mit langen Schleppen und große Schals. Diesen Herbst sieht man sie alle mit sehr kleinen Schals, kurzen Röcken und halben Schleiern. Kaschmirschals und Schleier von 100 Louisdor werden abgelegt und verkauft, um kleine Schal-Fichü, oder einen Diminutivschleier anzuschaffen. Von dem Kleide wird gar nicht viel Erwähnung getan; lang oder kurz, es gilt alles gleich, wenn es nur alle Tage ein neues ist. Zu dem Ende arrangiert sich eine Dame mit ihrer Nähterin; diese nimmt das Kleid von gestern zurück, und verkauft es einer andern, die es am dritten Tage wieder ebenso, gegen das Kleid einer vierten macht: dergestalt, daß eine Boutique de Modes eine Art von Gemeingut der Pariser Damen und der ganze Handel damit gewissermaßen ein Tauschverkehr (eine Leihanstalt) wird.
(Z. f. d. eleg. W.)
[4]
Das Journal de la Côte d'Or enthält Details über den Selbstmord jener beiden jungen Liebenden, die sich, wegen verweigerter Einwilligung ihrer Eltern, einander zu heiraten, im Gehölz zu Gilly, erschossen haben. Es ergibt sich daraus, daß der Gedanke dazu zuerst in dem Hirn des jungen Mädchens entsprang, und der junge Mann, ihr Liebhaber, lange Zeit diesen Entschluß in ihr zu bekämpfen suchte. Auch hat die gerichtliche Untersuchung, die über diesen sonderbaren Vorfall angestellt worden ist, mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit erwiesen, daß das junge Mädchen die erste gewesen ist, die sich die Kugel durch das Hirn gejagt.
[5]
Ein engl. Offizier, namens Edward, hat auf Van Diemens Land, wo er, zu seinem Vergnügen ans Land ging, eine französische Inschrift in einem Baum, und dicht dabei eine in die Erde gegrabene Flasche, mit mehreren versiegelten Briefschaften gefunden. Da die Adressen an französische Herren und Damen die unter der vormaligen Regierung bekannt waren, lauten, so glaubt man: La Peyrouse sei der Schreiber dieser Briefe, und Hr. Edward hat dieselben bereits, durch seinen Vater in London, zur Beförderung an ihre Adresse, dem Grafen Liverpool zustellen lassen.
(L. d. B.)
[6]
Aus Italien.
Zu Siena ist vor kurzen ein für die Literatur und Kunst gleich interessanter Fund gemacht worden. Hr. Antonio Piccolomini Bellanti nämlich, der sich längst mit Sammlung alter Medaillen und Malereien beschäftigte, hat das Bildnis der unsterblichen Laura, der Geliebten Petrarkas aufgefunden, welches, auf Verlangen dieses Dichters, sein Zeitgenosse, der Maler Simone di Memmo, malte. Es ist so schön erhalten, daß man davon auch nicht die geringsten Spuren seines Alters wahrnimmt. Die Arbeit selbst gehört zu den vortrefflichsten des berühmten Künstlers. Man erkennt Laura, ihr Alter, ihren Charakter, ihr Kostüm, ihren Schmuck, ganz wie der göttliche Sänger sie zu schildern pflegte.
(Misc. d. n. Weltk.)
[7]
Aus Kassel.
Die Aufführung der Oper Cendrillon lockte viel Neugierige herbei. Das Stück war in Paris 42 Mal hintereinander gegeben worden: und so glaubte man in Kassel an eine ähnliche Wirkung. Aber das deutsche Publikum scheint zu einer solchen Beständigkeit nicht geschickt: weder die Musik ist von ausgezeichnetem Gehalt, noch auch wird das Auge durch Dekorationen bestochen. Fast sollte man glauben, daß die Oper Cendrillon ihr ganzes Glück der Demoiselle Alexandrine St. Aubin verdankt, welche als Cendrillon alle Stimmen für sich gewann, und dem mittelmäßigen Stück einen rauschenden Beifall erwarb.
[8]
Herr Robertson hat am 28. Okt. vor einer unzähligen Menge Volks, seine 37. Luftreise, im Baumgarten zu Bubenetsch bei Prag gehalten. Er erhob sich gegen Nordost, über den Moldaustrom hinweg, zu solcher Höhe, daß kein menschliches Auge imstande war, den Ballon am Horizont mehr wahrzunehmen, oder zu erkennen.
(Öster. Beob.)
[9]
Das Waschen durch Dämpfe
Herr Couraudeau hat in Nr. 97 der Annales des Arts et Manufactures 1809 eine neue Erfahrung bekannt gemacht, die ebensosehr die allgemeine Aufmerksamkeit verdient, als seine übrigen Erfindungen, besonders die der Sparöfen. Er hat nämlich Anleitung gegeben zu einem neuen Verfahren, die Wäsche durch Dämpfe zu reinigen. Die Wäsche wird nicht gebeucht, gerieben, gespült, sondern bloß über die kochende Beuche gelegt und von dem Dampfe derselben nach und nach durchdrungen, welcher, alle Unreinigkeiten mit sich führend, wieder in den Kessel zurückfällt. Das Verfahren wird fortgesetzt, bis alle Unreinigkeit aus der Wäsche gebracht ist; und da die Wäsche stets von dem Dampfe durchdrungen wird, der nichts von den unreinen Teilen, die sich in dem Wasser befinden, bei sich führt, so ist weiter kein Nachspülen nötig, sondern die auf diese Art völlig gereinigte Wäsche wird bloß zum Trocknen aufgehängt.
Couraudeau erspart durch sein Verfahren zwei Dritteile der Zeit, ein Dritteil Arbeitslohn und zwei Dritteile der Seife; er gibt der Wäsche eine größere Weiße, als sie durch die gewöhnliche Art des Waschens erhält, und sie wird nicht im geringsten abgenutzt. Übrigens wird jeder, der dieses Verfahren, das durch vorstehende Angaben hinlänglich erklärt wird, nachahmen will, die dazu nötigen Vorrichtungen leicht selbst nach seinen Bedürfnissen und seinen Hülfsmitteln erfinden können.