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Chor der Urtriebe


In den unbegrenzten Breiten
Unsrer alten Mutter Nacht,
Horch - da scheint mit sich zu streiten
Die geheimnisvollste Macht!
Hören wir die Ahnung schreiten?
Ist die Sehnsucht aufgewacht?
Ward ein Geistesblitz entfacht?
Gleiten Träume durch die Weiten?
Wie sich an Kräften die Kräfte berauschen,
Seliges Tauschen!
Plötzliches Eilen,
Stilles Verweilen,
Schwelgendes Lauschen
Wechselt mit Winken
Staunenden Bangens!
Reiz des Erlangens
Steigt, um zu sinken,
Sinkt, um zu hassen,
Weiß vor dem blassen
Bild des Umfangens
Hass nicht zu fassen.
Dunkle Verzweigungen
Sprießender Neigungen
Suchen nach Ranken.
Schwere Gedanken
Dämmern und wanken
Über den Welten,
Scheinen zu raten
Oder zu leiten.
Was sie bereiten,
Sind es die Saaten
Riesiger Taten,
Strahlender Zeiten?
Wer das Erwühlte
Schöpferisch fühlte!
Wer es durchirrte,
Selig genießend,
Oder entwirrte,
Hohes erschließend!
Droben bewegt sich' s wie Geisterumarmung
Wir in Erwarmung,
Wir auch gewinnen,
Suchen und sinnen,
Seh'n uns gehoben,
Höchstem Beginnen
Glücklich verwoben.
Die uns umwehen,
In uns erstehen:
«Ihr seid's, Ideen! - -»
Zarte Begegnungen,
Freudige Küsse,
Liebender Segnungen
Gegenergüsse!
«Feinster Entstehungen erste Gestalter,
Weiseste Sprecher des obersten Grundes!
Sinn und Ersinnungen eueres Bundes
Laßt uns gewahren, uns, die Entfalter
Eueres Fundes,
Uns, die wir Zwillingsgeschwister von Alter!
Denkt - an das Denken
Schmiegt sich des schaffenden Wortes Behagen,
Denkt - was wir wagen,
Werdet ihr lenken! -
Ihr seid entschieden,
Stets in Erglimmung
Schönstes zu träumen,
Träumend zu sehen,
Wir, im Entstehen
Schönes zu schmieden -
Uns ist's Bestimmung,
Niemals zu säumen. -
Leidiger Öden gepeinigte Nächte,
Wisset, sie wissen,
Wes ihr beflissen.
Wer es uns brächte!
Seufzen der Finsternis traurige Mächte.
Weck' euch der ächzende Sturm des Verlangens
Lust des Bescherens -
Was noch des Hangens?»
«Qual des Entbehrens,
Mut des Begehrens,
Zeit des Empfangens,
Glück des Vermehrens -
Was noch des Hangens?
Teilt und verströmt die bekundete Wärme,
Willige Schwärme!»
Hört, was die denkenden Höhen uns sagen -
Laßt uns entjagen!
Laßt das Empfundne die Zeiten empfinden,
Ruft, was berufen, ins Werden zu ragen,
Laßt, was sich sucht, mit Frohlocken sich finden,
Warm sich verbinden!

II


Ist's ein Schwellen,
ist's ein Wogen,
Was aus allen Gürteln bricht?
Wo wir liebend eingezogen,
Dort ist Richtung, dort Gewicht.
Hätt' uns Will' und Wunsch betrogen?
Sind wir Mächte, sind wir's nicht?
Was es sei, wir heischen Licht -
Und es kommt in schönen Bogen!
Jeglichem Streite
Licht zum Geleite!
Schleunigen Schwingungen
Zarter Erregung,
Weiten Verschlingungen
Tiefer Bewegung
Muß es gelingen,
Bald durch die hangenden,
Schmerzlich befangenden
Nächte zu dringen.
Über den Gründen,
Über den milden
Schwebegebilden
Muß sich's verkünden,
Geister entzünden,
Herzen entwilden.
Hat es getroffen,
Find' es euch offen!
Seht ihr die erste
Welle der Helle?
Grüßt sie die hehrste,
Heiligste Quelle!
Schnelle, nur schnelle!
Hellen Gesichtes
Huldigt dem Scheine,
Hütet das makellos ewiglich- eine
Wesen des Lichtes!
Mag es, sein wechselndes Streben zu feiern,
Farben entschleiern!
Wecken wir lieblichen Krieg, daß sich trunken
Lösen die Funken!
Laßt uns die Tiefen, die schaffend erschäumen,
Laßt uns das Edle, was streitend gesunken,
laßt und die Kreise, die Fruchtendes träumen,
Strahlend besäumen!

III


Treiben wir, sind wir getrieben?
Wankt die Wölbung, weicht der Grund?
Ha, die Lüfte, ach die lieben,
Feiern tönend unsern Bund!
Wie sie brausen, rasseln, stieben
Durch das großgedehnte Rund!
Geben uns die Klänge kund,
Was im All noch Traum geblieben?
Träumt ihr ein Bleiben? -
Während wir Schroffen
Stürmisch uns reiben,
Seht, wie sie's treiben,
Fragt, was sie hoffen!
Freudig betroffen,
Nah'n die geselligen
Stoffe den Stoffen!
Nur die mißhelligen
Spannen und wecken.
Heimlich und offen
Wollen sie schrecken
Anders gekräftigte,
Wollen sie necken
Eigens beschäftigte
Mittler und Schaffer der irdischen Schale -
Alle die Boten und Kinder vom Strahle
Weh'n ein Erstarken
Auch in die Marken,
Auch in die Gilden der Weltideale,
Wo das Gehaltige
Wächst ins Gewaltige!
Laßt uns erfliegen die himmlischen Zinnen,
Nebel zu spinnen!
Welches Entzücken, die Winde zu schwenken,
Wolken zu lenken,
Zärtlich die wandernden Töne zu wiegen,
Schmelz in den Busen der Schöpfung zu senken,
Trotzige Mächte mit Klang zu bekriegen,
Kosend zu siegen!

IV


Wie die Dämpfe rings gerinnen!
Kochend schürzt sich Schwall um Schwall;
Will die Kraft Gestalt gewinnen?
Welch ein riesenhafter Ball!
Tanzend pilgert er von hinnen
Unter Knall und Donnerhall,

 

 
Glut im Körper, Glanz im All -
Doch wir draußen, doch wir drinnen!
Bäumt euch von innen
Glühend nach außen;
Hang zur Erkaltung
Liebt nicht Entfaltung.
Aber, was draußen,
Was wir besaßen,
Was wir vertraut den umgürtenden Straßen,
Sucht es beständig zurückzuerobern,
Alle Begleiter, die Untern, die Obern!
Denn es ist Satzung:
Borgend von Jahrmillionen die Schritte,
Nah'n wir dem sonnigen Feuer der Mitte,
Rennen und stürzen - verschwindend als Atzung!
Leben für Leben ist sphärische Sitte!
Aber das Werdende,
Frisch sich Gebärdende
Gilt es zu schlichten.
Laßt uns die Schichten,
Laßt uns die Ränder,
Mittelpunkt-feindlichen Trümmer und Bänder,
Die sich entfremden und rings sich entschwingen,
Trennen in Ringen,
Laßt uns die flüchtigen, glänzenden Schollen
Ründen und rollen!
Ordnet den Reigen und zirkelt die Bahnen
Jeglichem Kind, das den Sonnen entquollen,
Gönnt ihm im Funkel ätherischer Fahnen
Jubelndes Ahnen!

V


Strebt die Sonne zu vollenden,
Nehmt die Sterne hold in Hut,
Während wir zur Erde wenden
Unsern schönen Lebensmut.
Nach dem Sitz der Mitte senden,
Drängen wir des Brandes Wut,
Des Metalles weiße Glut
Mit des Goldes schweren Spenden.
Unserem Blute
Fremd ist das Schlimme;
Aber das Gute,
Kommt es zu Odem, gelangt es zu Mute,
Wach' es und schaff' es mit rüstiger Stimme!
Herzhaft indessen,
Ernst sei's ermessen
Was wir besitzen und was wir besessen,
Was wir behalten und was wir vergessen:
Gluten verzehren,
Fluten verheeren,
Taten zerknickend,
Wohltat erstickend -
Was man auch billige, was auch begehre,
Über das Feuer, das Wasser erhaben,
Schätzbar allein sind die geistigen Gaben,
Ewig bestimmend die geistige Ehre!
Wetter, um sich an der Flamme zu rächen,
Schleudern mit Bächen;
Rettet, was Schöpfern und Schöpfungen teuer,
Schirmet das Feuer!
Deckt es und häuft den Granit in die Ritzen!
Wir, dem Berufe des Bildens getreuer,
Türmen Gebirg' zu Gebirg', auf die Spitzen
Köcher mit Blitzen!

VI


Aber stürmisch dreht sich's oben,
Wolk' um Wolke weht erfrischt,
Schäume flattern,
Winde toben,
Das entbundne Naß erzischt;
Rasch zerflogen, rasch gewoben,
Wirft es klirrend Gischt auf Gischt -
Ha, das Lavalicht erlischt,
Und die Welle kommt gestoben,
Tanzt an die Küste,
Pocht an die Brüste
Lagernder Blöcke,
Die mit dem Garne
Tastender Pflanzen
Sacht sich verschanzen.
Wahre dich, warne!
Schießt doch die Flutung in perlende Kämme,
Streift an die Stöcke
Türmiger Schwämme
Weicht in die Höhlungen, schleicht ins Gestämme,
Steigt in die Schirme dem schmächtigen Farne,
Greift in die Kronen, die schuppigen Röcke
Strotzender Palmen, verwesender Pflöcke.
Wahre dich, warne!
Aus den Verhauen
Recken sich Klauen!
Tief im Gesträuche,
Hinten in grauen
Winkelgewässern, entsetzlich zu schauen,
Bläht sie die Schläuche,
Grimmiger Saurier scheußliche Bäuche!
Seht sie, sie kommen, mit Algen und Tangen
Grünlich behangen!
Doch du verleugnest sie, freudige Welle!
Immer die Schultern, die silbernen, badend,
Bist du beladen und fröhlich entladend,
Lieblich, gewaltig, gehorsam und schnelle!
Rührend, 0 Pilgerin, sei du empfangen,
Liebend gefangen;
Räumige Lager sind rings dir bereitet,
Buchtig geweitet;
Wunderbar schweife du deine Gewänder,
Jugendlich zwischen die Ufer gebreitet;
Über den Rissen geschiedener Länder
Tausche du Pfänder!

VII


Aus dem stolzen Wettgedränge
Steigen sanft Gestad' und Au,
Warmer Tropfen leise Klänge
Fließen durch des Äthers Grau.
Ach, wenn Bleibendes gelänge!
Glänzte doch des Himmels Blau!
Käme Stern um Stern zur Schau,
Seelen atmend und Gesänge!
Nichts des Getöses
Sei uns beschieden,
Nirgends ein Böses
Töte den Frieden.
Was sich nicht zeitigt,
Bald sei's beseitigt,
Allzeit gemieden.
Denkt ihr zu bauen,
Grund sei besichtigt,
Mittel berichtigt,
Schranken zerhauen,
Feinde beschwichtigt.
Auch dem Erlauen
Widmet Vertrauen;
Nicht um zu stammeln,
Will man sich sammeln.
Aber dem stillen,
Zögernden Willen
Lasset die Pfade
Fördersam schauen.
Wie sich's entlade,
Keinerlei Wendung
Weck' in euch Grauen.
Nichts ist Verschwendung,
Doch die Vollendung
Schließlich ist Gnade.
Wohl sei's erwogen:
Was wir im Bunde
Pflegen und pflogen,
Jegliche Stunde
Wird es vollzogen,
Jede Minute seit ältester Kunde.
Deut' es und deute
Künftig wie heute!
Jeder Geborne
Lebt es von vorne,
Fühlt's in sich regen,
Hat sich's erzogen,
Hat es zugegen,
Was wir hier pflogen,
Was wir hier pflegen.
Folget den Windungen
Tiefster Empfindungen!
Was wir entfalten,
Inn' re Gewalten
Sind's, die's enthalten.
Laßt uns die dämmernden Fluren durchschwärmen,
Sprößlinge wärmen,
Quellend die Achseln der Bäume besteigen,
Schwellen in Zweigen,
Morgens verkehren mit jauchzenden Lüften,
Abends uns baden im seligsten Schweigen,
Höhen behorchen und grollenden Klüften
Schmeicheln mit Düften!

VIII


Kühngejochtes Baumgewinde
Spinnt sich seine dunkle Pracht.
Und die junge Felsenrinde
Ragt in grüner Märchentracht.
Stille Dämmerwelt verschwinde
Im Geräusch der Wasserschlacht,
Tritt aus spätenthülltem Schacht
Mit erwünschtem Angebinde!
Klage nicht, trage!
Frage nicht, wage!
Halte dir offen:
Tot ist der Zage,
Handeln und Hoffen
Läutert die Lage.
Sein hat nicht Schein,
Sein, das geworden,
Kräftig entspringend,
Selbst sich verschlingend,
Schein ist's vom Sein -
Werdend ein Morden,
Schein auch im Nein,
Tod - nicht aus Sünde,
Ende hat Gründe!
Keine Vernichtung
Ist uns Verpflichtung.
Alles Entwandern
Ist nur die Lichtung
Göttlicher Sichtung,
Ist ein Sichfinden, Erkennen im andern.
Mutiges Denken
Sicherstes Lenken!
Glücke der Stein, der im Feuer verendet,
Welches er spendet!-
Speist mit der Ernte vom Pol und vom Gleicher
Speicher für Speicher!
Drüber den Mantel geschichteter Tone!
Einst, um den Wert der Jahrtausende reicher,
Schmückst du den Herd uns mit purpurner Krone,
Üppige Zone!
Mögt euch verteilen,
Eilen
Ohne zu hasten,
Bis der entseelten
Pflanzung entstammen
Jene verhehlten
Bürgen der Flammen,
Breit an den Sohlen,
Schwarz durch Verkohlen.
Wir nur verweilen!
Gönnt uns zu rasten
Bis zu des reinen
Marmels Erscheinen-
Sei's, denn wir heilen!
Senket die Flächen und schüttelt die Stämme,
Rüttelt die Dämme!
Droben die bleichen,
Zweifelnden Strahlen
Legen wie Leichen
Sich in den fahlen
Nebel hinüber.
Über dem glatten
Riesengemälde
Saftiger Matten,
Über dem satten,
Feuchten Gewälde
Sinken die Schatten
Tiefer und trüber;
Finstere Heere
Donnernder Meere
Drohen herüber.
Lastende Dünste
Ängsten und hitzen,
Spaltend entblitzen
Schlummernde Brünste.
Irrende Wogen,
Wogenphalangen
Kommen geflogen,
Winden wie Schlangen
Sich um die bangen,
Wimmernden Bäume;
Heulende Schäume
Dreh' n in den Zweigen
Triefend den Reigen,
Schrecken die Träume
Kränzender Wipfel -
Wälzen und stauen
Wütend ihr Grauen
Über die Gipfel
Wankender Hügel!
Unter dem Flügel
Nächtiger Wellen
Kauern wie Zwerge
Felsen und Berge,
Schütten die hellen,
Feurigen Quellen
Sich aus den Adern.
Leichte Kristalle
Flieh' n in Geschwadern
Aus dem Zerfalle,
Suchen sich mählig
Niederzuwiegen,
Unten sich wählig
Enger zu schmiegen;
Wachsen in dichten,
Bergenden Schichten,
Zieh'n um die Kammern
Sterbender Forsten
Fleißig die strammem,
Felsigen Klammern. -
Aber es horsten
Unter den Fluten,
Näher den Gluten
Lodernder Mitte
Bildende Geister,
Freundlich von Sitte,
Kundig als Meister;
Formen im Kitte
Rinnender Kalke
Reinliche Fliesen,
Körnige Stufen,
Marmorner Riesen
Grundkatafalke.
Zögernd gerufen
Nah'n zum Geschäfte
Tiefere Kräfte,
Heben das feine
Blanke Gebilde,
Tragen's am Schilde
Platter Gesteine
Schweigend nach oben;
Mächtig gekloben,
Lassen sie's droben
Über den dunkeln
Strömungen funkeln
Himmlische Mahnungen
Glücklicher Ahnungen
Scheinen vom lauen Eiland zu tauen!
Wer es verstünde,
Klar zu durchschauen
Alle die Gründe,
Faßte Vertrauen,
Großes zu bauen,
Trüge die Blüte
Keimender Dinge
Längst im Gemüte. -
Wendet die Schwinge!

IX


Hehre Sonne, komm', gebiete,
Leucht' uns, blonder Sphärenschwan,
Dem das ärmste Rohr im Riete,
Dem die Tat ist untenan!
Pluton herrscht und Amphitrite:
Gluten in des Wassers Bahn
Stäubt der schnaubende Titan -
Rett' uns aus dem Traum der Mythe!
Sinnigstes Leben
Göttlicher Fülle,
Heilsames Geben,
Gunst dem Bestreben
Heg' und enthülle!
Wolle beleuchten
Schickung und Sage,
An die verscheuchten
Rühmlichen Tage
Richte die Frage,
Wie sie sich fühlten,
was sie sich däuchten -
Wagnis und Plage,
Tau der Begeisterung, Träne der Klage
Soll sie befeuchten!
Hebe das Wissen,
Zweifeln entrissen,
Über den tauben,
Alles verwirrenden, ängstenden Glauben!
Nährende Jahre
Wirst du bereiten,
Forschung begleiten -
Zeig' uns das Klare
Drohender Zeiten,
leit' uns ins Wahre!
Aber die Leitenden suche zu leiten
Ja bis zur Bahre!
Sende die Spende,
Sende behende,
Sende kein Ende!
Wohl, wir erseh'n durch die Wirbel das Walten
Später Gestalten:
Würdigste Führung auf Seelengeleisen,
Weisung der Weisen,
Lichte Germanen mit Hüften, mit straffen,
Deutsche Gebote, cäsarisches Eisen -
Alles erscheint im Bedacht schon erschaffen,
Lorbeer und Waffen!

X


Wir vollzieh' n mit Allbehagen
Das veredelte Bemüh'n,
Aug' um Auge möge tagen
Und den Geist des Lichtes sprüh' n;
Rasche Pulse sollen jagen,
Die vom Wohl des Lebens glüh'n,
Muntre Häupter freudigkühn
Sich aus Busch und Bergen wagen!
Was auch die Schöpfungserdenker sich träumen
Über den Räumen,
Unser verhohlen entstehendes Wollen
Muß ihr Entschiednes geschieden entrollen.
Vielheit ist Wirksamkeit, alles beschaffend,
Einheit ist Wahrheit, der Einheit, der vollen,
Nie sich entraffend.
Ohne das Viele
Steht nicht das Eine,
Liegt's doch im Spiele,
Daß sich am Scheine
Gern das Ur-Eine
Vielheit erziele!
Wir in den Nähen,
Die wir's erspähen,
Mögen's erkennen,
Dürfen's nicht schmähen,
Müssen's vollführen und Gründe nicht nennen.
Alle die müden,
Armen und blassen
Hunger-Insassen,
Durstend im Süden,
Fierend im Norden,
Alle, die hassen -
Prangende Orden,
Fromme, die prassen;
Alle die Horden,
Lauernd in Steppen,
Kauernd auf Treppen;
Sonnen und Adler,
Thronend im Äther,
Kahle Verräter
Meuchelnde Tadler,
Muckernde Täter;
Alle die Kühnen,
Welche verwirren,
Mächtig im Irren,
Ohne zu sühnen;
Würger, die planen,
Wie man entwerfe
Blutige Bahnen;
Schaukelnde Kerfe,
Kaum aus den Larven,
Schwimmer in Teichen,
Klimmer an Eichen,
Nestler auf Arven,
Über dem Spiegel
Schwimmernder Wasser die wallenden Schwäne -
Das sind die Unsern von Wesen und Siegel,
Das sind die Unseren bis an die Zähne,
Bis an die Träne!
Mögen wir wettern,
Mögen wir schielen:
Wir sind die Vielen,
Wir sind die Vettern,
Brüder und Schwestern,
Nicht zu verneinen,
Kinder des Einen,
Und nicht von gestern -
Einsam im Weinen, gemeinsam die Seinen!
Wir als Ermesser
Sind nur Geschöpfe,
Unsere Köpfe
Haben ein Wissen und wissen' s nicht besser.
Leitet die sumpfenden Wasser in Furchen,
Füllt sie mit Lurchen!
Gönnt uns die Lust, in die Lüfte zu klettern,
Lieder zu schmettern,
Andre verlangt's, in der Wüste zu streifen,
Schreckliche Zünfte von Schreckenentkettern,
Andre, sich furchtbar in mächtigen Reifen
Weiter zu schleifen.

XI


Prächtig um sich selbst geschwungen,
Wirkt das Sein als Bundesschar,
Zauberbänder sind geschlungen
In ihr volles Strahlenhaar.
Was im Schöpfertraum geklungen,
Als er Welt für Welt gebar,
In Gedanken fließ' es klar
Sprechend von gelösten Zungen!
Mensch sei der Name,
Geist sei der Same!
Weitet die Brust für die reichen Gewühle
Reger Gefühle!
Strebt mit dem Haupt nach dem Höchsten zu ragen,
Götter zu tragen,
Die sich erheben in leuchtenden Zügen,
Klingend die Harfe der Seele zu schlagen,
Formen des Edlen zu reinerm Genügen
Reizend zu fügen!
Aber die Meinung
Ist nicht der Meinende,
Schein und Erscheinung
Nicht das Erscheinende.
Reines und Reifliches,
Such' es nicht hüben,
Nennbares, Greifliches,
Hoff' es nicht drüben.
Doch ein Verbundenes,
Fühlend Gedachtes,
Denkend Empfundenes,
Sinnend Vollbrachtes,
Leiblos eracht' es,
Leiblich betracht' es!
Das ist gefundenes,
Feurig erwachtes,
Fesseln entwundenes,
Himmlisch entfachtes
Leben aus Leben!
Frucht aus der Höhe, beredsam geboten,
Zucht der Lebendigen, Zunge der Toten!
Flucht aus dem Troß-ein gesundes Entschweben,
Der es gegeben, die Kunst ist es eben!

XII


Mag der Dauer sich gewöhnen,
Was der Drang heraufbeschwor,
Das Verschönen, das Versöhnen
Walt' im Strom der Schöpfung vor.
Süßes Licht, in holden Tönen
Klimmt das Herz zu dir empor,

 
Weile vor des Westens Tor,
Hilf die Tat der Liebe krönen!
Ist doch der Trieb aus den irdischen Banden
Seelisch erstanden!
Aber das Mündige,
Herrschende, Bündige
Weist sich als Geist!
Alles, was kreist,
Irdisch Begründetes,
Himmlisch Entzündetes
Schuf sich im Geist,
Kam aus dem Geist,
Wirkt durch den Geist -
Um für Verkündetes
Ganz zu genesen,
Wünschen wir Meister;
Seid uns erlesen,
Muster im Wesen,
Meister der Geister,
Lehrer und Leister
Denkt nun, ihr Kinder,
Heimlichster Regungen Fühler und Finder,
Denkt an den Brüsten des Himmels zu saugen
Droben in göttlich befehligter Treue
Bräunt sich die neue
Wölbende Bläue,
Wartet mit Augen!
Lichter erwartet, unendlich entfernte;
Zu des Gedankens urältester Ernte
Führt sie die Nacht, die jungfräulich besternte. -
Wir - wir umwandeln die scheidende Güte,
Sie, die vertraulichste Schwester der Sonnen,
Unsere Sonne, die freundlich bemühte,
Eh' sie das schattende Lager gewonnen.
Geistige Reife wie geistige Blüte,
Immerdar sei sie vermählt dem Gemüte!
Sonne, nun sinne,
Wenn auch verborgen,
Morgen hat Sorgen,
Morgen beginne,
Denn wie der Abend, so bist du der Morgen!
Liebliches spinne,
Liebes in allem, was innig vorhanden,
Glücklich und reich der Verstand, der's verstanden!
Schuf doch die mächtige Chaosentrückung
Raum für Beglückung!
Hüllt in den Tau der eratmenden Milde
Wald und Gefilde!
Sorgt, daß zum Tau das Geleucht' sich geselle,
Sinnig der Saum der Verklärung sich bilde -
Jeglicher Tropfen beschwebe die Schwelle
Geistiger Helle!


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