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Lisabetta, die Tochter der Frau Laldomine degli Uberti, einer edlen reichen Witwe in Florenz, war nicht gerade zu tugendsam, aber wunderschön. Es war ihr deshalb von vornehmen Jünglingen nachgestellt und geliebäugelt, und unzählige verlangten sie in Ansehen der Aussteuer und einstigen Erbschaft von ihrer Mutter zur Ehe. Aus allzu großer Sorge, ihre Tochter gut zu verheiraten, konnte sich die Mutter aber nie entschließen, sie von sich zu geben; denn sie suchte einen jungen, schönen, adligen, reichen, klugen und gesitteten Mann und fand keinen nach ihrem Sinne, da jedem immer wenigstens eine dieser Eigenschaften mangelte. Inzwischen verliebte sich Lisabetta heftig in einen jungen, Allessandro genannten Menschen, der in dem Nachbarhause wohnte und sich in jeder Hinsicht für sie geschickt hätte, außer daß er arm und nicht vom ältesten Adel war. Er hatte weder Eltern noch Geschwister mehr und lebte für sich allein mit einer einzigen Magd.
Da er den größten Teil des Tages zu Hause dem Studium der Wissenschaften oblag und Lisabetta seinetwegen oft an ein Fenster oder auf den Balkon hinaustrat, so gewahrte dies der scharfsinnige Jüngling notwendigerweise bald und schloß die Jungfrau dermaßen in sein Herz, daß er Tag und Nacht an nichts anderes als an sie dachte, die seine Leidenschaft durch ihre verliebten Blicke tausendfach steigerte und ihn endlich bewog, den Versuch zu unternehmen, ob sie wohl in eine, sobald sie schnell vollzogen werde, unwiderrufliche Vermählung mit ihm willige. Fällt mir das Glück so zu, dachte er, wer lebt zufriedener und glücklicher in der Welt als ich? – Er schrieb ihr einen Brief, worin er ihr seine ganze Seele öffnete, und Lisabetta gab ihm ihr Herz ohne weiteres Bedenken hin; denn, abgesehen von ihrer eigenen Meinung, hatte sie die verständigsten Männer Alessandros Einsicht und Fähigkeiten bewundern hören, der als ein guter Wirt ihr Vermögen gewiß eher zu vermehren als zu verschwenden fähig war.
Sie verständigte sich also mit dem Jünglinge, und er stieg in der folgenden Nacht mit Hilfe einer Leiter von seinem Dache auf ihren Altan, wo sie sehnsuchtsvoll seiner harrte und die Morgendämmerung beide noch beim Küssen und zärtlichen Gespräche fand. Alessandro steckte an Lisabettens Finger einen Ring und überließ ihr, wie sie es verlangte, ganz allein die Sorge, ihre Verlobung zu entdecken und geltend zu machen. Sie trennten sich endlich, eins gleich zufrieden mit dem anderen.
Frau Laldomine hatte sich nach langer Wahl entschlossen, ihre Tochter an Bindo, den Sohn Messer Geri Spinas, eines der vornehmsten florentinischen Bürger, zu geben, obgleich er sehr wenig der erforderlichen Eigenschaften besaß. Lisabetta, der diese Absicht nicht entging, kam ihrer Mutter zuvor und erzählte ihr einst nach dem Abendessen Punkt für Punkt, was zwischen ihr und Alessandro vorgefallen war. Frau Laldomine schalt und zürnte und untersagte ihr jeden ferneren Gedanken an Verlobung oder Ehe, denn sie erhalte nun gar keinen Mann. Des anderen Morgens brachte sie mit dem Frühesten die Tochter in ein Kloster, ließ Messer Geri zu sich kommen, dem sie alles erzählte, und verabredete mit ihm, wie Lisabetta in Güte zur Vernunft zu bringen oder nach Rom zu schreiben sei, um von dem Papste den Befehl zu erkaufen, daß der Vikar die Verlobung bei Strafe der Exkommunikation vereitele. Das Gerücht von diesen Schritten verbreitete sich, und der fehlgeschlagene Liebeshandel ward zum Stadtgespräch. Der tiefbetrübte Alessandro verlor schon die Hoffnung, seine Geliebte jemals zu besitzen; denn Messer Geri hatte ernsthaft mit ihm reden lassen und ihn so eingeschüchtert, daß er nichts zu unternehmen wagte. Er begriff gar nicht die Meinung und Zuversicht seines Mädchens, das der Einwilligung ihrer Mutter so gewiß gewesen war. Lisabetta aber, die das Kloster nicht verlassen durfte und niemand mit Aufträgen oder Briefen an den Jüngling absenden konnte, hegte Zweifel an seiner Glaubhaftigkeit und Besorgnisse, er möge aus Furcht vor Messer Geris Ansehen und Gewalt auf sie verzichten. Die unerwartete Maßregel ihrer Mutter hatte sie sehr übler Laune gemacht, und sie dachte Tag und Nacht nur daran, ihre Wünsche dennoch zu erfüllen. Tausend Gedanken, tausend verschiedene Mittel und Wege erwog sie stündlich in ihrem Sinn; zuletzt blieb sie bei einem stehen. Sie ging zu der Äbtissin und sagte, ihr Gewissen lasse ihr keine Ruhe mehr, es treibe sie an, von dem armen Alessandro abzustehen und ihrer Mutter zu Willen des reichen Bindo Frau zu werden. Nach reiferem Bedachte wollte sie alles tun, was Frau Laldominen gefällig sei. Der Äbtissin war dieser Entschluß äußerst lieb, und sie ließ ihn augenblicklich die Mutter wissen, die voller Freuden ins Kloster eilte, mit Zärtlichkeit ihre Tochter küßte und in die Arme schloß und sie desselben Abends noch in der Absicht mit sich nahm, am nächsten Morgen Messer Geri zu sich zu bescheiden, um die nötigen Anordnungen zur Hochzeit zu veranstalten. Lisabetta, die im Vorzimmer geschlafen hatte, stand, sowie die Morgenröte durch die Fenstergatter schien, zur Ausführung ihres Vorsatzes auf und ging eilig und scheinbar sehr erschreckt in das Schlafzimmer ihrer Mutter, zu der sie mit bebender Stimme sprach: Meine liebe gute Mutter, ich habe soeben einen bösen Traum gehabt, über den ich noch wie ein Espenlaub vor Furcht zittere. – Was soll ich dabei tun? erwiderte Frau Laldomine, denke nicht mehr daran. Du weißt ja, das Sprichwort sagt: Träume sind Schäume. – Ach, nein! nein! sagte Lisabetta. Ihr wißt nicht, was ich sah. Aber laßt Euch nur sagen, es geht Euch auch mit an; deshalb möchte ich gern, wir dächten zusammen darüber nach. – Was ist wegen eines Traumes groß zu überlegen? fiel die Mutter ein und kam auf das Kapitel, wohin das Mädchen sie haben wollte. Wenn du willst, lasse ich Bruder Zaccaria, unseren Beichtiger, kommen, der ein halber Heiliger und großer Traumdeuter ist. – Ei ja, dafür würde ich Euch recht dankbar sein, meinte Lisabetta, schickt zu ihm, es kommt mir eine Ewigkeit vor, bis ich die Sorge los bin.
Frau Laldomine trug einer Magd auf, nach Santa Croce zu gehen und dem Bruder Zaccaria zu sagen: Er möge doch wegen einer Sache von Wichtigkeit gleich zu ihr kommen. – Es war dieser Bruder ein Geistlicher von bestem Rufe und mehr voll Menschenliebe als Gelehrsamkeit, ein einfältiger, frommer Mann, der unmittelbar nach erhaltener Botschaft den Weg zu Frau Laldominen einschlug und sie, seiner gewärtig, noch mit Lisabetten in der Schlafstube antraf. Die Frauen gingen ihm mit ehrerbietigem Gruß entgegen, ließen ihm einen Stuhl reichen und setzten sich ihm gegenüber, dessen Begleiter im Saale wartete. Die Mutter hub folgendermaßen an: Ihr werdet Euch verwundert haben, Herr Pater, daß wir so frühen Morgens und so eilig zu Euch schickten. Meine Lisabetta hat aber einen Traum gehabt, der sie sehr fürchten macht, und um dessen Auslegung sie Euch als ihren wohlmeinendsten Ratgeber ersuchen will. – Mit Hilfe Gottes, Schwester, und um Euch gefällig zu sein, erwiderte der Geistliche, werde ich so viel sagen, als ich selber weiß und der Himmel mir offenbaren will. Zuvörderst muß ich Euch nur erinnern, daß es Torheit ist, macht man sich zu viel Sorge um Träume oder setzt zu viel Glauben darein, denn sie sind fast immer falsch. Hinwieder soll man sie freilich nicht ganz verspotten und verachten, denn zuweilen treffen sie ein und bewähren sich, wie viele Stellen des Alten und Neuen Testaments Zeugen sind. So liest man, wie ihr wißt, vom Pharao und seinen sieben magern und sieben fetten Kühen und von den Kornähren. Und Sankt Lukas sagt im Evangelium, daß dem Joseph ein Engel im Traum erschienen sei und ihm geheißen habe, mit der Jungfrau und Christus damals nach Ägypten zu fliehen, als Herodes ihn töten wollte.
Nach dieser Rede wendete er sich zu dem Mädchen und bat um Mitteilung des Gesichts. Lisabetta schlug die Augen zur Erde nieder, ließ sich vom Bruder Zaccaria und ihrer Mutter die Zusage geben, sie nicht zu unterbrechen und sie ruhig bis zu Ende anzuhören, und hub mit Zittern und Zagen an: Gestern abend, nachdem ich später als gewöhnlich zu Bett gegangen war, geschah es mir, daß ich auf mannigfache Gedanken geriet und sann und sann, so daß ich lange keine Auge schloß. Wie ich endlich eingeschlafen war, schien es mir, ich sei vor dem Tore San Friano an des Arno Ufer, das grünte und blühte, und setzte mich in das zarte frische Gras unter den kühlen Schatten eines Baumes. Während ich allda mit unaussprechlichem Vergnügen und Wohlsein in das klare Wasser sah und auf das Gemurmel der hinplätschernden Wellen horchte, stand plötzlich ein großer Wagen vor mir, halb weiß wie Elfenbein, halb schwarz wie Ebenholz, vor den rechts eine große schneeweiße Taube, links ein ungeheurer kohlschwarzer Rabe gespannt waren, so wie es Pferde und Ochsen vor unsern gewöhnlichen Wagen sind. Inmitten des Wagens befand sich ein Stuhl, halb weiß, halb schwarz, wie überhaupt wunderbarerweise alles an dem Fuhrwerke gearbeitet war, in das ich im träumenden Staunen, weiß nicht von welch unbekannter Gewalt, gehoben ward. Ich saß nicht so bald darinnen, als die weiße Taube und der düstere Rabe die Flügel ausbreiteten und schneller wie der Wind mit dem Wagen durch die Lüfte flogen, höher und höher in die Himmel empor. Ich mag die Wunder nicht beschreiben, die ich sah, und erzähle nur, daß ich zuletzt in einem geräumigen, runden, ganz nach unserer Art gebauten Saale war, mitten hinein neben eine große Kugel gestellt. Um die Kugel herum standen auf drei Stufen wunderschöne Jünglinge, auf der ersten grün-, auf der zweiten weiß-, auf der dritten rotgekleidete. Furchtsam und erwartungsvoll dessen, was weiter erfolgen sollte, stand ich da, als plötzlich die große Kugel mit einem Knall aufsprang und einen hohen Lehnstuhl sehen ließ, der zu brennen schien, und auf dem ein in Feuer gekleideter, mit leuchtenden Flammen gekrönter Jüngling saß. Wie er sein Antlitz mir zuwendete, ertrugen meine Augen nicht so vielen Glanz; denn er strahlte tausendmal heller als die Sonne; ich mußte geblendet sie zu Boden schlagen und hielt sie geraume Weile geschlossen. Als ich sie wieder öffnete und um mich sah, gewahrte ich, daß ich an dem überirdischen Glanz erblindet war, hörte aber von der Stimme des Jünglings, die wie der furchtbarste Donner erklang, ein noch nie vernommenes Wort, das vielleicht auch niemals auf der Welt ausgesprochen worden ist, worauf ich fühlte, abermals, ich weiß nicht von wem, getragen und, nachdem sie mich lange herumgedreht hatten, zur Erde niedergesetzt zu werden, auf eine grasreiche Wiese, so schien es mir. Ich vernahm alsbald eine menschliche Stimme, die zu mir sprach: Sei getrost, meine Tochter, und gedulde dich, du wirst das Gesicht wiedererhalten. Beim Ton dieser süßen Worte wandte ich mich und wollte antworten, aber die Zunge sprach, was mein Herz fühlte, nicht aus; ich befand mich nicht allein blind, sondern auch stumm und erwartete voller Angst und Kummer, was aus mir werden würde. Da ergriff ein lebendes Wesen meine rechte Hand und gebot: Strecke dich aus, so lang du bist. Gehorsam tat ich es und berührte gleich mit der Stirne den frischen Wasserstrahl eines Quells. Der Unsichtbare führte mir die Hand ins Wasser und hieß mir, sie damit an die Augen zu halten und mein ganzes Gesicht mit dem heiligen Quelle zu baden. Ich tat es, und, o Wunder! ich konnte wieder sehen. Wie ich den Blick umhergleiten ließ ergriff mich ein wunderbares Staunen, mir war, als sollte mir vor Wonne und Freudigkeit das Herz aus dem Busen springen, und ich sah einen heiligen Einsiedler vor mir stehen, von Ansehn schön und streng, das Gesicht blaß und hager, die Augen sanft und nachdenklich, der Bart dicht und lang auf die Brust herabhängend, das Haupthaar wie gelockte Silberfäden über beide Schultern wallend. Er trug ein langes, fein gesponnenes Gewand von der natürlichen Farbe der Wolle, in der Mitte mit zwei geschmeidigen Binsenseilen gegürtet, und auf dem Kopfe einen leichten Kranz von friedlichen Oelzweigen. Sein ganzer Anblick erregte Ehrfurcht und Vertrauen. Die Wiese, auf der ich saß, hatte weiches, dunkelgrünes Gras, das ins Braune spielte, überall bunt und tausendfältig mit den lieblichsten Blumen durchmischt. So weit mein heiteres Auge trug, vielleicht noch weiter hinaus, erstreckte sich die reizende Ebene, ohne von Bäumen oder Gesträuch unterbrochen zu sein. Der Himmel darüber leuchtete hell und klar, ohne Sterne, Mond oder Sonne. Der göttliche Greis ließ sich auf einem erhöhten Sitze an einem über und über mit grünem Efeu bewachsenen Felsen nieder, aus dem ein zweiter, nicht künstlich in Marmor oder Alabaster von Meisterhand gehauener, sondern von der Natur selbst gebildeter Springquell sprudelte. Das Becken des einen umkränzten frische, tauige Lilien, das des andern bleiche blutgefärbte Violen, das Wasser des ersteren schien weich und milde wie Milch, das des anderen scharf und schwarz wie Tinte zu sein. Derweil ich aufmerksam all diese Gegenstände betrachtete, segnete mich der fromme Greis, und ich hatte die Sprache zurück, warf mich auf die Knie vor ihm nieder und bezeichte ihm in Demut und Ehrfurcht meine innige Dankbarkeit. Er unterbrach meine Worte und sagte: Gib sorgsam auf das, was ich zu deiner Belehrung jetzt tun werde, acht. Er nahm mit seiner Rechten einen kleinen Stein und warf ihn, zwischen den beiden Quellen sitzend, in die, welche gen Morgen lag; nicht so bald aber durchschnitt der Stein die weißliche Flut, als ihr ein weißes, lockiges Kind entstieg, von Sternen und himmlischem Glanze umstrahlt, singend und lachend, gleichwie beflügelt sich durch die Lüfte zum Himmel emporschwingend, höher und höher, bis es meinen Augen entschwand. Der Alte ergriff mit der Linken einen anderen Stein und warf ihn nach Abend in den anderen Quell, aus dem, sowie der Stein das trübe Wasser spritzte, gleich ein anderes Kind sichtbar auftauchte, schwarzgelb und geschwollen über und über, von sengenden Flammen umkreist, in denen es sich wie brennend krümmte und wand. Im nächsten Augenblick tat sich vor mir die Erde zu einer Tiefe auf, in die das Kind schreiend und kreischend hinabstürzte. Wie es verschlungen war, schloß die Öffnung sich wieder, und wie vorher grünte die Erde und blühte. Nunmehr rief der Mann Gottes mich, die ich halb sinnlos über die geschauten Wunder dastand, unwissend, was sie bedeuteten, und sagte mir: Wofern du tust, meine Tochter, was ich dir sagen will, so wird am Ende deines Lebens deine Seele wie jenes erste Kind entfliehen, das der milchweißen Quelle da entstiegen ist. Brichst du hingegen, fügte er hinzu, mein und Gottes Gebot, so wirst du, und deine Mutter zugleich mit dir, wie das andere, der zweiten Quelle entstiegene Kind, in die Tiefen der Hölle zu ewiger Verdammnis und Strafe verbannt.
Zwischen Furcht und Hoffnung, Schmerz und Freude schwebend, erwiderte ich: Gebiete mir, du Diener Gottes, was ich zu tun habe, um dir und meinem Schöpfer wohlzugefallen. Er sagte: Es gefällt Gott, daß du Alessandro Torelli zu deinem Gatten nimmst, der er rechtmäßigerweise ist, weiter an keine andere Verlobung denkst und überdies dem ersten Priester, der dir vor Augen kommt, dreihundert Lire gibst, die er, um Gottes Barmherzigkeit willen, einem armen Mädchen zu ihrer Ausstattung schenken soll. Kaum hatte er dies gesprochen, so schwanden Wiese, Quellen, der heilige Eremit sowie der ganze Traum plötzlich vor meinen Augen und ich wachte auf. – Sie schwieg.
Bruder Zaccaria, der fast eine halbe Stunde mit gespannter Aufmerksamkeit und Teilnahme zugehört hatte und Wort für Wort Glauben beimaß, da er nicht im entferntesten dachte, es habe ein so zartes Kind so schlauen Anschlag selbst erfunden oder ausgeführt, überlegte und erwog den Traum, in Staunen versenkt, mit ängstlicher Genauigkeit und wandte sich zu Frau Laldominen, die sich gekreuziget und gesegnet hatte und eben auf die Tochter losschelten wollte, mit dem Ersuchen, aus Gunst für ihn still zu sein. Er ließ Lisabetten umständlich erzählen, was zwischen ihr und Alessandro vorgefallen war. Unterrichtet, wie sie von neuem sich mit Bindo versprechen und mit Hilfe des Papstes die erste Verlobung rückgängig machen solle, meinte er, der Herrgott habe dem Mädchen aus diesem Grunde solchen Traum verliehen. Er fing also Frau Laldominen zu trösten und zu besänftigen an, hielt ihr eine schöne Predigt über den Ehestand und schloß mit der Erklärung, daß auf keine Weise die Verlobung mit Alessandro ungeschehen gemacht werden dürfe, weil er in Wahrheit von Gott zu Lisabettens Gatten ausersehen worden sei. Was Gott verbunden hat, sagte er, soll und kann der Mensch nicht trennen, denn die Bande der Erde sind stärker und unauflöslicher, als der Mensch gemeiniglich denkt. Zu dem Traume zurückkehrend, legte er ihn Punkt für Punkt aus, indem er behauptete, von jenen zwei Quellen stelle die weiße den Stand der Unschuld und Gnade, die schwarze den der Bosheit und Sünde vor. Wie sie nun beide, vollbrächten sie den Willen Gottes nicht, am Ende ihres Lebens in den Pfuhl der Hölle versinken würden, stellte er ihnen so augenfällig dar, daß Frau Laldomine vor Entsetzen schon glaubte, in des Teufels Händen zu sein. Der gute Pater, eingedenk, wie das Almosen der dreihundert Lire zunichte sei, erhalte Lisabetta ihren Allessandro nicht, half der an sich schon vernünftigen Sache, soviel bei ihm stand, nach und schilderte den Jüngling, der Wahrheit getreu, als fleißig, gelehrt, gesittet und gut, daß er Frau Laldominen, ihm ihre Tochter zu gönnen, überredete. Denn, hatte er ihr gesagt, die Tugend ist der einzige wahre Reichtum auf dieser Welt. Eure Tochter ist so schon reich und bedarf keines reichen Ehemannes, wohl aber eines rechtschaffenen, der ihr Vermögen zu bewahren und zu mehren versteht und freigebig ist, bietet sich die Gelegenheit dar und erheischt es die Not. Ihr findet in ganz Florenz keinen Menschen geeigneter als Alessandro zu diesem Zweck, und so ist es nicht minder gerecht als klug, nehmt oder behaltet Ihr vielmehr diesen Sohn. Nachdem also Furcht vor angedrohter Verdammnis und gute Worte sich gleich wirksam auf Laldominens Sinnesänderung bewährt hatten, blieb ihr das einzige Bedenken, Messer Geri zu verabschieden, durch den schon nach Rom geschrieben, mit dem Vikar gesprochen und der Magistrat der Stadt aufsässig gemacht worden sei. Sie wandte bescheidentlich dem Bruder Zaccaria ein: Ihr habt mich, werter Mann durch Auslegung des Traumes wie durch Gründe der Vernunft so zu überreden gewußt und mich mit der Hand darauf gewiesen, wie meine Seele, die mir wichtiger als alles ist, und die Seele meiner Tochter in die Hölle kommen würden, daß ich wohl zufrieden wäre, was ihr wollt, zu tun, wüßte ich nur Messer Geri umzustimmen, der doch nicht gar zu sehr beleidigt werden darf. – Bruder Zaccaria gab ihr darauf zu verstehen: Madonna, wo es die Liebe zu Gott und der Seele Heil gilt, muß man weder Bedenken tragen noch Rücksichten nehmen. Ich unterziehe mich, ist es Euch eben recht, der Sache gern, und will zu Messer Geri gehen; ich weiß, ich stelle ihn zufrieden und erhalte ihn Euch freundlich gesinnt. – Ihr würdet mir eine große Wohltat erzeigen, entgegnete die Frau, ich bitte Euch, es zu tun, und wünsche überdies, die ganze Heiratsangelegenheit möge durch Eure Hände gehen, damit Ihr der erste seid, der Alessandro meine Einwilligung hinterbringt. Lisabetta wußte sich vor Freude gar nicht zu lassen und sagte: Es ist aber nötig, daß vor allen Dingen der geistliche Vater dreihundert Lire empfängt, um ein gutes Werk an der Verheiratung eines jungen Mädchens zu stiften. – Du hast wohlgesprochen, Kind, nahm der Bruder das Wort auf, man tut auf Erden nichts Gott Wohlgefälligeres, als übt man Werke der Barmherzigkeit aus. Ihr müßt wissen, daß eine Muhme von mir eine gutgezogene Tochter hat, die schon seit zwei Jahren einen Mann haben möchte und nur noch wartet, weil es ihr an der Ausstattung fehlt. Ihr Vater ist ein Weber, der außer seiner Frau noch mehr Kinder ernähren muß und kaum die Trauung bezahlen kann. Darum wird Euer Werk ein recht christliches bei den Leuten sein. Frau Laldomine stellte dem Bruder einen Zettel über dreihundert Lire an die Bank der Peruzzi aus und ersuchte ihn, sobald er sie abgeholt habe, aus Gefälligkeit für sie den Gang nach Messer Geri zu tun. Zaccaria ging vergnügt und ließ auch die Frauen, besonders Lisabetten, zufriedengestellt, trug das Geld nach Hause, womit er zu gelegener Zeit seine Nicht verheiratete, und machte sich, als es an der Zeit war, zu Messer Geri auf den Weg, der aus Ehrfurcht vor ihm und aus Vertrauen in seine Vorstellungen Vernunft annahm. Der Bruder dankte ihm bestens und kehrte zu den ihn erwartenden Frauen zurück, die er seine Erfolge wissen ließ. Alessandro, gerade beim Mittagessen zu Hause, ward herbeigeholt und mußte sich zu den Frauen und dem Bruder setzen, der ihm zu seiner höchsten Freude alles Vorgefallene in einem schönen Sermon ankündete und ihm schließlich sagte: es werde diesen Abend, bei einem stattlichen Feste, in Gegenwart von Verwandten und Freunden seine Trauung mit Lisabetten vor sich gehen. Sie begaben sich insgesamt zu Tische, wobei sie sich über alle Dinge genugsam verständigten, und am Abend ward eine prunkvolle Hochzeit angestellt, da Alessandro denn öffentlich vor den Gästen als Lisabettens Mann mit ihr die Ringe wechselte.
Die näheren Umstände dieser Heirat wurden in Florenz bekannt, gefielen jedermann, und Mutter wie Tochter ernteten viel Lob. Alessandro zog aus dem ärmlichen Häuschen in den Palast seiner Frau, nahm von ihren Reichtümern Besitz, vernachlässigte aber nichtsdestoweniger nicht seine Studien. Er gedieh an Reichtum, Kenntnis und Tugenden und ward als Bürger so geehrt, daß der Staat in wichtigen Fällen auswärts und im Innern öfter seine Dienste ansprach. Gesegnet mit Würden und Kindern, lebte er zur Freude und höchlichen Zufriedenheit Frau Laldominens lange Zeit. Und also besiegte ein verliebtes Mädchen durch Klugheit Mißgeschick, verschaffte sich und ihrem Gatten Freude und dauerhaftes Wohlergehen, ihrem Vaterlande aber Heil und Ruhm.