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Nachts
Heute begegnete mir etwas Eigenes, eine Kleinigkeit, die mir doch einen nicht unwichtigen Zug zu dem Bilde von Claudias Leben lieferte.
Claudia war mir heute nicht recht nah. Sie schwieg viel; wenn sie sprach, klang es leicht gereizt, wobei der herbe Unterton ihrer Stimme besonders deutlich herausklang. Ihr Mund hatte heute eine herrlich bittertragische Linie. Spall bemühte sich, sehr glänzend und ausgelassen zu sein. Daahlen lachte viel über ihn, aber Claudia schien das zu ärgern. Spall hat auch so eine verwandtschaftlich aufdringliche Art, mit ihr zu verkehren – als gehörten sie zusammen. Ungeschickter kann man nicht sein. Ich fand wenig Gelegenheit, mit Claudia zu sprechen. Wir unterhielten uns eine Weile über das Gewitter und über Pferde. Ich war sehr reserviert und formell – was richtig war. Dennoch wollte ich ihr einige Worte sagen, leise und erregt und bedeutsam, Worte, die sie empfinden mußte, als drückte ich flüchtig ihre Hand und sagte – »Ich weiß – wie – wir – beide leiden« – – aber mir fiel das Rechte nicht ein, Daahlen war heute besonders in Erzählerlaune und nahm mich ganz in Beschlag. Er schilderte mir einen schwierigen und langwierigen Weg, den er irgendwo in Afrika gemacht haben wollte. Schließlich zwang er mich, mit ihm in sein Arbeitszimmer zu gehen, um diesen uninteressanten Weg auf der großen Karte, die dort an der Wand hing, zu verfolgen.
Als wir wieder auf die Veranda heraustreten, waren Spall und Claudia fort. Sie mochten wohl in den Garten hinuntergegangen sein.
Daahlen erzählte weiter, aber es schien mir, als verwirrte sich der Weg, als kämen wir nicht recht vorwärts. Zuweilen hielt er inne, spähte in den Garten hinab, über dem jetzt sehr hell ein großes Stück Mond hing, und murmelte: »Sind sie das?« »Nein« – sagte ich – »das Weiße, das ist das Tuberosenbeet.« – »So – so«, meinte er – – »hm – macht nichts – allons – allons!«
Im Mondlicht sah ich deutlich, daß sein braunes, scharfes Gesicht mit dem mausgrauen Bart sich wunderlich verzog – wie bei einem stechenden Schmerz.
»Na ja, also«, fuhr er fort – »wir waren also fünf Kilometer von dem Dorfe Biri-biri.« – Er war aber nicht bei der Erzählung, sondern sah beständig in den Garten hinaus, und ich hörte nicht zu, sondern sah auch in den Garten hinab, und wir warteten beide gespannt.
– – »Da sind sie!« entfuhr es mir plötzlich.
»Wo – wo?« fragte Daahlen. »Ja – ich seh' – na also.«
Claudia und Spall traten jetzt aus dem dunklen Laubgang auf die hellbeschienene Terrasse hinaus.
Er ist eifersüchtig, der Arme – dachte ich – ja, es wird vielleicht der Augenblick kommen, da wir ihn nicht schonen können. Das Leben ist grausam. Aber mir war es auch lieb, daß die beiden wieder zur Veranda hinanstiegen. »Also – so kommen wir glücklich nach Biri-biri«, berichtete Daahlen erleichtert und setzte sich knarrend in den Korbstuhl.
Claudia und Spall kamen auf die Veranda. Claudia ging, als sei sie müde. Daahlen erzählte weiter, als sähe er sie nicht.
Am anderen Ende der Veranda standen zwei Stühle. Spall schlenderte darauf zu, warf sich in den einen und rückte den anderen für Claudia zurecht. Claudia machte auch einige zögernde Schritte zu ihm hin – dann wandte sie sich schnell ab – ja, ich weiß es – mit Widerwillen, mit Angst, ich sah das deutlich in den Umrissen der zarten, leicht in den Falten des Musselinkleides schwankenden Gestalt. Entschlossen kam sie zu mir herüber und setzte sich auf den Sessel, der neben mir stand – schutzsuchend – – zu mir gehörig. Seit meinen Knabenjahren hatte ich nicht mehr dieses starke Freudengefühl empfunden, das uns von Kopf bis Fuß mit einer süßen Wärme erfüllt. Nun kam eine köstliche Stunde – Claudias Hand lag auf der Armlehne ihres Sessels, meine auf der Lehne des meinen. Unsere Hände waren einander nah – sie sehnten sich nacheinander, sie fühlten einander. Hätte ich wirklich Claudias Hand ergriffen, so wäre das trivial gewesen. So etwas tut Spall vielleicht. Aber so war es gut. Die Ahornwipfel standen still und schwarz im Mondlichte. Daahlens Stimme erzählte jetzt ruhig knarrend, sprach die barbarischen Negernamen tönend in die nächtliche Stille hinein.
12. August. Sonntag nacht
Zu Daahlens wollte ich heute nicht gehen. Besuche am Sonntage sind nicht stilvoll. Aber ich ging um zwei Uhr schon aus. Der Tag war sehr hell – blitzblank, wie in Sonntagskleidern. In den Straßen roch es nach den Sonntagsbraten, die durch die geöffneten Fenster herausdampften. Die große Allee war noch einsam. Hier und da ein geputztes Dienstmädchen, das Gesicht rot vom starken Waschen, das auf seinen Sonntagskameraden wartete. Ich bog zur Daahlenschen Villa ein. Ich wollte beobachten, wie der Anblick dieses Hauses, das in Mondschein und Dämmerung mir zu einem erregenden Traumbilde geworden war, in der Wirklichkeit des gelben Mittagslichtes auf mich wirke. Das schien eine nötige Ergänzung. Das Haus mit seinen niedergelassenen Jalousien stand da sehr still, wie schlafend im Sonnenschein. Nur an der einen Schmalseite, dort, wo die Küchenräume liegen, war ein Stuhl in einen schmalen Schattenstreifen hinausgestellt. Dort saß eine Frau in blauem weißgetüpfelten Kleide – ein großes, bleiches Gesicht mit mehreren Kinnen unter einer weißen Haube, runde, schwarzgefaßte Brillengläser. Das war wohl Julchen. Sie hielt ein Buch und sang mit näselnder Stimme einen Choral. Das hatte so den zitternden, schläfrigen Takt, nach dem die Kohlweißlinge das große, bunte Beet vor der Freitreppe umflatterten. Ich ging um das Haus herum, außen am Gartengitter hin. Ich wollte die Terrasse im Tageslicht sehen. Da war sie. Da war auch Claudia.
Sie trug ein weißes Batistkleid und einen großen weißen Batisthut und ging die Lavendelstreifen entlang, die den Weg einfassen, um mit einer Gartenschere Lavendel abzuschneiden. Als sie bis nah an das Gitter kam und sich aufrichtete, erblickte sie mich. Ich grüßte. Sie lächelte ein wenig und nickte. Als sie so dastand, das Gesicht blaßrosa unter dem grellen Gekräusel des Haares, gefiel sie mir so stark, daß es mir die Kehle zuschnürte. Seit meinen Knabenjahren war mir das nicht mehr begegnet, daß ich so stark empfand, daß ich fast weinen wollte. Claudia fühlte das – sie mußte das fühlen – sie hielt still – in der Hand den großen Lavendelstrauß, die Augen weit offen, schaute sie mich an, als wollte sie sagen: Du siehst, so ergeht es uns beiden. »Ach, Herr von Brühlen«, versetzte sie dann, »guten Morgen! Wollen Sie nicht ein wenig hereinkommen und meine Lavendel riechen? Da im Gitter ist die kleine Tür.« – Ich trat zu ihr in den Garten. Sie streckte mir den sommerwarmen Lavendelbusch entgegen.
»Ich schneide ihn gern«, sagte sie, »und lege ihn zu der Wäsche. Das riecht so gut altmodisch.«
»Ja, meine Mutter hatte die Schränke auch voll davon«, meinte ich. Ich war befangen. Meine Stimme klang ein wenig atemlos, das Herz schlug mir heftig.
»Sie gehen schon so frühzeitig spazieren?« fragte Claudia.
»– Ja – ich – ich wollte den Garten und – und vielleicht Sie, Baronin, um die Zeit sehen. – Bisher ist mir das so – so visionär, Dämmerung – und Mondschein – ich glaubte –«
»Und nun?« fragte Claudia neugierig.
»– Nun? – Ja – das Visionäre bleibt – nur – die Vision hat andere Farben – jetzt eine Vision in Weiß, Rotgold und Lavendelblau –«
Claudia hatte sich auf einen umgestürzten Schiebkarren gesetzt, der auf dem Wege lag, und schaute aufmerksam zu mir auf. »Das ist gut«, meinte sie. »Wir dürfen Visionen nicht – wie man sagt – materialisieren – sagt man nicht so? – Visionen sind doch unverantwortlich.« – »Wie?« – Claudia schaute nachdenklich auf ihren Strauß nieder: »Ich träume gern, das ist so angenehm. Man liegt und ist an dem, was man erlebt, nicht schuld – tut nichts dazu. – Es nimmt und trägt einen mit sich fort.«
»Das tut das Leben ohnehin – ob wir wollen oder nicht«, bemerkte ich ziemlich erregt.
Claudia schaute auf, ein wenig verwundert.
»Ja – nicht wahr?« sagte sie. Dann entstand eine Pause. In meiner Unterhaltung mit Claudia kommen diese Pausen häufig. Ich glaube, es sind die Augenblicke, in denen unser Gefühl besonders stark zusammenklingt.
»Sie haben schon gearbeitet, Baronin?« begann ich formell. Das schien mir wichtig. »Mit meinem Mann – das Manuskript – ja«, erwiderte Claudia obenhin.
»Das war wohl interessant?«
»Gott!« sagte Claudia und zuckte leicht mit den Schultern, sie schob die Unterlippe vor. Diese Bewegung hatte so sehr etwas von einem trotzigen kleinen Mädchen, daß ich an die fünf Komteßchen in dem großen Garten denken mußte, die stets an allem Unheil schuld waren.
»Gott – ich hasse diese Neger mit ihren unmöglichen Namen und ihren dummen Sitten. Aber wissen Sie, was ich noch mehr hasse?«
– »Nein!« –
»Die Kilometer. – Immer – und überall sind sie da. Man denkt, Afrika – da ist Licht und große Blumen und Farben. Nein – es ist nur ganz voll von diesen langweiligen Kilometern.«
»Ja, die lassen sich nicht gut vermeiden«, bemerkte ich ziemlich geistlos. Aber so war es vielleicht richtig in diesem Moment, da sie gegen ihren Mann sprach.
»Wieso«, sagte Claudia wegwerfend – »ich geh' – aber ich geh' nicht Kilometer.«
Wieder stockte die Unterhaltung. Ich hätte jetzt kameradschaftlich scherzen müssen. Aber ich war zu erregt.
»Sehen wir Sie heute abend?« fragte Claudia.
»Ach, heute sonntags«, erwiderte ich zögernd.
»Gott! Unter Freunden«, meinte Claudia.
Dieses »unter Freunden« sollte eine Barriere sein. Ja, wir wollen Barrieren zwischen uns setzen, gefällig gegen unser Gewissen sein, das doch stärker ist.
Eine Glocke erscholl im Hause.
»Oh – Zeit, sich anzukleiden«, rief Claudia erschrocken, wie ein kleines Mädchen, das zu spät zur französischen Stunde kommt. Wir reichten uns flüchtig die Hand, und ich ging nachdenklich meinen Weg zurück.
In der Allee auf der gewohnten Bank saß Toni. Sie trug eine weiße Seidenbluse, einen goldenen Gürtel und zuviel Rosen auf dem Hut. Ihr Gesicht war erhitzt und die Augen gerötet.
»Du hast geweint?« fragte ich.
Sie fuhr mit dem Handrücken über die Augen und machte ein böses Gesicht.
»Ich warte so lange«, sagte sie – »ich dachte, Sie kommen nicht.«
»Ah – das ist's! Na also gehen wir.« Toni erhob sich und nahm meinen Arm, sicher, ein wenig rauh. Sie nahm von mir Besitz, als von ihrem Sonntagsrecht. Sie gefiel mir heute nicht besonders. Schweigend gingen wir die Allee hinab. Auf einer Bank saß ein Mädchen mit einer hellen Bluse und zuviel Blumen auf dem Hut.
»Die weint auch«, sagte ich.
Da wurde Toni beredt: »Nun ja. Die Woche plagt man sich und freut sich auf den Sonntag und zieht sich seine guten Sachen an, und dann kommt er nicht –«
»Ja – ja, das ist unrecht«, sagte ich. Wie verständlich das war. Die Liebe ist hier so klar – eine Einrichtung – ein Recht.
Wir gingen aus der Stadt hinaus über die große Ebene hin. Die Wege waren hier laut von sonntäglichen Spaziergängern. Überall die geputzten Mädchen erhitzt und zufrieden am Arm ihres jungen Mannes. Anfangs verstimmte mich alles, aber dann überkam mich beruhigend das Gefühl, eingereiht zu sein in eine Ordnung, fast in einen Beruf. Wir gingen weit hinaus, dort wo es einsam wird. Die Sonne stach auf das Weideland nieder. Eine Kiesgrube lag dort. Wacholder, Heidekraut, Katzenpfötchen wuchsen an den Wänden. Ein großer Stein lag auf dem Grunde und sonnte sich. Wir stiegen hinab – streckten uns dort aus. Toni nahm ihren Hut ab, streckte ihre Glieder – blinzelte mit den Augen in die Sonne. »Ah! Das ist gut«, stöhnte sie. – Das ganze Behagen der Sonntagsfaulheit kam über sie, strahlte ordentlich von ihr aus. Ich lag auf dem Rücken. Wacholder, Wermut, Schafgarben dufteten so warm, als säßen wir in einer Küche, in der Kräuter gekocht würden. Kleine Schmetterlinge, bronzefarben und stahlblaue Farbenfleckchen, flirrten vorüber. Leise vor sich hin singend, bummelten Hummeln durch die Luft und hingen ihre Samtleiber an die Glocken des Benediktenkrautes.
Toni plauderte vor sich hin von anderen Sonntagen, an anderen Ausflugsorten mit anderen Herren – wie das so schön gewesen wäre.
Ich schloß die Augen. – Ich wollte wieder die Vision in Rotgoldweiß und Lavendelblau haben. – Gott! Aber auch auf mir lag die feiertägliche Trägheit. Das mit der Vision und Claudia und mir – das war so kompliziert, und das faule, rosa Mädchen neben mir war so einfach und selbstverständlich. Mir vergingen die Sinne, ich schlief wohl ein wenig.
Dann hörte ich Toni vor sich hin singen, eintönig und schläfrig. Ich schlug die Augen auf. Auf ihren Ellenbogen gestützt, lag sie da – die Füße hoben und senkten sich taktmäßig.
Zwischen den Lippen hielt sie einen Grashalm und in der Hand einen Wacholderzweig, mit dem sie langsam auf den Boden schlug. – »Rai – la – la – la.«
»Toni«, sagte ich, »hast du – früher einmal – das Vieh gehütet?«
Toni schaute auf.
»Sie haben geschlafen. – Das Vieh? Ja, da unten bei uns habe ich die Schafe gehütet.«
»Dann lagst du so den ganzen, langen Tag.«
»Ja – lang – lang war der Tag.«
»Und wenn du den langen Tag so dalagst, wartetest du da immer auf etwas?«
Toni dachte nach.
»Warten? Ich weiß nicht. Ja, ich wartete, daß die Mutter zum Essen ruft.«
»Ach ja – auf das Essen hast du gewartet – natürlich. Du – komm näher.«
Toni schob sich über das Gras zu mir hin – schmiegte sich an mich.
»Ist's so gut?« fragte sie.
Ja, so war's gut. Ich weiß nicht, wie lange wir dort unten in der Kiesgrube geblieben sind. Die Sonne schien schon schräg über die Ebene. Musikklänge kamen zu uns herüber. Das regte Toni auf.
»Das ist die Musik von Deibler – und das von Bohrer«, sagte sie.
»Du willst wohl dahin?«
»Ja, da müssen wir auch noch hin«, erwiderte sie bestimmt. Nun und dann gingen wir zum Deibler. In dem großen Biergarten unter den staubigen Bäumen saßen die Menschen Kopf an Kopf. Die Luft war schwer von Bierdunst. Erhitzte Kellnerinnen schleppten große Portionen Kalbsbraten und Schweinebraten und Papierservietten heran. An allen Tischen die geputzten Mädchen mit ihren jungen Leuten. Auf den Gesichtern lag es wie Abspannung, in den Augen wie schläfrige Enttäuschung. Die Männer hatten vom Trinken rote Köpfe und waren recht laut. Zwei stritten sich, und das Mädchen weinte. Die Militärkapelle schmetterte einen Marsch. Später kam ein Kornettsolo, Schuberts Ständchen. Die Leute, wieder still, streckten sich vor süßem Gefühl auf den Bänken. Die Mädchen schauten starr vor sich hin und verzogen ein wenig das Gesicht, als wollten sie weinen.
»Nun?« fragte ich Toni.
»Sehr schön!« erwiderte sie. Die Arme unter der Brust gekreuzt, saß sie da, in den Augen auch den schläfrigen, enttäuschten Blick. Die Traurigkeit dieses zu Ende gehenden Sonntags lag schwer auf uns allen. Dagegen gibt es nur eines – zusammen nach Hause gehen – sich aneinander drücken und vergessen.
»Komm«, sage ich zu Toni.
Wenn das jetzt nicht hier stünde, so wäre es für mich fort, als sei es nicht gewesen. So muß wohl der Sonntag sein für alle die, welche arbeiten. Es bleibt von ihm nichts Erregendes, nur etwas Müdigkeit – einige welke Feldblumen. Die Arbeit kann wieder beginnen, und man kann an den nächsten Sonntag glauben. Auch ich gehe heute wieder daran, an meiner erregenden und rätselvollen Liebeserfahrung zu arbeiten.
13. August nachts
Der Mond steht jetzt rund und hell über dem Daahlenschen Park. Claudia hielt sich heute von mir fern. Einen Augenblick sprachen wir miteinander, gleichgültige Dinge, und ihre Stimme hatte etwas Fremdes – etwas Gläsernes und Lebloses. Ich verstand das. Auch ich bemühte mich, ganz kalte Höflichkeit – gleichsam fern von ihr zu sein. Ich weiß, wir litten beide.
15. August
Heute spielte ich mit Daahlen auf der Veranda Schach. Claudia und Spall sprachen am anderen Ende der Veranda miteinander ziemlich leise, aber ich hörte ihren Stimmen an, daß sie sich stritten.
»Was habt ihr denn?« fragte Daahlen. Da kam Claudia zu uns, setzte sich still neben mich. Spall ging bald. Unter tiefem Schweigen spielten wir die Partie zu Ende, dann wandte ich mich zu Claudia. Sie hatte sich tief in ihren Sessel hineingesetzt, ein wenig in sich zusammengekrümmt. Die Augen weit offen, starrte sie zum Monde auf. Das Gesicht erschien vom Mondlicht bleich, die Augen sehr dunkel. Ich mußte zu ihr sprechen, gleichviel was, nur damit der Ton meiner Stimme sie liebkose.
»Nicht wahr, Baronin, der Vollmond gibt uns einen Rausch – einen kühlen Rausch?«
Daahlen griff das auf.
»Sehr gut. Der Mondschein hat etwas Frappiertes. Hier nicht, in Afrika. Oh! Sie verstehen sich auf Nuancen – Sie sind ein Lebenskünstler.«
»Wie ist das, ein Lebenskünstler?« fragte Claudia, und es klang gereizt, fast feindselig.
»Ein Lebenskünstler, liebes Kind«, dozierte Daahlen, »lebt eben ein Kunstwerk, lebt so, daß andere sich an seinem Leben erbauen können wie an einem Kunstwerk.«
»So«, meinte Claudia und lachte böse und maliziös. »Das muß nicht amüsant sein, so – so druckfertig zu leben. Wenn man ein Kunstwerk macht, dann weiß man, denke ich, auch immer im voraus, was kommen muß.«
Ich hielt es für richtig, bedeutungsvoll einzuschalten: »Das wissen wir doch ohnehin.«
Aber Claudia widersprach eigensinnig.
»Das finde ich nicht.«
»Wir wollen nur nicht daran glauben«, fuhr ich fort, und auch meine Stimme klang gereizt. Claudia zuckte leicht mit den Schultern. Daahlen begann ganz unmotiviert, wohl um uns zu beschwichtigen, von den Niams-Niams zu erzählen. Dann ging ich. So muß es sein. Wir kämpfen und leiden beide.
16. August
Liebe treibt eines zum anderen, nicht damit wir eines das andere glücklich machen, wie man sagt. Diese Glücksrechnung geht die Liebe nichts an. Vielleicht bereiten wir einander Schmerz. Weiser ist es, nicht zu lieben. Liebe ist alogisch, und wir kämpfen gegen sie an, aber sie ist stärker als unsere Logik, und das ist ihr Zauber.
17. August
Claudia ist still und bleich. Wir haben kein Wort miteinander gesprochen, das – uns etwas anginge. Aber sie sitzt still neben mir, unsere Hände liegen nah beieinander und sehnen sich nacheinander.
18. August
Mir ist zuweilen, als fühlte ich ein tiefes Erbarmen mit Claudia und ihrer Hilflosigkeit. Ich kann ihre Hilflosigkeit an der meinen messen.