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Am 21. August erschien ihr der Geist in Gestalt eines monströsen Tieres, das mitten am Leibe einen Hals hatte. Sie saß gerade auf der Bank und strickte. Man hörte von ihr nichts, als daß sie in Unmacht fiel und nur noch die Worte herausbrachte: »Der Schwarze!« Mehrere Stunden lang lag sie bewußtlos da, und diese Anfälle wiederholten sich selbst noch den ganzen andern Tag hindurch. Sie schlug nach allem, was sich ihr näherte, mit dem linken Arme und dem linken Fuße, besonders wurde dieses Wüten der linken Seite heftig, wenn man die Bibel gegen dieselbe brachte.
Die Eltern ließen einen Geistlichen und einen Arzt rufen, weil ihnen dieser Zustand unerklärlich war. Fragte sie der Arzt: »Hast du Krämpfe?«, antwortete sie: »Nein!« »Bist du sonst krank?« »Nein!« »Was ist es denn?« »Der Schwarze!« war die Antwort. »Wo ist er?« »Da!« Dabei schlug sie mit der rechten Hand auf die linke Seite.
Man ließ ihr zu Ader, setzte ihr Blutegel. Sie war in einem magnetischen, schlafwachen Zustand und sagte in ihm: »Das nützt alles nichts, ich bin nicht krank, man gibt sich vergebliche Mühe, mir kann kein Arzt helfen.« Man fragte: »Wer kann dir denn helfen?« Da erwachte sie auf einmal und sagte freudig: »Mir ist geholfen!« Man fragte: »Wer hat geholfen?« Sie sagte: »Das Fräulein hat geholfen« (die weiße Geistin).
Sie erzählte nun, daß vor ihrem Fall der schwarze Geist in jener scheußlichen Gestalt auf sie losgegangen, sie niedergedrückt und sie zu erwürgen gedroht habe, wenn sie ihm diesmal nicht antworte, nun müsse es sein. Da seie aber, wie sie schon fast am Tode gewesen, die weiße Geistin erschienen, die habe sich zu ihrer Rechten gestellt, der schwarze Geist seie zu ihrer Linken gewesen. Beide Geister hätten, wie es ihr geschienen, miteinander gestritten, aber in einer ihr ganz fremden Sprache, aber ihr vernehmbar, laut, und endlich sei der weißen Gestalt die schwarze gewichen und sie wieder zu sich gekommen. Von den Fragen, die man während ihres Zustandes an sie gemacht hatte, wußte sie nichts.
Sie weinte nun sehr über ihren unglücklichen Zustand, besonders da ihr die Leute sagten, sie seie mit Gichtern behaftet.
Als sie darob am 23. August sehr traurig war, erschien ihr die weiße Geistin und sagte: »Grüß Gott, Magdalene! Kümmre dich nicht, du bist nicht krank. Die Leute können nicht darüber urteilen. Wenn du noch so oft hinfällst, ich schütze dich, daß es dir keinen Schaden bringt, und den Unglaubigen soll es ein Beispiel sein. Wohl sagen auch die Leute: Warum kommt so ein Geist zu einer so Unwissenden? Die hat nichts gelernt, die weiß nichts, die gilt nichts, und der Geist war eine Nonne, und Nonnen wissen auch nichts als von der Marie und vom Kreuzlein. Die aber wissen nicht, daß geschrieben stehet: ›Und ich, lieben Brüder, da ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten oder hoher Weisheit, euch zu verkündigen die göttliche Predigt, denn ich hielt mich nicht dafür, daß ich etwas wüßte unter euch, ohne allein Jesum Christum den Gekreuzigten. Und ich war bei euch mit Schwachheit und mit Furcht, und mit großem Zittern. Und mein Wort und meine Predigt war nicht in vernünftigen Reden menschlicher Weisheit, sondern in Beweisung des Geistes und der Kraft. Auf daß euer Glaube bestehe, nicht auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft.‹ Wenn auch Doktoren und sonst gelehrte Leute kommen und sehen dich, so werden sie alle nichts wissen. Etliche werden sprechen: Die ist verrückt! Andere: Die ist in einem Schlafzustande! Andere: Die hat die fallende Sucht! Dich aber, Magdalene, soll dies alles nicht kümmern: denn es ist keins von all dem, und dein Leiden hat am fünften März kommenden Jahres ein Ende, halte du nur dein Versprechen, daß das Haus abgebrochen wird.« Hierauf betete die Geistin den 116. Psalmen und verschwand dann wieder.
Von da an traf der Vater des Mädchens nun auch alle Anstalten zum Abbruche seines Hauses und zum Aufbau eines neuen, so wunderlich dies auch manchem erschien.
Bei einem abermaligen Erscheinen des weißen Geistes sagte ihr dieser neben trostreichen Sprüchen aus der Heiligen Schrift, es werde wohl nun dahin kommen, daß der Schwarze sich ihres Leibes völlig bemächtige, sie solle aber nur getrost sein, sie werde jedesmal dann mit ihrem Geiste aus dem vom Schwarzen besessenen Leibe gehen und ihn in Sicherheit bringen.
Es wurden auch vom 25. August an ihre Anfechtungen durch den schwarzen Geist immer heftiger, er hielt sich nun nicht länger mehr, sich verstellend, außer ihr auf, sondern bemächtigte sich von nun an bei seinem Erscheinen sogleich ihres ganzen Innern, er ging in sie selbst hinein und sprach nun aus ihr mit dämonischer Rede.
Vom 24. August an erscheint ihr der schwarze Mönch nun immer so. Sie sieht, wenn sie auch mitten in einem Geschäft ist, ihn in menschlicher Gestalt (eine Mannsgestalt in einer Kutte, wie aus schwarzem Nebel, das Gesicht kann sie nie bestimmt angeben) auf sich zugehen. Dann hört sie, wie er nur ein paar kurze Worte zu ihr spricht, namentlich meistens: »Willst du mir als noch keine Antwort geben? Hab acht, wie ich dich plage!« und dergleichen. Da sie standhaft darauf beharrt, ihm nicht zu antworten (natürlich ohne ein Wort zu reden), so spricht er immer: »Nun, so gehe ich nun dir zum Trotz in dich hinein!« Hierauf sieht sie ihn immer auf ihre linke Seite treten und fühlt, wie er ihr mit fünf Fingern einer kalten Hand in den Nacken greift und mit diesem Griff in sie hineinfährt. Mit diesem verschwindet ihre Besinnung und eigentlich ihre Individualität. Sie ist nun nicht mehr in ihrem Körper, dagegen spricht eine rohe Baßstimme nicht in ihrer Person, sondern in der des Mönchs, aus ihr heraus, aber mit der Bewegung ihres Mundes und mit ihren, aber dämonisch verzerrten, Gesichtszügen.
Was nun während eines solchen Zustandes der schwarze Geist aus ihr spricht, sind Reden ganz eines verruchten Dämons würdig, Dinge, die gar nicht in diesem ganz rechtschaffenen Mädchen liegen. Es sind Verwünschungen der Heiligen Schrift, des Erlösers, alles Heiligen, und Schimpfreden und Lästerungen über das Mädchen selbst, die er nie anders als »Sau« benennt. Den gleichen Schimpfnamen und die gleichen Lästerungen erteilt er auch der weißen Geistin.
Das Mädchen hat dabei den Kopf auf die linke Seite gesenkt und die Augen immer fest geschlossen. Eröffnet man sie gewaltsam, sieht man die Augensterne nach oben gekehrt. Der linke Fuß bewegt sich immer heftig hin und her, die Sohle hart auf dem Boden. Das Hinundherbewegen des Fußes dauert während des ganzen Anfalles (der oft vier bis fünf Stunden währt) fort, so daß die Bretter des Bodens mit dem nackten Fuße (man zieht ihr gewöhnlich Schuhe und Strümpfe zur Schonung aus) ganz abgerieben werden und hie und da aus der Fußsohle endlich Blut kommt. Wäscht man aber nach dem Anfalle das Blut ab, so bemerkt man auf der Haut nicht die mindeste Aufschirfung, die Sohle ist wie der ganze Fuß eiskalt, und das Mädchen fühlt auch nicht das mindeste an ihr, so daß sie sogleich nach dem Erwachen wieder rasch stundenweit von dannen läuft. Der rechte Fuß bleibt warm. Ihr Erwachen ist wie das aus einem magnetischen Schlafe. Es geht ihm gleichsam ein Streiten der rechten mit der linken Seite (des Guten mit dem Bösen) voran. Der Kopf bewegt sich bald zur rechten, bald wieder zur linken Seite, bis er endlich auf die rechte Seite fällt, mit welcher Bewegung der schwarze Geist gleichsam wieder aus ihr herausfährt und ihr Geist wieder in ihren Körper zurücktritt. Sie erwacht und hat keine Ahnung von dem, was inzwischen in ihrem Körper vorgegangen und was der schwarze Geist aus ihm gesprochen. Gemeiniglich ist es ihr nach dem Erwachen, als seie sie in der Kirche gewesen und habe mit der Gemeinde gesungen oder gebetet, während doch die teuflischen Reden durch ihren Mund gegangen waren. Aber das ist es, was der weiße Geist ihr mit ihrem Geiste zu tun versprach, während der schwarze Geist sich ihres Körpers bemächtige. Der schwarze Geist in ihr antwortet auf Fragen. Heilige Namen aus der Bibel, selbst das Wort »heilig«, ist er nicht auszusprechen fähig. Nähert man dem Mädchen die Bibel, sucht sie gegen dieselbe zu spucken, der Mund ist aber in diesem Zustande so trocken, daß er nicht den mindesten Speichel hervorzubringen fähig ist, es ist nur das Zischen einer Schlange.
Von Gott spricht er mit einer Art Ängstlichkeit. »Das ist das Verhaßte«, sagte er einst, »daß mein Herr auch einen Herrn hat.«
Oft leuchtete aus seinen Worten der Wunsch und sogar die Hoffnung hindurch, vielleicht doch noch bekehrt zu werden, und nicht sowohl der böse Wille als vielmehr der Zweifel an die Möglichkeit, noch begnadigt und selig zu werden, schien ihn von der Bekehrung abzuhalten.Eine bei Sündern und Missetätern nicht seltene Erscheinung, daher die einzige Bekehrungskraft des Evangeliums. Vergl. Waltersdorf, »Schächer am Kreuz«.
Es war nicht zu verwundern, daß Ärzte diesen Zustand des Mädchens für eine natürliche Krankheit erklärten. Sie konnten daher unmöglich der in den Anfällen ausgesprochenen Behauptung des Mädchens, daß es von einem guten weißen Geiste eine wirkliche Erscheinung habe und von einem bösen schwarzen Geiste besessen sei, Glauben schenken, wenngleich wieder andere, wenigere nicht leugnen mochten, daß einerseits in den evangelischen Geschichten dergleichen Ereignisse, welche nur durch eine verkünstelte Exegese umzugestalten sind, als sich von selbst verstehende Dinge erzählt werden und daß sie anderseits die Tatsachen, über deren Wahrhaftigkeit ihnen selbst nicht der mindeste Zweifel blieb, mit ihren Doktrinen schlechthin nicht zu erklären vermochten. Denn wenn sie gleich, dieselben generalisierend, den Krankheitszustand des Mädchens zu den Nervenkrankheiten und, sie spezialisierend, zu einer Art von Epilepsie zählen zu dürfen glaubten, so schien es ihnen selber doch auch wieder unmöglich, in den Zufällen eine Analogie mit irgendeiner bestimmten Art von Epilepsie zu finden und zu rechtfertigen. Denn es ging diesem Zustande auch nicht die mindeste körperliche Störung voran, das Mädchen war in keiner Hinsicht je krank gewesen (litt nicht und hatte nie an Ausschlägen, nie an Menstruationsstörungen usw. gelitten), sie war gleich nach den heftigsten Krämpfen frisch und gesund, kräftig, tätig, heiter. Sie erwachte (wie schon bemerkt) nach den Anfällen, als hätte es ihr von erbaulichen Liedern geträumt, die sie in einer Kirche singen zu hören glaubte, während doch der schwarze Dämon durch ihren Mund mit fremdartiger Stimme die schändlichsten Blasphemien ausstieß. Die rechte Seite blieb während der tobendsten Anfälle warm und ruhig, indessen das linke Bein eiskalt vier volle Stunden hindurch ununterbrochen mit unglaublicher Gewalt auf und nieder flog und den Boden schlug und sich dennoch weder Geifer vor dem Munde noch eingeschlagene Daumen an den Händen wahrnehmen ließen; war auch einmal der Daumen der linken Hand eingeschlagen, so reichte ein Wort hin, um ihn in seine natürliche Lage zu bringen.
Dennoch! die Mehrzahl stimmte immer für Dämonomanie aus körperlich-krankhafter Ursache, für Epilepsie, die in partiellen Wahnsinn übergehe, und der eine wohl bereits schon eingetretene Desorganisation des Rückenmarkes, besonders der linken Partie desselben, zugrunde liege. Es wurden schulgerecht dagegen Gaben von bella donna, Zinkblumen usw., Einreibungen von Brechweinsteinsalbe, ja sogar das Brenneisen, zu schleunigstem Gebrauche angeraten – aber zum Glücke ließ der schlichte, natürliche Sinn der Eltern solche rationelle Anratungen nicht zur Ausführung kommen, sie vertrauten in ihrem Glauben, der sich durch keine Herren wankend machen ließ, der guten weißen Erscheinung, die immer fest versicherte, dieser jammervolle Zustand ihres Kindes werde bis auf den fünften März kommenden Jahres gewiß enden, sei nur bis dahin das Haus abgebrochen, und in diesem Glauben machten sie auch alle Zurüstung zur Niederreißung des alten Hauses und zur Erbauung eines neuen.
Ich, dem sie das Mädchen auf Bitten, nachdem ihr Zustand mehr als fünf Monate schon so gedauert hatte, auf mehrere Wochen zur Beobachtung ins Haus brachten, unterstützte ihren Glauben an ein dämonisches Besessensein ihres Kindes nicht im mindesten, hauptsächlich des Mädchens wegen, um sie alsdann auch einer desto reinern Beobachtung unterwerfen zu können, sondern erklärte den Zustand nur für ein Leiden, gegen das keine gewöhnlichen Arzneimittel fruchten würden, weswegen sie auch mit Recht noch bis jetzt die Hülfe aller Arzeneiflaschen, Pillenschachteln und Salbenhäfen bei ihrer Tochter zurückgewiesen hätten. – Dem Mädchen empfahl ich auch kein anderes Heilmittel als Gebet und schmale Kost an. Die Wirkung magnetischer Striche, die ich über sie nur ein paarmal versuchsweise machte, suchte der Dämon immer sogleich wieder durch Gegenstriche, die er mit den Händen des Mädchens machte, zu neutralisieren. So unterblieb auch dieses und überhaupt alle Heilmittel ohne alle Besorgnis von meiner Seite, weil ich in jedem Falle in diesem Zustand des Mädchens einen dämonisch-magnetischen erkannte und der Divination des bessern Geistes, der ihr ihre Genesung bis zum 5. März zusagte, wohl vertraute. In diesem Glauben ließ ich sie unbesorgt, und zwar in dem Zustand, wie sie mir gebracht worden war, wieder nach Orlach in ihr elterliches Haus zurückkehren, nachdem ich mich durch genaue und lange Beobachtung fest überzeugt hatte, daß hier nicht die mindeste Verstellung, nicht das mindeste geflissentliche Hinzutun von Seite des Mädchens zu ihren Anfällen stattfand. Ihren Eltern empfahl ich aufs angelegentlichste, aus dem Zustande ihrer Tochter kein Schauspiel zu machen, ihre Anfälle soviel als möglich geheimzuhalten, keine Fremde in solchen zu ihr zu lassen und keine Fragen an den Dämon zu richten, was ich selbst während ihres hiesigen Aufenthaltes aus Sorge für ihre Gesundheit nur wenig tat.