Wilhelm Jordan
Durch's Ohr
Wilhelm Jordan

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Erster Aufzug.

Vorzimmer eines Ballsaals. In der Mitte des Hintergrundes eine verhangene Balkonthüre.

 

Erster Auftritt.

Ballmusik hinter der Scene. Verschiedene Masken gehn über die Bühne. Bevor die letzten vorüber sind treten in den Vordergrund Klara, gekleidet wie Klärchen in Egmont, Mathilde, reiche Rococotracht, stark gepudert, und Robert als Türke, blau, alle drei in Masken.

Klara. Jetzt, blauer Türke, hast du dich verrathen:
Wir sehn in dir den schlauen Advokaten
Der neulich uns besucht, des Weinbergs wegen
Den uns der böse Vetter streitig macht.

Robert. Den Streit gedacht' ich gütlich beizulegen.

Mathilde. Und wurdest abgeblitzt und ausgelacht.

Robert. Ihr blitztet ab den Anwalt seines Kunden,
Doch Gnade, schien es, hatt' ich selbst gefunden.

Mathilde. Und wär's auch so, du hast dies bischen Gnade
Durchaus verscherzt aus dieser Maskerade.

Robert. Wodurch?

Mathilde.               Du fragst auch noch?

Klara.                                                       Du machst uns Beiden
Zugleich die Cour.

Mathilde.                     Bei Türken zwar und Heiden
Mag das der Brauch sein, aber nicht bei Christen,
Im Herzen zweier Fraun zugleich sich einzunisten.

Robert. Von eurer Anmuth, holdes Schwesternpaar,
Bekennt sich rettungslos mein Herz gefangen;
Nur das, gesteh' ich, ward mir noch nicht klar:
Von welcher dieser Zauber ausgegangen.

Klara. Darüber, Türke, komm zuerst in's Reine.

Mathilde. Denn wer uns Beide sucht, der findet Keine.

(mit Klara ab.)

Robert (die Maske abnehmend.)
Holdseelige Klara, reizende Mathilde,
Was ich von euch gesehn beim ersten Mal,
Zusammen fließt es mir in einem Bilde
Und tragen muß ich dieses Zweifels Qual,
In die mein Ohr mich mehr und mehr verstrickt,
Bis ich die Züge maskenlos erblickt:
Das Auge leite dann des Herzens Wahl.

(sich wieder maskirend ab.)

 
Zweiter Auftritt.

Heinrich als Egmont gekleidet, die Maske abnehmend.

Das Schicksal stellt mir wirklich eine Falle
Besondrer Art auf diesem Maskenballe.

Mein Oheim hat die wunderliche Grille
Als todter Mann ein Weib für mich zu werben;
Denn äußerst bündig setzt sein letzter Wille
Mich unter der Bedingung ein zum Erben
Daß ich der Gatte werde einer Dame
Die mir zur Zeit noch völlig unbekannt ist,
Ja, mehr, von der mir nicht einmal der Name
Im Codicill, im Brief des Ohms genannt ist.
In dieser Stadt, an vorgeschriebnem Orte
Soll ich sie morgen um die Mittagsstund'
An gleichfalls vorgeschriebnem Loosungsworte
Erkennen und alsbald, je nach Befund,
Entweder unsern Ehepact errichten, –
Wo nicht, – auf Sonnenstein, das beste Gut, verzichten.
Durch Deutschlands Breite reis' ich quer hindurch,
Komm' heute an, besuche Lindenburg,
Den reichsten Wollenhändler hier am Rhein,
Des seel'gen Onkels Freund – Er hüllt sich ein
In tiefes Schweigen, sagt, er wisse nichts
Für meinen Fall, – doch schmunzelnden Gesichts
Und dringend werd' ich von ihm eingeladen
Zur letzten seiner Faschingsmaskeraden.
Er nennt mir den Theaterschneider;
Ich gehe hin, doch find' ich leider
Nur einen Anzug der erträglich paßt; –
So stell' ich denn den Grafen Egmont vor, –
In Wahrheit aber bin ich ein Phantast,
Ein tonberauschter halb verliebter Thor –
Und wie verliebt? Es ist zu toll! Durch 's Ohr!
Ein Klärchen, das ich mir zum Tanz erwähle
Behext mein Herz – Womit? Mit ihrer Kehle!

Mir geht's wie dem, der trinkt nach langem Fasten.
Ein Gläschen Wein kann ihm den Kopf belasten.
Gewöhnt an Scheunen, finstre Pferdeställe,
Berauschte mich des Saales Kerzenhelle;
Statt meiner Dünger und Kartoffelfuhren
Erblick' ich hier des Tanzes bunte Touren;
Gestalten seh' ich aus vergangnen Zeiten
In reicher Tracht an mir vorüberschreiten:
Da konnte wohl der holde Märchenglaube
Der Jugend sich in meiner Brust erneu'n
Und wie mit frischem Schmelz und Flügelstaube
Die prosamüde Seele mir bestreun.
Mit des Vergnügens langentbehrter Labe
Erscheint Romantik, die verbannte Fee,
Berührt mein Herz mit ihrem Zauberstabe
Und glüht es reif zum Liebeswonneweh,
In dem ich nun mit meinen Ohren schwimme:
Ja wohl, ich bin verliebt in – eine Stimme!

Sie kommt. Hinweg. Ich muß an morgen denken,
Mein Herz auf die Verstandesbahn zu lenken;
Denn hör' ich länger die Sirenentöne,
So dünkt mir bald die unbekannte Schöne,
Die mir des Onkels Testament vermacht,
Auch unbesehn so häßlich wie die Nacht,
So kostet mich dies Spiel des Unverstandes
Am Ende noch dreitausend Morgen Landes.

(Die Maske vornehmend ab.)

 
Dritter Auftritt.

Klara, Mathilde, die Masken abnehmend.

Klara. Mathilde, komm; hier sind wir ganz allein.
Die Fenster des Altanes nach dem Rhein
Sind ausgehoben und nur leicht verhangen
Damit die Säle Luft von hier empfangen.
Wer herkommt spürt den Zug und flieht mit Schaudern;
So kann man hier in aller Ruhe plaudern.

Mathilde. Vorsichtig, Klara; hier ist's wirklich kühl.

Klara. Man kann doch athmen. Laß uns dem Gewühl
Des Maskenschwarms von Zeit zu Zeit entrinnen;
Das tolle Treiben bringt mich sonst von Sinnen.
Gespenster, dünkt mir, spie der Erde Schooß,
Zwar körperhaft, doch kalt und seelenlos,
Wenn so die Larven unverändert starren
Aus diese Schaar von Ottern und von Narren.
Das Aug' ist satt vom Schau'n der bunten Trachten
Und läßt das Ohr nach einem Worte schmachten,
Das mehr als einen schaalen Witz enthält,
Durch Sinn beschäftigt, durch den Ton gefällt.

Mathilde. Der schlanke Herr im Egmontsanzug, dächt' ich,
Bewies sich dir als solcher Worte mächtig.

Klara. Ach man versteht sich kaum bei diesem Lärmen.

Mathilde. Ihr schient mir doch schon ziemlich tief im Schwärmen.

Klara. Er scheint ein Mann von Bildung und Verstand,
Zumal für einen, den das platte Land
Auf seinem Gut seit Jahren festgehalten.
Er muß es selbst und ganz allein verwalten,
Nur einmal wöchentlich läßt er die Zeitung holen,
Drei Meilen weit – er wohnt ganz dicht an Polen.

Mathilde. Schau, schau, wie viel er dir schon anvertraut.
Es scheint, der Lärm war doch nicht allzu laut.
Du Schelmin du! Ich hab dich im Verdacht,
Daß du dich seinetwegen hergemacht.
Du hoffst, er werde dich im Saal vermissen
Und willst von ihm vermutlich mehr noch wissen.

Klara. Was fällt dir ein!

Mathilde.                         Je nun, warum denn nicht?

Klara. Zu welchem Zweck? Du kennst ja meine Pflicht
Nach jenem wunderlichen Testament
Das mich zur Erbin Sonnensteins ernennt,
Sobald ich mit dem Manne mich vermählt
Den der Verstorbene mir ausgewählt.
Er ist mir zwar noch völlig unbekannt;
Allein ich wäre wirklich überspannt,
Ihm unbesehens einen Korb zu reichen
Und so für ihn mein Erbrecht selbst zu streichen.
Du weißt es, morgen werden wir uns finden;
Soll heute mir das Herz die Hände binden?

Mathilde. Das würde mich von dir nicht sehr erstaunen;
Ein Herz wie deins hat sonderbare Faunen.
Ich glaube, daß ein mäßig hübscher Mann,
Wofern er klug und klangvoll reden kann,
Dein Herz, bei diesem Testamentsgebote,
Gerade heut noch mehr denn sonst bedrohte;
Denn Angenehmes reizt ganz unerklärlich
Wo wir es selbst erkennen als gefährlich.

Klara. Genug davon. – Wo blieb dein Muselmann,
Der Advokat? Gefällt er dir?

Mathilde.                                       Geht an.

Klara. Sei ehrlich, Schwesterlein! – Mir kommt es vor,
Als ob – als ob – Laß deinen Puls mich fühlen.

Mathilde. Ach was, er ist ein unentschlossner Thor
Der sitzen will und zwischen zweien Stühlen
Sich nicht entscheiden kann – so bleibt er stehn.

Klara. Ich meinerseits verzeih' ihm dies Vergehn;
Du magst ihn zum – gesetzten Manne machen.

Mathilde. Ja, liebe Klara, du, du hast gut lachen,
Dir Glückskind wird ein Gut von großem Werth
Und obendrein auch noch ein Mann bescheert.

Klara. Die Hälfte wäre mehr in diesem Fall;
Die andre zög' ich vor nach eigner Wahl.

Mathilde (spitz, forschend.)
Träfst du sie heut, auf diesem Maskenballe?

(Trompetenstoß hinter der Scene.)

Klara. Horch, schon zum Demaskiren das Signal.
Wie schnell die Zeit vergeht! Wir müssen fort.

Mathilde. Noch lange nicht.

Klara.                                   Du gabst mir doch dein Wort,
Sobald man demaskirt zurückzukehren
In unsre Nummer Sechs im goldnen Pfau;
Denn wenn wir morgen halb im Schlafe wären . . .

Mathilde. Entsetzlich wär' es bei der Bräutgamsschau!
Auch halt ich dir mein Wort. Die Hornfanfare
Rief zur Quadrille die Zigeunerpaare.

(Musik hinter der Scene.)

Jetzt geht sie los – das ist die große Runde –
Bis zwölf ist's fast noch eine volle Stunde. –
Rasch, nimm die Maske vor, dein Egmont naht.

Klara. Und dort erscheint dein Türkenadvokat.

Mathilde. Dir höchst erwünscht, von mir dich zu befrein.

Klara. Nein, du magst hier bei deinem Türken bleiben,
Ich will mir schon im Saal die Zeit vertreiben.

(ab.)

 
Vierter Auftritt.

Mathilde, Robert.

Mathilde. Du trägst bereits die Maske in der Hand?

Robert. Für dich; du hast mich doch schon längst erkannt.

Mathilde. Du thust verlegen, würdiger Muselmann?

Robert. War's deine Schwester nicht die dort entrann?

Mathilde. Nein, Ich entrann und meine Schwester blieb.

Robert. Und wohin zielt der fabelhafte Hieb?

Mathilde. Auf deine Kenntniß, Türke, von uns Beiden;
Du kannst ja zwischen uns noch nicht entscheiden.
Du wolltest erst uns Beide ruiniren
Durch den Proceß; – dein Kunde muß verlieren,
Da kommst du zum Vergleich und spielst den Zahmen!
Nun kennst du aus den Acten unsre Namen,
Doch welche hier Mathilde, Klara sei,
Das weißt du nicht, auch scheint's dir einerlei.
Als Eine nur der beiden Gegnerinnen
Erkannte mich dein Ohr; doch dich besinnen
Ob jetzt die Braune oder Blonde spricht
Mit meinem Kehlenton – das kannst du nicht.

Robert. Du sorgtest daß das Augenzeugniß fehle,
Hast auch dein Haar versteckt im Pudermehle.

Mathilde. Und Sinn für dich hat so der Widersinn
Daß ich für dich auch meine Schwester bin.

Robert. Ihr fangt euch dennoch an für mich zu trennen:
Beim rechten Namen weiß ich dich zu nennen.
Da deine Schwester sich in dieser Nacht
Für Egmonts Klärchen ausgibt in der Tracht,
Wird sie wohl schwerlich selber Klärchen sein
Und Klara heißest du.

Mathilde.                           Was bist du fein.
Ja, solch ein Geist weiß Alles auszuspüren.

Robert. Auf Maskenbällen will man irreführen . . .

Mathilde. Auch sonst ist das ein Hauptgeschäft bei Vielen.

Robert. Und was er ist, will Niemand gerne spielen.

Mathilde. Und dennoch trägst du Turban, Sultansbart,
Und bist ein Türk' auch in der Sinnesart! –
Ich wüßte dir noch Bessres vorzuschlagen,
Um klar dein Innerstes zur Schau zu tragen.

Robert. So sprich.

Mathilde.               Zur Linken trag' ein Bündel Stroh,
Und rechts ein Bündel Heu.

Robert.                                         Wie so, wie so?

Mathilde. Dazwischen einen Kopf mit langen Ohren,
Der jegliche Bewegungskraft verloren,
Weil, wenn er Stroh begehrt, alsbald die Reue
Gleich stark den Hals zurückzieht nach dem Heue.

Robert. Merkwürdiger Geschmack des Gleichnißmanns!
Das Gleichniß selbst ist sonst nicht eben neu.

Mathilde. Du hörtest schon vom Esel Buridans?

Robert. Ja wohl; – doch sprich, wer ist hier Stroh, wer Heu?

Mathilde. Die Frage war – galant.

Robert.                                           Das Gleichniß – artig.
Doch nun genug; denn allzuscharf macht schartig
Und – höchst erwünscht ist mir mit dir der Friede.

Mathilde. Warum?

Robert.                   Ich rücke vor im Unterschiede;
Zerlegt ist mir die Doppelgängerin:
Ich spür' in dir die Herzensfängerin.

Mathilde. Das muß ich mir verbitten, lockrer Zeisig!
Ich stelle dir doch wahrlich keine Ruthen.

Robert. Thu nicht so spitz mit einemmal und eisig;
Ich mein' es ganz im Ernst und ganz im Guten.
Dein muntres Wesen und dein Witz besticht –
Ich bitte, zeige mir auch dein Gesicht.

Mathilde. Warum nicht gar! Wozu?

Robert.                                             Ich möchte lesen
In deinen Augen, ob du mir dein Wesen
Gezeigt hast, oder nur dein Ideal.
Denn wie man für ein Fest nach langer Wahl
Sich putzt mit einem vortheilhaften Kleide
Und es besetzt mit sudelndem Geschmeide,
So kann man in erregten Augenblicken
Sein Alltagsherz zuweilen festlich schmücken;
Die frohe Laune wird zum Juwelier
Und leiht dem Geist des Witzes blanke Zier;
Ein Rausch wie Glück umgibt uns mit dem Schein
Als ob man wäre, was man wünscht zu sein,
Doch daß man eine Stunde lang entzücken kann,
Beweist nicht, daß man dauerhaft beglücken kann.

Mathilde. Du willst mich darauf an den Augen prüfen?

Robert. Sie sind der Seele Feuerhieroglyphen;
Doch ihre Geltung bleibt uns unbekannt
Und unaussprechlich, wie der Consonant
Dem der Vocal fehlt, bis wir Augenbrauen,
Mund, Nase, Stirn zugleich mit ihnen schauen.
Drum zeige mir dein Antlitz unverhüllt;
Dein eigner Wunsch ist dann erst ganz erfüllt.

Mathilde. Ei, welcher?

Robert.                           Einfach vor mir dazustehn
Vermagst du ganz erst wann ich dich gesehn.
Vernimm es denn: Dich hat mein Herz erkoren,
Doch es geschah visier nur durch die Ohren.
Als Stimme bist du mir schon Du allein,
Gestalt, Gesicht, hast du für mich von Zwein.
O sei mir länger nicht ein – halbes Paar!
Was zauderst du? Der Aufschub hat Gefahr;
Sonst spielt die Phantasie mir einen Streich
Und ich verliebe mich in Zwei zugleich.
Sie stellt mir vor, bis ich zulegt drauf schwöre,
Zu Klaras Witz und Munterkeit gehöre
Der Kopf der auf Mathildens Nacken sitzt,
Das Feuer, das aus ihren Augen blitzt.

Mathilde. Besahst du doch Mathilden minder flüchtig?
Nimm dich in Acht, ich werde eifersüchtig.

Robert. Da siehst du selbst, der Zwiespalt ist gefährlich;
Zum Glück ist mir dein Anschaun unentbehrlich.
Wird mir von Jeder eine Hälfte theuer,
So lieb' ich ein unmöglich Ungeheuer;
Der Wahnsinnswunsch ergreift mich, von euch Beiden
Die Hälften meines Traumbilds abzuschneiden.

Mathilde. Entsetzlich wär's!

Robert.                                   Verhüte diese Qual
Und gib auch Leib dem Geiste meiner Wahl,
Sonst bleibst du mir ein reizendes – Gespenst.

Mathilde. Nein; sehen will ich, ob du mich erkennst
Beim ersten Blick und vor dem ersten Worte,
Wenn wir uns nächstens unmaskirt begegnen.
Dann gib mir, stumm, dies Endchen Silberborte;
Wenn Ich es bin, so will ich dem Verwegnen,
Der einen Maskenscherz zum Faden spinnt
Zur Leitung durch des Lebens Labyrinth,
Vielleicht auch mir –, dies dreiste Spiel verzeih'n, –
Wohl gar zum fernern Spiel sein Partner sein. –
Ade, mein Antlitz darfst du heut nicht schauen;
Doch – was du wecktest, hege selbst: – Vertrauen.

(ab.)

Robert. Ich glaub', ich bin ein wenig angebrannt
Und malte mir den Teufel an die Wand.
Ich leugn' es nicht, es reizt mich einigermaßen
Mit diesem Schalk mein Leben zu verspaßen;
Doch senk' ich mir in's tiefste Herz die Sonde,
So spür ich's, daß ein ärgerliches Brummen
Darin durchaus nicht Lust hat zu verstummen:
Weshalb muß sie just Klara sein, die Blonde? –
Wer sagt mir freilich sicher, daß sie's ist?
Denn Puder deckt ihr Haar. – O Weiberlist!
Allein ich merkt' es noch zu meinem Glücke.
Das blonde Haar der Andern ist Perücke.

Ganz unentschieden blieb ich, das ist wahr,
Als ich zuerst gesehn das Schwesternpaar;
Doch wenn ich nun erinnernd rückwärts denke,
So spür' ich's doch, daß ich den Vorzug schenke
Der Stirn Mathildens, hoch und unerschrocken,
Den schwarzen Augen und den braunen Locken. –
Hier liegt mein Geist und dort mein Sinn in Fesseln,
Ich, ihr Compositum, ich lieg' in Nesseln.
Im Ernst beginn' ich ungereimt zu sein;
Ich bin decomponirt, entzweigerissen –
Wie leim' ich mich um nicht – geleimt zu sein? –
Ein Türke würde sich zu helfen wissen; –
Wir dürfen höchstens auf der Maskerade
Die Türken spielen. 's ist doch jammerschade!

(ab.)

 
Fünfter Auftritt.

Heinrich, Klara.

Heinrich. O folge dreist, hier wird uns Niemand stören.

Klara. Es thut mir innig wohl dir zuzuhören;
Doch ungern dächt' ich morgen: dieses Alles
War ein Erlebniß nur des Maskenballes;
Vergiß was gestern durch die Seele zog
Als einen Scherz gleich andern Fastnachtsscherzen. –
Zu fallen bangt mir; denn wir fliegen hoch.

Heinrich. Wir haben eben Flügel an den Herzen;
Sie grüßten sich als Herzen gleicher Art
Und schweben auf in seeliger Himmelfahrt.

Klara. O laß uns nicht die Erde ganz versäumen;
Wir träumen wunderschön, allein wir träumen.
Die Wünsche steigen als erfüllte Pflichten
Herab gleich Engeln auf der Jacobsleiter, –
Erwachen wir, dann heißt es nur: Verzichten.

Heinrich. Verstummst du schon?

Klara.                                           Was sinnst du?

Heinrich.                                                               Rede weiter,
Du Zauberin voll sanfter Allgewalt,
Du Himmelston in menschlicher Gestalt.
O laß der Pflichten kalt verständige Enge.
Entzücke mich durch reine Himmelsklänge.
Nicht Worte sind es, was mich so bewegt: –
Im Heiligthum, das deine Brust umhegt,
Da hängt dein Herz als wunderbare Glocke
Und wann du sprichst, so hört mein Ohr sie läuten
Als ob sie mich hinein zur Andacht locke.

Klara. In Wenig weißt du Viel hinein zu deuten.

Heinrich. Ich lege nichts hinein, nur auszulegen
Versteht mein Ohr was in der Stimme liegt.
Hinweg, du kühles Rechnen und Erwägen,
Wer wagt gewinnt! Ich wag's, der Würfel fliegt.

Klara. Was hast du plötzlich?

Heinrich.                                 Eine Schicksalsfrage.
Genügt auch dir dies holde Einverständnis
Zum festen Bund für alle Lebenstage?

Klara. O sei nicht vorschnell! Das ist Sinnverblendniß,
Ist arger Leichtsinn, nicht mehr leichter Sinn.
Du weißt ja gar nicht wer und was ich bin.

Heinrich. Ich glaub' an dich auf deine Stimme hin
Die mir das Herz wie Sonnenschein durchdrang
Als deiner Lippen erster Laut erklang
Und mächtig riß mich jedes weitre Wort
Durch milde Anmuth, süßen Wohllaut fort.
Ich fühlte mich von einem feinen Geist
Rings wie mit Zauberlinien umkreist,
Die näher mir und immer näher kamen
Und mich in Seligkeit gefangen nahmen.
Nun sag' ich's dreist, ich würde voll Vertrauen
Mein Lebensglück auf deine Liebe bauen.

Klara. Du wirbst um mich bevor du mein Gesicht
Gesehen hast?

Heinrich.                 Ich leiste drauf Verzicht.
Ich weiß die Züge, die es haben muß.
Der Geist erschafft die Form; nichts als den Guß
Des Menschenbildes übernimmt Natur;
Er zeichnet vor, sie fügt die Stoffe nur
Nach seiner Wahl, nach seinem Plan und Riß
Zum schönen Bau. Drum bin ich ganz gewiß,
Daß auch mein Auge rasch und unbeirrt
Beim ersten Blicke dich erkennen wird.

Klara. Wir wollen sehn. Es könnte dennoch fehlen;
Erst prüfen soll man und das Beste wählen.

Heinrich. Ein Märchen ist des Menschen freie Wahl;
Er will nur da, wo Stärkeres befahl.
Das was da strebt und sucht in unsrer Brust
Ist nur ein unbestimmter Drang nach Lust,
Ein Wunsch, ein Sehnen, eines Glückes Traum;
Doch lenkt dies Streben kein Gedankenzaum.
Ein Sinnenreiz im rechten Augenblick –
Und vorgezeichnet siehst du dein Geschick:
Wie hoch sich auch die Hindernisse thürmen,
Du mußt an's Ziel mit allen Kräften stürmen:
Berechne, prüfe, – deine stolzen Pläne
Zerstört ein Lächeln, eine Frauenthräne.
Zum letzten Ausschlag ist ein Athemzug,
Ein Blick, ein Ton, ein Händedruck genug.
In allen großen wichtigen Entschlüssen
Bewegt uns ein geheimnißvolles Müssen.
So muß ich nun. O glaube mir. Schlag' ein.
Erkenn' ich dich, so sei für immer mein.

Klara (empfindlich).
Du selbst gestehst, es habe dein Verlangen
Mit einem Sinnenreiz nur angefangen.
Mich lehrt mein Stolz, mit meinem Selbst zu geizen,
Ich folge nicht, wo nur die Sinne reizen.

Heinrich. Es ward einmal in dieser bunten Welt
Als Urgesetz der Liebe festgestellt
Mit aufgeregten süß berauschten Sinnen
Den edeln Tausch der Seelen zu beginnen.
Das aber ist ein Irrthum, daß die Augen
Zum ersten Botendienst am besten taugen.
Nur allzuhäufig sind die schönsten Züge
Doch weiter nichts als eine holde Lüge.
Das Antlitz gilt als allgemeiner Paß;
Das weiß der Eigner und im Spiegelglas
Studirt er diesen Paß alltäglich, stündlich
Und lernt dabei die Kunst der Fälschung gründlich.
Er merkt sichs, welches Lächeln wohlgefiel,
Er lernt für jeden Zweck das Mienenspiel.
So wird ihm sein Gesicht ein Instrument
Auf dem die Seele jede Taste kennt.
Drum sind wir masken los in höherm Grade
Maskirt als jemals auf der Maskerade.
Das Ohr dagegen läßt das tiefste Wesen
Der Seele dich mit deiner Seele lesen.
Ob den Gedanken auch das Wort verhülle,
Erheucheln läßt sich keine Wohllautsfülle;
Bist du nicht selbst voll schöner Harmonie,
Durch Kunst erlernt sie deine Kehle nie.
Wie jegliches Atom der Saite schwingt
Und deutlich offenbar wird wann sie klingt,
So wird der ganze Mensch untrüglich wahr
In seiner Stimme Klang uns offenbar.

Und so bist du mir offenbar geworden;
Ein mehr verwandtes Wesen find' ich nie.
Mein Leben wird zu jubelnden Akkorden,
Denn du gibst ihm die rechte Melodie.

Klara. Halt ein, halt ein! Ich darf nicht länger lauschen,
Es würde rettungslos mein Herz berauschen.
Sei was du scheinst, ein wahrhaft edler Mann,
Entlaß mich nun aus deinem Zauberbann.
Erwirb mich ganz, nur wolle mich nicht rauben,
Ein Abfall wär's von deinem Wunderglauben.
Er droht auch meine Seele zu begleichen,
Doch ich erwart' ein zweites Wunderzeichen:
Geloben wir, uns nirgend nachzuspüren
Und nur dem Himmel sei's anheimgestellt
Zum zweiten Mal zusammen uns zu führen
Als Bürgschaft, daß ihm unser Bund gefällt.
Wenn wir uns wieder ungesucht begegnen
Und ohne Augenkenntniß doch erkennen
Dann – (stockt)

Heinrich.     Dann?

Klara.                     Dann will ich diese Stunde segnen . . .

Heinrich. Und?

Klara.               Wenn ich darf, mich nimmer von dir trennen.

Heinrich. So gib mir irgend ein Erkennungszeichen
Und nimm von mir dazu in Pfand den Ring.

Klara. Ich will dir auch ein Ringlein überreichen, –
Bewahr' es wohl, – du . . .

Heinrich.                                   Was?

Klara.                                                   Du – (sehr leise) lieber – Sonderling!
          (will gehn.)

Heinrich. O geh noch nicht! Sieh her!
          (Zieht den Vorhang des Altans auf.)
                                                      Daß diese Stunde
Scharf eingeprägt auf tiefstem Seelengrunde
Nicht Worte nur und Klänge hinterlasse,
Nein, auch ein Bild in ihren Rahmen fasse,
Schau hier hinaus zum offenen Altane.
Zwar Winter ist's, die Berge drüben kahl;
Doch sieh, dort schwimmt gleich einem Silberkahne
Die Mondessichel hin. Ihr Zitterstrahl
Trifft unter uns den eisbefreiten Rhein
Und überbrückt ihn mit dem Wiederschein.
Mir ist, als lockt mich diese Strahlenbrücke
Mit dir hinüber zu dem schönsten Glücke.
Und dort, dem Monde nah, zur rechten Hand,
Da funkelt prachtvoll wie ein Diamant
Des Himmels schönster Stern, der Sirius.
Uns Beiden winkt er einen holden Gruß;
Denn glaube mir, sein wechselnd Farbenspiel
Hat unsre Augen hier zum letzten Ziel.
Auch er mag droben wohl Planeten führen,
Als Weltensonne reiches Leben schüren;
Allein in all den unbegriffnen Weiten
Die seine Strahlen zauberschnell durchgleiten,
Hat doch sein Licht nichts Schöneres zu thun
Als hier in unsern Augen auszuruhn;
Denn reicher weit als alle Himmelskerzen
Sind zwei beglückte kleine Menschenherzen.

Klara. Du kannst für dich die Sterne reden lassen
Und was du fühlst in schöne Worte gießen, –
Was mich erfüllt, – ich weiß es nicht zu fassen –
Ich danke dir! – So laß den Tag uns schließen.

Heinrich. So lebe wohl.

Klara.                             Leb wohl, wir müssen scheiden.

Heinrich. Ein süßes Wörtchen noch, mein Ohr zu weiden!

Klara. So sage dir ein altes schlichtes Lied
Was mir unsäglich durch die Seele zieht.
 
           Wann Zwei sich lieben
           Von ganzem Herzen,
           Die müssen ertragen
           Der Trennung Schmerzen.
 
           Wann Zwei sich lieben
           Aus tiefster Seele,
           Die müssen glauben
           An Himmelsbefehle.
 
           Wann Zwei sich lieben
           Mit Gottesflammen,
           Geschieht ein Wunder
           Und bringt sie zusammen.

(ab.)

Heinrich.
           Wann Zwei sich lieben
           Mit Gottesflammen
           Geschieht ein Wunder
           Und bringt sie zusammen.

Vorhang fällt.


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